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Ueber die Messung der Wellenlänge des ultravioletten Lichtes, von £. Esselbach. 1855 78 LIY. Mathematisch-physikalische Ezcurse. 1867 88 LV. Ueber die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Mikroskope. 1873 183 LVI. Die theoretische Grenze für die Leistungsf^ihigkeit der Mi- kroskope. 1874 185 Lyn. Zur Theorie der anomalen Dispersion. 1874 213 Physiologische Oi>tik. LVlii. Beschreibung eines Augenspiegels zur Untersuchung der Netzhaut im lebenden Auge. 1851 229 LIX. Ueber eine neue einfachste Form des Augenspiegels. 1852. 261 LX. Ueber eine bi^er unbekannte Veränderung am menschlichen Aujo^ bei veränderter Accommodation. 1858 280 LXI. Ueber die Accommodation des Auges. 1856 283 LXII. Ueber Farbenblindheit. 1859 346 LXIIL Ueber die Contrasterscheinungen im Auge. 1860 . . . 350 LXIV. Ueber die Bewegungen des menschlichen Auees. 1863 . 352 LXV. Ueber die normalen Bewegungen des menschuchen Auges. 1863 360 LXVl. Ueber die Form des Horopters, mathematisch bestimmt. 1862 420 LXVn. Ueber den Horopter. 1864 427 LXVlll- Bemerkungen über die Form des Horopters. 1864 . . . 478 LXIX. Ueber den Einfluss der Raddrehung oer Augen auf die Projection der Retinalbilder nach Aussen. 1864 .... 482 LXX. Das Telestereoskop. 1857 484 LXXI. Ueber stereoskopisches Sehen. 1865 492 LXXn. Ueber die Bedeutung der Convergenzstellung der Augen fiir die Beurtheüung des Abstandes binocular gesehener Objecte. 1878 497 Physiologische Akustik. LXXm. Ueber die Mechanik der Gehörknöchelchen. 1867 ... 503 LXXIV. Die Mechanik der Gehörknöchelchen und des Trommel- feDes. 1869 515 LXXV. Ueber die SchaUschwingungen in der Schnecke des Ohres. 1869 582 VI Inhaltsübersicht zum zweiten Bande. Erkenntnisstheorie. 8«{te LXXVI. Ueber die Natur der menschlichen Sinnesempfindungen. 1852 591 LXXVII. Ueber die thatsächlichen Grundlagen der Greometrie. 1866 610 LXXVIII. Ueber die Thatsachen, die der Greometrie zum Grunde liegen. 1868 618 LXXIX. Ueber den Ursprung und Sinn der geometrischen Sätze; Antwort gegen Herrn Professor Laud. 1878 .... 640 Physiologie. LXXX. De Fabrica Systematis nervosi Evertebratorum. 1842. 66S LXXXI. Wärme, physiologisch. 1845 680 LXXXII. Ueber das Wesen der Fäulniss und Gährun^. 1848 . 726 IJ^XXIII. Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskelaction. 1845. 735 LXXXIV. Ueber die Wärmeentwickelung bei der Muskelaction. 1847 745 LXXXV. Messungen über den zeitlichen Verlauf der Zuckung animalischer Muskeln und die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Reizung^ in den Nerven. 1850 . . . . 764 LXXXVI. Messungen über Fortpflanzungi^eschwindigkeit der Reizung in den Nerven. Zweite Reihe. 1852 . . . 844 LXXXV II. Ueber die Methoden, kleinste Zeittheile zu messen, und ihre Anwendung für physiolo^sche 2^ wecke. 1850 . 862 LXXXVIII. Ueber die Geschwindigkeit eimger Vorgänge in Mufi^eln und Nerven. 1855 881 LXXXI X. Die Resultate der neueren Forschungen über thierische Elektricität 1852 886 XC. Versuche über das Muskelgeräusch. 1864 924 XCI. Ueber den Muskelton. 1866 928 XCII. Mittheilungen, betreffend Versuche über die Fortpflan- zungsgeschwindigkeit der Reizung in den motorischen Nerven des Menschen, welche Herr N. Baxt aus Peters- burg im Physiologischen Laboratorium zu Heidelberg ausgeführt hat. 1867 932 XCIII. Neue Versuche über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den motorischen Nerven der Menschen, ausgeführt von N. Baxt aus Petersburg. 1870 . . . 939 XCIV. Ueber die Zeit, welche nöthig ist, damit ein Gresichts- eindruck zum Bewusstsein kommt, Resultate einer von Herrn N. Baxt im Heidelberger Laboratorium ausge- führten Untersuchung. 1871 947 XCV. Ueber die Bewegungen des Brustkastens. 1856. . . 958 XCVI. Die Wirkungen der Muskeln des Armes. 1856 . . . 955 Nachtrag neunter Abhandlungen. XCVH. Die Thermodynamik chemischer Vorgänge. 1882 . . 958 XCVin. Zur Thermodynamik chemischer Vorgänge. 1882 . . 979 IC. Ueber absolute Maassysteme für electrische und mag- netische Grössen. 1882 993 Personen-Register 1006 Sacb-R^ster 1011 Druckfehlerverzeichniss 1020 Nachweis zu den am Ende des Bandes befindlichen Figurentafeln. Da der Text vor den Tafeln fertig gestellt wurde, sind Irrthümer in den Beziehungen zwischen Text und Tafeln voigekommen , welche man hiemach zu berichtigen bittet Tafel I Fig. 1—5 gehören zu Abhandlung LI, Fig. 14 und 15 zu Ab- handlung LXXXIY . (Auf Seite 749 als Tafel IV bezeichnet ) Tafel U gehört zu Abhandlung LXXXVI. (Im Text ohne Bezeichnung.) Tafel UI gehört zu Abhandlung LXI. Tafel IV gehört zu Abhandlung LVm. (Im Text als Tafel I bezeichnet.) Tafel V gehört zu Abhandlung LXXXV. ••■■■■ — »- Physikalische Optik. Halmbolts, wiitexiteh. Abhandlungen. II. XLIX. lieber die Theorie der zusammengesetzten Farben. Aus: Poggendorff's Annalen der Phjsik und Chemie. Bd. 87. S. 45—66. — J. Müller*s Archiv für Anatomie und Physiologie. Jahrgang 1852. S. 461—482. Habilitationsschrift. Die Lichtstrahlen yerschiedener Wellenlänge und Farbe «s unterscheiden sich in ihrer physiologischen Wirkung dadurch wesentlich von den Tönen verschiedener Schwingungsdauer und musikalischer Höhe, dass je zwei der ersteren, gleichzeitig auf dieselben Nervenfasern einwirkend, eine einfache Empfin- dung hervorbringen, aus welcher auch das geübteste Sinnesorgan nicht mehr die einzelnen zusammensetzenden Elemente erkennen kann, während zwei Töne durch ihr Zusammenwirken zwar die eigenthümlichen Empfindungen der Harmonie und Disharmonie erzeugen, aber dabei doch stets vom Ohre einzeln empfunden und erkannt werden. Diese Vereinigung der Eindrücke zweier Yerschiedener Farben zu einem einzigen neuen Farbeneindruck ist offenbar ein rein physiologisches Phänomen und hängt nur von der eigenthümlichen Beactionsweise des Sehnerven ab. Objectiv im rein-physikalischen Gebiete findet eine solche Vereinigung niemals statt, die Strahlen verschiedener Farben gehen vielmehr stets ohne allen gegenseitigen Einfluss neben einander her, und wo sie dem Auge auch vereinigt erscheinen sollten, sind sie durch physikalische Mittel stets von einander zu scheiden. Die Untersuchung des Zusammenwirkens der Farben hat auf die Lehre von den Grundfarben geführt, aus denen alle anderen combinirt wären, oder wenigstens combinirt werden 4 Physikalische Optik. könnten. Man hat diese Lehre aber von Anfang an nur auf eine einzige Art von Erfahrungen gegründet, nämlich auf die- jenigen, welche durch die Mischung der Farbstoffe gewonnen waren und von denen man stets annahm, dass sie dieselben Resultate geben müssten wie die Zusammensetzung des ge- 46 färbten Lichtes selbst, eine Annahme, deren Unrichtigkeit ich im Folgenden nachzuweisen beabsichtige. Schon Plinius spricht davon, dass die ältesten griechischen Maler mit vier Farbstoffen alles darzustellen gewusst hätten, während man in seiner Zeit deren viel mehr besässe und da- mit doch nicht so viel, wie Jene, leistete. Leonardo da Vinci, ebenso berühmt als wissenschaftlicher Bearbeiter der Malerei, wie als Künstler, kennt noch nicht die Lehre von den drei sogenannten Grundfarben, er nennt ausser Schwarz und Weiss, welche jedoch nicht im eigentlichen Sinne Farben wären, vier, nämlich Gelb, Grün, Blau und Both. Die nach- her allgemein angenommenen drei Grundfarben, Roth, Gelb und Blau, finden sich, und zwar, wie es scheint, als eine damals allgemein anerkannte wissenschaftliche Thatsache, einem Ver- such zur Classification der Farben und Farbstoffe von Waller zu Grunde gelegt in den Philosophical Transactions des Jahres 1686, also noch vor Kewton's Untersuchungen über die Zerlegung des weissen Lichts durch das Prisma, zu einer Zeit, wo man eben noch keine andere Methode Farben zu- sammenzusetzen kannte, als die Mischung der Farbstoffe. Auch in den späteren Versuchen, die natürlichen Farben nach ihrer Zusammensetzung aus den genannten drei Ghrundfarben zu classificiren, von Castell, dem Astronomen Mayer, Lam- bert, Hay, Forbes^) wird überall die Mischung der Farb- stoffe zu Grunde gelegt. Als Repräsentanten der Grundfarben imd zur Darstellung der zusammengesetzten Mischfarben ge- braucht Mayer Zinnober, Königsgelb, Bergblau, Lambert Oarmin, Gummi-Gutti und Berliner-Blau, welche schon reinere *) P. Castell, Farbenclavier. — Mayer, in Göttinger geL Anzeigen. 1758. St. 147 — J. H. Lambert, Beschreibung einer Farbenpyramide. Berlin, 1772. (Darin ist auch die ältere Literatur zusammengestellt.) — D. B. Hay, NomenelcUure qf Coloura, — J. D. Forbes in PhilosopMeal Magazine VoL XXXIV. p. 161. Zusammengesetzte Farben. 5 Mischungen geben, und Hay, dessen Geschicklichkeit in der Wahl und dem Gebrauche der Farben f&r diesen Zweck 47 Forbes besonders rühmt, Carmin, Chromgelb und französisches ultramarin. flinige Physiker versuchten es auch, den drei Grundfarben eine objective Existenz anzuweisen. Es war zuerst Mayer, der die Ansicht aufstellte, den drei Grundfarben könnten wohl dreierlei verschiedene Arten Licht, ein rothes, ein gelbes und ein blaues entsprechen, deren jedes Strahlen von allen Ab- stufungen der Brechbarkeit lieferte. Es wäre demnach an jeder Stelle des Spectrums rothes, gelbes und blaues Licht gemischt, die sich aber nicht durch ihre Brechbarkeit unterschieden und sich deshalb durch das Prisma nicht trennen Hessen. Am rothen Ende des Spectrums sollte das rothe Licht überwiegen, am blauen das blaue, in der Mitte das gelbe. Dieselbe Ansicht wurde später von D. Brewster aufgestellt, und dieser berühmte Physiker glaubte durch Absorption in gefärbten durchsichtigen Mitteln die Trennung der verschiedenen Arten des Lichtes in allen Theilen des Spectrums wirklich be- werkstelligen zu können. Newton hatte, nach seiner Entdeckung der Zusammen- setzung des weissen Lichtes aus farbigem, sieben Hauptfarben im Spectrum angenommen: Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau, Lidigo, Violett Er wählte diese Zahl wahrscheinlich wegen der Analogie, die er zwischen den Farben und den musikaU- schen Intervallen der Durtonleiter suchte, und die er auch der bekannten Eintheilung seiner siebenfeurbigen Scheibe zu Grunde legte. Wohl nur deshalb hat er Blau und Lidigoblau unter- schieden. Dass er diese Unterscheidung gerade in den blauen Farbentönen vornahm^ liegt wohl daran, dass die meisten Prismen die blaue Hälfte des Spectrums unverhältnissmässig ausdehnen, und Newton die Breite der Farbenstreifen unmittelbar mit den musikalischen LitervaUen vergleichen wollte. Uebrigens musste er sich mit sehr unvollkommenen Apparaten behelfen, und konnte deshalb auch nur wenige Beobachtungen über die Resultate künstiücher Vereinigung von zwei oder mehreren prismatischen Farben anstellen, welche im Ganzen mit den aus der Mischung von Farbstoffen entnommenen übereinzu- «s 6 Physikalische Optik. stimmen schienen. Auch er benutzt daneben die Resultate der Vermischung farbiger Pulver. Newton hat seine Spectra stets mit Sonnenlicht darge- stellt und nicht die Methoden angewendet, welche nöthig sind um ganz vollständige Trennung der verschiedenfarbigen Strahlen zu erhalten, deshalb auch nicht die Fraunhofer'schen Linien im Sonnenlichte gesehen. Wollaston^) stellte zuerst ein so reines Spectrum dar, dass einige dieser Linien darin gesehen werden konnten. Er blickte nach einer feinen Spalte, welche Tageslicht einfallen liess, durch ein sehr gutes Flintglasprisma mit unbewaffiietem Auge hin, und sah, wie es unter diesen Umständen in der That der Fall ist, vier gut abgegrenzte Farbenstreifen im Spectrum: Roth, Gelbgrün, Blau und Violett. Es ist nämlich der üebergang von röthlichem Orange durch Orange und Gelb in Gelbgrün, der von Grün in Blau und von Blau in Violett im Flintglasspectrum so schnell, dass er ohne Anwendung eines vergrössemden Femrohres dem Auge fast verschwindet Dabei begrenzen die Fraunhofer'schen Linien G und H das Violett auf beiden Seiten sehr scharf, der üeber- gang von Grün in Blau wird durch die Linien b und i^markirt, und der an sich schon sehr schmale Streifen des reinen Gelb ist im reflectirten Himmelslichte verhältnissmässig lichtschwach, sodass es gegen das stärkere Roth und Grün zurücktritt, und diese beiden Farben unmittelbar aneinander zu grenzen scheinen. Wollaston nimmt deshalb vier Grundfarben an: Roth, Grün, Blau, Violett Thomas Young tritt Wollaston's Beschreibung des Spectrums bei und verändert darnach seine Theorie des Farben- sehens, welche er zuerst auf die gewöhnlich angenonunenen drei Ghrundfarben: Roth, Gelb und Blau gegründet hatte, in- dem er dafür jetzt Roth, Grün und Violett setzt, wobei man voraussetzen muss, dass er gewusst habe, aus prismatischem 40 Roth und Grün lasse sich Gelb, aus prismatischem Grün und Violett Blau mischen. Die erwähnte Theorie von Young ist wichtig, weil darin den drei Grundfarben eine bestimmte physio- logische Bedeutung untergelegt wird. Er nimmt an, dass die 1) Fhüos, Transaet, 1802. P. IL p. 878. Zusammengesetzte Farben. 7 an der Oberfiäche der Betina gelegenen Theilchen eigenthüm- licher Schwingungen fähig wären, und dass an jeder Stelle Theilchen Yon dreierlei verschiedener Schwingongsdauer sich neben einander vorfänden, entsprechend den Oscillations- geschwindigkeiten der drei Grundfarben, Violett, Grün und Koth, welche im Yerhältniss wie 7, 6 und 5 ständen. Wäre die Schwingungszahl eines Lichtstrahls 6, so würde er bloss auf die rothempfindenden Nervenenden wirken; wäre sie 5^/,, so würde er gleichzeitig die roth- und die grünempfindenden anregen und dadurch die gemischte Empfindung des Gelb her- vorbringen u. s. w. Uebrigens habe ich ebenso wenig wie Forbes, bei New- ton's Nachfolgern bis in die neueste Zeit Versuche über die Mischung einzelner prismatischer Farben gefunden. Es scheint, dass man die Sache stets durch die Mischversuche mit farbi- gen Pulvern als vollständig erledigt angesehen hat Ja, man hat sich sogar durch abweichende Besultate, welche der Farbenkreisel gab, nicht darauf aufinerksam machen lassen, dass hier Schwierigkeiten verborgen liegen. Die ZurückfÜhrung der Farben auf drei Grundfarben hat bei den verschiedenen Beobachtern dreierlei verschiedenen Sinn: 1) entweder, dass die Grundfarben solche seien, aus denen alle möglichen anderen zusammengesetzt seien, oder sich min- destens zusanmiensetzen liessen; 2) oder, wie bei Mayer und Brewster, dass die Grund- farben dreierlei objectiven Arten des Lichtes entsprächen; 3) oder, dass sie, wie bei Thomas Young, dreierlei ver- schiedenen Grundempfindungsarten der Sehnervenfasem ent- sprächen, aus denen die übrigen Farbenempfindungen sich zu- sammensetzten. Auf die zweite Ansicht und die Gründe, wodurch Brewster so sie zu stützen versucht hat, werde ich an einem anderen Orte zurückkommen, und glaube im Stande zu sein diese Ghründe zu widerlegen. Die beiden anderen Ansichten müssen aber jedenfalls an den prismatischen Farben, als den reinsten und gesättigtesten, welche wir kennen, geprüft werden. Das soll die Aufgabe vorliegenden Aufsatzes sein. 8 PhysikaliBche Optik. Das Mittel, dessen ich mich bedient habe, um sämmtliche Oombinationen aus je zwei emfachen Spectralfgurben herzu- stellen, ist folgendes: Ich schneide üi einen schwarzen Schirm zwei hinreichend schmale (V4 Linie breite) Spalten ein, welche zusammen ein Y bilden. Beide sind unter 45^ gegen den Horizont geneigt, stossen mit ihren unteren Enden zusammen, und schliessen somit einen rechten Winkel zwischen sich ein. Nach diesen Spalten sieht man aus genügender Entfernung (12 Fuss) durch ein Femrohr und Prisma hin. Das Prisma ist dicht vor dem Objectivglase des Femrohres in der Stellung der kleinsten Ablenkung befestigt, und die Kante seines brechen- den Winkels steht verticaL Es ist bekannt, dass man durch ein yerticales Prisma, nach einer yerticalen Spalte blickend, ein rechteckiges Spectrum sieht, in welchem die Farbenstreifen und die Fraunhofer'schen Linien vertical verlaufen.. Sieht man durch ein yerticales Prisma nach einer schiefen Spalte, so bekommt das Spectnim die Form eines schiefwinkligen Parallelogramms mit zwei horizontalen und zwei der schiefen Spalte parallelen Seiten. Die Farbenstreifen und Fraunhofer- schen Linien laufen natürlich hier auch der Spalte parallel. Sehen wir nach imserer zusammengesetzten Winkelspalte, so decken sich die Spectra seiner beiden Schenkel theilweise, und da in dem einen die Farbenstreifen von oben links nach unten rechts, im andern von oben rechts nach unten links verlaufen, so durchschneiden sie sich gegenseitig unter rechten Winkeln. Jeder Farbenstreifen des einen schneidet in dem beiden Spectren gemeiasamen Felde jeden des andern, und wir bekommen so- 61 mit gleichzeitig sämmtliche Oombinationen, welche aus je zwei einfachen Farben gebildet werden können. Da es darauf ankommt die Spalte in ihrer ganzen Aus- dehnung gleichmässig zu erleuchten, kann man directes Sonnen- licht nicht wohl anwenden, und muss sich mit reflectirtem Lichte des Hin^nels, oder mit dem einer gleichmässig von der Sonne beschienenen weissen Fläche begnügen. Diese Erleuch- tungen reichen in der Regel auch vollkommen aus. Das von mir angewendete Flintglasprisma, dem JBrn. Pro- fessor Neumann zugehörig, liess bei Anwendung von Sonnen- licht und einer feinen Spalte eine sehr grosse Zahl der feineren Zusammengesetzte Farben. 9 Fraunhofer'schen Linien sehen. In dem Spectrum der eben beschriebenen, etwas breiteren Winkelspalte waren wenigstens die stärkeren noch deutlich sichtbar, namentlich die yon Fraunhofer durch die Buchstaben A,B,D,E,b,F,G und H bezeichneten. Die Anwesenheit dieser Linien giebt zunächst die Bürgschaft dafiir, dass in dem Spectrum jedes einzelnen Schenkels die verschiedenfarbigen Strahlen nicht übereinander greifen konnten, dass ich es also mit wirklich reiuen Farben- strahlen zu thun hatte; und zweitens erleichtem sie sehr die Orientirung in dem gemischten Felde, durch welches man sie deutlich verlaufen sehen kann. Mein Femrohr hat ein Faden- kreuz aus zwei sich rechtwinkelig kreuzenden Fäden, diese stellte ich den dunkelen Linien der beiden sich deckenden Spectra parallel. Die Fäden bezeichnen dann nach dem oberen und unteren Bande des lichten Feldes zu, wo ungemischte Far- ben liegen, unmittelbar die beiden reinen Farben, welche an ihrem Kreuzungspunkte gemischt sind. Es ist nöthig, die relative Intensität der gemischten Farben ändern zu können. Das bewirkte ich, indem ich das Prisma aus seiner verticalen Stellung in eine mehr oder weniger schiefe brachte. Seiae Fassung, mit der es an das vordere cylindrische Ende des Femrohres befestigt war, liess sich um dieses als Äze drehen, und es konnte so in jede beliebige Stellung gegen den Horizont gebracht werden. Um zu erläutem, wie dadurch u die Lichtintensität des Spectrums geändert werde, beschränken wir unsere Betrachtungen zunächst auf eine einzige Spalte. Die Lichtintensität des Spectrums hängt von der Menge Licht ab, die durch die Spalte auf das Prisma und Femrohr fällt, und von dem scheiabaren Flächenraum des Spectrums, zu dessen Beleuchtung diese Lichtmenge verwendet wird. Die Lichtmenge, welche überhaupt einfallt, ändert sich nicht, wenn wir das Prisma um die Axe des Femrohres drehen, wohl aber der erleuchtete Flächenraum des Spectralbildes. Letzterer hat, wie schon oben bemerkt ist, die Gestalt eines Parallelogramms. Zwei seiner Seiten sind der Spalte parallel und stets eben so lang, wie die Spalte selbst im Fernrohr erscheint. Die beiden anderen Seiten stehen senkrecht auf der Kante des brechenden Winkels, und ihre Länge hängt nur von der zerstreuenden Kraft 10 PhysikaliBche Optik. des Prisma ab. Das Spectrum bildet also ein Parallelogramm^ dessen Seiten constant sind, dessen Winkel aber dm'ch Drehung des Prisma um die Axe des Femrohres geändert werden können. Bekannte Sätze der elementaren Geometrie lehren, dass der Flächeninhalt eines solchen Parallelogramms am grössten ist, wenn es rechte Winkel hat, und desto kleiner wird, je schiefer die Winkel werden. Da nun eine gleiche Menge Licht eine kleinere Fläche heller erleuchtet als eine grössere, so muss die scheinbare Helligkeit des Spectralbildes am kleinsten sein, wenn es ein Bechteck ist, d. h. wenn die brechende Kante der Spalte parallel ist, und desto heller werden, je grösser der Winkel zwischen beiden wird. Die beiden Schenkel unserer Winkelspalte geben, durch ein yerticales Prisma gesehen, zwei gleich helle Spectren, weil die Bichtung der brechenden Kante mit beiden den gleichen Winkel von 45^ macht; drehen wir aber das Prisma um die Axe des Femrohres, so wird der eine Winkel grösser, der an- dere kleiner, und es yarüren dabei die beiden Spectren in jedem beliebigen relativen Yerhältniss ihrer Helligkeit Je heller man auf diese Weise ein Spectmm macht, desto SS näher rücken seine Farbenstreifen zusammen; um daher die Beinheit der Farben nicht zu sehr zu beeinträchtigen, ist es rathsam, stärkere unterschiede der HeUigkeit nicht auf die bisher beschriebene Weise hervorzubringen, sondern durch andere Mittel. Sehr leicht geschieht dies, indem man dünnere oder dickere, geölte oder nicht geölte Papierblättchen hinter die eine Spalte setzt Diese lassen nur einen kleinen Theil des auffallenden Lichts durchscheinen, während durch die andere Spalte das ungeschwächte Himmelslicht einfällt. Hat man sich in der beschriebenen Weise ein Feld her- gestellt, welches mit den Mischfarben je zweier reiner Spec- tralfarben bedeckt ist, so wird man sich bald überzeugen, dass man die Färbung, namentlich der weissUcheren Stellen, dieses Feldes zu beurtheilen unfähig ist, so lange man gleichzeitig ge- sättigte Farben daneben hat Es ist also durchaus nöthig die Stellen, über deren Farbe man urtheilen will, getrennt von den übrigen zu betrachten. Wenn man mit dem Femrohr beobachtet, ist das Mittel dazu sehr Zusammengesetzte Farben. 11 einfskcL Man stelle das Fadenkreuz auf die fragliche Stelle ein und entferne sich mit dem Auge ein bis zwei Fuss vom Oculare. Aus dieser Entfernung sieht man nur eine sehr kleine Stelle des farbigen Bildes durch das Ocular hindurch, deren Farbe man unbehindert durch die Gegensätze blenden- derer Farben beurtheilen kann. Die Fäden des Fadenkreuzes und ihre Kreuzungsstelle findet man, wenn man femsichtig genug ist, auch bei dieser Entfernung des Auges leicht wieder; wenn nicht, doch mit Hülfe eines schwachen Concavglases, welches der Accommodation des Auges passend nachhilft. Um die beobachtete Farbencombiaation schnell wiederfinden und einem Anderen zeigen zu können, bringe ich in dieser Ent- fernung vom Oculare des Femrohres einen verstellbaren dun- kelen Schirm mit einer kleinen runden Oeffnung an, durch welche das Auge nach dem Oculare des Femrohres hin zu sehen hat. Will man statt der zusammengesetzten Farbe wieder die beiden constituirenden einfachen sehen, so lässt man von einem Anderen erst die eine, dann die andere Spalte bedecken, m sodass immer nur die eine der beiden gemischten Farben stehen bleibt, oder man schaltet zwischen das Auge und die Oeffiiung im Schirm, wodurch es nach dem Oculare hinsieht, ein zweites kleines Prisma ein, welches statt des einen hellen Flecks im Oculare zwei mit getrennten Farben erscheinen lässt. Zur sicheren Bestimmung sehr weisslicher Mischfarben ist es Tortheilhaft, ein weisses, weiss erleuchtetes Papierblatt rings nm die Oeffnung des Oculars anzubringen, und mit dessen Farbe die beobachtete Farbe zu vergleichen. Auch habe ich bemerkt, dass das Auge bei längerer Betrachtung sehr weisslicher Misch- farben für feiae Farbenunterschiede unempfindlich wird, und es ratbsam ist, es zuweilen eine Zeit lang ausruhen oder auf den Gregenständen der Umgebung herumschweifen zu lassen. Bei erneuerter Beobachtung der Mischfarbe sieht man dann oft eine farbige Beimischung des scheinbaren Weiss deutlich, die man vorher nicht mehr erkennen konnte, und die bei längerer Betrachtung auch wieder verschwindet. Auf diese Weise ist es möglich sämmtliche Combinationen zweier prismatischen einfachen Strahlen in allen Abstufungen ihrer relativen Stärke herzustellen und ungestört von anderen 12 Physikalische Optik. Farbeneindriicken zu betrachten. Meine Beobachtungen, deren Hauptpunkte ich mir von mehreren anderen, in Beurtheilung der Farben geübten Personen bestätigen liess, um nicht durch etwa Yorhandene subjective Fehler meiner Augen getäuscht zu werden, haben folgende von den bisherigen Ansichten zum Theil auffallend abweichende Eesultate gegeben. 1. Eoth giebt mit Orange ein röthlicheres Orange, mit Gelb Orange; die gemischten Farben unterscheiden sich nicht merklich von den Abstufangen des Orange, die in dem ein- fachen Spectrum vorkommen. Mit Grün giebt es ein Gelb, welches weniger gesättigt, fahler ist, als das einfache Gelb, und bei vorwaltendem Roth durch Orange in Both, bei vor- waltendem Grün durch Gelbgrün in Grün übergeht Mit den 66 grünblauen Tönen des Spectrums entsteht eine fleischfarbene, mit den himmelblauen eine rosarothe Farbe, welche bei über- wiegendem Blau in weissliches Yiolett, mit überwiegendem Roth in Carminroth übergeht. Vereinigt man endlich das Both mit weiter nach dem Ende des Spectrums hin gelegenen indigo- blauen oder violetten Strahlen, so bekonmit man ein immer dunkleres und gesättigteres Puipurroth. 2. Orange mit Gelb giebt ein gelblicheres Orange, mit Grün ein fahles Gelb, mit Blau fleischfarbene Töne, die bei Indigo und Violett in Carminroth übergehen. 3. Gelb mit Grün giebt ein grünliches Gelb, ähnlich den dazwischen gelegenen Farbentönen des Spectrums. Mit Himmel- blau giebt es ein schwach grünliches Weiss, mit Indigoblau reines Weiss, mit Violett ein schwach fleischfarbenes Weiss, das bei überwiegendem Violett in weissliches Violett, bei über- wiegenderem Gelb in weissliches Gelb übergeht 4. Grün giebt mit Blau Grünblau, mit Indigo ein Hell- blau, welches aber viel matter und weisslicher ist als das des Spectrums, ebenso mit Violett Hellblau. 5. Blau mit Indigo giebt die dazwischenliegenden Töne, mit Violett ein Dunkelblau, das aber weniger gesättigt ist als das Indigo des Spectrums. 6. Indigo mit Violett die dazwischenliegenden Töne. Die auffallendste und von den bisherigen Ansichten ab- weichendste Thatsache ist die, dass unter den Farben des Spec- Zusammengesetzte Farben. 13 troms nur zwei Torkommen, welche zusammen reines Weiss geben, also Complementar&rben sind, und dass dies Gelb und Indigoblau sind, zwei Farben, aus deren Verbindung man bis- her fast immer GrOn entspringen liess. Das Gelb, welches man zu dieser Mischung gebraucht, ist ein sehr schmaler Strich im Spectrum, zwischen den Linien D und E gelegen, und etwa dreimal so weit von E als von D entfernt, ein Gelb, welches weder in das Orange, noch in das Grünliche zieht und unter den Pigmenten am besten durch das chromsaure Bleioxyd (Chromgelb) wiedergegeben wird. Das dazu gehörige Blau hat eine grössere Breite und umfasst die Abstufungen dieser Farbe, sa welche Newton und Fraunhofer als Indigo bezeichnen, etwa Yon der Mitte zwischen den Linien i^und G bis gegen G hin. Unter den Farbstoffen giebt dunkles Ultramarin diese Farbe aber besser wieder als das mehr violette Indigo. Hat man die Mischungsfarben durch zwei gleich helle Spectra eines Flintglasprisma hervorgebracht und zur Erleuchtung das Licht der Wolken gebraucht, so ist es gerade die Mitte zwischen den Linien i^und Gy welche für das Weiss die richtige Licht- intensität hat. Nach dem Violett und der Linie G zu wird das Blau immer lichtschwächer, und hier muss es daher relativ zum Gelb verstärkt werden, um Weiss zu geben. Aus diesem Grunde fällt z. B. im Spectrum eines weisslich blauen Himmels das Weiss nahe der Linie G. Auch das hellere Blau des Spectrums mehr nach der Linie F hin giebt mit reiaem G^lb, und das Violett mit einem etwas in das Grünliche ziehen- den Gelb bei passender Abgleichung ihrer relativen Intensi- täten, Farbentöne, welche dem Weiss sehr ähnlich werden, aber doch immer eüien Anflug von Färbung behalten. Sie ziehen meist in das Fleischfarbene, Bläuliche und Grünliche hinüber; zuweilen ist es auch schwer der Färbung einen be- stimmten Namen zu geben, aber niemals ist es mir gelungen, aus diesen Farben ein klares, reines Weiss zu erhalten. Wenn die Untersuchung mit vollkommeneren Instrumenten ausgeführt würde, als es die meinigen waren, welche dem Felde der zu- sammengesetzten Farben eine grössere Flächenausdehnung zu geben erlaubten, würden sich die Grenzen der weissgebenden Strahlen wahrscheinlich genauer angeben lassen, weü die Ver- 14 Physikalische Optik. gleichung der Farbentöne grösserer Flächen viel leichter und schärfer auszufilhren ist. ^) Durch die weissgebenden Strahlen wird die ganze Breite des Spectrum in drei Abtheilungen getheilt. Deren erste, die rothe, entspricht, wenn man die Verhältnisse der Lichtschwki- gungen mit denen der Schallwellen vergleicht, etwa dem Inter- valle einer kleinen Terz, die mittlere grüne einer grossen Terz, «7 und die dritte violette ist etwas kleiner als eine kleine Terz. Farben der ersten und zweiten verbinden sich zu gelben Tönen mit Uebergängen in Both, Fleischfarbe, Weiss und Grün, solche der zweiten und dritten zu blauen mit Uebergängen in Grün, Weiss und Violett, solche der ersten und dritten zu purpur- rothen mit Uebergängen in Fleischfeurben, Rosa und Violett. Was die Zusammensetzungen von drei einfachen Farben betrifft, so dürfen wir wohl voraussetzen, dass Weiss nur dann entstehen könne, wenn Strahlen aus den drei verschiedenen Ab- theilungen des Spectrum passend vereinigt werden. Es lässt sich wenigstens nicht annehmen, obgleich man natürlich durch das Experiment nicht alle möglichen Combinationen erschöpfen kann, dass z. B. die gelben oder gelblichen Farben, welche aus solchen der rothen imd grünen Abtheilung entstehen, durch weiteren Zusatz von einer oder mehreren Farben, welche diese Abtheilungen enthalten, Roth, Gelb oder Grün, in Weiss über- gehen sollten. Ebenso ist es mit den Mischungen der grünen und violetten, sowie mit denen der rothen und violetten Ab- theilung. Dagegen gelingt es, Weiss aus ziemlich mannigfal- tigen Combinationen solcher drei Farben zu bilden, welche aus allen drei Abtheilungen gleichzeitig entnommen sind. Ich habe dazu einen schwarzen Schirm mit drei Spalten gebraucht. Zwei waren parallel unter 45^ gegen den Horizont geneigt und standen in solcher Entfernung von einander, dass, durch das Prisma aus der gewöhnlichen Entfernung gesehen, das Violett der einen auf das Roth der andern fiel Die Spalte, welche das Violett giebt, muss man etwa doppelt so breit machen als die andere, weil sonst das Violett zu lichtschwach gegen das Roth wird. Eine dritte Spalte, die das Grün zur Mischung 1) S. den unten folgenden Aufsatz No. LII. ZusammeDgesetzte Farben. 15 geben sollte, wurde rechtwinkelig gegen die beiden ersteren zwischen ihnen eingeschnitten, sodass die drei Spalten zu- sammen einem liegenden Z ähnlich wurden. Das Spectrum der dritten .schneidet rechtwinkelig durch den Purpurstreif, den die beiden anderen geben, und erzeugt eine Reihe von Misch- farben, aus denen man leicht die weisseste Stelle aussuchen kann. Durch Drehung des Prisma um die Axe des Femrohres lasst 68 sich das Yerhältniss der gemischten Farben dann so abglei- chen, dass man reines Weiss bekommt. So erhält man Weiss aus Roth, Grün und Violett, welche man zu drei Paaren von Complementarfarben verbinden kann, nämlich einfaches Both und zusammengesetztes mattes Blaugrün „ Grün „ Purpurroth, „ Violett „ mattes Gelb. Auffallend ist hierbei, dass die Complementarfarben des einfachen Eoth und Violett sich von gewissen Farbentönen des Spectrum nur durch ihr minder gesättigtes Ansehen unter- scheiden und dennoch die ersteren mit einfachem Roth und Violett Weiss geben, letztere nicht Newton's wenige Beobachtungen über die Zusammen- setzung je zweier prismatischer Farben stimmen mit meinen Angaben überein. Er giebt an, die primitiven Farben könnten durch Vereinigung der beiderseitigen Nachbarfarben wieder- gegeben werden^), so z. B. Orange durch Roth und G^lb, G^lb durch Orange imd Grüngelb, Grün durch Grüngelb und Meer- grün, oder auch, aber weniger gut, durch Gelb und Blau (cyaneum), Blau durch Meergrün und Indigoblau. Ausserdem hat er Purpurroth aus Roth und Violett dargestellt Weiss hat er nur durch je drei Farben, Roth, Violett und Grün, er- halten, und damit es gut gelinge, räth er sogar Spectra mit unvollkommen getrennten Farben anzuwenden. Dabei mischen sich dann noch mehr als drei Einzelfarben. Dagegen wird man bemerkt haben, dass meine Angaben über das Zusammenwirken der prismatischen Farben erheblich von denen abweichen, welche man aus der Mischung von Farb- stoffen gewonnen hatte. Namentlich, dass Gelb und Blau nicht 1) Lectionet opticae. P. IL S. L Frop, IT. und Optice Lih. L P. IL Frop. TF. 16 Physikalische Optik. Grün, sondern höchstens ein schwach grünliches Weiss geben sollten, widerspricht der tausendjährigen Erfahrung aller Maler auf das entschiedenste. Der Grund des Widerspruchs wird 69 aber durch eine kurze üeberlegung, wie Farbstoffe auf das Licht wirken, klar werden. Farbstoffe, wie alle gefärbten Kör- per, welche wir in grösseren Stücken von regelmässigem Gef&ge besitzen, z. B. der krystallinische Zinnober, das krystallisirte chromsaure Bleioxyd, das Kobaltglas, aus welchem die Smalte- farben gemacht werden, sind durchsichtig oder wenigstens durch- scheinend. Fällt Licht auf sie, so wird von ihrer äusseren Oberfläche zunächst ein Theil desselben 'als weisses Licht re- flectirt, ein anderer geht in das Lmere, wird hier durch ungleich- massige Absorption der ihn zusammensetzenden einfachen Strah- len farbig, wird an der hinteren Begrenzimgsfläche des Körpers reflectirt, und kehrt nach vom zum Auge des Beobachters zurück, der eben wegen der Farbe dieses eingedrungenen und im Körper selbst reflectirten Lichts diesen gefärbt sieht Zerpulyem wir da- gegen einen Farbstoff, so sieht der Beobachter von dem auffallen- den Lichte nicht bloss das in sein Auge zurückkehren, was an der vorderen und hinteren Oberfläche der obersten Lage von Pulvertheilchen, sondern auch was von der zweiten und dritten u. 8. w. reflectirt ist. Eine einzelne ebene Glastafel reflectirt von senkrecht einfallendem Licht nur ^, zwei solche ^, sehr viele £a>st alles. Wir können daraus schUessen, dass von dem Licht, welches auf feines weisses Glaspulver fällt, nur der kleinste Theil von den zu oberst liegenden Theilchen, ein bei weitem grösserer von den tieferen reflectirt wird. Ebenso wird es sich bei gefärb- ten Pulvern verhalten müssen, wenigstens mit denjenigen Arten der einfachen Strahlen, deren Farbe sie tragen, und welche sie ohne Absorption hindurchzulassen pflegen; das meiste Licht dieser Art wird aus den tieferen Schichten kommen und durch eine grössere Anzahl von Pulvertheilchen hindurchgegangen sein. Wie wird es sich nun verhalten, wenn wir Pulver von verschiedener Farbe mischen, z. B. gelbes und blaues? Die oberflächlich gelegenen blauen Theilchen werden blaues, die oberflächlichen gelben gelbes Licht geben; beides zusammen wird sich zu Weiss oder grünlichem Weiss vereinigen. Qunz 00 anders ist es aber mit dem Lichte, welches aus der Tiefe ZusammengesetEte Farben. 17 znrftckkehrt. Dies muss abwechselnd durch gelbe und durch blaue Theilchen hindurchdringen; es wird also aus der Tiefe nur solches Idcht zurückkehren, welches sowohl von den blauen, als auch yon den gelben durchgelassen wird. Blaue Körper pflegen grönes, blaues und violettes Licht in merklicher Menge durchzulassen, gelbe dagegen rothes, gelbes und grünes. Durch beide zugleich geht also nur grünes, und es kann aus der Tiefe des gemischten Pulvers nur grünes Licht zurückkehren. Da nun die von den oberflächlichen QSieilen des Pulvers re- flectirte Lichtmenge nach dem vorher Gesagten viel kleiner zu sein pflegt, als die aus der Tiefe zurückkehrende, so wird das Ghrün der letzteren bei weitem überwiegen und die Farbe der Mischung bestimmen. Wenn wir also zu einem blauen Pulver gelbes hinzu- mischen, wird die Farbe der Mischung weniger dadurch ver- ändert, dass zu den Farbestrahlen des blauen Pulvers sich noch solche des gelben hinzu addiren, als vielmehr dadurch, dass von jenen Farbenstrahlen noch der violette und blaue Theil verloren geht, und nur das grüne übrig bleibt Daher pflegen Mischungen zweier Farbestofie von etwa gleicher Hellig- keit auch dunkler zu sein als ihre Oonstituenten, namentlich dann, wenn letztere solche Farben darbieten, welche iu der prismatischen Beihe weit aus einander liegen, und deshalb wenig gemeinsame Farbenstrahlen enthalten. So giebt 2iinnober und ultramarin statt des Bosa, welches der Zusammensetzung ihres Lichtes entspricht, eia etwas in das Violette ziehendes Schwarzgrau. Die vorstehende Theorie der Farben genaschter Farbstoffe ist einfach abgeleitet aus allgemein anerkannten physikalischen Vorstellungen, erklärt die Erscheinungen,! soweit ich sehen kann, vollständig und weiset nach, dass Mischung der Farb- stoffe und Zusammensetzung der Farben zwei durchaus ver- schiedene Vorgänge sind, und dass die durch die erstere ge- wonnenen Erfahrungen durchaus keinen Schluss auf die letztere gestatten. Nur wenn wir es mit zwei im Spectrum wenig von einander abstehenden Farben zu thun haben, giebt die Zu- «^ sammensetzung des farbigen Lichtes fast dieselben Resultate wie die Mischung der Pigmente, weil dann die zusammen- Helmholtz, wimemeh, Abhandlang«ii. IL 2 18 Physikalische Optik. gesetzte Farbe den zwischenliegenden Farbentönen des Spectram ähnlich ist. Es giebt aber zwei andere Methoden das von Pigment- farben kommende Licht zusanmienzusetzen, bei denen man Re- sultate erhält, welche ganz den bei der Zusammensetzung ähn- licher prismatischer Farben erhaltenen entsprechen. Die erste dieser Methoden ist die Vereinigung der Farben auf dem Farbenkreisel. Man hat längst bemerkt, dass sie andere Re- sultate giebt als die Mischung der Pigmente. Ich wiederholte die Versuche mit Gtelh und Blau. Für ersteres wendete ich entweder Ghimmi-Gutti oder Chromgelb an, für letzteres Berg- blau oder Ultramarin. Bei schneller Umdrehung erhält man ein reines Grau. Sehr frappant stellt sich der unterschied beider Methoden heraus, wenn man die Mitte der Scheibe mit der Mischung beider Pigmente anstreicht, am Rande dagegen Sectoren mit den reinen Pigmenten. Dann sieht man beim schnellen Umdrehen der Scheibe in der Mitte Grün, am Rande Grau. Jenes ist viel dunkler als letzteres, wie es nach der oben gegebenen Theorie erwartet werden musste. Die andere Methode habe ich noch nicht beschrieben ge- funden, kann sie aber als sehr bequem empfehlen. Sie ist zu- gleich von dem Uebelstande frei, dass die Mischfarben das graue Ansehen wie auf den Farbenscheiben bekommen; man kann durch sie vielmehr wirklich Weiss aus complementar gefärbten Pigmenten erzeugen. Man stelle eine Glasplatte mit planen und parallelen Flächen senkrecht auf einer Tischplatte auf und lege vor ihr eine gefärbte Oblate hin. Dieselbe sieht man in der Glasplatte gespiegelt, und der scheinbare Ort ihres Spiegelbildes ist jenseits der Platte und ebenfalls auf der Ober- fläche des Tisches. Man kann nun genau an dieselbe Stelle, wo sich scheinbar die gespiegelte Oblate befindet, eine andere ebenso grosse, aber anders gefärbte hinlegen, welche der Be- obachter durch das spiegelnde Glas hindurch sieht. Sein Auge «2 wird dann von zweierlei Strahlen getroffen, welche beide von ganz demselben Körper auszugehen scheinen, die einen dem durchgegangenen, die anderen dem gespiegelten Lichte ange- hörig. Es erscheint ihm deshalb eine Oblate, deren Farbe aus denen der beiden wirklich vorhandenen Oblaten zusammen- ZummmengesetEte Farben. 19 gesetzt ist um den Versuch bequemer anzustellen , braucht man nur ein ganz kleines, möglichst dünnes, planparalleles Glas- plättchen anzuwenden, welches man etwa in der Entfernung des deutlichen Sehens über der Tischplatte und senkrecht gegen diese befestigt. Man sieht von oben schief durch das Flättchen nach der Tischplatte hin, und legt sich die Oblaten an passende Stellen, um die Vereinigung ihrer Farben hervor- zubringen. Je näher man beide der imaginären Durchschnitts- linie der Ebene des Tisches und der Glastafel schiebt, desto schiefer £sdlen die Strahlen auf die Platte, desto weniger gehen durch, desto mehr werden reflectirt, sodass dann die Farbe des refiectirten Lichtes die überwiegende wird, umgekehrt überwiegt die Farbe des durchgehenden Lichtes, wenn man die Oblaten von jener Durcbschnittslinie entfernt, und man kann auf diese Weise sämmtliche Abstufungen der relativen Stärke in der Zusammensetzung hervorbringen. Man giebt bei diesem Versuche entweder beiden Oblaten einen schwarzen Ghrund, oder wenn man weissliche Farbenverbindungen hervor- bringen und mit reinem Weiss vergleichen will, der einen, am besten der helleren von beiden, einen weissen, der anderen einen schwarzen Grund. Bei der Beobachtung durch das Glasplättchen erscheint die Oblate in der zusammengesetzten Farbe auf weissem Grunde. Es versteht sich, dass man so die Farben von allen beliebigen gefärbten Flächen, auch von gefärbten Gläsern zusanmiensetzen kann. So zusammengesetzte Farben zeichnen sich durch Hellig- keit und Klarheit sehr vor denen durch Mischung der Farb- stoffe erhaltenen aus, und stimmen auch nicht immer der Art nach mit diesen überein, sondern geben vielmehr dieselben Re- sultate, welche wir aus der Vereinigung prismatischer Farben gewonnen hatten. Namentlich geben Blau und Gelb nicht es Grün, sondern Weiss. Als Repräsentanten des Gelb brauchte ich Papierscheibchen, welche ich mit hellem Chromgelb oder Gummi-Gutti getuscht hatte, unter den blauen Farbestoffen gab, ebenfalls auf solche Scheibchen aufgetragen, ein schön himmelblaues Kobaltblau mit den beiden Arten des Gelb reines Weiss, künstliches Ultramarin röthliches Weiss, und helles Berlinerblau ein schwach grünliches Weiss. Zinnoberroth mit 20 PhjsikaliBche Optik. Blau combinirt giebt Bosa, dasselbe Eoth mit Grün giebt Grelb u. 8, w. Kurz, es weisen diese Versuche nach, dass nicht bloss die einfachen Farbenstrahlen des Spectrum andere Ge- setze des Zusanmienwirkens haben, als man bisher allgemein angenommen hatte, sondern dass ganz ähnliche Gesetze auch ftbr die zusammengesetzten Farben der Pigmente gelten, und es scheint mir nicht zweifelhaft zu sein, dass diese neuen Ge- setze an die Stelle der älteren, auf die Mischung der Farbe- stoffe gegründeten zu setzen seien. Man wird dabei am besten von der Vereinigung einfacher Farben des Sonnenspectrum ausgehen, weil diese den reinsten und vollkommensten, schon bei geringer Lichtintensität fast blendenden Eindruck von Farbe machen, gegen den alle Pig- mentfarben matt und grau aussehen. Schon Newton hat als Regel aufgestellt, dass eine jede einfache Farbe durch eine Vereinigung ihrer beiden nächsten Nachbarfarben wiedergegeben werden könne. Meine eigenen Untersuchungen bestätigen dies; ich muss aber zugleich hinzufügen, dass der Abstand der com- binirten Farben nicht sehr gross sein darf, wenn die zusammen- gesetzte den zwischenliegenden Abstufungen des Spectrum ähnlich sehen soll. Namentlich ist dies im mittleren Theile des Spec- trum der Fall. Both und Gelb giebt ein Orange, dessen An- sehen dem des einfachen Orange vollständig gleich erscheint, und ebenso können die aus Blau und Violett zusanmiengesetzten Arten des Indigoblau wohl kaum vom einfachen Indigoblau unterschieden werden. Dagegen giebt schon G^lbgrün und Blaugrün ein Grün, dessen Farbenton dem des prismatischen «* mittleren Grün zwar entspricht, welches aber entschieden weiss- licher und matter ist, sodass das einfache Grün nur aus solchen Farben gemischt werden kann, die sich fast gar nicht inj An- sehen von ihm unterscheiden. Gelb und Blau erscheinen in dieser Beziehung weniger empfindlich als Grün. Ersteres setzt sich noch ziemlich gut aus Orange und Gelbgrün zusammen, wird aber sehr fahl aus Roth und Grün, letzteres wiederum lässt sich gut aus Blaugrün und Indigo zusammensetzen, wird aber sehr matt aus Grün und Violett Was die Endfarben des Spectrum, Roth und Violett betrifft, so lässt sie Newton in seinem Farbenkreise sich aneinander schüessen, Zusammengesetzte Farben. 21 und unterwirft sie d&mi auch der besprochenen B.egel der Ver- einigung von benachbarten Farben. In der That kann man aus Indigoblau und sehr wenig Both eine Art Violett erzeugen, welches aber immer mehr in Weiss oder Ilosa zieht als das ein£Gu;he Violett Viel unTollkommener noch erscheint meinem Auge die Nachahmung des fiioth durch Orange und Violett; ihre Combination geht immer in die carminrothen Töne oder in Weiss hinüber, und es ist mir nicht gelungen, eine erträgliche Nachahmung des reinen ßoth zu erhalten. Stellten wir uns also die Au%abe, sämmtliche Farbentöne des Speclrum durch Zusammensetzung möglichst weniger ein- facher Farben nachzuahmen, so brauchen wir dazu nundestens fünf der letzteren, nämlich: Roth, Gelb, Grün, Blau, Violett. Indessen muss ich es noch dahingestellt sein lassen, ob diese ganz vollständig genügen und ob nicht bei vortheilhafteren Apparaten, wo es möglich wäre, grössere Felder neben ein- ander mit den entsprechenden zusammengesetzten und einfachen Farben zu erleuchten, ein geübtes Auge Unterschiede erkennen würde, welche in meinem Apparate nicht mehr erkennbar waren. Wollte man sich aber auf drei Farben beschränken, so würde man dazu am besten die drei einfachen Farben wählen, welche sich am wenigsten gut nachahmen lassen, nämlich Both, Grün und Violett, dann aber ein G^lb und Blau erhalten, welches den Farben unserer Pigmente gegenüber allerdings noch ge- «s sättigt erschiene, mit dem Gelb und Blau des Spectrum aber nicht verglichen werden könnte. Es sind dies die drei Grund- farben, welche Thomas Young als solche vorgeschlagen hat. Weniger gut würde Both, Grün und Blau passen; das gemischte Violett würde bei dieser Auswahl schlechter werden als das gemischte Blau bei der ersteren. Die gewöhnlich gewählten drei Grundfarben B^th, Gelb und Blau sind aber durchaus unzureichend, weü man aus ihnen nimmermehr Grün erzeugen kann. Wir werden demnach auch die Lehre von den drei Grund- farben, als den drei Grundqualitäten der Empfindimg, wie sie Thomas Toung aufgestellt hat, fallen lassen müssen. Ent- stände die Empfindung des Gelb durch die gelben Strahlen des Spectrum nur deshalb, weil dadurch gleichzeitig die Em- 22 Physikalische Optik pfindung des Eoth und Grün angeregt wüide, und beide zu- sammenwirkend Gelb gäben, so müsste genau dieselbe Empfin- dung auch durch eine gleichzeitige Einwirkung der rothen und grünen Strahlen erregt werden können; indessen wird durch die letzteren niemals ein so glänzendes und lebhaftes Gelb erzeugt, wie es die gelben Strahlen geben. Ebenso ist es mit dem Blau, welches aus Grün und Violett, oder dem Violett, welches aus Blau und Koth zu mischen wäre. tJm in diesem Sinne die Lehre von den Grundfarben festzuhalten, müsste man mindestens fiinf solche hinstellen.^) Dagegen würden die drei Grundfarben wohl genügen, um in dem Sinne von Lambert und Forbes die matten und yerhältnissmässig unreinen Farben der Naturkörper wiederzugeben und zu classificiren. Nur würde es für eine sichere, wissenschaftliche Classification doch nöthig werden, eine andere Methode ftir die Zusammensetzung der Farben zu gebrauchen als die Mischung der Pigmente. Bei der Vereinigung von je zwei einfachen Farben treten uns zwei neue Farbeneindrücke entgegen, nämlich Weiss und Purpurroth, mit ihren üebergangsstufen in die vorher genannten einfachen Farben. Das Purpurroth gehört zu den gesättigten M Farben; es kann nicht anders als aus dem äussersten Both und Violett dargestellt werden, ohne an seinem Glänze zu verlieren. Das Weiss dagegen kann auf unendlich verschiedene Weise dargestellt werden, ohne dass das Auge ein Weiss von dem andern zu unterscheiden vermöchte. Wir erhalten es z. B. aus einfachem Gelb und Blau, aus einfachem Koth, Grün und Violett, oder aus diesen ftinf einfachen Farben zusammen- genommen; und ausserdem aus den mannigfaltigsten compU- cirteren Combinationen. Es wird deshalb als indifferentes Licht den Gegensätzen der Farben gegenübergestellt Die übrigen Combinationen je zweier einfacher Farben erscheinen dem Auge als Uebergänge der einfachen Farben und des Purpur in Weiss, aber sie verhalten sich doch in weiteren Zusammen- setzungen, wie oben angefiLhrt ist, wesentlich anders, als es die Spectralfarben durch hinzugeftlgtes weisses Licht abgeschwächt thun würden. 1) Auch diese Schlüsse sind durch die unten in LI beschriebenen Versuche über Mischung von Spectral^Eurben verändert worden. Znaammengeeetzte Farben. 23 Zum Schlnss gebe ich folgende kleine Tabelle zur Ueber- sicht über die Combinationen je zweier Farben, bei welcher ich die f&nf Farben zu Grunde lege, durch deren Vereinigung die Farben des Spectrum genügend gut wiedergegeben werden können. In der ersten Horizontal- und ersten Yerticabreihe stehen die einfachen Farben, welche vereinigt worden sind; die daraus zusammengesetzten Farben finden sich, wo sich die betreffende Horizontal- und Yerticalreihe schneiden. Violett Blau Grfin Gelb Both Both Purpur Bosa Mattgelb Orange Both G«Ib Bosa Weiss Gelbgrttn Gelb Grfin Blassblau Blaugrün Grün Blaa Indigoblau Blau Violett I Violett L. üeber Herrn D. Brewster's nene Analyse des Sonnenlichtes. Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie. Bd. 86. S. 501 bis 523. Monatsberichte der Akademie zu Berlin. 1852. S. 458 bis 461. ßoi Hr. D. Brewster hat in einer Keihe von Aufsätzen^) eine eigenthümliche Ansicht über die Zusammensetzung des Sonnen- lichtes und die Entstehung der Farben aufgestellt und zu be- weisen gesucht, welche mit Recht die Aufmerksamkeit der Physiker in hohem Grade auf sich ziehen musste, theils in Be- tracht des wohlverdienten Ruhms, den sich ihr Urheber in den optischen Wissenschaf ben erworben hat, theils wegen den neuen Thatsachen, welche er zur Unterstützung seiner Behauptungen anflihrt. Das Sonnenlicht soll nach ihm aus dreierlei Arten von Licht, rothem, gelbem und blauem, zusammengesetzt sein, und jeder dieser Lichtarten sollen Strahlen von allen den Ab- stufungen der Brechbarkeit zukommen, welche sich im pris- matischen Spectrum vorfinden, jedoch so, dass das rothe Licht 1) Description of a Monochromatie Lamp with Memarkt on the Ab- sorption of the Prismaüe Rays, in Transactions of the B. 8oe. of JSdinb. Vol. IX, P. IL p. 433. - On a New Anaiysis of Solar Light. IM, Vol, XIL P. J. p, 123. — Beply to the Astronomer M, on the New Anal, of Solar Light, Philos. Magaz, Vol, XXX., p, 153. — Observation on the Analysis of de Spectrum hy Absorption, Ibd, Vol, XXX, p, 461. — Remarhs on the Elemeniary Colours ofthe Spectrum, Ibd, Vol. XXXII, p. 489. Gegen BrewBter*8 Farbentheorie. 25 mehr Strahlen von geringerer Brechbarkeit , das gelbe mehr von mittlerer, das blaue mehr Ton grösserer liefert, daher das erste am weniger brechbaren Ende des Spectrum überwiegt, das zweite in der Mitte, das dritte am brechbaren Ende. Die übrigen Farbentöne des Spectram Orange, Grün, Violett sollen durch Mischmig der drei GrundGetrben entstehen. Das Prisma kann immer nur solche Strahlen von einander trennen, soi welche ungleiche Brechbarkeit besitzen. Wenn es also ver- schiedenfarbige Strahlen von gleicher Brechbarkeit giebt, so muss sich natürlich für die prismatische Analyse das aus ihnen zusammengesetzte Licht wie ein&ches verhalten. Dagegen, be- hauptet Brewster, liessen sich solche Strahlen durch ihre verschiedene Absorption in gefärbten Mitteln von einander tramen, und er hat versucht mit Hülfe dieser Methode den Nachweis zu führen, dass in allen Theilen des Sonnenspectrum Licht von allen drei Farben, also auch aus diesen drei Farben zusanmiengesetztes weisses Licht vorkäme. Die Thatsachen, auf welche er sich dabei stützt, sollen beweisen, dass Lichte welche in Newton's Sinne homogen ist, d. h. nur Strahlen von einer Brechbarkeit (und Wellenlänge) enthält, beim Durch- gang durch geförbte Mittel zuweilen Veränderungen seiner Farbe erleidet, während die von Newton aufgestellte und all- gemein yerbreitete Theorie behauptet, dass die Farbe des homo- genen Lichtes nur von seiner Brechbarkeit (oder Wellenlänge) abhängig sei, und solches Licht wenn es durch gefärbte Media gehe, zwar geschwächt oder ausgelöscht, aber nie in seiner Farbe veränd^ werden könne. Wir müssen Hm. D. Brewster zugeben, dass wenn ein einziger Fall constatirt würde, wo die Farbe von homogenem Licht durch Absorption in einem ge- färbten Medium sich veränderte, wir Newton's Theorie ver- lassen und dafür seine oder wenigstens eine ihr ähnliche an- nehmen müssten« Ich bemerke hier zunächst, dass die Anzahl und Art der Yon Brewster angenommenen G-rundfarben nur auf indirecten Schlüssen beruht. Er hat in dieser Beziehung die ziemlich all- gemein angenommene Theorie der Farbenmischung beibehalten, wonach aus den drei Farben Both, Gelb und Blau alle anderen zusammenzusetzen seien. Gelb und Blau namentlich zusammen 26 Physikalische Optik. GhUn gäbeiL Ich habe an einem anderen Orte ^) gezeigt^ dass diese Theorie nur nach den Resultaten der Mischung der Farb- sos Stoffe gebildet ist, dass Mischung der Farbstoffe aber durchaus nicht eine einfetche Zusammensetzung ihres farbigen Lichtes hervorbringt, und dass namentlich gelbes Licht mit blauem vereinigt nicht Grün, sondern Weiss giebt Die drei Farben Both, Gelb und Blau können also kein Grün zusammensetzen, und müssten, wenn man bei drei Ghimdfarben stehen bleiben will, durch andere, etwa Roth, Grün und Violett, ersetzt werden^ denselben, welche schon Th. Young aufgestellt hat. Dadurch würde übrigens firewster's Theorie keine sehr wesentliche Yeitoderung erleiden, sondern es würden nur einzehie Schlüsse etwas abgeändert werden müssen. Ich will deshalb hier nicht näher darauf eingehen, sondern mich darauf beschränken, die Frage zu untersuchen: „Wird die Farbe homogenen Lichtes durch gefärbte Mittel vei^dert, oder nicht ?'^ Es haben bisher Airy*), Draper^ und Melloni*) die Ansichten Brewster's zu widerlegen versucht Der erstere hob namentlich hervor, dass dieser Physiker bei der von ihm angewandten Methode der Beobachtung nicht gleichzeitig die durch Absorption veränderten und unveränderten Farben vor Augen gehabt habe und sich deshalb in der Vergleichung ihrer Unterschiede habe täuschen können. Brewster antwortete darauf, und ich kann aus eigener Erfahrung ihm beistimmen, dass bei seiner Beobachtungsmethode die Veränderungen der Farben meistens auffallend genug sind, um ohne Schwierigkeit von Jedermann erkannt zu werden. Draper und Melloni sprachen ihre Zweifel aus, ob das von Brewster angewendete Spectrum hinreichend rein gewesen sei, und ob nicht die ein- zelnen Farbenstreifen beträchtlich über einander gegriffen haben. Aus den Angaben, welche Brewster in seinen Erwiderungen auf diese Angriffe über seine Methode macht, geht aber in 1) Ueber die Theorie der zoBammengeBetzten Farben. Müller 's Archiv für Anatomie u. Physiologie 1852. (Vorstehender AaÜBatz.) 2) Philos. Magaz. Vol. XXX, p. 78. Pogg. Ann. Bd 71, S. 893. 3) Silliman J. 1847. Vol IV. p. 888. Phü. Mag. XXX. p. 345. 4) Bibl. univ. d. Qenh>e. Aout 1847. Phü. Mag. XXXII. p. 262, Pogg. Ann. Bd. 75. S. 62. Gegen Brewster's Farbeniheorie. 27 der That hervor, dass ein solches üebereinandergreifen der bm Farben nicht stattfand; auch haben seine späteren Versuche über die Anzahl der Fraunhofer'schen Linien im Sonnen- spectnun gezeigt, dass ihm viel vollkommenere Mittel zur Tren- nung der Strahlen von verschiedener Brechbarkeit zu Gebote stehen als selbst Fraunhofer oder vielleicht irgend einem anderen Physiker. Und in der That lehrte mich eine sorg- fältige Wiederholimg wenigstens der wichtigsten von seinen Versuchen, welche ich genau nach seiner Methode und mit Be- rücksichtigung aller bisher für nöthig gehaltenen Vorsichts- maassregeln angestellt habe, dass die Thatsachen, welche er gesehen zu haben behauptet, vollkommen richtig beschrieben sind, wie man es übrigens von einem so bewährten Beobachter nicht anders erwarten konnte. Aber ich glaube seine Deutung dieser Versuche durch Gründe widerlegen zu können, welche bisher noch nicht zur Sprache gekommen sind, und wodurch die scheinbaren Widersprüche gegen Newton's Ansicht auf- gehoben werden. Es ist sehr zu bedauern, dass Brewster nirgends eine de- taillirte Beschreibung seiner Beobachtungsmethode gegeben hat Daher ist es gekommen, dass Draper und Melloni ihm in ihren Voraussetzungen darüber Unrecht thun konnten, und deshalb muss ich auch von vornherein um Verzeihung bitten, falls ich den Einfluss von Fehlerquellen besprechen sollte, welche er in der That bei der Anstellung seiner Ver- suche schon vermieden hatte. Ich entnahm theils aus den Ant- worten, welche er seinen Gegnern gegeben hat, theils aus der Darstellung in seinem Treatise on Optics, London 1831, über seine Methode Folgendes. Er brachte in dem Laden eines dunklen Ziomiers einen schmalen Spalt an, und betrachtete diesen durch ein stark brechendes Prisma mit blossem Auge ohne Femrohr, wobei er in dem an Stelle des Spaltes erscheinenden Spectrum die (stärkeren) Fraunhofer'- schen Linien sehen konnte. Dann schaltete er zwischen Auge und Prisma das absorbirende farbige Mittel ein, und er- blickte nun das veränderte Spectrum. Ausserdem wiederholte er die Versuche auch mit Spectren, in denen durch Interferenz sos eine Anzahl dunkler Streifen entstanden waren, wodurch die 28 Physikalische Optik. verschiedenen Farben noch augenfälliger gesondert wurden. Brewster sagt nichts darüber, ob er directes Sonnenlicht oder nur reflectirtes Licht des Himmels durch den Spalt im Fensterladen auf das Prisma fallen liess. Wir müssen jedoch annehmen, dass er in den meisten Fällen das erstere an- wendete; denn wenn der Spalt hinlänglich eng ist, um die Fraunhofer'schen Linien zu zeigen, werden die durch farbige Mittel veränderten Farbenstrahlen, auf die es bei seinen Ver- suchen ankommt, meist so lichtschwach, dass sie nur bei Anwen- dung von directem Sonnenlicht deutlich gesehen werden können. Die Zweifel, welche sich mir bei Wiederholung dieser Versuche aufdrängten, beziehen sich erstens darauf, ob sich nicht geringe Mengen von weissem zerstreuten Licht in das Spectrum einmischen, und zweitens, ob das Auge unter den obwaltenden umständen nicht durch physiologisch optische Ein- flüsse gehindert werde, die Farben richtig zu beurtheilen. Was den ersteren Zweifel betrifft, so kann man allerdings bei Brewster's Methode alles Licht mit Ausnahme dessen, was durch den Spalt einfällt, vollkommen abhalten; man kann durch ein gutes, stark brechendes Prisma, oder eine Verbindung Ton zwei solchen imd Anwendung eines engen Spaltes, das Sonnen- licht, in so weit es regelmässig gebrochen wird, sehr vollständig in seine verschiedenfarbigen Strahlen sondern, sodass diese im Spectrum durchaus nicht in einander greifen, aber man muss in diesem Falle daran denken, dass ein, wenn auch kleiner Theil des Lichtes andere Wege, als die durch die regelmässige Brechung bedingten einschlagen könne. Zimächst verdient hier die Zerstreuung des Lichtes an den Grenzflächen und in der Masse des Glases Beachtung. Betrachtet man ein Glasstück, sei es ein Prisma oder eine Linse, von noch so klarer und regelmässiger Masse und noch so vollkommener Politur, gegen einen dunkeln Grund 606 und direct von der Sonne beschienen, so sieht man immer eine grosse Zahl glänzender Pünktchen im Lmem und kleine Stäubchen und Bisse an der Oberfläche, welche eine merkliche Menge Licht unregelmässig zerstreuen und dem Gunzen ein rauchiges Ansehen geben. Um eine solche Prüfung recht genau anzustellen, lasse man Sonnenlicht durch die Oeffnung G^egen Brewster's Farbentheorie. 29 eines dunkeln Schirmes auf das zu untersuchende Glasstück fidlen, und bringe dann das Aug^ nahezu in die Bichtung der hindurchgegangenen Strahlen, sodass diese nicht hineinfallen, aber doch dicht daran vorübergehen. Es erscheinen dann die kleinen Unregelmässigkeiten der Oberfläche und Masse glän- zend erleuchtet auf dem dunkeln Hintergrunde des Schirmes. Die Ton mir angewendeten Flintglasprismen, yon Flössl yer- fertigt, demHm.Pro£ Neumann zugehörig, welche die Fraun- hofer'sehen Linien mit Hülfe eines Femrohres in sehr grosser Vollkommenheit und Zahl zeigten^), waren nicht frei von solchen kleinen Unregelmässigkeiten. Auch Brewster hat diesen Punkt nicht ganz unberücksichtigt gelassen, denn er f&hrt in seiner Antwort gegen Drap er an, dass er ausser den schönsten Glas- prismen auch Steinsalzprismen von solcher Homogenität und Beinheit gebraucht habe, dass beim Hindurchsehen die Sub- stanz der Prismen unwahmehmbar war, aber er giebt leider nicht an, ob er die Prüfung ihrer Beinheit auch gegen die Sonne gewendet, so wie ich es eben beschrieb, angestellt habe; auf diese Weise werden Tiele Fehler sichtbar, die man im Tages- lichte gar nicht entdeckt. Zu bedenken ist, dass bei den Ver- suchen die Prismen wirklich in eine ähnliche Stellung zwischen Auge und Sonne kommen, wie bei der angegebenen Methode, sie zu prüfen. Mir standen dergleichen Steinsalzprismen nicht zu Gebote, ich kann deshalb auch nicht über den zu erreichenden Grad ihrer Vollkommenheit urtheilen. Der zweite zu berücksichtigende Umstand ist die mehr- fache Reflexion des Lichtes im Prisma. Bei den meisten zu wi Dispersionsversuchen gebrauchten Prismen sind nur die beiden brechenden Flächen polirt, die anderen drei mattgeschlifien. Legt man ein solches Prisma auf eine dunkle Unterlage so, dass die mattgeschMene Fläche erleuchtet ist, so sieht man im Innern des Prisma eine Beihe von Spiegelbildern dieser Fläche. Die beiden polirten Flächen wirken nämlich wie ein Winkel- spiegel, welcher eine Beihe kreisförmig gestellter Bilder eines zwischen seinen Schenkeln liegenden G^enstandes, hier der 1) So lösten sie z. B. die Linie 2> in die zwei sehr nahe aneinander stehenden Linien auf, aus denen sie besteht 80 PhjsikaliBche Optik. dritten Fläche, liefert, und man sieht in unserem Falle durch eine der spiegelnden Flächen selbst hindurch in das Innere hinein. Die Spiegelbilder der dritten Fläche erscheinen ganz in derselben Sichtung wie die Spectra, welche man durch das Prisma hindurch sieht, und da ein Theil des einfallenden Lichtes gewohnlich auch auf die dritte Fläche fällt und sie wie ihre Spiegelbilder erleuchtet, so wird dadurch ein schwacher weisser Schein erzeugt, der sich über das Spectrum ausgiesst. Die Menge des gespiegelten Lichtes ist allerdings sehr gering und wird gewöhnlich neben dem regelmässig gebrochenen gar nicht bemerkt. Um es zu beseitigen, ist es nöthig, alle Flächen des Prisma mit Ausnahme der beiden brechenden gut zu schwärzen. Wenn man die fiLrbenden Medien zwischen Prisma und Auge einschaltet, ist zu bedenken, dass auch in diesen noch Licht di£fus zerstreut wird, falls die Politur ihrer Oberfläche und die Beinheit ihrer Masse nicht ganz vollkommen sind. Brewster hat als gefärbte Mittel meist faxbige Glasplatten oder Flüssigkeiten, natürlich zwischen zwei Grlasplatten einge- schlossen, gebraucht. Von der Reinheit der Gläser habe ich eben gesprochen; aber auch von den Flüssigkeiten, z. B. dem destillirten Wasser, wissen wir, dass es durch Schichten Ton einer gewissen Tiefe Licht nur nebelig durchscheinen lässt, d. h. einen Theil davon zerstreut Ausserdem kommen dann noch die Reflexionen zwischen den beiden Oberflächen der farbigen Mittel, zwischen ihnen und der Hornhaut des beob- achtenden Auges in Betracht Wenn die eingeschaltete farbige •^ Platte parallele Flächen hat, werden durch die in ihrem Innern mehrfach reflectirten Strahlen secundäre Bilder des Spectrum entstehen, welche fast vollständig mit dem lursprünglichen Bude zusammenfallen und nicht viel schaden können. Sind die Flä- chen nicht parallel, so wäre es bedenklicher, es könnten dann schon die Farben der secundären Bilder auf andere Farben des primären fallen. Dazu kommt, dass das einfallende Licht theilweise an der Hornhaut reflectirt wird, der Hornhautreflex sich wiederum in der vor das Auge gesetzten Glasplatte spie- gelt, und dieses Spiegelbild, weil es dem beobachtenden Auge zu nahe ist, als ein heller Schein im Gesichtsfelde erscheinen muss. Dieser Umstände wegen halte ich es für gerathener. Gregen Brewster*s Farbentheorie. 31 die gefärbten Media nidit zwischen Prisma und Auge, sondern zwischen Lichtquelle und Spalt zu setzen. Es wird dadurch eine bedeutende Menge zerstreuten Lichtes im Gesichtsfelde beseitigt Die Anführung aller dieser Umstände erscheint vielleicht pedantisch, und ich gebe zu, dass die unregelmässig gebrochenen Strahlen allerdings nur einen äusserst winzigen Theil des ein- fallenden Lichtes bilden^ der viel zu unbedeutend ist, um unter gewöhnlichen Verhältnissen das Aussehen des Spectrum merk- Uch zu yerändem. Indessen wird sich zeigen, dass er nicht zu winzig ist, um nicht zu solchen Farben des Spectrum, welche durch Absorption eben&dls in sehr hohem Ghrade geschwächt sind, hinzugemischt, deren Farbenton merklich zu verändern. Die bisher besprochenen Umstände sind von der Art, dass sie möglicher Wdse bei der Ausftihrung von Brewster's Me- thode beseitigt werden können. Vielleicht giebt es Prismen, deren Reinheit jede Prüfung aushält; sie können passend ge- schwärzt, die farbigen Mittel vor den Spalt gesetzt werden; dann würde wirklich nur regelmässig gebrochenes Licht zum Auge kommen. Nicht zu beseitigen sind aber dabei ganz ähn- liche Fehlerquellen, welche im Auge selbst ihren Sitz haben. Ich mache darauf aufmerksam, dass, wenn sehr helles Licht irgend einer Art auf eine Stelle der Netzhaut fällt, Licht glei- 609 eher Art als ein schwächerer Lichtnebel über einen grossen Theil des Glesichtsfeldes verbreitet erscheint Die Erscheinung ist leicht zu beobachten. Man stelle des Abends ein Licht in der Nähe irgend eines grösseren schwarzen Feldes auf^ z. B. neben einer Thür, die in ein dunkles Nebenzimmer geöffnet ist, und beobachte aufmerksam den Grad der Dunkelheit dieses Feldes, während man sich das Licht mit dem Finger abwech- selnd verdeokt und freilässt Man wird leicht bemerken, dass, 80 oft die Lichtstrahlen frei in das Auge fallen, ein weisslicher Schein auf dem schwarzen Felde erscheint, welcher in der Nähe des Lichtes heller ist, sich aber schwächer auch über ziemlich entfernte Theile des Gesichtsfeldes erstreckt Dasselbe beob- achtet man auch, wenn Tageslicht, und in der auffallendsten Weise, wenn directes Sonnenlicht durch eine Oeffnung eines schwarzen Schirmes in das Auge gelangt. Bedeckt man die 82 Phjsikalißche Optik. Oeffnting mit einem £Gurbigen Glase, so hat der Lichtschein ebenfalls die Farbe des Glases. Ich habe diese Erscheinung sowohl mit meinen eigenen , in gutem Zustande befindlichen Augen gesehen, als auch yielen anderen Personen gezeigt Dass die Brechung und Beugung des Lichtes an den Wimperhärchen nicht daran Schuld ist, lässt sich durch das Fortbestehen der Erscheinung bei weit auseinander gezogenen Lidern beweisen. Was die Ursache dieses Phänomens betrifft, so ist es von früheren Beobachtern, welche Aehnliches bemerkten, meist für rein subjectiv gehalten worden; man glaubte es aus einer TJebertragung der B^izung auf die benachbarten Fasern der Netzhaut erklären zu müssen. Es lassen sich aber auch Ur- sachen nachweisen, welche bewirken müssen, dass ein kleiner Theil objectiven Lichtes sich im Auge zerstreut, und solche Stellen der Betina trifft, welche von dem regelmässig gebro- chenen Lichte nicht getroffen werden. Dazu gehört erstens unzweifelhaft die Diffiraction des Lichtes in der Pupille. Wenn Licht durch eine enge Oeffhung, oder auch nur am Bande eines 610 dunkeln Körpers vorbeigeht, wird immer ein kleiner Theil desselben abgelenkt. Nun ist die Pupille im Yerhältniss zur Brennweite des Auges allerdings zu gross, als dass Diffiractions- ringe gebildet und ein verhältnissmässig beträchtlicher Theil des Lichtes zerstreut werden sollte, wie es durch sehr kleine runde Oeffaungen geschieht, die man dicht vor das Auge hält, aber es kann die Diffraction dadurch doch nicht ganz aufge- hoben sein. Zweitens kann es fraglich erscheinen, ob die Augen- medien für absolut klar gehalten werden dürfen, da sie theils aus mikroskopischen Zellen imd Fasern zusammengesetzt sind, wie die Hornhaut und Linse, theils von einer grossen Zahl feiner Häutchen durchzogen zu sein scheinen, wie der Glas- körper. Ausserdem verräth sich die Anwesenheit kleiner Unregel- mässigkeiten der Structur in den hinteren Theilen des Glaskörpers bekanntlich durch die sogenannten Mückendes Gresichtsfeldes, und es möchten ähnliche in den übrigen Theilen des Auges nicht fehlen. Auch dadurch muss Licht zerstreut werden. Endlich kommt noch in Betracht, dass, wie der von mir construirte Augenspiegel ^) lehrt, 1) S. meine ,,6eflchreibung eines Augenspiegels zur Untersuchung der Netzhaut im lebenden Auge". Berlin 1S51. G^en Brew8ter*B Farbentheorie. 33 ziemlich viel Licht von den erleuchteten Stellen der Betina nach der Papille zurückkehrt nnd an der V orderfläche der Hornhaut zum Theil ebenso und zwar nach hinten zurückgespiegelt werden muss, wie es mit dem in das Auge einfallenden Lichte der Fall ist Dass also Yon dem in das Auge einfallenden Lichte ein Theil noch auf andere Theile der Netzhaut abgelenkt werden muss, scheint mir nicht zweifelhaft zu sein; ob daneben auch noch eine Ausbreitung der Nervenreizung in der Netzhaut stattfindet, lässt sich ohne weitere Untersuchungen nicht entscheiden; für unseren Zweck ist es indessen gleichgültig, ob sich objectives Licht oder nur die subjective Empfindung davon über die Netzhaut ausbreite. Ich werde jetzt nachzuweisen suchen, dass eines der auf- fallendsten von Brewster's Resultaten in der That von einer Vermischung des regelmässig gebrochenen Lichtes mit solchem su herrührt, welches theils ausserhalb, theils innerhalb des Auges unregelmässig zerstreut ist Ich meine die angebliche Isolation weissen Lichtes im Gelb des Spectrum durch Glas, welches mit Smalte blau gefärbt ist Es ist bekannt, dass durch sol- ches Glas einige dunkele Streifen in der weniger brechbaren Hälfte des Spectrum erzeugt werden. Es bleiben zwischen ihnen mehrere farbige Bänder stehen, nämlich 1) das äusserste Soth^ die Linien A und B umfassend, ganz ungeschwächt; 2) ein Sand von rothlichem Orange zwischen den Linien c nnd Dj äussserst schwach; 3) ein gelbes Band, an dem einen Bande in das Orange, am andern in Grün ziehend, weniger geschwächt als das vorige. Zwischen diesem Gelb und dem Grün befindet sich ein nicht ganz dunkeler Zwischenraum, während Blau und Violett wieder fast ungeschwächt erscheinen. Brewster macht nun darauf aufioaerksam, dass, während die ursprüngliche Farbe des gelben Bandes ein reiches Gummigutt- gelb sei^ dasselbe durch eine gewisse Dicke des blauen Glases nutttgelb, durch eine noch grössere Dicke weissgrünlich aus- sehe, und dass die letztere Farbe sich durch fernere Einschal- timg von anderen Farbestofien, namentlich Kupferlösungen und rother Tinte, endlich in Weiss verwandeln lasse. Dieses Weiss, behauptet er femer, sei durch das Prisma nicht zu zerlegen, aber wenn ich den Sinn seiner Ausdrücke richtig begri£fen Htlmholtx, wiwwnob. Abhandlangcn. U. 3 84 Physikalische Optik. habe, hat er das niemals durch ein zweites Prisma erprobt^ was überdies ohne erhebliche Abänderungen der Methode gar nicht auszuführen war, sondern schliesst es nur daraus, dass dieses weisse licht unzerlegt durch das erste Prisma gegan- gen seL Das blaue Qlas, welches mir zu G-ebote stand, zeigte die von Brewster angegebenen Erscheinungen in folgender Weise. Durch eine Platte gesehen, war der gelbe Streifen im Spectrum des Tageslichtes sehr lichtschwach weisslich und etwas grünlich gelb, im Spectrum der der Sonne zunächst liegenden Stellen des Himmels dagegen von sehr remem glänzenden G-elb. Durch zwei Platten gesehen, yerschwand er im Tageslicht gänzlich, 612 im directen Sonnenlicht sah er {Seist weiss aus, und zog sich bei grösserer Lichtstärke in das Qrüngelbe, bei schwächerer in das Blaue. Neben diesem massig hellen Streifen hat natürlich das Blau und Violett des Spectrum eine blendende Helligkeit, und auch der Streifen des äussersten Roth ist sehr lichtstark. Durch drei Platten im directen Sonnenlicht wurde das gelbe Band blauweiss. Die Aenderung der Farbe war etwas geringer, wenn die Platten nicht zwischen Prisma und Auge, sondern vor den Spalt, d. L zwischen Lichtquelle und Spalt gesetzt wurden« Bedenken wir nun, dass die Sonne über 50000 mal heller ist als die hellste von ihr erleuchtete weisse Fläche, und dass das G-elb im ursprünglichen Spectrum für das Auge die ganz unerträgliche Helligkeit der Sonne hat, durch zwei blaue Glasplatten aber wie eine massig stark beleuchtete Pa- pierfläche erscheint, so wird es in Ermangelung genauerer Messungen nicht sehr entfernt yon der Wahrheit sein, wenn wir annehmen, dass der hundertste Theil des Ghelb durch eine, der zehntausendste durch zwei Glasplatten gehe. Wenn auch nur der zehntausendste * Theil des ungeschwächt durch die Glasplatten gehenden farbigen Lichtes wegen der besprochenen Unregelmässigkeiten der Brechung auf die Stelle der Netzhaut fällt, welche gleichzeitig das Gelb au&inmit, so müssen wir Mischungen bekommen, deren Farbe sich bedeutend vom reinen Gelb entfernt. Durch Zumischung yon indigoblauem Lichte zum Gelben geht letzteres aber wirklich, wie ich in meiner Unter- suchung über die zusammengesetzten Farben gezeigt habe, erst r Gtegen Brew8ter*B Farbentheorie. 85 in weissliches Gelb, dann in Weiss, endlich in bläuliches Weiss über. Die dem Qelb im Spectmm des Smalteglases zunächst stehenden Farben, Roth und Grün, können durch yerschieden starke Einmischung das Weiss noch etwas in Both oder Grün yerändem, und so alle die Farbenstufen erzeugen, welche man durch yerschiedene Dicken des blauen Glases sieht Da man nun bei Brewster's Methode stets alle Theile des Spectrum, geschwächte und ungeschwächte, yor sich hat und deshalb die unregelmässige Zerstreuung der helleren Farben »is im Auge nicht yerhindem kann, so kommt es darauf an, seine Versuche nach einer anderen Methode zu wiederholen, wobei man die störenden Farben aus dem Gesichtsfelde ganz oder üast ganz entfernen kann. Betrachtet man das Spectrum durch ein Femrohr, so kann man zwar leicht jede gewünschte Farbe isolirt erscheinen lassen, aber die unregelmässigen Brechungen und Keflexionen des Lichtes ausserhalb des Auges werden durch die Gläser des Femrohres yermehrt. Die Farbenyer- ändenmgen des gelben Streifens fand ich bei isolirter Betrach- tung desselben im Femrohre zwar schwächer, aber sie waren doch noch yorhanden. Eine andere Methode gab mir aber yoUkommen gute Resultate. Sie ergiebt sich unmittelbar aus der yon Brewster, wenn man durch den Spalt nicht unyer- ändertes Sonnenlicht, sondern schon durch ein anderes Prisma gebrochenes, und zwar dayon allein diejenigen Strahlen ein- fallen lässt, deren Farbenyeiünderung untersucht werden soll. Mein Verfahren ist folgendes: Von einem Spiegel reflectirte Sonnenstrahlen fallen durch einen ersten yerticalen Spalt in ein dunkles Zimmer und auf ein yerticales Prisma, unmittelbar hinter diesem steht eine Linse, welche das zu einem Spectrum ausgebreitete Bild des ersten Spaltes auf einem Schirme entwirft. Li diesem befindet sich ein sehr feiner yerticaler zweiter Spalt. Das Licht yon demjenigen Farbenstreifen des Spectrum, wel- cher gerade auf diesen Spalt fällt, geht durch den Schirm hin- durch, das übrige wird abgeschnitten. Der Beobachter steht hinter diesem zweiten Schirme, dessen Rückseite gut geschwärzt, am besten mit schwarzem Sammet überzogen ist, und betrachtet den Spalt durch ein zweites, möglichst yollkommenes Prisma. Wenn im ersten Prisma und der Linse gar kein Licht zerstreut 8* 86 PhTsikaÜBche Optik. würde, so würde nur homogenes Licht einer bestimmten Farbe auf und durch den zweiten Spalt fallen, und dies eben wegen seiner Homogeneität durch das zweite Prisma angesehen kein Spectrum bilden, sondern als ein ebenso schmaler Streifen wie mit blossem 6u Auge erscheinen. Da aber gleichzeitig ein wenig weisses un- regelmässig gebrochenes Licht einfallt, so bildet dieses ein sehr lichtschwaches Spectrum, in welchen sich nur ein einzelner Farbenstreifen, der des regelmässig gebrochenen Lichtes, sehr glänzend darstellt Wenn nun auch im zweiten Prisma und im Auge wiederum etwas Licht zerstreut wird, so besteht dies hauptsächlich aus dem des hellen Streifens, und kann diesem zugemischt seine Farbe nicht yerändem, weil es ihm homogen ist Von den übrigen Farben kommen nur die im ersten Prisma unregelmässig gebrochenen Theile durch den Spalt, und deren Lichtmenge ist so gering, dass, was davon im zweiten Prisma und im Auge des Beobachters noch zerstreut wird, nicht mehr wahrgenommen werden kann. Man kann bei dieser Methode auch einen beliebig breiten Streifen des Spectrum hell machen, wenn man statt des ersten Spaltes einen mehr oder minder breiten rechteckigen Aus- schnitt anbringt. Dann wird das Spectrum des ersten Prisma ein unreines, d. h. an jeder Stelle desselben decken sich yer- schiedenartige benachbarte Farbenstreifen in einer gewissen Breite, es f&llt also auch verschiedenartiges regelmässig ge- brochenes Licht durch den Spalt, und wird durch das zweite Prisma in die einzelnen Farbentöne zerlegt, die es enthält Man erhält dadurch ein mehr oder minder breites, scharf be- grenztes, mit den entsprechenden Fraunhofer'schen Linien versehenes, helles Band, aus denjenigen Farben bestehend, welche im Spectrum des ersten Prisma sich über dem Spalt deckten, während die übrigen Theile des zweiten Spectrum nur von zer- streutem Lichte erleuchtet sehr lichtschwach bleiben. Auf diese Weise gelingt es zum Beispiel ausserordentlich gut, das jenseit der Linie H liegende , wegen seiner Schwäche neben den übrigen Farben für gewöhnlich unsichtbare Violett frei von allem weissen Lichte in einer mindestens ebenso grossen Breite sichtbar zu machen, als. das gewöhnlich sichtbare Violett zwischen den Linien G und H einnimmt Nach der gewöhn- Gegen Brew8ter*8 Farbentheorie. 87 liehen Methode es in Fernrohren zu zeigen, in denen das übrige Spectrum abgeblendet ist, pflegt es mit einer Cbls^ über- sis wiegenden Menge weissen Lichtes gemischt zu sein. Isoliren wir uns nun nach dieser Methode das Licht des gelben Bandes im Spectrum des Smalteglases, und unterwerfen es der Absorption von einer gewissen Anzahl von Platten dieses Glases, die wir vor dem ersten oder zweiten Spalt, oder vor dem Auge einschieben, so erhalten wir ganz andere Re- sultate als nach Brewster's Methode. Das Oreü) bewahrt nämlich nun, auch nachdem es durch zwei, drei, ja selbst vier blaue Platten gedrungen ist, seine ursprüngliche reine und ge- sättigte Farbe. Ich bemerke Übrigens, dass zu dem Gelingen dieses Versuches nicht einmal ein absolut dunkles Zimmer ge- hört, wenn nur der zweite Schirm hinreichend dunkel schwarz ist und die Glasplatten vor dem ersten Spalt eingeschaltet werden. Brewster's Erklärung kann neben dieser Beobachtung nicht bestehen. Seiner Ansicht nach soll das Licht des gelben Bandes, wenn es durch Kobaltglas weisslich geworden ist, aus Licht gleicher Brechbarkeit bestehen, also durch Brechung in Prismen nicht weiter in verschiedenes Licht zerlegt werden können. Bei dem beschriebenen Versuche erscheint das Licht des gelben Bandes, sowie es in der ersten Spalte ankommt, in der That weisslich, wenn wir es aber durch ein zweites Prisma betrachten, so wird es in reines gelbes und ander- farbiges Licht zerlegt, ist also nicht von gleicher Brechbarkeit, sondern in der That, wie es die von mir gegebene Erklärung fordert, gemischt aus Strahlen verschiedener Brechbarkeit Bei Brewster's Verfahren konnte eine Zumischung fremdartigen Lichtes, sei es nun in den Prismen und Glasplatten oder erst im Auge, nicht vermieden werden. Eben deshalb ist auch er- klärlich, dass er durch Einschaltung noch anderer färbender Medien die weisse Farbe des besprochenen Bandes reiner machen oder in das ßothe und Grüne ziehen konnte» Eine zweite Möglichkeit der Täuschung liegt in den phjsiologischen Erscheinungen des Contrastes, welche sehr leicht die Beurtheilung der Farben beeinträchtigen, besonders «la wenn wir ein schwach erleuchtetes farbiges Feld neben einem 38 Physikalische Optik. sehr viel helleren betrachten. Brücke^) hat neuerdings darauf aufin^eksam gemacht, dass selbst ganz dunkle Stellen des Ge- sichtsfeldes neben helleren farbigen von einem faxbigen Scheine Übergossen erscheinen, welcher bald der erregenden Farbe gleich, bald complement&r, bald noch anders gefärbt ist. Er nennt die Farbe dieses Scheines die inducirte Farbe. Er fand, dass bei dem von ihm angewendeten Ghrade yon Helligkeit Both das complementäre Ghiln, G-rün aber auch Qrün, Violett Blau, Blau und Gelb dagegen keine recht entschiedenen Farben indudren. Nachdem ich diese Versuche bei verschiedenen Graden yon Helligkeit wiederholt habe, glaube ich Brücke's Ausspruch dahin modificiren zu können, dass bei sehr starkem Lichte sich immer dieselbe Farbe über das dunkle Feld aus- giesst, welche das erleuchtete hat, ein Phänomen, dessen muth- maassliche Gründe wir oben besprochen haben. Bei schwachem Lichte dagegen inducirt sich wohl immer die Complementär- ÜEurbe, und zwar, wie auch Brücke fand, viel lebhafter, wenn das Auge bewegt wird, als wenn es einen Funkt fixirt, bei mittlerem Lichte dagegen verhalten sich verschiedene Farben verschieden; sie geben bald dieselbe, bald die entgegengesetzte, bald unbestimmte Färbungen, es scheinen sich hier die beiden entgegengesetzten Erscheinungen zu bekämpfen. Aber auch mir scheint, mit Brücke übereinstimmend, dass Both leichter die Complementärfarbe giebt als Grün und Violett Hieraufscheint mir namentlich ein überraschender Versuch vonBrewster zurückzufuhren zu sein, wodurch er die Anwesen- heit von grünem Licht im Gelb, Orange und selbst im Roth in der Nähe der Linie C nachzuweisen sucht. Als absorbi- rende Mittel gebraucht er dazu Portwein, Perubalsam, Pech, 617 Schwefelbalsam oder rothen Glimmer. Ich habe die Versuche mit Perubalsam, Schwefelbalsam imd Pech wiederholt Dünnere Lagen davon lassen Both, G^lb und Grün des Spectrum stehen, während sie Blau und Violett auslöschen. Dabei scheint aber das Ghrün mindestens bis zur Linie Z>, welche eigentlich im Goldgelb steht, und häufig auch noch darüber hinaus in die 1) Untersuchungen über subjective Farben. Denkschr. d. Akad. d. Wissenschaft zu Wien Bd. III. Gegen Brewster's Farbentheorie. 39 Gegend des röthlichen Orange zu reichen. Unmittelbar an das Grfin scheint das Both zu stossen. Also die gelbgrünen, gelben, goldgelben und selbst wohl die orangenen Farbentöne scheinen grün geworden zu sein, und das Ghün ist so entschie- den und lebhaft, dass man sich in der That schwer entschliesst, an eine subjective Farbentäuschung zu glauben. Das Vor- handensein einer solchen wird aber schon durch den Umstand angedeutet, dass die Ghrenze des Grün viel mehr in das Both hineinrückt, wenn man das Auge auf den verschiedenen Far- benstreifen wandern lässt, als wenn es anhaltend auf dem grünen Theile des Spectrum verweilt Im ersteren Falle treffen die gelblichen Farben auf Netzhauttheile, welche kurz vorher glän- zendes Both gesehen haben und deshalb zur Erzeugung des complementären Blaugrün neigen. Im zweiten Falle ist die Erregung der inducirten Farbe auf den nebenliegenden Theilen der Netzhaut viel schwächer. Dass aber die Erscheinung auf einer subjectiven Täuschung beruhe, zeigt sich sogleich, wenn man nach der von mir oben beschriebenen Methode die gelb- grünen, gelben oder goldgelben Farbenstreifen isolirt, und so isoUrt durch verschieden dicke Schichten der genannten braunen Körper betrachtet Sie erscheinen dann ganz unverändert, ohne die geringste Hinneigung zum Grün. Durch dickere Schichten der braunen Flüssigkeiten ge- sehen verschwinden im Spectrum auch das Grün, Gelb und ein Theil des Orange. Man sieht dann an dem Saume des stehen gebliebenen Both nach der Seite des Orange zu noch ein ganz schwaches grünes Bändchen, selbst bis ganz nahe an die Linie C, wo das Both kaum noch einen orangenen Schein hat Der grüne Saum ist zu lichtschwach und schmal, als <(ib dass es möglich wäre sein licht zu isoliren und einzeln zu untersuchen« Davon aber, dass schwaches roth orangenes Licht neben starkem rothen grün erscheinen kann, überzeugt man sich leicht, wenn man auf eine rothe Glastafel eine kleine mennigrothe Fapierscheibe klebt und sie gegen einen sehr hellen Grund, z. B. den hellen Himmel, hält, während das Papier ganz schwach beleuchtet ist. Bei passender Stärke der Beleuchtung erscheint es grün. Femer scheint mir die violette Färbung des Blau bis in 40 Physikalische Optik. die Nähe der Linie F bei der Absorption durch gelbe Flüssig- keiten, Olivenöl, Saft der Goreopsis tinctoria u. s. w., zu den subjectiven Complementärfarben zu gehören. Ich habe die Versuche mit Olivenöl wiederholt und das Violett deutlich zwischen den Linien F und G gesehen, wo es sonst nicht vor- kommt, bis nahe an F heran, aber nur dann, wenn diese G-e- gend des Spectrum sehr lichtschwach war. Das Oel verändert die Helligkeit des Roth, G«lb und Grrün nicht merklich, schwächt aber das Blaue sehr und löscht das Violett £ast ganz aus. Liess ich durch den Spalt das Licht hell erleuchteter Wolken einfallen, so sah ich die ersteren Farben hell, das Blau lichtschwach und violett, das Violett gar nicht Liess ich aber Sonnenlicht einfallen, so wurde die Gregend zwischen den Linien F und G heUer und verlor ihren violetten Schein. Isolirt man sie von den anderen Farben des Spectrum in der oben beschriebenen Weise, so sieht man das Blaue ebenfalls ganz in seiner ursprünglichen Farbe. Ich glaube daher, dass es in dem durch Olivenöl gesehenen Spec- trum durch das dem benachbarten hellen Grün complementäre Carminroth überdeckt und violett geworden war. Auch noch eine andere Methode kann ich in diesen und ähnlichen Fällen zur Prüfung empfehlen. Man setze vor den grössten Theil des Spaltes die absorbirende Substanz, vor dem übrig bleibenden Best desselben weisses, dickeres oder dünneres, geöltes oder nicht geöltes Papier, welches man so auswählt, 619 dass die zu untersuchende Stelle in dem Absorptionsspectrum ebenso hell wird, wie die entsprechende des durch das Papier gegangenen Lichtes. So wird man bei der Absorption durch Oel sehen, dass auch in dem Papierspectrum das Blau zwischen den Linien F und G violett erscheint. Zum Grelingen des Versuches muss die Breite des Absorptionsspectrum die des Papierspectrum bei weitem überwiegen. Aus den angeführten Thatsachen geht genugsam hervor, dass auch im Spectrum subjective Farbenveränderungen durch Contrast nicht nur ebenso gut wie in Zusammenstellungen anderer Farben, sondern vielleicht noch lebhafter und täu- schender wegen der grösseren Lebhaftigkeit der einfachen Farben eintreten können. In anderen Fällen lassen sich diese Gegen Brewster's Farbentheorie. 41 Verändenrngen nicht gerade auf Induction von Complementär- ÜBurben zurückführen. Ein solches Beispiel , auf welches sich Brewster beruft, ist in dem Spectrum des Smalteglases der Streifen im röthlichen Orange, der etwa von der Linie C bis D reicht. Er ist yiel dunkler als der danebenliegende rothe und gelbe Streifen, und scheint zwischen diesen beiden, bei gewöhnlicher Helligkeit des Spectrum gesehen, ganz dieselbe rothe Eärbimg darzubieten wie der Streifen des äussersten RotL In einem stärker beleuchteten Spectrum erkennt man aber deutlich, dass er in das Orange zieht. Brewster hatte den Streifen zuerst^) orange-roth (orange-red) genannt, später^ beruft er sich darauf^ dass J. Herschel^ ihn rein roth gefunden habe, und glaubt darin eine Veränderung der Farbe durch Absorp- tion zu sehen. Auch hier genügt es den betreffenden Streifen sich abgesondert darzustellen, um sich zu überzeugen, dass seine Farbe durchaus nicht yerändert sei. Ebenso verhält es sich mit den grünlichblauen Farbentönen auf der grünen Seite der Linie jF, welche, wie Brewster bemerkt, durch ein tief- blaues G-las (wahrscheinlich Smalteglas) gesehen, grün werden. Sobald man sie isolirt untersucht, findet man keine Farben- sao änderung an ihnen. Endlich kommt bei einigen Versuchen von Brewster noch eine andere physiologische Thatsache in Betracht, dass nämlich dasselbe homogene Licht bei verschiedener Lichtstörke nicht ganz gleiche Farbeneindrücke hervorruft. Bei blendender Helligkeit scheinen vielmehr alle Farben weiss zu werden. Am leichtesten geschieht dies mit dem Violett, welches im Spectrum des directen Sonnenlichtes schon bei einem sehr massigen Grade von Helligkeit weissgrau erscheint und nur einen schwachen violetten Schein behält. Auch zeigte mir Bx. Prof. Moser, dass durch ein sehr dunkles violettes Glas die Sonne vollständig ebenso weiss erschien, wie die stark beleuchteten Wolken, welche man neben dem Glase vorbei erblickte. Ebenso wird das Blau bei einer Helligkeit, welche ohne Belästigung 1) JSdinburgh TransacHons. Vol. IX. P. 21. p. 439. 2) In der Antwort gegen Airy. 3) Treaüse on Light. Art. 496 u. 506. 42 • Physikalische Optik. des Auges zu ertragen ist, weissblau, bei stärkerer weiss. Das Grün wird erst gelbgrün, ehe es wie das Grelb bei gesteigerter Helligkeit die Farbe ganz verliert Both zeigt die Erscheinung am schwersten und nur bei den höchsten Graden der Helligkeit habe ich es sowohl im Spectrum, als durch ein rothes Glas nach der Sonne blickend hellgelb werden sehen. Um bei den Versuchen darüber die Einmischung jedes anders- farbigen Lichtes zu vermeiden, habe ich sie mit Farbenstreifen des Sonnenspectrum angestellt, welche nach der vorher be- schriebenen Methode durch zwei Prismen isolirt und gereinigt waren. Die verschiedenen Abstufungen der Helligkeit habe ich theUs dadurch hervorgebracht, dass ich das direct von der Sonne kommende Licht mit solchem vertauschte, welches von verschieden stark beleuchteten Theilen des Himmels aus- gegangen war, theils aber auch, weil nach Brewster's Theorie die Farben im Spectrum des Sonnenlichtes denen im Himmels- lichte nicht gleich sein sollen, dadurch, dass ich die Farben des Sonnenspectrum bald direct, bald durch zwei, nahe rechtwinkelig gekreuzte Nicol'sche Prismen betrachtete. Auch durch Reflexion B21 von unbelegten Glasplatten, oder indem man sie auf einem weissen Schirm au£[ängt, kann man ihre Helligkeit ohne Ver- dacht einer Farbenänderung schwächen. Wenn also eine gewisse Dicke der Lösung von schwefel- saurem Kupferozyd -Ammoniak das Blau des Spectrum hell imd weisslich, eine stärkere Dicke es tief dunkelblau erscheinen lässt, so ist daraus nur zu schliessen, dass diese Flüssigkeit auch blaue Strahlen absorbirt, aber keineswegs, dass sie weisses Licht aus dem homogenen blauen fortgenommen habe. Femer erklärt sich daraus, dass das Gelb im Spectrum des Tageslichtes oder des blauen Himmels kaum zu bemerken ist, während es in dem viel helleren Spectrum des directen Sonnenlichtes einen breiten Baum einnimmt Das reine G^lb bildet nämlich im Spectrum des Flintglases einen äusserst schmalen Streifen, und ist im blauen Lichte des Himmels schwächer als seine Nebenfarben, sodass man es bei schwacher Vergrösserung des Spectrum zwischen dem breiten und glän- zenden Both und Grün schwer bemerkt. Dagegen sieht man es bei starker Vergrösserung oder isolirter Betrachtung der Gegen Brewster^s Farbentheorie. 48 einzelnen Farben sehr deutlich auch im Himmelslichte. Im Spectram des directen Sonnenlichtes ist dagegen Gelb die hellste Farbe und von blendendem Glänze. Grün und Roth sind durch gesteigerte Intensität auch gelblich geworden, und deshalb tritt das Gelb so deutlich herror. Schwächt man aber die Helligkeit des Sonnenspectram durch Reflexion von unbelegten Glasplatten, oder durch fast rechtwinkelig ge- kreuzte Nicol'sche Prismen, so tritt das Gelb ebenso zurück wie im Spectrum des TagesUchtes. Bestimmt man ausserdem in einem Spectrum von massig starkem Sonnenlicht, andererseits in dem des Tageslichtes die Farbenstufen der einzelnen Fraun- hofer'sehen Liniengruppen in der Nähe des Gelb, isolirt yon den Nebenfarben, so findet man sie ganz gleich. Es bleibt nun von den Thatsachen, welche Brewster zur Stütze seiner Theorie angefahrt hat, ein Versuch übrig, von dem ich nicht weiss, ob ich seine Wiederholung als gelungen s» betrachten dari^ und einige, welche ich nicht anstellen konnte, weil ich die dazu gehörigen absorbirenden Mittel nicht hatte. Der erstere ist angestellt mit Perubalsam, Schwefelbalsam, Pech und rothem Glimmer. Das Both des Spectrum soll, durch diese Mittel angesehen, orange erscheinen. Bei massiger Lichtstärke konnte ich durch die Balsame und Pech, in welchen Abstufungen der Dicke ich sie auch anwandte, nichts davon erkennen; das Both behielt seine Farbe ganz unverändert. Nur bei grosser Lichtstärke, wo ein das Spectrum umgebender brauner Lichtschein ankündigte, dass viel Licht zerstreut wurde, sah ich das Both etwas orange. Das erklärte sich aber in diesem Falle aus der Zumischung des zerstreuten braunen, aus Both, Gelb und etwas Grün zusammengesetzten Lichtes, und aus der Neigung des Both bei grösserer Helligkeit gelblich zu werden. Vielleicht hat auch Brewster ein so helles Spec- trum angewendet. Isolirt man übrigens das Both nach meiner obigen Methode, so bleibt es stets ganz unverändert. Verschiedene Versuche sind von Hm. Brewster mit gefärb- ten durchsichtigen Oblaten (wafers) aus Gelatine angestellt worden. Ich fand dergleichen hier nicht im Handel, und da nur die Farben, nicht die Farbsto£fe angegeben waren, konnte ich sie mir nicht darstellen. Uebrigens scheint mir der Gebrauch solcher Oblaten 44 PhjBikalische Optik. deshalb bedenklich^ wenigstens wenn sie zwischen Auge und Prisma eingeschaltet werden, weU auch die besten Leimplatten, wie man sie zwischen Glasplatten aus dem remsten Hausenbla- senleim bildet, nicht zu den klar durchsichtigen Körpern ge- hören. Wenn man auch durch ein solches Blatt ziemlich gut hindurchsehen kann, so machen mehrere übereinander das Bild nebelhaft, zum Beweise, dass sie viel Licht zerstreuen. Dies würde in der That auch die Wirkung erklären, welche orangene, gelbe und grüne solche Oblaten haben sollen, das B.oth des Spectrum orange zu färben. Es genügt dazu die Zerstreuung des vorwaltenden farbigen Lichtes über das Roth. Wodurch 623 eine grüne solche Oblate ein weissliches Band im Blau her- Yorbringt, weiss ich nicht zu ermitteln, da ich den Versuch nicht wiederholen kann. Ein blassrothes Glas, welches das Grün zwischen b und F absorbirt (wahrscheinlich mit Goldpurpur gefärbt), und ein blassgelbes, welches das Blau schwächt, sollen combinirt das Blau violett machen. Die Erklärung wird dieselbe sein wie beim Olivenöl Roth von einer Messingplatte reflectirt, soll nach J. Herschel orange werden. Die Mittel zur Erklärung davon hat Airy in seiner Abhandlung gegen Brewster gegeben. Ich habe jetzt die von Brewster vorgebrachten That- sachen alle erwähnt Wenn ich auch nicht alle Versuche nach- ahmen und widerlegen konnte, so glaube ich, geht aus den Er- örterungen über die, deren Wiederholung mir gelungen ist^ zur Genüge hervor, dass bei seiner Methode mehrere bisher unbe- achtete Umstände von Einfluss sind, welche eine sichere Beur- theilung der Farben unmöglich machen und den bis jetzt von ihm hingestellten Thatsachen alle Beweiskraft für seinen Zweck nehmen, dm gültige Gründe zur Widerlegung der bisher an- genommenen Verbindung der Brechbarkeit oder Wellenlänge mit der Farbe zu gewinnen, muss man jedenfalls eine andere gesichertere Beobachtungsmethode anwenden, ähnlich derjenigen, welche ich in dieser Abhandlung beschrieben habe, wobei eine Hauptbedingung ist, dass die zu untersuchenden Farben von den übrigen abgesondert und von den letzten Spuren unregel- mässig gebrochenen Lichtes frei sind. LI. Heber die Znaammensetzang you Spectralfarben. Ans Poggendorff '8 Annalen der Physik und Chemie. Bd. 94. S. 1 bis 28. — 1855 (TheUweis yoigetragen vor der British AisoeiaHon zu Hüll im September 1854.) In meiner Abhandlung ^^Ueber die Theorie der zu- i sammengesetzten Farben''^) habe ich den Beweis ge- f&hrt^ dass Mischung farbiger Pigmente nicht nothwendig die- selbe Mischfarbe giebt, welche durch Zusammensetzung des entsprechenden £Eurbigen Lichtes gewonnen wird. Bei dieser Gelegenheit hatte ich vermittelst einer eigenthümUchen Methode Untersuchungen über die Resultate der Zusammensetzung ein- facher prismatischer Farben angestellt und dabei unter anderän, den froheren Annahmen widersprechenden Besultaten auch gefun- den, dass nur ein einziges Paar einfacher Gomplementärfarben, Indigblau und Gtelb, im Spectrum yorhanden sei. Dies war, wie auch später Hr. Grassmann ^ streng und ausführlich nachgewiesen hat, mit der yon Newton aufgestellten Form, in der man das Gesetz der Farbenmischungen auszudrücken pflegte in geradem Widerspruche, auch wenn man die Yer- theiluog der Farben in Newton 's Farbenkreise nach Belieben geändert hätte. Ich selbst habe das genannte Ergebniss meiner damaligen Untersuchungen als höchst auffallend bezeichnet, yer- mied es aber die Schlüsse, welche sich daran zu knüpfen 1) ^ogg. Ann. Bd. 87, S. 45. — J. Müller*8 Archiv fiir Anat. imd FhysioL 1852, S. 461. 2) Po gg. Ann. Bd. 89, S. 69. 48 Physikalische Optik. fest yerbunden. Die einander zugekehrten Bänder von / und ly sowie die von ^ und X sind zugeschärft^ und möglichst genau geradlinig und parallel gearbeitet. Zwischen ihnen bleiben die beiden Spalten, welche das Licht durchlassen sollen. Die vorderen Flächen von/, l, l und (p sind matt versilbert , um das Spectrum deutlich darauf projiciren zu können. Die grosse Messingplatte AA hat natürlich in ihrer Mitte einen Aus- schnitt um das Licht, welches die beiden Spalten passirt haty hindurch zu lassen. Der Ort, wo das Spectrum entworfen wird, ist durch das helle kleine Bechteck in der Mitte der Figur angedeutet. Ver- schiebt man nun mittels der Schrauben d und S die Schlitten aa und accy so treten andere Farbentöne des Spectrum durch die Spalten. Durch die Schrauben m und fjL kann man da- gegen die Breite der Spalten, also auch die Menge des durch- gelassenen Lichtes beliebig regehi. Das durch die Spalten getretene Licht trifft nun auf der Bückseite des Schirms zimächst eine zweite achromatische Linse L^ von kürzerer Brennweite als das Objectivglas des Femrohres. Diese entwirft vermittelst der beiden durch den Schirm gegangenen Antheile einfachen farbigen Lichtes auf einem weissen Papierblatte B ein Bild von der Oeffhung des Diaphragma A welches sich zwischen dem Prisma und der ersten Linse befindet Dies Bild erscheint als ein gleichmässig gefärbtes Bechteck, welches, wenn nur durch einen Spalt Licht geht, in der Farbe dieses einfachen Lichtes^ wenn durch beide, in der aus den beiden einfachen zusammengesetzten Farbe er- scheint. Um das Bild scharf und, worauf hier alles ankommt, gleichmässig gefärbt zu erhalten, muss man verschiedene Yor- sichtsmaassregeln beobachten. Die Entfernung des ersten Spaltes von der ersten Linse muss möglichst gross sein, damit das Bild 8 der Lichtquelle, der Sonne, auch nahehin in die Ebene des Doppelspaltes falle und dadurch die Diffraction des Lichtes durch die engen Spalten vermieden werde. Das Prisma und die erste Objectivlinse müssen firei von allen XJnreinigkeiten sein. Bei einzelnen Zusammensetzungen von Farben sind auch die Newton'schen Binge sehr störend, welche in der dünnen Luftschicht zwischen dem Crown- und Flintglase der ersten Znaaminenfletzong von Spectnüfarben. 48 achromatischen Linse entstehen und in dem Farbenfelde mit abgebildet werden. Weil wir es hier mit zwei Bündeln homo-* gener Lichtstrahlen zu thun haben, treten diese Binge selbst an yerhaltnissmässig dicken Luftschichten noch auf. Selbst ein Bing Yon Stanniol, den ich zwischen die beiden Linsen gelegt hatte, um sie von einander zu entfernen, beseitigte die Binge nicht ganz. Am besten ist es, Balsam zwischen die Linsen zu bringen. Eindlich müssen die beiden Spalte noch den Eraon« hofer'schen Linien des Spectrum parallel gestellt werden, was durch die Stellschrauben am Fusse des Schirmes zu erreidien ist, und die Ebene des Doppelspaltes muss genau am Orte des von der Linse entworfenen Bildes des ersten Spaltes sich be* finden. Ist letztere Bedingung nicht erftdlt, so bdcommt das farbige Bechteck an yerschiedenen Seiten yerschiedeiue Farbent5ne. Hat man eine Farbenmischung gefunden, welche man Ar Weiss hält, so ist es rathsam noch von einer andern Stelle des Zimmers her weisses Himmelslicht eindringen und auf weisses Papier fallen zu lassen, um dessen Farbe mit der Misch- fiirbe zu vergleichen. Man darf auch nicht zu anhaltend auf die Misch&rbe hinsehen, nicht andere glänzende Farben da- neben haben, wie ich schon in meinem firüheren Aufsätze er- wähnt habe. Den weiteren Auseinandersetzungen schicke ich noch einige Bestimmungen über den Gebrauch der yerschiedenen üTamen yon Farben yoraus, um Zweideutigkeiten in dieser Beziehung zu vermeiden. Violett, nach der Wortbedeutung Farbe der Veilchen {vwla)y gebrauche ich für die Uebergangsstufe des Bla« in « JEtoth, in welcher ersteres überwiegt. Ln Spectrum entspricht diesem Farbenton das brechbarere Ende zwischen der Linie G und H oder / (nach Stokes). Ich unterscheide es von Purpur, mit dem es im gewöhnlichen Sprachgebrauche zu- weilen verwechselt wird, und welche Benennung auch von eiuigen Autoren geradezu für das brechbarere Ende des Spectrum ge« braucht wird, indem ich den Namen des Purpurs nur fllr die röthlicheren Töne, also die Uebergangsfarben zwischen dem Violett und dem Roth der Enden des Spectrum gebrauchen HflmlioltSf wiwenMiL AbhandIun;eiL IL 4 50 Physikaliflche Optik. werde. Mit Weiss gemischt giebt Purpur das BosenrotL Im Blau hat schon Newton zwei Abstufungen unterschieden, coeruletim und indicum, und ausserdem gebraucht er die Be- nennung cyaneum für blaue Töne, welche dem Grün nahe stehen. Den Namen Indigblau für das brechbarere Blau, der einmal in die Wissenschaft eingebürgert ist, werde ich beibehalten. Das weniger brechbare Blau, Newton's coervieumj hat man ohne besondere Bezeichnung als Blau oder, wie Grassmann, als Himmelblau dem Indigblau des Spectrum entgegengesetzt. Das Blau des wolkenlosen Himmels muss aber in der That als weissliches Indigblau bezeichnet werden. Ich habe es mittels einer spiegelnden unbelegten Glasplatte^) mit reinem G^lb (dem des chromsauren Bleioxyds) gemischt, und gefunden, dass es wie sein B^präsentant unter den Maler- farben, das Ultramarin, schwach röthliches Weiss als Misch- farbe giebt, während das weniger brechbare Blau schwach grün- liches Weiss geben würde. Wir können deshalb die weniger brechbaren blauen Töne des Blau im Spectrum nicht Himmel- blau nennen, obgleich sie allerdings bei einer dem Auge be- quemen Lichtstärke des Spectrum dem Himmelblau ähnlicher aussehen mögen als das Indigoblau. Das liegt aber nur daran, dass sie lichtstärker sind, deshalb weisslicher aussehen als das Indigblau, und so dem viel Weiss enthaltenden Hinmiel- blau näher kommen. Ich werde deshalb für das weniger brech- 7 bare Blau, für welches ich keine geeignete Bezeichnung in der deutschen Sprache finde, Newton 's Namen cyaneum anwenden und es Cyanblau nennen. Der Name Cyan ist in die neueren Naturwissenschaften eingeführt worden mit Beziehung auf die blaue Farbe des Eisencyanürcyanids. Diese Farbe entspricht in der That den weniger brechbaren Tönen des Blau, und er- scheint grünlich neben Himmelblau. Im Spectrum nimmt das Blau den Baum zwischen den Linien F und G ein, so- dass etwa das an F stossende Drittel dieses Baumes als Cyanblau, die anderen zwei Drittel als Indigblau bezeichnet wei*den können. Als Repräsentanten des Grün betrachte ich den Farben- 1) S. meinen früheren Auüsatz, Pogg. Ann. Bd. 87, S. 61. Zusammensetsaiig von Spectralfarben. 51 ton des arsenigsauren Kupferoxyds , im Spectrum die Gegend der Linien b und Ej als den des reinen G-elb, das fein nieder- geschlagene chromsaure Bleioxyd, im Spectrum einen Streifen, welcher dreimal so weit von der Linie E als von D absteht. Die Gegend der Linie D nenne ich Goldgelb, indem ich darunter einen Uebergangston zwischen Gelb und Both ver- stehe, in welchem ersteres überwiegt. Bei überwiegendem Both giebt es Orange, wie es zwischen den Linien C und D sich findet. Den Namen Both wende ich nur auf den Farben- ton des weniger brechbaren Endes des Spectrum an, nicht auf das Purpur, die Mischungen Yon Violett oder Blau mit Both- Dem einfachen äussersten Both entspricht der Farbenton des Zinnobers. Der des Garminpulvers nähert sich schon dem Porpur, und mit Carminroth oder Earschroth kann man die röthlicheren Töne des Purpur bezeichnen. Nach der vorher beschriebenen Methode ist es nun ziem- lich leicht. Weiss aus indigblauem und gelbem Lichte zu- sammenzusetzen. Es gelingt aber auch, obgleich nicht ganz so leicht mit einer Beihe anderer Farbenpaare, nämlich mit folgenden: Violett Grünliches Gelb Indigblau Gelb Cyanblau Goldgelb Grünliches Blau Both. Das Grün ist also die einzige einfache Farbe, welche keine s einfache Complementarfarbe hat. Um Weiss zu bilden, muss es mit Purpur d. h. mit mindestens noch zwei anderen Farben Both und Violett gemischt werden. Ich sagte vorher. Weiss sei sehr leicht aus Gelb und Lidig- blau, weniger leicht aus den anderen neu hinzugekommenen Farbenpaaren zusammenzusetzen. Es konmien hier verschie- dene umstände zusammen. Zunächst findet nämlich das Auge bei diesen Farben Schwierigkeiten, sich dauernd für das farbige Feld scharf zu accommodiren. Es treten hier ähnliche Er- scheinungen auf, wie sie Dove bei gewissen violetten Gläsern beschrieben hat, welche gleichzeitig rothes und violettes Licht dnrchlassen. Wegen der Farbenzerstreuung im Auge kann sich dieses nämlich nicht gleichzeitig für beiderlei Arten von 52 Physikalische Optik. Strahlen accommodiren. Entsendet ein leuchtender Punkt gleichzeitig rothes und blaues Licht, und ist das Auge f&r die Entfernung des Punktes bei rother Beleuchtung accommodirt, so giebt das blaue Licht einen Zerstreuungskreis. Es erscheint dann also ein rother Punkt mit blauem Hofe. Accommodirt sich das Auge fl&r die blaue Beleuchtung, so erscheint ein blauer Punkt im rothen Hofe. Nun ist allerdings auch eine Accommodation des Auges möglich, wobei das rothe und blaue Licht gleich grosse Zerstreuungskreise bilden, also ein kleiner Lichtfleck yon der Mischfarbe erscheint, aber wenn man diese Stellung des Auges auch für einzelne Augenblicke findet, so ist es kaum möglich sie dauernd festzuhalten, wenn der unter- schied zwischen der Brechbarkeit der beiden verschiedenen Lichtarten beträchtlich ist. Li dieser Beziehung zeichnen sich die complementaren Paare: Lidigblau-Gelb und Cyanblau- Goldgelb vor den anderen Paaren dadurch aus, dass der unter- schied der Brechbarkeit für sie am kleinsten , also auch die Accommodation am leichtesten festzuhalten ist. Bei meiner früheren Methode war das mit der Mischfarbe bedeckte Feld sehr klein^ und die Wirkungen der Farbenzerstreuung daher sehr auffallend. Bei der jetzt beschriebenen Methode treten 9 sie weniger hervor, obgleich man auch hierbei bald die eine, bald die andere Farbe am Bande aufblitzen, und das übrige Feld sich dann sogleich complementar färben sieht Tritt man in einige Entfernung zurück, so trennen sich die vereinigten Farben ebenfalls, weil wohl die meisten menschlichen Augen für das blaue und violette einfache Licht kurzsichtig sind. Zweitens war bei einigen Farbenpaaren das Auge höchst empfindUch für Beimischungen von sehr kleinen Mengen der einfachen Farben zu der weissen Mischung. Namentlich zeigt sich dies bei Both und Grünblau. Wenn man das aus diesen beiden gemischte Weiss nicht ziemlich lichtschwach macht, be- hält es immer ein fleckiges und veränderliches Ansehen. Nicht nur machen sich die kleinsten Ungleichheiten in der objectiven Beleuchtung des Feldes durch Hervortreten einer der beiden Farben sehr bemerklich, sondern auch nach einander erscheint, wohl in Folge von Nachbildern, dieselbe Stelle bald röthlich, bald bläulich. Das Aussehen der Mischfarbe erinnert an den Zusammensetzong von SpectralfiEurben. 53 Versuch, wo man mit einem Auge durch ein rothes, mit dem andern durch ein blaues Grlas sieht , und das Gesichtsfeld mit yeränderlichen Flecken beider Farben bedeckt erblickt. Dann veränderte sich auch die Mischfarbe etwas mit dem Orte der Netzhaut, der ihr Bild empfing. Schon Purkinje hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Seitentheile der Netz- haut eine andere Empfindlichkeit für Farben haben als die Stelle des direkten Sehens, der gelbe FlecL Hatte ich Both und GrQnblau so verbunden, dass das von ihnen gemeinschaft- lich beleuchtete Feld so gut als möglich weiss erschien, und eher des Both überwog, so ¥nirde es sogleich entschieden grün, wenn ich einen neben dem hellen Felde liegenden Punkt des Papiers fixirte. Dasselbe war der Fall, wenn ich das Auge so nahe heranbrachte, dass das Feld der Mischfekrhe einen sehr grossen Theil des Gesichtsfeldes bedeckte, also ausser dem gelben Flecke auch viele andere Theile der Netzhaut das Bild auf- nahmen. Bei diesem Versuche kann die Farbenzerstreuung bei der Brechung im Auge in der Mitte eines so grossen Feldes keinen lo Einfluss haben. Aus der Feme gesehen, erschien der er- leuchtete Fleck dagegen auffallender Weise als ein rosenrother Punkt mit grünblauem Strahlenkreise. Bei Indigblau-Gelb und Cyanblau- Goldgelb gelingt es meist ein Weiss herzustellen, bei dessen Anblick man in keiner Weise die Art der zusammensetzenden Farben erkennen kann, wenn man sie nicht schon kennt; Yiolett-Grüngelb lässt schon oft das eine oder andere am Bande hervorscheinen, aber Both und Grünblau giebt bei einiger Helligkeit immer den Ein- druck als sähe man an jeder Stelle des Feldes beide Farben unvereinigt neben einander. XJm zu erkennen, dass eine Misch- farbe da sei, und dass diese Weiss sei, muss man entweder die einfachen Farben unvermischt daneben stellen oder das Licht schwächen. Beides sind aber allerdings Mittel, welche das Auge unfähiger machen, einen schwachen Grad von Färbung im Weiss wahrzunehmen. Um die beiden Farben unvermischt neben das Weiss zu stellen, braucht man nur das Papierblatt (B Fig. 2, Taf. I), auf welchem das gemischte Licht sich dar- stellty etwas aus dem Brennpunkte der letzten Linse zu rücken, dann erscheinen an beiden Seiten des weissen Feldes farbige 54 Physikalische Optik. Bänder. Oder man hält ein dünnes Stäbchen vor das weisse Feld, welches unter diesen Umständen zwei Schatten wirft, einen rothen und einen blauen. Was die Complementarfarbe des Grün betrifit, so nimmt Hr. Grassmann an, dass sie an den äussersten Enden des Spectrum vorkomme, fiir gewöhnlich aber sehr lichtschwach sei, und nur unter besonders günstigen Umständen (an heiteren Sommermittagen) zu sehen sei. Er beruft sich dabei auf eine Beobachtung von Hassenfratz*), wonach Purpur, wie dieser es nennt, nur zu den genannten Zeiten im Spectrum zu finden 11 sei, des Abends aber der Purpur verschwinde, und das Spec- trum dadurch kürzer werde. Mit Bücksicht auf die vielen späteren Beobachter, welche das Spectrum zu verschiedenen Tageszeiten untersucht haben, ohne am violetten Ende zeit- weilig einen andern Farbenton zu finden, war wohl vorauszu- setzen, dass Hassenfratz hier unter Purpur die Farbe ver- steht, welche gewöhnlich Violett genannt wird. Dasselbe findet man zuweilen auch bei Newton (wenigstens in der lateinischen Uebersetzung der Optik) imd anderen Autoren. Um indessen die Sache ausser Zweifel zu stellen, habe ich die Farbentöne der beiden äussersten Enden des Spectrum noch einmal unter- sucht Zu dem Ende isolirte ich sorgfältig das schwache Licht dieser Gegenden nach einer schon früher^) von mir beschriebenen Methode von dem überwiegend helleren der mittleren Theile des Spectrum. Ich entwarf nämlich zunächst mittels eines Prisma und einer Linse ein Spectrum' auf einem Schirme. Das Sonnenlicht war vorher nicht durch einen engen Spalt ge- gangen, sondern ich liess es durch den Spiegel des HeUostaten geradezu auf das Prisma reflectiren. Der Schirm stand im Brennpunkte der Linse; auf ihm wurde daher gleichsam eine Beihe verschiedenfarbiger Sonnenbilder entworfen, die sich nur theilweise deckten, und so das Spectrum bildeten. Der Schirm hatte einen feinen Spalt, der entweder an das rothe oder 1) Ich setze hier voraus, dass das Citat auf S. 70 seines Au&atees, Pogg. Annalen Bd. 89, einen Druckfehler enthalte, und es statt: „Bd. 18^' vielmehr „Bd. 28'^ heissen müsse. In Bd. 18, S. 441 ist nichts darauf Be- zügliches zu finden. 2) Pogg. Ann. Bd. 86, S. 518. (Siehe oben S. 35). Zusammeiuietzaiig Ton Spectralfarben. 55 violette Ende dieses unreinen Spectrum gestellt wurde, so dass ausser zerstreutem weissen Lichte die farbigen End- strahlen des Spectrum in möglichst grosser Lichtstärke hin- dnrchfielen. Etwa 10 Fuss von diesem Schirme entfernt stand ein zweites Prisma mit einem Femrohre, durch welches das Spectrum des Spaltes betrachtet wurde. Die gewöhnlich sicht- baren Theile dieses Spectrum hatten dann nur geringe Licht- intensitat; an seinem einen Ende erschien dagegen ein ellip- tischer hellerer Fleck (ein verzogenes Bild der Sonnenscheibe), der die gewöhnlich wegen ihrer Lichtschwäche nicht gesehenen äussersten Strahlen in yerhältnissmässig grosser Lichtstärke nnd Ueinheit zeigte. Am rothen Ende sieht man nicht viel is jenseits der Linie A. Bei geringer Lichtstärke erscheint im ganzen rothen Baume von A bis etwa C eine Farbe, welche der des Zümobers ähnlich ist, und mit welcher verglichen die des gepulverten Carmins schon entschieden purpurn erscheint Bei grösserer Lichtintensität, wie sie bei B erreicht werden kann, nähert sich die Farbe mehr dem Orange, während das Both in der Nähe von C, welches bei schwachem Lichte ganz denselben Farbenton hat wie das der Gbgend von Ay sich bis zu blendender Stärke steigern lässt und dann gelb erscheint Das violette Ende des Spectrum verlängert sich bei Anwen- dung derselben Methode sehr bedeutend, und eine genaue Yer- gleichnng der Liniengruppen mit denen eines auf Chininlösung entworfenen Spectrum, und denen der von S tokos gegebenen Zeichnung^) hat mich gelehrt, dass das menschliche Auge alle die brechbareren Strahlen dieser G-egend noch sehen konnte, welche fähig waren durch die angewendeten G-lasmassen hin- durch zu gehen. Die äussersten Streifen, welche ich direct sehen konnte, und welche auch anf Chininlösung projicirt die letzten sichtbaren waren, sind die ersten beiden blasseren Streifen, welche S tokos ia seiner Zeichnung unter der Gruppe j> angemerkt hat um die Gruppe /> überhaupt zu sehen, for- dert 8 tokos eine sorgfältige Anordnung des Apparates und klaren Sonnenschein, und nennt das Licht dieser Gegend sehr 1) Fha. Transaet. 1852. IL Taf. XXV. Fig. 1. (Po gg. Ann. Ergsbd. IV, Taf. I. Fig. 1.) 66 Physikalische Optik schwach. Da die Lichtstrahlen meines Apparates durch zwei Prismen, zwei Objectiv- und zwei Ocularlinsen gehen mussten, darf es nicht aufisdlen, dass die äussersten Strahlen von Stokes Zeichnung fehlten, sowohl für die Chininlösung als für das Axige. Für diese Lösung war der Weg durch das Glas sogar noch um die Dicke der beiden Ocularlinsen, die weggelassen waren, kürzer. Die von Stokes mit /, m und n bezeichneten Ghruppen kann man aber nach dieser Methode sehr leicht in viel reicherem Detail darstellen, als es auf Chininlösungen ge- 18 flchieht und in der Zeichnung von Stokes abgebildet ist Ich werde im Folgenden diese brechbarsten Strahlen die über- violetten Strahlen nennen, da der Name der unsichtbaren Strahlen nicht mehr recht passt, obgleich allerdings zugegeben werden muss, dass das Auge von ihnen verhSltnissmässig sehr wenig afficirt wird. Ihre objective Intensität ist offenbar nicht so gering, wie sich bei ihrer Wirkung auf fluorescirende Sub- stanzen erweist Wenn wir ein Spectrum auf gewöhnlichem weissen Papier entwerfen, sehen wir von diesen übervioletten Strahlen nichts, weil sie von dem diffusen gewöhnlichen Lichte überstrahlt werden. Entwerfen wir das Spectrum dagegen auf Papier, welches mit Chininlösung durchtränkt ist, so kehrt an ihrer Stelle von den betreffenden Stellen des Spectrum das weniger brechbare Licht des fluorescirenden Chioin zurück, und obgleich die lebendige Kraft der Lichtschwingungen durch den Process der Fluorescenz gewiss nicht vermehrt wird, afficirt das durch sie erzeugte Licht von längerer Schwingnngsdauer die Netzhaut lebhaft genug, um gesehen zu werden. Was nun die Farbe des brechbarsten Endes des Spectrum betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass dieses unter allen seinen Theilen am schnellsten den Farbenton mit der Licht- intensität wechselt, und man muss hier Farben verschiedener Stellen, die man vergleichen will, nur bei nahe gleicher Licht- intensität beider vergleichen. Dazu giebt die beschriebene Methode eine gute Gelegenheit, da die violetten Strahlen nur dem in den Spalt dringenden diffusen Lichte, die übervioletten directem Sonnenlichte angehören, und sich daher in beiden Partien immer Stellen von gleicher Lichtstärke aufiSnden lassen. Zusammensetzung von Spectralfitfben. 57 Bei geringer Lichtstärke hat der Baum zwischen den Linien G und H eine ziemlich gleichmässige violette Färbung, die sich auch noch auf die Gbgend von S tokos' G-ruppe / aus- dehnt. Je lichtschwächer das Violett wird, desto mehr bekommt es einen Anflug von Bosa. Steigert sich die Lichtintensität, so wird der Farbenton dem Blau ähnlicher und entfernt sich i« immer mehr vom Purpur; er geht dann in ein weissliches Graublau über. Die übervioletten Strahlen jenseits der Gruppe / setzen die Farbenreihe keineswegs nach dem Purpur hin fort, sondern sind wieder indigblau bei geringer Lichtstärke, weiss- blauy wo es gelingt sie in grösserer Lichtstärke zu sehen. Ich haJbe das überviolette Licht mehreren anderen Personen ge- zeigt, um nicht durch eine Eigenthümlichkeit meines Auges getäuscht zu werden, und alle bezeichneten die Farbe in der Weise, wie ich angegeben habe, unter allen diesen brechbaren Farbentönen kommt also lichtschwaches Violett, etwa aus der Gegend der Linien HAem Purpur am nächsten; aber auch dieses ist durch einen weiten Zwischenraum in der Farbenreihe von dem äussersten Both getrennt Man kann in meinem Apparate durch Mischung von Violett xmd Both eine sehr grosse Anzahl unterscheidbarer purpurner Farbentöne bilden, welche sich alle zwischen die Farben der beiden äussersten Enden des Spectrum einreihen lassen. Da sich hier das erste Beispiel einer Umkehr in der Beihe der Farbentöne im Spectrum darzubieten scheint, möchte die Untersuchung des Spectrum von Quarzprismen, welche die brechbareren Strahlen nicht wie Glas absorbiren, f&r die Phy- siologie der Farbenempfindungen sehr wichtig sein. Leider habe ich bis jetzt solche Prismen noch nicht erhalten können. Ich gehe jetzt über zur Beschreibung einer anderen Beihe von Versuchen, welche zum Zwecke haben das Verhältniss der Wellenlängen der complementaren Farben zu ermitteln. Zu dem Ende nahm ich von dem zur Mischung des Lichtes die- nenden Apparate den weissen Schirm {B Fig. 2, Taf. I) fort, auf welchem das Farbenbild entworfen wird, nachdem ich ein möglichst gutes Weiss hergestellt hatte, und stellte in der Bitfemung von etwa 6 Fuss hinter dem Schirme S^ mit dem Doppelspalte ein Femrohr F au^ vor dessen Objectivglase eine 58 PhTsikAÜBche Optik. Glasplatte mit feinen parallelen senkrechten Linien befestigt war. Durch diese sieht man neben den Spalten, durch welche 16 das Licht dringt, noch eine Reihe von Nebenspectra sich dar- stellen, deren scheinbare Entfernung von dem Spalte der Wellen- länge des betrefiPenden Lichtes proportional ist. Auf der hinteren Seite des Schirmes S2 war eine Millimetertheilung in horizon- taler Richtung angebracht. Es liess sich nun leicht bestimmen, mit welchen Funkten der Theilung die Mitte der Nebenspectra der verschiedenen farbigen Strahlen zusammenfiel. Die so ge- messene Entfernung des ersten rechten vom ersten linken Nebenspectrum einer jeden Farbe war bei übrigens unverän- derter Einrichtung des Apparates der Wellenlänge proportional zu setzen. Um nun die absoluten Werthe der Wellenlängen zu bekommen, maass ich auf dieselbe Weise die Entfernungen der Spectra f&r verschiedene Fraunhofer'sche Linien, und nahm f&r deren Wellenlängen die von Fraunhofer gefundenen Werthe, woraus ich dann die der von mir zu Weiss vereinigten Strahlen bestimmen konnte. Die relativen Verhältnisse der Wellenlängen der Fraunhofer'schen Linien stimmten gut mit den von Fraunhofer angegebenen überein; indessen wird die Genauigkeit der hier folgenden Angaben über die Wellen- längen complementärer Farben durch die Schwierigkeit sdir vermindert, die Reinheit des zusammengesetzten Weiss zu be- urtheilen. Die Zahlen geben die Wellenlängen ausgedrückt durch Millionentheile eines Pariser Zolles. Farbe. Wellenlloge. Complementar- ftrbe. WeUenlloge. VwiiUtni« dir Wellenlingea. Both 2425 GrOnblaa 1818 1,884 Orange 2244 BUu 1809 1,240 Goldgelb 2162 Blau 1793 1,206 Goldgelb 2120 Blau 1781 1,190 Gelb 2095 Indigblau 1716 1,221 Gelb 2085 Indigblau 1706 1,222 Grfingdb 2082 Tiolett von 1600 ab 1,301 La Violett mussten, seiner Lichtschwäche wegen, die ersten Strahlen von der Wellenlänge 1600 ab alle zu*- Zusammensetziing von Spectralfarben. 59 sammengefasst werden. Zur Yergleichung setze ich die von Fraunhofer ftir die festen Linien des Spectrum angegebenen Werthe her: B. 2541 C. 2425 D. 2175 E. 1943 F. 1789 G. 1585 H. 1451. Nach den gefundenen Zahlen habe ich die Gurve Taf. I Fig. 3 construirty welche die Wellenlänge einer Farbe als Function der Wellenlänge ihrer Complementarfarbe ausdrückt. Es sind auf der horizontalen und yerticalen Abscissenaxe die Wellenlängen der Farben aufgetragen, sodass der Punkt A der Wellenlänge 1500 entspricht Die Gurve hat zwei con- gruente Arme u^ß^y^ und cc^ßiYu deren jeder mit beiden Enden asymptotisch in eine den Abscissenazen parallele gerade Linie auszulaufen scheint Die Ereuzchen auf und neben den Cur?en entsprechen genau den einzelnen Beobachtungen. Die Curre habe ich zwischen ihnen so gezeichnet, dass sie ihnen möglichst nahe blieb und eine continuirUche Krümmung bekam. Auffallend ist die Vertheilung der complementaren Farben im Spectrum. Während das äusserste Both und Goldgelb einen beträchtlichen Baum zwischen sich haben, hegen ihre Complemente grünliches Blau und Gyanblau ganz dicht neben- einander. Ebenso nehmen das äusserste Violett und Lidigo einen sehr breiten Baum im Spectrum ein, während ihre Gomplemente grünhches G«lb und G-elb äusserst schmale Streifen sind. Auch die Betrachtung der Gurven f&r die Wellenlängen der complementaren Farben lehrt dies. Wenn man auf der horizontalen Abscissenlinie vom Violett zum Both fortschreitet, ändert sich die Wellenlänge der Complementar* hihe anfangs äusserst langsam; wenn man zu den helleren und grünlich blauen Tönen gekommen ist, dagegen äusserst schnell. Das letztere ist ebenso im Gklb der Fall, während am rothen Ende die Aenderung wieder äusserst langsam wird. Damit vt hängt zusammen, dass sich in dem breiten Baume vom Ende 60 Physikalische Optik. ' des BrOth bis zur Linie C der Ton des Bothen kaum merklich ändert, ebensowenig der Ton des Violetten von der Linie G bis nach / hin. Auch im Orange und Blau ändert sich der Ton langsam, aber doch schon viel merkbarer. An der Grenze Yon G-elb und Ghiün einerseits und Blau und Grrün andererseits sind dagegen die Uebergänge so schnell, dass sie ganz zu fehlen scheinen, wenn man ein reines Spectrum ohne starke Yergrösserung betrachtet, und hier vielmehr Grün unmittelbar an röthliches Orange und Himmelblau anzustossen scheint. Man erstaunt über den ausserordentlichen Beichthum pracht- voller Farbentöne, welchen diese Gegenden des Spectrum ent- falten, wenn man durch eine der beiden Spalten des von mir construirten Schirmes einfaches Licht dieser Theile gehen lässt und den Spalt dann langsam verschiebt. Daraus ergiebt sich ein neuer Grund, warum die Comple- mentarfarben des Both und Violett in den gekreuzten Farben- streifen des Spectrum eines F^förmigen Spaltes bei meinen früheren Versuchen nicht zu entdecken waren. Diese Oomple- mentarfaxben bilden nämlich ausserordentlich schmale Streifen, zu deren Entdeckung die frühere Methode nicht ausreichte. Lidigblau und Gelb haben daher mancherlei Vorzüge vor den übrigen Paaren von Complementarfarben: geringere Em- pfindlichkeit des Auges für schwache Einmischungen beider in das Weiss, geringen Unterschied ihrer Brechbarkeit im Auge, hinreichende Breite der Farbenbänder im Spectrum. Alles dies erklärt, dass, nachdem es Newton überhaupt nicht ge- lungen war, Weiss aus nur zwei einfachen Farben zusammen- zusetzen, zunächst eine einfachere Methode genügte^ es mittels Indigblau und Gelb zu erreichen, während eine mühsamere und complicirtere Vorrichtung für die übrigen Farben sich noth- wendig zeigte. Die Tafel, welche oben für die Wellenlängen der Comple- mentarfarben gegeben ist, enthält in ihrer letzten Oolumne 18 auch das Verhältniss der beiden Wellenlängen zu einander. Sie zeigt, dass es nicht constant ist; es schwankt zwischen dem der Quarte 1,333 und dem der kleinen Terz 1,20. Es ist am kleinsten für Goldgelb und Cyanblau. Endlich habe ich auch einige Versuche angestellt, um die ZoBammeBBetzaiig von Spectralfiarben. 61 Intensüätsyerhältnisse zu ermitteln, welche complemeutare ein- fache Farben haben müssen, wenn sie gemischt Weiss geben sollen. Vielleicht würde die Voraussetzung sehr annehmbar er- scheinen, dass zwei solche Farben gleich lichtstark sein müssten, um Weiss zu geben, weil man gewöhnt ist, die einÜEU^hen Farben als die gesättigtesten gleichmässig dem Weiss gegenüberzustellen. Diese Voraussetzung ist aber keineswegs richtig. Es fiel mir dies zuerst bei der Mischung von Violett und Indigo mit ihren Comple- mentarfarben au£ Die genannten beiden Farben sind nämlich bei gewöhnlicher mittlerer Helligkeit des gemischten Weiss auf- fallend lichtschwach, verglichen mit der Menge gelbgrünen oder gelben Lichtes, welche nöthig ist, um mit ihnen Weiss zu geben. Ziemlich gleich hell erscheinen dagegen Orange und Cyanblau. Bei der richtigen Mischung von £oth mit Grünblau ist wiederum das erstere schwächer als das letztere, um sich Ton diesen Verhältnissen zu überzeugen, ist es am bequemsten, ein dünnes Stäbchen yor das Feld zu halten, welches von dem gemischten Lichte erleuchtet wird. Das Stäbchen wirft dann zwei farbige Schatten, in denen die beiden einfachen Farben sich einzeln, xmd in der ihnen zukommenden Lichtstärke darstellen. Vor einem Felde, dessen Weiss aus Violett und Gelbgrün gemischt ist, erscheint z. B. der violette Schatten sehr dunkel und scharf gezeichnet, der gelbgrüne dagegen sehr schwach, fast nur durch die Färbung, kaum durch die Helligkeit von dem weissen Grunde unterschieden. Ich habe auch versucht, das Verhältniss der Helligkeit complementarer Mengen von verschiedenen einfachen Farben wenigstens annähernd in Zahlen auszudrücken. Zu dem Ende setzte ich erst Weiss aus zwei Farben zusammen, und maass mikroskopisch die Breite des Spaltes, durch welche die hellere i» der beiden Farben drang. Dann verengte ich diesen Spalt, bis ein vor das Feld der Mischfarbe gehaltenes Stäbchen zwei ^eich dunkle farbige Schatten entwarf, und mass wieder die Breite des Spaltes. Die Lichtmenge der betreffenden Farbe war dann in demselben Verhältnisse verringert wie die Breite des Spaltes. Das Verhältniss der beiden gemessenen Breiten ergab also wenigstens annähernd das Verhältniss der Helligkeit beider Farben im Weiss. 62 PhysikaliBche Optik. Ich erhielt übrigens ziemlich yerschiedene ZifiFem, wenn die absolute Lichtstärke der Farben yerschieden war^ wie sich dies nach Doye's Versuchen über die unterschiede in der Helligkeit yon Pigmentfarben bei verschieden starker Erleuch- tung erwarten liess. Zwei farbige Lichtmengen, welche bei einer gewissen absoluten Lichtintensität gleich hell erscheinen, thun es im allgemeinen nicht mehr, wenn die Lichtmengen beider verdoppelt oder halbirt werden, und zwar wird im ersteren Falle die minder brechbare der beiden Farben, im letzteren die brechbarere die hellere werden. Ich fand deshalb folgende verschiedene Verhältnisse der Helligkeit complementarer Mengen: Bei starkem Bei schwachem Licht Licht. 1:10 1:5 1: 4 1:3 1: 1 1:1 Violett zu Grüngelb Indigo zu Gelb Gyanblau zu Orange Grünblau zu Both 1 : 0,44 Die erwähnte von Dove aufgefundene Erscheinimg liess sich bei meinen Versuchen an den homogenen Farben sehr gut beobachten. Ich liess zwei farbige Lichtmengen durch die Spalten des Schirmes in solcher Menge dringen, dass sie gleich dunkle Schatten warfen, und brachte zwischen den Heliostaten und den ersten Spalt eine einfache oder mehrfache Lage eines dünnen weissen Gewebes, welches einen Theil des Sonnenlichtes zurückhält, ohne das Verhältniss seiner verschiedenartigen Be- to standtheile zu verändern. Es erschien dann der Schatten der minder brechbaren Farben dunkler als der der brech- bareren« üebrigens waren die unterschiede sehr gering, so lange ich beide Farben aus der minder brechbaren Hälfte des Spectrum, Both bis Grünblau, nahm, viel aufifallender zwischen denen der brechbareren Hälfte, und am stärksten, wenn man Violett mit einer der minder brechbaren Farben verband. Unter diesen Verhältnissen mag es auffallend erscheinen, dass der Farbenton der Mischfarben, wie ich gefunden habe, sich so gut wie gar nicht zu ändern scheint, wenn die Licht- Zusammensetxung von Spectralfarbeu. 63 menge yermehrt oder vermindert, das Yerhältniss der gemischten Lichter zu einander aber nicht geändert vrird. Setzte ich mittels meines Apparates zwei Complementarfarben zu Weiss zusammen und schwächte das einfallende Sonnenlicht durch Einschaltung eines weissen dünnen Gewebes, so konnte ich nie mit Entschiedenheit beobachten, dass das Weiss sich ge- färbt hätte. Natürlich ist hierbei zu bedenken, dass überhaupt die Unterscheidung der Färbung bei sehr geringer Helligkeit, ebenso wie andererseits bei zu grosser, unvollkommen ist. In« dessen ist dieser umstand doch nicht ganz hinreichend zur Erklärung, namentlich für die Farbenpaare Violett-Grüngelb und Indigblau-Gelb, wo das Yerhältniss der Helligkeit schon bei geringen Aenderungen der absoluten Lichtmenge sich be- trächtlich ändert Lmerhalb solcher Grrade von Helligkeit, in denen Unterscheidung der Farbentöne noch sehr wohl möglich ist, kann sich das Yerhältniss der Helligkeit des Grüngelb zum Violett, wie die obige Messxmgsreihe zeigt, etwa lun das zwei- fache ändern, und doch erscheint die Mischung bei grösserer Lichtstärke nicht grüngelb, bei geringerer nicht violett, sondern immer weiss. Ich vermuthe, dass der hauptsächlichste Grund davon darin liegt, dass wir bei allen Graden der Helligkeit die Farbe des Sonnenlichtes als das normale Weiss betrachten, und wenn in den künstUchen Farbenmischimgen die blauen Farben bei geringer, die gelben bei grösserer Lichtstärke überwiegen, dasselbe auch im Sonnenlichte der Fall sein muss. 21 Darin liegt auch wohl die wissenschaftUche Bechtfertigung für die Sitte der Landschaftsmaler , welche hellen Sonnenschein durch gelbe, Mondschein durch blaue Farbentöne wiederzugeben pflegen, üebrigens muss bei dem Versuche die besprochene Erscheinung zu erklären, wahrscheinlich auch noch berück- sichtigt werden, dass die einfachen Farben selbst bei verschie- dener Lichtstärke verschiedenen Farbenton zeigen. Wir müssen nach den obigen Messungen der Helligkeit der zu Weiss gemischten Farben den verschiedenen einfachen Farben eine verschiedene Sättigmig der Färbung zuschreiben. Violett ist am meisten gesättigt; die anderen Farben folgen ungefähr in folgender Beihe: 64 PhTBikalifiche Optik. Violett Indigblau Roth Cyanblau Orange Grün Gelb. Es ;seigt sich dies übrigens auch in anderen Zusammensetzungen^ wo nicht gerade Weiss gebildet wird. So giebt Both mit gleich hellem Grün gemischt ein röthliches Orange, Violett mit gleich hellem Grün ein dem Violett nahe stehendes Indigblau. Dagegen geben Farben von ungefähr gleicher Sättigung und Ton gleicher Helligkeit mit einander gemischt auch Mischfarben, die von ihren beiden Constituenten ungefähr um gleichviel verschieden sind. Schliesslich noch einige Bemerkungen über Newton's Theorie der Farbenmischung, die er in der Construction des Farbenkreises niedergelegt hat Das Wesentliche vonNewton's Verfahren ist offenbar, dass die einfachen und zusammengesetzten Farben in einer gewissen Weise in einer Ebene vertheilt ge- dacht werden, dass man ihre HeUigkeit durch entsprechende Gewichte darstellt und dann die MischfiEkrbe der gegebenen Farben in dem Schwerpunkte dieser Gewichte findet Diese Methode, das System der Farben darzustellen, ist vielleicht 22 einer der sinnreichsten Einfälle des grossen Denkers und drückt die vorliegenden Erfahrungen — die aber fireilich noch nicht geeignet sind, einen strengen Beweis f&r die Richtigkeit jener Begel zu liefern — genügend aus. Newton selbst sagt darüber: Ilanc quidem regulam saäs nccunUam esse exisiimo ad experi" menta agenda^ quamvis non sit mathematice accurata. Meine früheren Versuche hatten einige Ergebnisse geliefert, die auch den angegebenen allgemeinen Grundlagen der Newton'schen Begel widersprochen haben würden. Diese Widersprüche sind durch die mit besseren Hül&mittehi erneute Untersuchung ent- fernt worden. Jedenfalls ist aber die Anordnung der einfieu^hen Farben in der Ebene wesentlichen Aenderungen zu unter- werfen. Newton begnügt sich damit einen Ejreis aus ihnen zu bilden, indem er die Enden des Spectrum aneinander legt und den einzelnen Farbenstreifen dieselbe Breite giebt, die sie im Spectrum seiner Glasprismen haben, und auf deren Analogie mit den musikalischen Intervallen er ein grosses Gewicht legte. ZuBammenBetzang von Spectralfarben. 65 Indessen ist es klar, dass erstens die Reihe der einfachen Farben in dem Farbenfelde keine geschlossene Cmre bilden kann, indem die Farbentöne des äussersten Violett und Roth nicht continnirlich ineinander übergehen, zwischen diesen End- farben yielmehr Baum bleiben muss für die mannigfachen Far- bentöne des Purpur, und diese sind dem Principe von New- ton's Construction entsprechend auf einer geraden Linie zwi- schen dem äussersten Violett und Both anzubringen. Macht man das Weiss zum Mittelpunkte von Polarcoordinaten, so müssen die purpurnen Töne einen ebenso grossen Winkel aus- fäUen, wie auf der anderen Seite die verschiedenen Töne des Grün, vom grünlichen Grelb bis zum grünlichen Blau. Newton selbst sagt (Optice, Über /, Pars 11^ Propos, IV): Denique si ruber et viokzceus (color) mter se permisceaniur, orieniur inde varii colores purpurei, pro eo, qua proportione iüi imoicem com^ mixü fuerintj diversi inter se^ neque ulliiis coloris homogenei spe- dem aut eimüUudinem habentes. Um die purpurnen Mischfarben auf dem Farbenkreise anzubringen, muss er aber etwas von der Begel abweichen, die er ftlr die übrigen Farben giebt. 23 Während er nämlich sonst vorschreibt, die Mischfarbe werde den Ton haben wie der am Ende desselben Badius liegende Theü des Spectrum, lässt er die auf die Trennungslinie des äussersten Violett und Both oder nahe zu beiden Seiten derselben fEÜlend^i Mischfarben purpurn sein, also weder dem äussersten Both noch dem äussersten Violett entsprechen, worauf er noch ausdrücklich aufmerksam macht. Hier zeigt es sich also, dass er einen gewissen Baum an dieser Stelle den purpurnen Tönen einräumen muss. Hr. örassmann lässt ebenfalls Both und Violett sich aneinander schliessen, indem er auf die schon vor- her besprochene Stelle von Hassenfratz sich beruft, wonach unter günstigen Witterungsverhältnissen das Spectrum auch Purpur enthalten soll Zweitens zeigen meine Versuche, dass das Verhältniss der Winkel, welche die einzelnen Farben auf der Farbenscheibe einzunehmen haben, ganz anders sein muss als das ihrer Breite im prismatischen oder Interferenzspectrum. Denn in beiden Spectren nehmen die Endfarben breite Bäume ein, worin sich der Farbenton kaum merklich ändert, während ihre Comple- H 6 1 m h 0 ] 1 1 , wiBUnflclL Abbandlongen. II. 5 QQ PhyaikaÜBche Optik. mentarfarben sehr dicht zusammengedrängt sind. Dass in Newton's Farbenkreise die Endfarben zu breit sind, corrigirt übrigens den andern Fehler, dass kein Platz für den Purpur ist, in Beziehung auf die Besultate der Farbenmischungen, einigermassen. Endlich scheint es mir sehr zweifelhaft, ob die Gurve, in welche die einfachen Farben zu bringen sind, da sie über- haupt nicht einmal eine geschlossene ist, ein Kreisbogen sein sollte. Newton hat den Kreis o£fenbar gewählt, weil ihm keine Verschiedenheit in der Beziehung der einfachen Farben zum Weiss bekannt war. In meinen Versuchen über die Mengenverhältnisse der zu mischenden Farben zeigen sich aber sehr beträchtliche Abweichungen, und wenn wir die Einheiten der Helligkeit yerschiedener Farben nach den unmittelbaren Angaben unseres Auges festsetzen, ist es klar, dass Both etwa 24 zweimal so weit vom Weiss entfernt sein müsse als Grünblau, Violett fünf bis zehn Mal so weit als Grüngelb, dass also die Curve kein KieiB sein könne. Diese Behauptung scheint im Widerspruche zu sein mit der Entwickelung, welche Grassmann^) von den Principien des Newton 'sehen Farbenkreises gegeben hat. Hr. Grass- mann leitet nämlich dort aus denselben vier Grundsätzen, welche nothwendig und zureichend erscheinen, um die Auf- findung der Mischfarbe auf die Construction eines Schwer- punktes zurückzuführen, auch gleichzeitig die Nothwendigkeit ab, dass die homogenen Farben in einem Kreisbogen liegen. Der scheinbare Widerspruch erklärt sich hier aus dem ver- schiedenen Sinne, den man diesen Grundsätzen beilegen kann. Die vier Grundsätze, welche nach Grassmann nothwendig und genügend sind, um Newton's Methode in ihren wesentlichen Zügen zu rechtfertigen, sind: 1) Jede zusammengesetzte Farbe kann nachgeahmt werden durch Mischung einer homogenen (oder aus Violett und Roth gemischten purpurnen) Farbe mit Weiss. 2) Wenn von zwei zu vermischenden Lichtem das eine sich stetig ändert, ändert sich auch der Eindruck der Mischung stetig. 1) Pogg. Annalen Bd. 89, S. 78 — 84. ZoBammensetzung von Spectralfarben. 67 3) Gleich aussehende Farben gemischt geben gleich aus- sehende Mischungen. 4) Die Lichtintensität der Mischung ist die Summe aus den Intensitäten der gemischten Lichter. Dieser vierte Satz kann in dreierlei wesentlich verschie- denem Sinne gebraucht werden, je nachdem man die Methode, die Litensität zu messen, festsetzt. Erstens könnte man näm- lich die Lichtintensitäten verschiedener Farben gleich nennen, wenn sie dem Auge gleich hell erscheinen; dann würden die homogenen Farben in dem Farbenfelde jedenfalls keinen Kreis bilden, wie eben erörtert ist. Zweitens könnte man die Fest- setzung der Mengeneinheiten des verschiedenfarbigen Lichtes f&r willkürlich erklären, und den Grundsatz in dem Sinne u nehmen, dass es eine Art die Einheiten festzusetzen gebe, bei welcher stets die Lichtintensität der Mischung gleich sei der Summe der gemischten Lichter. Legt man dem Satze diesen Sinn unter, so ergiebt eine weitere Untersuchung, dass dreien Farben, aber nicht mehreren, ein willkürlicher Ort im Farben- felde und eine willkürliche Einheit der Lichtintensität bei- gelegt werden könne, dass dann der Ort und die Einheit der Litensität für alle anderen, namentlich auch für alle homogenen Farben bestimmt sei, wobei nicht vorauszusehen ist, welche Curve diese bilden mögen. Der Beweis ist leicht zu führen. Die drei willkürlich ge- wählten Farben (einfache oder zusammengesetzte), von denen aber keine aus den beiden anderen durch Mischung zu erzeugen sein darf, setze man in drei beliebig gewählte Punkte A, B, C, Fig. 4 Taf. I, welche aber nicht in einer geraden Linie liegen dürfen, und bestimme die Einheiten der Lichtintensität will- kürlicL Mischen wir jetzt die Quantität a der Farbe Aj die Quantität ß der Farbe B und die Quantität / der Farbe C, und giebt dies die Quantität S einer Mischfarbe, so muss nach unserem Grundsatze gesetzt werden: 8 = a + ß + y] also wird die Einheit der Lichtintensität der Mischfarbe zu setzen sein gleich: _j 1 a+ß+r - ^- 68 Physikalische Optik. Ihr Ort ißt nach Newton's Constructionsregel der Schwer- punkt der mit den Massen a, ß, y beziehlich versehenen Punkte J, J5, C Es sei dies der Punkt M, Es sind also Ort und Mengeneinheit für jede aus den drei Farben mischbare neue Farbe gegeben. Um den Ort einer aus den drei Farben A, B, C nicht mischbaren Farbe zu bestimmen, welche also ausserhalb des Dreieckes ABC liegen wird, mische man eine Quantität £ dieser Farbe mit der Farbe, die im Punkte M des Farbenfeldes liegt. 20 Es wird stets möglich sein, die Quantität s klein genug zu machen, dass durch Mischung eine andere Farbe erzeugt wird, die noch innerhalb des Dreieckes ABC liegt Die Quan- tität dieser aus S und e zusammengesetzten Farbe sei J^, ihr Ort der Punkt My Nach dem vierten Grundsatze müssen wir setzen 6 = S^ — 8j also die Einheit der neuen Farbe gleich ej {S^ — S). Ihr Ort sei der Punkt E, dessen Lage dadurch bestimmt ist, dass M^ der Schwerpunkt der Masse S des Punktes M, und der Masse c des Punktes E sein muss. Es muss also E in der Verlängerung der Linie MM^ liegen, und femer muss sein So ergiebt sich also, dass nach Feststellung der Orte und der Intensitätseinheiten der Farben Ay Bj C die Orte und Inten- sitätseinheiten aller übrigen Farben des Farbenfeldes fest- gesetzt sind. Es lässt sich femer leicht nachweisen, dass, die Richtigkeit der genannten vier G-rundsätze vorausgesetzt, die so gewonnene Anordnung der Farben die Construction der Mischfarben nach Newton's Methode erlaubt. Da dieser Beweis aber f&r den Zweck der vorliegenden Erörterung unnöthig ist, übergehe ich ihn hier. Was die Curve der homogenen Farben betrifft, welche das so construirte Farbenfeld an einer Seite begrenzen würde, so lässt sich über deren Natur nichts schliessen. Sie ist fest bestimmt, sobald die Orte und Mengeneinheiten für die ersten drei Farben festgesetzt sind. Von diesen sechs Bestimmungs- ZasammensetEung von Spectralfarben. 69 stücken bleiben zwei, nämlich eine Lineardimension und eine Einheit der Lichtintensität, unter allen Verhältnissen will- kürlich; es sind also im allgemeinen vier Parameter der be- zeichneten Curve veränderlich, aber dies genügt natürlich nicht in aUen Fallen, um eine andere Curve in einen Kreis verwan- deln zu können. Die nähere Untersuchung zeigt, dass nur elliptische Bögen durch entsprechende Veränderung der Para- meter in Kreisbögen verwandelt werden können, und dass dann sr jede beliebige gemischte Farbe, also auch Weiss, in das Gentrum des Kreises gebracht werden kann. So viel über die zweite Auslegungsweise des vierten Grund- satzes. Die dritte endlich ist die, dass man schon eine Weise, die Litensitäten verschiedenfarbigen Lichtes vergleichend zu messen, festgestellt habe, und man voraussetze, der genannte Grundsatz sei auch fiir diese bestimmte Art, die Litensitäten zu berechnen, richtig. So ist Grassmann verfahren. Dadurch wird natürUch viel mehr hypothetisch angenommen als bei der zweiten Literpretation des vierten Grundsatzes, sodass in diesem Falle es auch möglich wird, Schlüsse auf die Form der Gurve der homogenen Farben zu thun. Bei den Annahmen, die Hr. Grassmann gewählt hat, wird diese ein Kreis mit Weiss im Mittelpunkte. Die Festsetzung seiner Maasseinheiten hat er übrigens nicht durch ein allgemeines Princip zu rechtfertigen gesucht, sondern sie ist o£fenbar nur aus der Voraussetzimg her- vorgegangen, dass die Curve der homogenen Farben ein Kreis werden müsse. Vorläufig scheint mir die letztere Voraussetzung nicht hinreichend gerechtfertigt zu sein, selbst wenn die wesentlichen Grundlagen von Newton 's Methode, die Mischfarben durch Construction zu finden, beibehalten werden können. Wenn wir durch das Auge direct die Helligkeit verschiedener Farben vergleichen lassen, würde das Farbenfeld ungefähr die Form annehmen 9 welche in Fig. 5 Taf. I schematisch dargestellt ist Die Entfernungen der Farben vom Weiss entsprechen hier ihren Sättigungsverhältnissen bei schwächerem Lichte. Nach den beiden Enden des Spectrum hin geben benachbarte Farben Mischimgen vom Tone der zwischenUegenden Farbe und ziemlich gesättigter Färbung. Dort habe ich die Gurve 70 PbysikaliBche OpUk. • deshalb wenig gekrümmt In der Gegend des Grün geben Töne, die wenig von einander verschieden sind, z. B. Grüngelb und Grünblau, schon ziemlich weissliche Mischungen, dem ent- spricht die stärkere Elrümmung der Curve. Dass aus Roth 28 und Indigo nur weissliches Violett, aus Violett und Orange nur weissliches Roth gewonnen wird, wie ich in meinem früheren Aufsatze erwähnte, ergiebt die Zeichnung ebenfalls. Dass gleiche Theile Grün und Eoth Orange, gleiche Theile Grün imd Violett Indigblau geben, geht ebenfalls daraus hervor. Natürlich sind die meisten Verhältnisse dieser Zeich- nung nur nach Gutdünken gewählt, und kann dieselbe keinerlei Anspruch auf Genauigkeit machen. Zusatz (1862). In meinem Handbuche der Physiologi- schen Optik §. 20 ist dieses Thema weiter entwickelt, die Hypo- these der drei subjectiven Grundfarben von TL Young ein- geführt, und das geometrische Farbenfeld zu einem Dreieck ergänzt, dessen Ecken Eoth, Violett und ein gesättigteres Grün enthalten, als im Spectrum vorkonmit. Durch Nachbilder von Purpur, die man auf das Grün des Spectrum wirft, kann man in der That nachweisen, dass die Empfindung eines solchen ge- sättigteren Grün mögUch ist. LIL Ueber die Empflndliclikeit der menschlichen Netzhaut fOr die brechbarsten Strahlen des Sonnen- lichtes. Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie Bd. 94, S. 205—211. Ich habe jetzt Yon Hrn. Oertling in Berlin zwei Prismen 206 von Bergkrystall, jedes V/^ Zoll hoch, mit einem brechenden Winkel von 50^, dessen Seitenflächen 0,85 Zoll breit sind, empfangen. Die krystallographische Axe ist senkrecht gegen die brechende Kante nnd bildet gleiche "Winkel mit den Schen- keln des Flächenwinkels von 50 Grad, sodass, wenn man diesen Winkel als brechenden benutzt nnd das Minimum der Ablen- kung der Strahlen hervorbringt, die Strahlen parallel der Krystallaxe durch das Prisma gehen imd einfach gebrochen werden. Die dem Winkel von 50^ gegenüberliegende Fläche aoe ist auch polirt imd bildet mit den beiden anderen Seiten- flächen des Prisma gleiche Winkel von 65^. Diese beiden letz- teren können auch als brechende Winkel des Prisma benutzt werden, brechen aber doppelt Sie erzeugen zwei Spectren, die sich zum Theil decken. Ausserdem gehört zu dem Appa- rate eine Convezlinse aus Quarz von IV4 Zoll Durchmesser und 17 Zoll Brennweite, in welcher tiie Krystallaxe der opti- schen Axe parallel ist. Mit diesen Instrumenten konnte ich das Spectrum des Sonnenlichtes auf fluorescirenden Substanzen, wie Chininpapier, Uranglas und Bernstein, in der von Stokes beschriebenen grösseren Ausdehnung herstellen, sodass das überviolette Spec- 72 Physikalische Optik. trum jetzt mehr als doppelt so lang war, als ich es sonst durch Glasprismen bekommen hatte. Das elektrische Licht, welches überviolette Strahlen von noch viel höherer Brechbarkeit als das Sonnenlicht enthält, habe ich noch nicht G-elegenheit ge- habt anzuwenden. Kalk und Magnesia im Sauerstoffgebläse gaben mit dem Quarzapparate ein übörviolettes Spectrum, welches etwa nur so lang war, wie das des Sonnenlichtes mit Glasprismen entworfen. Ich gehe jetzt zur "Wirkung der tibervioletten Strahlen auf das Auge über. Mit Bedauern bemerke ich, dass ich in meinem Aufsatze „Ueber die Zusammensetzung von SpectralGärben'^ eine Anmerkung^) von S tokos übersehen habe, worin er erwähnt, die übervioletten Strahlen bis zur Linie p, also weiter, als es mir bisher durch die Glasapparate gelungen war, gesehen zu haben, und worin er über ihre Farbe angiebt, dass ihnen die Leuchtkraft (luminotisness) der blauen, und das Röthliche (md- diness) der violetten abgehe, übereinstimmend mit dem was ich gefunden. Ganz ebenso verhält es sich nun mit den Strahlen, welche nicht durch Glas, wohl aber durch Quarz gehen. Auch diese sind dem Auge sichtbar, und erscheinen in derselben Farbe, 207 wenn sie lichtschwach sind, tief indigblau, wenn lichtstärker, weisslich blau. Mein Verfahren war zuerst dem schon früher beschriebenen ganz ähnlicL Der Spiegel des Heliostaten warf das Licht durch eine grössere Oeffiiung des Fensterladens in das Zimmer. Es fiel zunächst auf eins der Quarzprismen, so- dass es von diesem einfach gebrochen wurde, dann auf die Quarzlinse. In deren Brennpunkte stand ein Schirm, auf dem das in ein unreines Spectrum verwandelte Bild der Sonnen- scheibe entworfen wurde. Der Schirm hatte einen Spalt, den man an eine beUebige Stelle des Spectrum bringen konnte. Das durch diesen Spalt dringende Licht betrachtete ich durch das zweite Quarzprisma. Stand der Spalt in dem über- violetten Theile jenes Spectrum, so sah ich ein schwaches gewöhnliches Spectrum von dem im Prisma und der Linse zerstreuten weissen Lichte herrührend, und jenseits des violetten 1) Phil. TrantaeHons 1852, p. 558, Note B. (Ann. Ergänzbd. lY. 339). Sichtbarkeit des Ultraviolett. 73 Endes einen ovalen blauen Fleck, den das regelmässig ge- brochene überviolette Licht bildete. Auch konnte ich in diesem, wenn er der G-egend der Linien / oder m angehörte, einiges von den Liniengruppen erkennen. War aber das Licht mehr von dem Ende des Spectrum entnommen, so war das nicht mehr möglich, weil sich mein Auge für Licht von so hoher firechbarkeit nicht mehr adaptiren konnte. Für rothes Licht ist die längste Sehweite meines Auges etwa 8 Fuss, für vio- lettes P/s Fuss, was mit Fraunhofer 's Versuchen über die Dispersion des Auges nahe übereinstimmt; für das äusserste überviolette Licht schien sie mir weniger als 5 Zoll zu sein. In so grosser Nähe vom Spalt liess sich kein gutes Spectrum mehr bilden. Um also die Empfindlichkeit des Auges fOr die ebzelnen Theile des übervioletten Spectrum genauer zu untersuchen, musste ich etwas anders verfahren. Ich verengerte die Oe£f- nung im Fensterladen und ersetzte sie durch einen Spalt, der schmal genug war, um auf dem Schirme, wo das Spectrum projidrt war, die Liniensysteme des übervioletten Spectrum mit Hülfe von Chininpapier gut erkennen zu lassen; den Spalt in diesem Schirme machte ich dagegen etwas breiter, sodass 208 nmi das erste objective Spectrum rein, das subjective unrein wurde. So behielt das diirch den Spalt gehende überviolette Licht immer noch Helligkeit genug, um vom Auge empfunden za werden. Es bildete nun keine begrenzte Figur mehr, sondern die bekaimte Strahlenfigur, welche die Zerstreuungskreise von weit entfernten Lichtpunkten annehmen. Indem ich auf die vordere Fläche des Schirmes Chininpapier brachte, konnte ich die Gegend des Spectmm, welcher das durch den Schirm fallende Licht angehört^ sehr gut ermitteln. Das Auge schien dabei ftir die äussersten übervioletten Strahlen des Sonnen- lichtes keinen geringeren Grad von Empfindlichkeit zu haben als fär die der Gegend von m. So weit Chininpapier das Vorhandensein von Strahlen anzeigte, konnte sie auch das Auge empfijiden. Eine Aenderung der Farbe konnte ich in der ganzen Ausdehnung von / an bis zum Ehide nicht bemerken, ausser dass die lichtschwächeren Stellen ein dem Violett ähn- licheres Indigblau zeigten. Alle indigblauen Strahlen werden 74 Physikalische Optik. aber bei geringerer Helligkeit dem Violett ähnlicher. Bei gleicher Lichtstärke schien aber die Farbe der übervioletten Strahlen doch weisslicher zu sein als die der gewöhnlichen indigblauen. Ich warf mir die Frage auf: Sieht die Netzhaut die über- violetten Strahlen unmittelbar, wie sie die anderen Farben des Spectrum sieht? oder fluorescirt sie unter ihrem Einflüsse, und ist die blaue Farbe der übervioletten Strahlen Licht von ge- ringerer Brechbarkeit, welches sich in der Netzhaut erst unter dem Einflüsse der violetten Strahlen entwickelt? Zur Entscheidung dieser Frage untersuchte ich, ob die Netzhaut aus dem Auge eines vor 18 Stunden gestorbenen Mannes Fluorescenz zeigte. Die ersten nach den von S tokos angegebenen Methoden vorgenommenen Versuche zeigten, dass, wenn auch Fluorescenz da sein sollte, diese äusserst schwach sei. Das zerstreute weisse Licht, welches von dem Prisma und der Linse ausging, machte die wahrgenommenen Spuren 309 von Fluorescenz der Netzhaut zweifelhaft. Ich griff also wieder zu der oft gebrauchten Methode, das Licht durch Ab- blenden der helleren Theile des Spectrum zu reinigen, ordnete die Theile des Apparates aber so, dass ich das überviolette Licht möglichst reichlich und auf einen kleinen Baum concen- trirt erhielt Ich kann diese Methode für die Untersuchung sehr schwacher Grade von Fluorescenz empfehlen. Sonnen- licht fiel vom Spiegel des Heliostaten durch eine weite Oeff- nung auf die Quarzlinse, hinter der im Abstände der halben Brennweite ein Quarzprisma stand Das Sonnenbild, welches jetzt in der Mitte noch weiss, an einem Bande blau, am andern gelb und roth war, wurde wieder auf einem Schirme mit breitem Spalt entworfen, sodass der sichtbare violette Band des Sonnenbildes den Spalt gerade berührte und niir überviolettes Licht durch diesen fiel. Das durchgegangene Licht fiel in der Entfernung von etwa 4 Fuss auf das zweite Quarzprisma, hinter dem eine Glaslinse von 6 Zoll Brennweite stand Diese entwarf auf Chininpapier ein sehr schwaches gewöhnliches Spectrum und jenseits des violetten Endes ein blendend helles blaues Oval, von dem übervioletten Lichte herrührend. Diffases Licht fehlte in der Nachbarschaft des Sichtbarkeit des Ultraviolett 75 Spectrum ganz und gar. Gewöhnliches weisses Papier, weisse Leinwand, Elfenbein in den Focus der übervioletteu Strahlen gehalten, zeigten einen hellen bläulich weissen Fleck, der, durch ein Prisma angesehen, in Farben zerlegt wurde. Die bläuliche Farbe schien davon herzurühren, dass ein verhält- nissmassig grosser Theil des übervioletten Lichtes ohne Aen- derung seiner Brechbarkeit zerstreut wurde und in seiner na- türUchen Farbe dem Auge sichtbar blieb. Durch ein Prisma gesehen, schied sich dieses überviolette Licht auch wieder als solches aus. Ueberhaupt konnte ich unter den weissen und hellgefarbten Körpern, die ich zur Hand hatte, keinen finden, der nicht Spuren von Fluorescenz gezeigt hätte. S tokos empfiehlt als nicht fluorescirend weisses irdenes Geschirr. Li- dessen zeigten mir sowohl die zu galvanischen Elementen ge- hörigen Thonbecher, als auch der matte Boden eines noch 210 nicht gebrauchten Porcellanschälchens noch schwache Spuren von Fluorescenz. Ob sie mit organischen Körpern verunreinigt waren, darüber kann ich nicht entscheiden. Dass Papier, Leinwand, Elfenbein, Haut und Nägel des Menschen, Holz u. s. w. schwach fluoresciren, hat bekanntlich Stokes schon ermittelt. Hier zeigte nun auch die Netzhaut, zwischen zwei Glas- tafeln gelegt, ihre Fluorescenz deutlich, schwächer zwar als Papier, Leine wand und Elfenbein, aber stärker als Porcellan. Die Farbe des dispergirten Lichtes war weiss mit einem, wie mir schien, blaugrünen Scheine. Doch war der erleuchtete Fleck zu klein, das Licht zu schwach, als dass ich mit Sicher- heit den Farbenton bezeichnen könnte. Durch das Prisma angesehen, fehlte dem öuorescirenden Flecke das Roth; es bildete sich nur ein schmaler orangener Band, während im Spectrum sehr schwachen weissen Lichtes das Both sonst leichter als die anderen Farben bemerkt zu werden pflegt. Wenn dem weissen Lichte das Both genommen wird, wird es grünblau, was mit der directen Angabe des Auges über den Farbenton des dispergirten Lichtes der Netzhautsubstanz stimmt. Die ziemlich gesättigt blaue Farbe der übervioletten Strahlen für das lebende Auge und die fast ganz weisse Farbe des dispergirten Lichtes der todten Netzhaut waren nur zu 76 Physikalische Opük. verschieden, als dass die Ansicht haltbar wäre, dass die Netz- haut der übervioletten Strahlen nur nach ihrer Verwandlung in minder brechbares Licht empfände. Eine andere Frage ist die: Ist die Fluorescenz der Netzhaut stark genug, dass das dispergirte Licht die Farbe der übervioletten Strahlen merklich ändern kann, wenn es sich ihm im lebenden Auge bei- mischt? Um dies beurtheilen zu können, verglich ich die Hellig- keit des von der Netzhaut mit Aenderung der Brechbarkeit dispergirten Lichtes mit dem von einer weissen matten Por- cellanfläche ohne Aenderung der Brechbarkeit dispergirten. Ich sah nach der Platte durch ein schwach brechendes Prisma, 211 um das unverändert dispergirte überviolette Licht von dem niederer Brechbarkeit zu trennen, welches auch die Porcellan- platte, wenn auch in geringerer Menge, gab. Es erschien das von der Porcellanplatte unverändert dis- pergirte Licht ungefähr in derselben Stärke, wie das von der Netzhaut mit veränderter Brechbarkeit dispergirte, sodass man wohl annehmen kann, das Licht niederer Brechbarkeit, welches die lebende Netzhaut, von übervioletten Strahlen getroflFen, von sich giebt, und welches sie doch höchst wahrscheinlich ebenso gut wahrnehmen wird, wie das von aussen kommende ge- wöhnliche Licht, sei stark genug, um die Farbe des direct empfundenen Antheils des übervioletten Lichtes merklich zu verändern. Denmach würde die Umkehr in der Farbenreihe, welche beim übervioletten Lichte stattfindet, sich so erklären lassen, dass einer schwachen Empfindung violetter Farbe, welche diese Lichtstrahlen direct erregten, sich die Wahrnehmung des in der Retina durch Fluorescenz erzeugten grünlich weissen Lichtes zugesellte, und beide Farbenempfindungen vereinigt die weisslich indigblaue Färbung geben, welche die übervioletten Strahlen darbieten, wenn sie direct gesehen werden. Die Resultate der beschriebenen Versuche sind also: 1) Die menschliche Netzhaut ist im Stande alle Strahlen des Sonnenlichtes direct wahrzunehmen, deren Brechbarkeit die der äussersten rothen Strahlen übertrifft. Sichtbarkeit des Ultraviolett 77 2) Die Substanz der Netzhaut dispergirt unter dem Einflüsse der übervioletten Strahlen gemischtes Licht niederer Brech- barkeit, dessen Gesammtfarbe nicht ganz reines (grünlich blaues) Weiss ist. 3) Die Fluorescenz der Netzhaut ist kein hinreichender Er- klänmgsgrund dafür, dass die übervioletten Strahlen über- haupt wahrgenommen werden. Zusatz (1882). Die Hornhaut und Linse des lebenden Auges fluoresciren sehr stark, wenn man sie in einen Focus übervioletten Lichtes bringt. Dadurch entsteht ein verwaschener weissblauer Lichtschein im ganzen Gesichtsfelde, aber natürlich kein scharfes Bild des übervioletten Spectrum. Diese Art der Beleuchtung ist eines der besten Mittel, um die Lage der Kiystallinse dicht hinter der Lis im lebenden Auge sichtbar zu machen. S. mein Handbuch der Physiologischen Optik. S. 266-267. LIII. üeber die Messung der Wellenlänge des nltra- Yioletten Lichtes, yon £. Esselbach, nebst einem Zusatz von H« Helmholtz. Aus dem Monatsbericht der Eönigl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Für December 1855. S. 757—764. 767 Da die bisher angewendeten Methoden zur Messung von Wellenlängen, auch die von Fraunhofer, welcher Gitter- spectra dazu gebrauchte, wegen Lichtschwäche beim ultra- violetten Lichte sich nicht als brauchbar erwiesen, musste eine andere Methode gewählt werden, welche auf ein von Talbot beobachtetes Phänomen gegründet ist. Betrachtet man ein reines Spectrum im Fernrohr, während man von der Seite des Violett her mit einem dünnen Blättchen durchsichtiger Substanz die halbe Pupille bedeckt, so erscheint das Spectrum in helle und dunkle Streifen gleichmässig ge- theilt, welche abgesehen von ihrer regelmässigen Anordnung den Fraunhofer' sehen Linien parallel und ähnlich sind. Mit der Dicke des Blättchens wächst ihre Zahl und ihre Feinheit Sie entstehen durch Literferenz desjenigen Theiles des Strahlen- btindels, welcher durch die dünne Platte gegangen ist, mit dem anderen Theile desselben Bündels, welcher daran vorbei- gegangen ist. Zu den Versuchen wurde ein aus Bergkrystalllinsen zu- sammengesetztes Femrohr benutzt und zwei Prismen von dem- selben Material. Das Ultraviolett war dem Auge unmittelbar sichtbar, wenn man nach der von Helmholtz vorgeschlagenen Methode durch das Femrohr und ein davor gesetztes Prisma einen Spalt betrachtete, durch den schon ultraviolettes Licht, isolirt durch das andere Prisma, hindurchdrang. Die Hellig- WellenlftDgen des Ultraviolett 79 keit war sogar fiir das blosse Auge grösser, als wenn in die Blendung des Oculars eine zwischen Quarzplatten eingeschlossene Schicht Ton Chininlösung als fluorescirender Schirm eingefllgt wurde. Ist a die Dicke der Platte, sind femer X^ und A, die Wellenlängen zweier Farben in Luft, n^ und n^ die Brechungs- yerhältnisse in der dünnen Platte, und m der Gangunterschied 7»8 der durch die Platte und neben ihr yorbeigegangenen Strahlen Yon der Wellenlange A^, so ist a an, — = m. Für jeden hellen Streifen im Spectrum muss m eine ganze Zahl sein, für den nächst benachbarten hellen Streifen um eine Einheit grösser oder kleiner. Ist also zwischen den Far- ben Yon der Wellenlänge A^ und A, die Zahl der dunklen Streifen gleich p, so ist Wählt man zuerst zwei Farben, deren Wellenlängen und Bre- chungsTcrhältniBse bekannt sind (es wurden genommen Fraun- hofer's Wellenlänge für C und H)y so kann man aus diesen beiden Gleichungen die Constanten a und m berechnen. Stellt man dann dieselbe Gleichung auf für eine Farbe von unbe- kannter Wellenlänge und zählt die Streifen zwischen ihr und A^ so giebt die Gleichung den Werth ihrer Wellenlänge, voraus- gesetzt, dass man ihr Brechungsyerhältniss an der Platte kennt. Weil dem Autor keine Methode bekannt war, den Bre- chungsindex eines Strahles in einem dünnen Blättchen zu be- stimmen, ohne dass die Wellenlängen gegeben waren, so wurde ein Bergkrystallplättchen genonmien, welches senkrecht gegen die S^rystallaxe geschnitten war, da ja doch die Brechungs- yerhältnisse der betre£fenden Strahlen im Bergkrystall gleich- zeitig gemessen werden sollten. Mit dem yorhandenen Apparate war nur die vierte Decimale zu erreichen, was aber für die Bestimmung der Wellenlängen hier genügt. Die Werthe der Brechungscoefficienten des ordentlichen Strahles im BergkrystaU, welche in der folgenden Tabelle unter n angegeben sind, sind Mittelwerthe aus Bestimmungen an den drei Winkeln des- selben Prisma angestellt. Sie sind constant 0^0004 höher als 80 Physikalische Optik. Kudberg's, welche ich zur Yergleichung daneben gesetzt habe. Die festen Linien bis P sind nach Stokes benannt, mit Q und R habe ich zwei der stärksten Linien des nur durch Quarzapparate sichtbaren Theiles des Ultraviolett bezeichnet. 769 Mit p ist die Zahl der Talbot'schen Streifen zwischen je zwei aufeinander folgenden Fraunhofer'schen Linien bezeichnet, wobei die Resultate mehrerer Zählungen angegeben sind. Neben die von mir berechneten Wellenlängen habe ich zum Vergleiche die von Fraunhofer für das sichtbare Spectrum gestellt, von denen die für C und H zur Bestimmung der Constanten in der Rechnung benutzt sind. Man sieht, dass die Ueberein- Stimmung beider Reihen sehr gross ist. Li der letzten Go- lumne sind die Wellenlängen nach der Annäherungsformel von Cauchy berechnet, wobei die Constanten c und X^ aus den Werthen von Fraunhofer für Cund H berechnet wurden. Man sieht, dass diese Formel im ultravioletten Spectrum ziemlich ebenso gut mit den Messungen stimmt wie im sichtbaren. s ;3 Brechongs- rerhUtnin n nach meinen Meunn^n Breohnnge- ▼erhUtniss n nsoh Bndberg P Wellenlinge nach meinen MeMongvn In MlUimetem Frannhofer's WodM der Wellenlingen WeDanllogen 1 nach Cauehy's Fonnal B 1,5414 1,5409 7,5—7 0,0006874 0,0006878 0,0006990 C 1,5424 1,5418 20—19-19,5 6564 D 1,5446 1,5442 22,5—22—23 5886 5888 5819 E 1,5476 1,5471 18,5—18,5 5260 5260 5283 F 1,5500 1,5496 31—31—31 4845 4843 4839 G 1,5546 1,5542 24,5—25—25 4287 4291 4278 E 1,5586 1,5582 11—11 3929 L 1,5605 11,5-11,5— (7) 3791 3824 M 1,5621 14,5—15,5—15 3657 3741 N 1,5646 14,5—14,5 3498 8532 0 1,5674 8-7,5- 8 3360 3383 P 1,5690 7—7 3290 3307 e 1,5702 18 3232 3243 B 1,5787 3091 3108 Wellenl&Dgen des Ultraviolett. 3X Man sieht, dass in Bezug auf die Wellenlängen das Inter- vall, welches durch das ultraviolett zum Spectrum hinzukommt, allerdings kleiner ist, als die Ausbreitung im Quarzspectrum 76o 68 erwarten liess. Das 6 bis 8mal so lange Ultraviolett des elektrischen Kohlenlichtes wird dem bisher gewonnenen aber, wenn Cauchy's Formel auch daftir gilt, etwa noch eine Octave hinzufügen. Die Methode der Linienzählung wird sich in gewissen Fällen mit Yortheil zur Bestimmung von Brechungsindices und Dispersionsconstanten verwenden lassen, wenn man die Wellen- längen als bekannt voraussetzt, namenthch wo man nicht mehr Material hat, als um eine dünne Platte zu bilden, welche die halbe Papille bedeckt^ und zweitens bei stark absorbirenden Mitteln. Stokes hat ausserdem darauf aufmerksam gemacht, dass man den ersten Brechungsindex erhält, wenn man die Flattendicke durch Neigung verändert. Zusatz von H. Helmholtz. Die Messungen des Hm. Esselbach machen es möglich, eine ausgedehntere Yergleichung der Verhältnisse der Licht- wellenlängen mit denen der Tonintervalle anzustellen, als es bisher möglich war. Ich bemerke, dass ich selbst vor einiger Zeit die Wellenlänge der Linie A im äussersten Roth nach Fraunhofer 's Methode an einem Spectrum bestimmt habe, von dem alles Licht mit Ausnahme des äussersten Roth durch Anwendung von zwei Prismen und zwei Schirmen abgeblendet war. Ich £and diese Wellenlänge gleich 0,0007617 mm. Es war aber jenseits A noch ein Streifen rothen Lichtes mit eiiugen Linien darin sichtbar, der dem Zwischenräume von A und B etwa gleich kam. In der folgenden Tabelle habe ich das Licht der Linie A dem Tone G entsprechend gesetzt, und die den einzelnen halben Tönen entsprechenden Farben daneben gestellt. In der letzten Rubrik sind die Fraunhofer 'sehen Linien bei den ihnen zunächst hegenden Tönen aufgeführt In dieser Tabelle stellt sich sehr deutlich heraus, wie wenig Analogie zwischen der Tonempfindung und der Farben- empfindung besteht In der Gegend des Gelb und Grün sind Helmbolls, wliMiueh. Abhandlnngtii. 11. 6 82 Physikalische Optik. die Farbenübergänge ausserordentlich schnell , an den Enden des Spectram ausserordentlich langsam. Dort sind sämmtliche üebergangsstufen zwischen Gelb und Grün in die Breite eines 761 kleinen halben Tones zusammengedrängt, hier befinden sich Intervalle von der Grösse einer kleinen oder grossen Terz, in denen das Auge keine Veränderung des Farbentones wahr- nimmt Der ganze sichtbare Theil des Sonnenspectrum umfia.sst etwa eine Octave und eine Quarte. Ton Wellenlftnge c = 1 Q = 7617 Entsprechende Farbe Fnraenhofei'ielie Linien mit ihrer WellenUng« Ms ff Gis A B H c eis d es e f ff ff^ a h "/« 8124 */, 7617 "/» 7312 % 6771 "/. 6347 le/ In 6094 1 5713 "/« 5217 7. 5078 •/. 4761 V. 4570 7« 4285 "/« 4062 7. 3808 •7« 3656 7. 3385 7, 3173 8 16 3047 Ende des Both Roth Both Roth Bothorange Orange Gelh Grün Grünblau Cjanhlau Indigohlau Violett Violett üeberviolett Ueberviolett üeberviolett Ueberviolett Ende des Sonnen- spectrum A 7617 B 6878 C6564 D 5888 J^5260 F 4843 G 4291 ^3929 Jf 3657 E 3091 Eine ausführlichere Beschreibung der hier erwähnten Versuche hat Esselbach in Poggendorffs Annalen Bd. 98 S. 513 und 527 gegeben. LIV. Mathematisch-physikalische Excnrse. Aus dem ,3aiidbuch der Physiologischen Optik", Bd. IX yon G. Karsten 's allgemeiner Encyklopädie der Physik. Leipzig 1867, bei Leopold Voss. Zu § 9. Barstellniig der Gesetze der Liehtbrechnng' in eentrirten Systemen brechender und spiegelnder KugelflKeben« 4X Brechung an einer Kugel fläche. Genaues Gesetz. Es sei a der Mittelpunkt der Kugelfläche c &, und p ein ausserhalb der Kugel liegender leuchtender Punkt. Ein von p ausgehender Lichtstrahl, welcher in der geraden Linie pa auf den Mittelpunkt der Kugel zugeht, trifft die Kugel- ^he normal und geht deshalb unge- brochen weiter in der Verlängerung ^on ap nach q bin. Ein anderer Fig. 1. Lichtstrahl pc treffe die Kugelfläche in c und werde hier ge- brochen. Unsere nächste Aufgabe ist, seinen Weg nach der Brechung zu bestimmen. Nach dem oben angeführten Bre- 6 84 Physikalische Optik. chuBgsgesetze muss derselbe zunächst in der Einfallsebene bleiben y d. h. in der durch den einfallenden Strahl und das Einfallsloth gelegten Ebene. Da der Badius stets auf dem- jenigen Theile der Kugeloberfläche , zu welchem er hingeht, senkrecht steht, so ist in diesem Falle das Einfallsloth cd die Yerlängerung des Badius ac, und die EinfeiUsebene die durch pc und ad gelegte. In derselben liegt auch die ganze Linie pqy da zwei ihrer Punkte p und a darin liegen. Der ge- brochene Strahl muss also die Linie pa, wenn sie nach beiden Seiten in das Unendliche yerlängert gedacht wird, in irgend einem Funkte q schneiden, dessen Entfernung von b zunächst bestimmt werden solL Sollte der Strahl der Linie pa parallel sein, so können wir den Durchschnittspunkt q als unendlich entfernt betrachten. Die Lage des Punktes q wird nun durch die Bedingung gegeben, dass n^8in(/?crf) = n^^süi(g'ca) \ (1), wo n^ das BrechungSTerhältniss des Mediums ist, aus welchem das Licht kommt, n^^ desjenigen, in welches es eintritt Da sich in geradlinigen Dreiecken die Sinus der Winkel wie die gegenüberliegenden Seiten yerhalten, ist in dem Drei- 43 ecke ade sin {p e a) ___ ap Bin(cpa) ^ ac und in dem Dreiecke a q c Bm(qca) aq Bm(cqa) ac Wenn wir die erste dieser Gleichungen durch die zweite dividiren und dabei bemerken, dass der Sinus des Winkels pca gleich dem seines Nebenwinkels pcd ist, so erhalten wir: Bm(pcd) Bin (cqa) ap sin (^ca) Bm{cpa) aq Nach Gleichung 1) ist sm{ped) «,, sin (^ca) », Brechung an Kugelflächen. 85 und in dem Dreieck pcq ist Bin{cqa) _ ep sin{epa) eg' Die drei letzten Gleichungen geben daher Für ap = CO ivird daraus: n,'cq = n^^'aq ] (2a), da alsdann bis auf unendlich kleine Grössen ^?- = 1. ap Brechung an einer Kugelfläche, angenähertes Gesetz für kleine Einfallswinkel und schwach divergente Strahlen. Wenn wir uns auf diejenigen Strahlen beschränken, welche nahe senkrecht auf die brechende Fläche, also sehr nahe der Axe auf sie fallen, so sehen wir aus der Fig. 1, dass, wenn m der Punkt c sehr nahe an b rückt, das Yerhältniss cp/cq übergeht in bp/bq. Die Gleichung 2) wird dann also M^ = ^ ] (2b). Bezeichnen wir den Radius ab der brechenden Fläche mit r, die Entfernung bp mit f^j ijmit/^, ap mit ff^, aqmiiff^^j sodass also: 80 wird die Gleichung 2 b) «,^/ ^ frtJLy oder ^"'" •' " " ^ n.(ff.-r) _ 9, n. (ffn + r) g., ' 86 Physikalische Optik. Daraus erhält man darch eine leichte Umformung: oder 9. 9.. ^ (3), aus denen die gesuchte Grösse /^^ oder g^^ zu bestimmen ist. Nennen wir die Werthe von f^^ und g^^, welche einer un- endlichen Entfernung des leuchtenden Punktes entsprechen, be- ziehlich F und G , so erhalten wir, da /^ = cx) und ff^ = QC: n r // G.= «.. - ». nr ^n - n. (3a), Setzen wir/^^ und g^^ unendlich gross und bezeichnen für diesen Fall/ und g^ mit F^ und G, so ist: 2^ = «r « . — «. G = ^■'" «.. — n. (3b) und nun können wir den Gleichungen 3) die einfache Form geben: F F 46 9. 9.. (3c). Die erste dieser Gleichungen giebt, nach/ und nach /^ auf- gelöst, folgende Formeln zur Berechnung dieser Grössen: (3d). Findet man negative Werthe dieser Grössen, so bedeutet es, dass sie auf der entgegengesetzten Seite der brechenden Fläche liegen, als in Fig. 26 angenommen ist. Bemerkungen. 1) Wenn das Licht nicht von j9 im ersten Medium, sondern von q im zweiten ausgeht, wird für den Strahl Brechung an Kugelflächen. 87 cq Fig. 26, der vorher der gebrochene Strahl, jetzt der ein- üsdlende ist, cp der zugehörige gebrochene sein, welcher vor- her der einfedlende war. Sind also die nahe senkrecht von p auf die brechende Flache fallenden Strahlen in q vereinigt, so werden die von q nahe senkrecht auffallenden in p vereinigt werden. Daraus ergeben sich nun sogleich die Formeln für den Fall, dass die Lichtstrahlen auf die concave Seite der Kugelfläche üaJlen. Man braucht nur das erste Medium jetzt das zweite zu nennen und umgekehrt, und dem entsprechend alle Indices der Buchstaben zu vertauschen. Die Grund- gleichungen 3) werden alsdann /, ^ f. r 1" ~i~ "~ 9.. 9. ^ Man braucht also für eine concave brechende Fläche nur den Krümmungsradius r negativ zu setzen, so gilt auch für sie die Formel 3), und natürHch gelten ebenso auch die daraus abge- leiteten 3 a), 3 b), 3 c) und 3d). 2) Wenn q das Bild von p ist, ist auch p das Bild von q. Um diese gemeinsame Beziehung auszudrücken, nennt man sie conjugirte Vereinigungspunkte, wobei man es zweifelhaft lässt, von welchem beider Funkte das Licht ausgeht. Ebenso ^ ist es für die Brechungsgesetze einerlei, ob der Licht aus- sendende Punkt ein materieller, Licht erzeugender oder auf- fallendes Licht zerstreuender Punkt sei, oder nur der Ver- einignnspunkt von gebrochenen Strahlen. Daher kann der leuchtende Punkt auch ein virtueller Vereinigungspunkt solcher Strahlen sein, und in der Verlängerung der Strahlen hinter der brechenden Fläche liegen. 3) Wenn r unendhch gross, d. h. die brechende Fläche eben wird, so werden nach 3 a) auch die Brennweiten unendUch gross, und die erste der Gleichungen 3) verwandelt sich in ^ + 4^^ = 0 oder •'' ''' 88 Physikalische Optä:. Das Bild liegt also auf derselben Seite von der brechen- den fläche^ aber in einer anderen Entfernung. 4) Ich bemerke noch, dass auch die Gresetze der Reflexion der Strahlen an gekrümmten Spiegeln aus den gegebenen Formeln 3) hervorgehen, wenn man n^^ = — n^ setzt. Gewöhn- lich zieht man es jedoch vor, für solche Spiegel die Bezeich- nung anders zu wählen. Setzen wir in der ersten G-leichung 3) statt n^^ überall — n^, so erhalten wir /""/,"""" ^ ' Ist r nach unserer bisherigen Bezeichnung positiv, d. h. der Spiegel convex, so würde für /^ = cx) der Werth von f^^ werden gleich r/2, also positiv, d. h. der Vereinigungspunkt der Strahlen liegt hinter der spiegelnden Fläche, ist nur virtuell. Wäre der Spiegel concav, r also negativ, so wird auch f^^ negativ, das Bild des leuchtenden Punktes liegt vor dem Spiegel und ist reell. Gewöhnlich zieht man vor, die Ent- fernungen der reellen Bilder vom Spiegel positiv zu nennen. Man giebt also dem/^ und dem Badius der spiegelnden Fläche r entgegengesetzte Vorzeichen als bei brechenden Flächen, und schreibt demnach die Grundgleichung 1 . _l__ _2_. Zusatz (1882) die Aenderung der Divergenz der Strahlen betreffend. In Fig. 26 misst der Winkel cpa, den wir mit a be- zeichnen, die Divergenz des von dem leuchtenden Punkte p ausgehenden Strahles cp von dem ungebrochenen Strahle pa, und der Winkel cqb =z ß die Convergenz des zugehörigen ge- brochenen Strahles gegen denselben Strahl pa. Wenn der längs der brechenden Fläche zu messende Bogen bc verschwin- dend klein ist gegen r, f^ xmif^, und wenn äc, dessen Länge wir mit ^P^fi7 ö?=/2« Da die Einfallswinkel der Strahlen an der brechenden Fläche immer sehr klein bleiben sollen, muss c a ein sehr kleiner Bogen sein, den wir annähernd als eine gegen clie Axe senkrechte gerade Linie betrachten können. Wir können also setzen: ac=-/jtg£3^, alao /itgöCj^ -/gtgOj ] (A,) 96 Physikalische Optik. Wir haben ferner nach 3d) und 6 b): ßl ^i -fx ^i und F^jF^ ^n^jn^ nach 3a) und 3b). Daraus folgt: Dies in die Gleichung A gesetzt, giebt: n^ß^iga^=-n^ß^iga^ } (7d). Diese Gleichung spricht ein wichtiges, von Lagrange aufgestelltes Gesetz aus, welches die Grösse der Bilder mit der Divergenz der Strahlen verknüpft, unabhängig von der Entfernung und der Brennweite der brechenden Fläche. Brechung in Systemen von Kugelflächen. Wir wollen jetzt die Gesetze der Brechung in centrirten optischen Systemen untersuchen, d. h. solchen, welche eine Keihe von brechenden Kugelflächen enthalten, deren Mittel- punkte alle in einer geraden Linie, der optischen Axe des Systems, liegen. «1 Vorn nennen wir in Bezug auf das System die Seite, von der das Licht herkommt, hinten die, wo es hingeht. Die brechende Fläche, welche das Licht zuerst trifft, ist die erste, das Medium, welches vor der ersten brechenden Fläche gelegen ist, das erste, das zwischen der ersten und zweiten gelegene das zweite, das hinter der letzten, das letzte. 'W^enn wir m brechende Flächen haben, so haben wir m + \ brechende Medien. Es sei n^ das Brechungsverhältniss des ersten, n^ des zweiten, Um 4.1 des letzten brechenden Mittels. Wie bisher nehmen wir die Radien der brechenden Flächen positiv, wenn deren Con- vexität nach vom, negativ, wenn sie nach hinten sieht. Auch bemerke ich hier gleich ein für alle Mal, dass, wenn von einem Strahlencentrum oder Bilde gesprochen wird, welches in einem gewissen brechenden Mittel liege, oder diesem angehöre, darunter Brechung an Rugelflächen. 97 auch stets der Fall mitverstanden ist, wo das Bild potentiell ist, und erst dnrch Verlängerung der Strahlen über die Grenzen des Mittels hinaus entstehen würde. Zunächst wissen wir aus der bisherigen Untersuchung, dass homocentrische Strahlen, welche unter kleinen Einfallswinkeln auf kugelige brechende Flächen fallen, homocentrisch bleiben. Daraus folgt, dass homocentrische Strahlen, welche unter kleinen Winkeln gegen die Axe in das optische System eintreten, nach jeder Brechung homocentrisch bleiben, und eben so aus der letzten brechenden Fläche wieder heraustreten. Wenn das ein&llende Licht einer Anzahl von Vereinigungspunkten ange- hört, welche alle in einer auf der optischen Axe senkrechten Ebene liegen, so wissen wir femer, dass nach der ersten Brechung die Vereinigungspunkte wieder alle in einer auf der optischen Axe senkrechten Ebene liegen und ihre Vertheilung der firüheren geometrisch ähnlich ist So wird es daher auch nach jeder folgenden Brechung sein, und auch das letzte Bild wd dem ursprünglichen geometrisch ähnlich sein, und wie dieses in einer auf die optische Axe senkrechten Linie liegen. Indem man nun das Bild, welches von der ersten brechen- den Fläche entworfen ist, als den Gegenstand für die zweite be- trachtet, das Bild der zweiten als den Gegenstand der dritten u. s. w., kann man ohne besondere Schwierigkeit schliess- lich Grösse und Lage des letzten Bildes berechneiL Allerdings werden aber die Formeln schon bei einer massigen Zahl brechender Flächen bald sehr weitläufig. Hier kommt es uns nur darauf an, einige allgemeine Ge- setze zu beweisen, welche für jede beliebige Zahl brechender Piachen gültig sind, was uns für das Auge desto wichtiger ist, da dieses in den verschiedenen Schichten der Eoystalllinse un- endlich viele brechende Flächen enthält, die Rechnung auf dem an- gedeuteten Wege also doch nicht zu Ende zu führen sein würde« Heimholt«, wtwngch. Abhandlaiig«iL II. 7 98 Physikalfeche Optik. 1. Zuerst will ich zeigen, dass das in Gleichung 7) für eine Fläche ausgesprochene Gesetz auch für beliebig viele gilt. Es sei in Fig. 5 die nüt 1 bezeichnete brechende Fläche die erste, die mit (m — 1) bezeichnete die vorletzte, die mit m bezeichnete die letzte Fläche des Systems. Wenn s der Ver- einigungspunkt der eintretenden Strahlen ist, sei u der der aus- tretenden, wenn p der der eintretenden ist, sei r der der aus- tretenden. Wir bezeichnen ps mit Aj, ur mit ä„+i, so will ich beweisen, dass "r" + Ä — ^» 6s WO H^ der Abstand des ersten Hauptbrennpunktes von 5, H^ der des zweiten von ti, ist. Um das Gesetz allgemein zu beweisen, werde ich zeigen, dass, wenn es für ein System von (m — 1) Flächen richtig ist, es auch für m Flächen gilt. Da es nun für eine Fläche be- wiesen ist, folgt dann, dass es auch für zwei, und wenn für zwei, auch für drei u. s. w. in infiniium richtig sei. Das System der {rn—\) ersten Flächen entwerfe von dem Punkte 5 das Bild ty und von dem Punkte p das Bild ^, und t q werde bezeichnet mit ä«. Die Entfernungen der Haupt- brennpunkte des Systems der (m— 1) Flächen von den Punkten s und t seien beziehlich L^ imd ig, die Entfernungen der Hauptbrennpunkte der letzten Twten Fläche von den Punkten t und u seien beziehlich M^ und M^y wobei alle diese Ent- fernungen immer von den Punkten s, t und u aus in der Richtung positiv gerechnet werden, in welcher das brechende Medium, dem die betreffenden Strahlenbündel angehören, von den betreffenden brechenden Flächen oder Systemen liegt. Nun haben wir nach der Voraussetzung: h^ hm und für die Brechung in der letzten Fläche: Wenn wir die erste dieser Gleichungen mit Zj, die zweite mit M^ dividiren, und beide addiren erhalten wir: oder Brechung an Kugelflächen. 99 Setzen wir A^ = 00, wobei A«,+i = ^2 werden muss, so er- giebt diese Gleichung: und setzen wir h^^i=s oOy wobei h^ = H^ werden muss, so er- giebtsich: also schliesslich 1 "" jlfi + z, -7 wie zu beweisen war. Diese Gleichung liefert für jeden reellen Werth zwischen + 00 und — 00 von h^ eiuen und nur einen von A,»+i, und eben so fär jeden der letzteren Grösse einen und nur einen von Aj. Der erste wie der letzte Vereinigungspunkt können also an jeder Stelle der Axe liegen, und sobald der eine ge- geben ist, ist auch die Lage des anderen eindeutig bestimmt. 2. Jedes optische System hat zwei und nur zwei zusammengehörige Vereinigungspunkte der Licht- strahlen, in denen die Grösse eines aufdie Axe senk- rechten ebenen Bildes der des zugehörigen Gegen- standes gleich wird. Wir nennen die Ebene eines solchen sa Gegenstandes die erste und die des zugehörigen Bildes die zweite Hauptebene des Systems, und die beiden Punkte, wo sie die optische Axe schneiden, beziehlich den ersten und zweiten Hauptpunkt. Die zu den Hauptpunkten gehörigen Haaptbrennweiten sind den zugehörigen Brechungsverhältnissen des ersten und letzten Mittels proportional. £s sei sp Fig. 6 der abgebildete Gegenstand, p ein Punkt desselben in der Axe, s ein anderer seitlich davon. Wenn wir den Gegenstand längs der Axe verschieben, sodass er immer sich selbst parallel bleibt, so wird sich der Punkt s in der mit der Axe parallelen Linie s t bewegen. Der Lichtstrahl s t wird 100 Physikalische Optik. also stets dem Punkte s angehören, welches auch die Ent- fernung pq sein möge. Die der Axe parallelen Lichtstrahlen werden nun durch das brechende System so gebrochen, dass sie schliesslich durch den zweiten Hauptbrennpunkt P^ gehen. '[ Pt Fig. 6. Es sei rtD der Gang des Lichtstrahls st nach der letzten Brechung. Da st stets dem leuchtenden Punkte s angehört, muss rw stets dem Bilde dieses Punktes angehören, d. h. das Bild von s muss in r w liegen. Es sei fff das Bild von sp^ welches nach dem Vorausgeschickten senkrecht gegen die Axe UV sein muss. Wenn p sich längs der Axe verschiebt, wird sich auch/ längs uv, und ff längs rw yerschieben, und es ist ersichtlich, dass die Grösse des Bildes fff sich hierbei pro- portional dem Abstände P^/ ändern muss, wie dasselbe für eine einfache brechende Fläche oben in den Gleichungen 6 a) und 6 b) ausgesprochen ist. Da femer aus Gleichung 8) zu ersehen ist, dass die Entfernung P^ jeden beliebigen Werth zwischen + oo und — oo annehmen kann, so wird auch die Grösse des Bildes, wenn wir die eines umgekehrten Bildes negativ bezeichnen, jeden zwischen diesen Grenzen liegenden Werth annehmen können, und einen jeden nur einmal an- nehmen können. Es wird also auch seinem Gegenstande sp an einer und nur an einer Stelle gleich werden müssen; es sei c^ b^ in diesem Falle der Gegenstand und c^ b^ das ihm gleiche Bild, so bezeichnen diese beiden Linien die Lage der sogenannten Hauptebenen des Systems. Bezeichnen wir nun: b,P,^F,, hp^f,, *,A==^2, *2/=/2, k* ■ »k. ■^•^^i*^'"«"™^^ Brechung an Kngelflächen. ]01 so ist: oder und da nach G-leichong (8): f + f-l} (8.) SO erhalt man entsprechend der ftir eine brechende Fläche gel- ^ tenden Gleichung (6 b): Nennen wir die Entfernung der zusammengehörigen Bilder Ton den Brennpunkten l^ und l^y sodass also: so erhalten wir aus der Gleichung (8 a) in derselben Weise die einfachste Form f&r das Gesetz der Lage der Bilder eines zusammengesetzten Systems, wie wir f&r die einer einzelnen Fläche aus Gleichung (3d) die (7b) erhalten haben, nämlich: hk-F,F,} (8c) ft h_ (8d) Um endlich das Yerhältniss der Grössen F^ und F^ zu finden, wenden wir das in der Gleichung 7d) ausgesprochene Gresetz auf den Strahl an, welcher vor der Brechung durch s und 6^, nach der Brechung also durch b^ und ff geht. Nennen wir die Grösse eines in der ersten Hauptebene enthaltenen Bildes y^, die Beihe der Bilder, welche bei den einzelnen Brechungen in dem Systeme gebildet werden, y^^ , y^^^ etc. und 7^n+i das in der zweiten Hauptebene nach der letzten Brechung entworfene. Nach der Definition der Hauptebenen ist /, = ^1»+ 1. Nennen wir femer u^ den Winkel zwischen dem 102 Physikalische Optik. Strahl sh^ und der Axe im ersten Mittel, a^^, a/ u. s. w. in den folgenden Mitteln, a^^i im letzten Mittel, sodass: Nach der Grieichung (7d) ist: u. 8. w., woraus folgt: oder da Y^x=y^^\y so ist: njffa^==ihn^itffa^+i } (9a) Femer ist mit Berücksichtigung der oben aufgestellten Bezeichnungen: f9= -ßi= -/a ^9 «« + i> folglich: W, /?! Ww + 1 ßt Setzt man in diese Gleichung aus (8a) den»'Werth von /j, so erhält man: «« und nach (8b) ist: ß\ = _ <^« . Beide Gleichungen durch einander dividirt geben: 71m was zu beweisen war. 3. In jedem optischen Systeme giebt es ein und nur ein Paar von Knotenpunkten, welche die Eigenschaft haben, dass alle Lichtstrahlen, deren Richtung im ersten Mittel durch den ersten Knotenpunkt geht, nach der letzten Brechung eine -j. _i ^J^^ms^^^fss^smsiw^vmsmmsm Brechung an Kugelflächen. X03 ihrer früheren parallele Bichtung haben und durch den zweiten Kaotenpunkt gehen. Die durch die Knotenpunkte senkrecht gegen die optische Axe gelegten Ebenen heissen die Knote n - ebenen. Da die im ersten Knotenpunkte sich schneidenden Lichtstrahlen sich also nach der letzten Brechung im zweiten schneiden, so ist der zweite offenbar das Bild des ersten. Die zu ihnen gehörigen Brennweiten verhalten sich umgekehrt wie die Brechungsverhältnisse des ersten und letzten Mediums. Wir gehen von der in der vorigen Nummer gefundenen Gleichung 9) aus: Wenn wir diese auf die Knotenpunkte beziehen, soll a = ««4.1 werden. Dies wird der Fall sein, wenn: Die Lineardimensionen zweier zusammengehöriger in den Knotenebenen liegender Bilder verhalten sich also lungekehrt wie die zugehörigen Brechungsverhältnisse des ersten und letz- ten Mittels. Da die Bilder desselben Gegenstandes y, sich verhalten wie ihre Abstände vom zweiten Hauptbrennpunkte, so lässt sich dieser Abstand aus der Grösse des Bildes bestimmen. Fällt das Bild des Gegenstandes y^ in die zweite Hauptebene, so ist seine Grösse auch gleich y^, sein Abstand vom Brennpunkte K^ ; Mt es in die zweite Knotenebene, so ist seine Grösse, wie eben bewiesen: Sein Abstand vom Brennpunkte sei G^, so ist: rm + 1 ^« also (9c): G2 = -^i^2 = ^i I (10a) nm + 1 9 Der Abstand zwischen der zweiten Haupt- und Knotenebene ist danach: «2 = ^2 "" ^2 104 PhyBikalische Optik. Die erste Ejiotenebene soll das Bild der zweiten sein. Nennen wir ihren Abstand von der ersten Hauptebene a^, sodass: 66 80 ergiebt die Gleichung (8 a): daher: und 1, oj = a, = /; — /"i (lOb) (10 c) Methoden, die Brenn-, Haupt- und Knotenpunkte eines aus zwei anderen zusammengesetzten centrirten Systems brechender Kugelflächen zu finden. Es seien gegeben zwei centrirte optische Systeme A und B, welche dieselbe Axe haben. Es seien p^ und p,,, Fig. 7, die beiden Brennpunkte, a^ und a,, die beiden Hauptpunkte des Systems A^ n, und n,^ die Brennpunkte, a^ und a,^ die Haupt- punkte von B. Der Abstand des ersten Hauptpunktes a, des Fig. 7. zweiten vom zweiten a,, des ersten Systems sei ,^. Der erste Brennpunkt des combinirten Systems ist offenbar das Bild, welches das System A vom ersten Brenn- punkte 71^ des Systems B entwirft Ist t, dieser Punkt, so ist klar, wie auch durch den in der Figur von t^ ausgehenden // ^/ •/ Brechung an Kngelfiächen. 105 Strahl angedeutet ist, dass Strahlen, welche von t^ ansgdien, nach der Brechung im ersten Systeme A m n, sich vereinigen und nach der Brechung im zweiten parallel der Axe werden mfissen, sodass also t^ der Definition des vorderen Brenn- punktes entspricht Die Entfernung a^, n, ist gleich d— (p,\ daraas ergiebt sich ftir a^t, der Werth: Ebenso ist der zweite Brennpunkt des combinirten Systems das Bild, welches das zweite System B von dem zweiten Brennpunkte j),, des ersten Systems entwirft. Es sei 1,, der Ort dieses Bildes: so ist: Die beiden Hauptpunkte des combinirten Systems sollen jeder des anderen Bild sein, und zwar bezieht sich der erste auf den Gang der Lichtstrahlen im ersten Medium, der zweite auf den im letzten. Die beiden Hauptpunkte müssen daher ein beiden gemeinsames Bild in dem mittleren Medium haben, was zwischen den beiden optischen Systemen vorhanden ist. Es sei dieses Bild s in Fig. 7, r, und r,, dagegen die Haupt- punkte des combinirten Systems. Wenn * daA Bild von r, und r,, das Bild von * ist, ist auch r , das Bild von r^, und der ersten Bedingung für die beiden Hauptpunkte geschieht da- durch Genüge. Die zweite Bedingung ftir diese Punkte ist s7 cüe, dass zusammengehörige Bilder in den Hauptebenen gleich gross und gleich gerichtet seien. Es sei nun a die Gbrösse eines Objectes in $, ß, sein Bild entworfen vom System A in ''/» ^,. sein Bild entworfen vom System B in r,,, und x gleich der Länge a,,s^ dagegen ij gleich sa,^ so ist nach (8 b): ifL = -A_, (T ^^— y Soll ^^ = ß^^ sein, so muss: /» _ y. 106 Physikalische Optik. oder — = 1-1 (11c) 'S V* J oder g»* _ «.*. Um also den Punkt im mittleren Medium zu fin- den, dessen Bilder die beiden Hauptpunkte sind, theile man die Entfernung zwischen dem zweiten Hauptpunkte des ersten und ersten Hauptpunkte des zweiten Systems in zwei Theile, welche sich ver- halten wie die zu diesen Hauptpunkten gehörigen Hauptbrennweiten der beiden Systeme. Da ,r + 1/ = d ist nach (11c): X d — X f.. "~ ~ • Brechung an KngelflAchen. 109 Setzen wir der Kürze wegen so sind die Hauptbrennweiten: 27 — **l *H^l *'t ^1- — w— P -= «1 *»S ^1 ^t (12) Die Entfernungen der Hauptpunkte h^ und A^ von den Flächen: 1^ __»i(»» — W3)<^n 1 2V . _ »a(yH — «a)rfr, (12 a) N Die Entfernung der Hauptpunkte von einander H: H^ d . (**« ^ ^ ) ("» — ^) (^i — r, — (£) \ ^2b) Für rf = o wird A^ = A^ = Ä'= ö: In dem besonderen Falle, wo r^ = r„ erhalten wir: «o 1 »8 — «l * »8 — «1 Die Brennpunkte und Hauptpunkte sind dann also genau dieselben, als wäre nur eine brechende Fläche vorhanden; das Resultat ist unabhängig von n,. Daraus folgt: In einem Systeme von brechenden Kugelflächen können wir uns an jeder brechenden Fläche eine un- endlich dünne, durch concentrische Kugelflächen be- grenzte Schicht von beliebigem Brechungsverhält- nisse eingeschoben denken, ohne die Brechung der Strahlen dadurch zu ändern. Es wird uns dieser Satz später zur Yerein£a.chung mancher Betrachtungen dienen. Endlich will ich noch die Formeln f&r Linsen mit zwei 110 Physikalische Optik. kugeligen Begrenzungsflächen hersetzen, bei denen das erste und letzte Mittel einander gleich sind, also n^ = n^, F ^F ^ ^^^^'^« 1 (13) Die Entfernungen der Hauptpunkte, welche in diesem Falle mit den Knotenpunkten zusammen&llen, von den Linsenflächen sind: ÄJ = Ih^- n, dir. (13a) Die Entfernung der Hauptpunkte von einander: i/==rf._(^_ziV(^ + '>_^) l (13b) «, (r, — rj + («, — iti) i J Die beiden ersten sind positiv gerechnet, wenn sie ausserhalb der Linse liegen. Den Punkt in der Linse, dessen Bilder die beiden Knoten- punkte sind, nennt man in diesem Falle das optische Oen- trum der Linse. Es liegt in der optischen Axe, und seine Entfernungen von den beiden Flächen verhalten sich zu ein- ander wie die Kadien dieser Flächen. Da die Resultate der Brechung in einem optischen Systeme, was Grösse und Lage der Bilder betrifft, nur von der Lage der Brennpunkte und Hauptpunkte (oder Knotenpunkte) abhän- gen, so kann man ohne Aenderung der Lage und Grösse der Bilder zwei optische Systeme fiir einander substituiren, deren Brennpunkte und Hauptpunkte dieselbe Lage haben. Da das Yerhältniss des Brechungsvermögens des ersten und letzten Mittels nicht geändert werden kann, ohne das Yerhältniss der Hauptbrennweiten zu einander zu ändern^ wollen wir voraus- setzen, dass das erste und letzte Mittel bei einer solchen Sub- stitution ungeändert bleibe. Dann braucht nur die eine Haupt- brennweite und der Abstand der Hauptpunkte von einander in dem einen System gleich den entsprechenden Grössen des anderen gemacht zu werden, um die beiden Systeme für ein- ander substituiren zu können. Li einem Systeme von nur zwei brechenden Flächen würde man zur Erfüllung dieser Bedin- gungen über 4 Grössen, r^, r,, n, und dj bestinmien können. Es kann daher für jedes centrirte System brechender Brechung an Kogelflächen. Hl Kugelflächen ein System von nur zwei solchen Flä- chen gesetzt werden, welches ebenso grosse und «i ebenso gelegene Bilder entwirft wie jenes, und im allgemeinen kann man dabei sogar noch immer zwei andere Bedingungen fiir das System Yon zwei Flächen aufstellen, z. B. dass es aus einem bestimmten Stoffe zu bilden sei u. s. w., und diese gleichzeitig erfüllen. Für den Fall, wo das erste und letzte Mittel identisch sind, beide ein kleineres Brechungsvermögen haben als das mittlere Mittel, und der Abstand der brechenden Flächen kleiner ist als die Krümmungsradien, also für die sogenannten Linsen, will ich hier noch die einzelnen Fälle durchgehen, weil wir auf dergleichen Linsen oft zurückkommen werden. Man unterscheidet nach der Gestalt 1) biconvexe Lin- sen, bei denen beide Flächen convex, also r^ positiv, r^ negativ ist; die Brennweite ist inmier positiv nach Gleichung (13). Die Abstände der Hauptpunkte von den Flächen sind negativ, d. h. diese Punkte liegen inner- halb der Linse, und der Abstand der Hauptpunkte von einander ist positiv, d. h. -5^ der erste liegt vor dem zwei- ten. Li Fig. 8 ist die Lage der Brennpunkte f^'p^ und Pig 8 der Hauptpunkte \ und h^ einer biconvexen Linse dargestellt. Die erste und zweite Fläche der Linse sind mit 1 und 2 bezeichnet. Ein Grenzfall der biconvexen Linsen sind die planconvexen, bei denen einer der Badien unendKch gross wird und ein Hauptpunkt in die gekrOmmte Fläche der Linse fällt 2) Biconcave Linsen mit zwei concaven Flächen; r^ ist negativ, r^ positiv. Die Brennweiten sind negativ, die Abstände der Hauptpunkte von den Flächen beide negativ, d. h. die Hauptpunkte liegen innerhalb der Linse. Ihr Abstand ist po- sitiv, d. h. der erste liegt vor dem zweiten. Fig. 9 stellt die Lage der Hauptpunkte \ und \^ sowie der Brennpunkte f^ und p^ einer biconcaven Linse dar. Einen Grenzfall bilden die planconcaven Linsen, bei denen einer der Badien unend- Pz 112 PhysikaliBche Optik. lieh wird und einer der Hauptpunkte in die gekrümmte Fläche fällt 3) Concavconvexe Linsen, beide Radien entweder positiv oder ne- gativ. Wir wollen das erstere annehmen; der zweite Fall ergiebt sich ^^- ^- aus diesem sogleich, wenn wir nachher die erste Seite der Linse zur zweiten machen. Die Brennweite wird positiv, wenn: sie wird unendlich, wenn beide Seiten der Gleichung gleich sind; sie wird negativ, wenn der Ausdruck links kleiner als der rechts ist. Der Ausdruck r2 + d^r^ ist der Abstand des Krümmungsmittelpunktes der zweiten Fläche von dem der ersten nach hinten gerechnet. Liegt der zweite Mittelpunkt hinter dem ersten, so wird die Linse von ihrer Mitte nach dem Bande zu dünner; liegt jener vor dem ersten, so wird sie dicker. Man kann also sagen: Wird eine concavconvexe Linse nach dem Bande zu dicker, so ist ihre Brennweite negativ, und soll ihre Brennweite positiv sein, so muss sie nach dem Bande hin dünner werden. Aber man darf beide Sätze nicht umkehren, wie es oft geschieht. Der erste Hauptpunkt liegt vor der convexen Fläche (d. h. an ihrer convexen Seite), wenn die Brennweite positiv ist, ent- fernt sich sehr weit bis in das Unendliche, wenn die Brenn- weite selbst sehr gross und unendUch wird. Wird die Brenn- weite negativ, so liegt der erste Hauptpunkt hinter der con- ea vexen Fläche der Linse, d. h. auf ihrer concaven Seite, eben- fekUs unendlich weit entfernt, wenn die Brennweite unendlich sein sollte. Der zweite Hauptpunkt liegt vor der concaven Fläche der Linse, d. h. auf ihrer convexen Seite, wenn die Brennweite der Linse positiv, er liegt hinter dieser Fläche, wenn die Brenn- weite negativ ist, und rückt ebenfalls in das Unendliche hinaus, wenn die Brennweite unendlich gross wird. Bei einer positiven Brechung in Linsen. 113 Brennweite liegt der zweite Hauptpunkt immer hinter dem ersten, d b. der Linse näher. Bei einer negativen liegt er hinter dem ersten, d. h. der Linse femer, wenn die Linse nach ihrem Bande zu dicker wird; er liegt dagegen vor dem ersten, wenn die Linse bei negativer Brennweite von der Mitte nach dem Bande dünner wird; er fäUt mit ihm zusammen, wenn die beiden Linsenflächen concentrischen Kugeln ^/l^ angehören, und zwar fi ^\l\ f* ^--H liegen beide Haupt- *^^ '' ^' punkte dann in dem gemeinschaftlichen Cen- ^- ^^• trum der Kugeln. Fig. 10 stellt eine concavconvexe Linse von positiver Brennweite dar, Fig. 11 eine solche von negativer 4^ Jl Fig. 11. Brennweite, die nach dem Bande zu dicker wird, Fig. 12 eine solche von negativer Brennweite, welche nach dem Bande zu '' A. M • H Fig. 12. dünner wird. Der Krümmungsmittelpunkt der ersten Fläche ist mit c^, der der zweiten mit c, bezeichnet. Ich bemerke noch, dass die Brennpunkte nie in die Linse und stets auf entgegengesetzte Seiten derselben fallen. Was die Lage der Bilder betrifft, so verwandelt sich die Gleichung (8 a) und (8 b), wenn die beiden Brennweiten gleich werden, in folgende: /7 +/T = F } (1^) oder und Hclmholti, wlsMiifoh. Abhandlungen. U. g 114 Physikalische Optik. Bei Linsen mit positiver Brennweite (Sammellin- sen, CoUectivlinsen) liegen nach diesen Formeln die Bilder unendlich weit entfernter reeller Objecte, fllr welche also/j = oo, im zweiten Brennpunkte hinter der Linse und sind im Yer- hältniss zum Objecte unendlich klein und umgekehrt. Wenn das Object sich der Linse nähert, entfernen sich die Bilder, von ihr, bleiben reell, umgekehrt und nehmen an Grösse zu, bis fi^ F geworden, das Object also in den vorderen Brennpunkt gerückt ist, wo die Entfernung und Grösse des Bildes unend- lich werden. Man ersieht dies leicht aus Gleichung (14), die man so schreiben kann: JL — i- _ _l A^F // es Wenn/i abnimmt von oobisF, nimmt 1//^ zu von Obisl/F, und I//2 nimmt ab von 1/F bis 0, d. h. /^ nimmt zu von FhiB 00. Die Grösse des Bildes: Ä = — ß\f^~~F ist immer negativ, so lange f^ > F. Wenn f^ von 00 abnimmt bis F, nimmt der Nenner des Bruches ab von cx) bis 0, und ß^ geht über von 0 bis — 00. Ebenso findet man nun weiter, dass, wenn das Object vom ersten Brennpunkte zum ersten Hauptpunkte fortrückt, /j von — CX) bis 0 geht, d. h. das Bild, welches nun meist vir- tuell ist und auf derselben Seite der Linse mit dem Objecte liegt, aus unendlicher Entfernung bis zimi zweiten Hauptpunkte heranrückt und dabei eine positive Grösse hat, d. h. aufrecht steht, und von + oo bis zu einer dem Objecte gleichen Grösse abnimmt. Endlich kann f^ auch negativ werden, wobei meist das Object virtuell wird; dann ist/g stets positiv und kleiner als/p das Bild aufrecht und kleiner als das Object. Während f^ von 0 bis — 00, geht f^ von 0 bis F, ß^ von ß^ bis 0. Man kann also sagen: Sammellinsen machen parallel eintretende Strahlen convergent und vereinigen sie in der Brechung in Linsen. 115 Brennebene; sie machen convergente Strahlen noch conyer- genter und dlTergente Strahlen weniger divergent oder auch convergent, ersteres, wenn sie Ton einem Punkte jenseits des Brennpunktes divergiren, letzteres, wenn von einem solchen diesseits des Brennpunktes. Linsen yon negativer Brennweite nennen wirdispan- sive oder Zerstreuungslinsen, weil parallel eintretende Strahlen durch sie divergent gemacht, zerstreut werden, diver- gente noch mehr divergent, convergente weniger convergent oder divergent werden. Setzen wir den absoluten Werth der negativen Brennweite der Linse gleich P, so dass P = — -F, so wird: /. " -P /i Daraus folgt, dass flir jeden positiven Werth von /^ jetzt /, negativ ist, und dass, während f^ von oo bis 0 abnimmt, f^ von — P bis 0 sich verändert, /9, von 0 bis /Sj. Dispansive Linsen entwerfen also von reellen Objecten, die vor dem ersten Hauptpunkte liegen, virtuelle Bilder, welche vor dem zweiten Hauptpunkte liegen, kleiner, näher und aufrecht sind. Für negative Werthe von f^, welche absolut kleiner als P sind, wird f^ positiv, und während f^ von 0 bis — P geht, steigt f^ von 0 bis + oo , ß^ von ßy^ bis QO. Convergent ein- sende Strahlen werden also weniger convergent, wenn sie nadi einem vor dem hinteren Brennpimkte gelegenen Punkte convergiren. Für negative Werthe von/j, welche absolut grösser sind als P, werden /g und ß^ negativ, es entstehen also umgekehrte virtuelle Bilder vor dem Glase. Während f^ sich ändert von — P bis — 00, äpdert sich f^ von — oo bis — P, und ß^ von — oo bis 0. Convergente Strahlen werden von dispansi- Ten Linsen also divergent gemacht, wenn sie nach einem jen- seits des hinteren Brennpunktes gelegenen Punkte convergiren. Die Entfernung e zweier zusammengehöriger BUder von einander iaif^+a +/,, wenn a der Abstand der Hauptpunkte von einander ist und diese Entfernung positiv gerechnet wird, m 116 PhysikaliBche Optik. falls das zweite Bild hinter dem ersten liegt Setzen wir statt /j seinen Werth, so erhalten wir als Ausdruck für die Ent- fernung: Diflferentüren wir diese Gleichung nach/j, so erhalten wir: Hiemach wird de = 0, d. h. e ein Maximum oder Minimum, wenn entweder /i = 0 oder /i = 2 2^, und zwar wird es sowohl fllr positive wie negative Brennweiten ein Minimum für /^ = 2 F, und ein Maximum für /^ =0, wie man leicht aus dem Aus- druck für e erkennt. Werke, in welchen die Brechung der Lichtstrahlen in centrirten Sy- stemen kugeliger Flftchen behandelt wird, sind folgende: 1788. Q ote^ m%ia\i\i a eomjplete iystem qf opiic9, Cambridge. Vol. n. 76. 1757 11. 61. Euler in Histoire de VAaad» roy. de Berlin pour 1757. p. 288. — Ibid. pour 1761. p. 201. 1765. Euler, Priei* d^une ih^arie ginSrale de la dioptrique in SUt, de Vacad, roy, des se. de Paris. 1765. p. 555. 1778 u. 1808. Lagrange in N&uv, M^m. de VcLcad, roy, de Berlin povr 1778. p 162. — Ibid. 1808. p. 1. 1822. Piola in ^enteridi astron. di JktUano per 1822. 1880. Möbius in Crelle*s Journal für Mathematik. Bd.y. S.113. 1841. «Bessel in Astronom. Kachrichten. Bd. XVm. S. 97. '*Gau88| Dioptrische Untersuchungen. Gtöttingen. — Ab- druck aus Abhandlungen d. Kön. G^s. d. Wiss. zu Göt- tingen. TL 1. von den Jahren 1888—48. 1844. Encke, De formulis dioptricis. Ein Programm. Berlin. Moser, Ueber das Auge, in Dove*B Repert d. Physik. Bd. V. 8. 289. 1851. Listing, Art Dioptrik des Auges, in B. Wagner's Hand- wörterbuch d. Physiologie. Bd. IV. 8. 451. Aus §. 10. Die Brechung der Lichtstrahlen In den Angenmedien. 70 Um die Brechung der Lichtstrahlen in den einzelnen Mitteln des Auges zu berechnen, theilen wir uns das optische System des Auges in zwei Theile, deren ersten die Hörn- Brechung im Auge. 117 haut, deren zweiten die Krystallinse ausmacht, sodass das erste Mittel des ersten Systems Luft, das Mittel zwischen beiden Systemen, oder das letzte des ersten, das erste des zweiten Systems wässrige Feuchtigkeit, das letzte Mittel des zweiten Systems Glaskörper ist. Wir beginnen mit der Hornhaut. Die Untersuchung der Brechung in dieser wird wesentlich vereinfacht durch den Um- stand, dass die Hornhaut sehr dünn ist, fast gleichgekrümmte Flächen hat, und ihr Brechungsvermögen nur wenig das der wässrigen Feuchtigkeit übertrifiPt Ich habe S. 109 bei den Gleichungen (12), (12a), (12b) nachgewiesen, dass man an jeder brechenden Fläche eine unendlich dünne Schicht von belle- gem Brechungsvermögen und gleichgekrümmten Flächen ein- schieben könne, ohne die Brechung zu verändern. Man denke sich somit vor der Hornhaut eine unendlich dünne Schicht wässriger Feuchtigkeit ausgebreitet, wie sich denn sogar in Wahrheit dort eine ähnliche Schicht befindet, nämlich die Schicht der die Hornhaut netzenden Thränen. Dann können wir nachher die Hornhaut selbst ab eine uhrglasförmige Linse betrachten, welche auf beiden Seiten von dem gleichen Medium, wässriger Feuchtigkeit, umgeben ist Eine solche Linse hat eine sehr grosse oder unendliche Brennweite, d. h. sie ver- ändert den Gtmg der Lichtstrahlen nicht merklicL Daraus folgt, dass die Brechung der Lichtstrahlen in der Hornhaut fast dieselbe sein wird, als wenn die wässrige Flüssigkeit bis an die vordere Fläche der Hornhaut reichte. Diese Annahme ist daher bis jetzt auch fast immer bei der Berechnung des GkuQges der Lichtstrahlen in der Hornhaut gemacht worden, und sie ist um so nothwendiger zu machen, da wir bisher zwar gute Messungen der äusseren Homhautkrümmung, aber keine genügend zuverlässigen für die innere besitzen. Sollte die bezeichnete Annahme streng gerechtfertigt sein, so müsste nach S. 110 Gleichung (13) sein: WO n^ das Brechungsvermögen der wässrigen Feuchtigkeit, n, das der Hornhaut, d die Dicke, r^ den Krümmmigshalbmesser der vorderen, r^ der hinteren Fläche der Hornhaut bezeichnet, n 118 Physikalische Optik. Diese Gleichung kann nun in der That auf die Hornhaut nicht wohl passen. Wenn wir sie schreiben: SO ist (r^ + d) der Abstand des Ejrümmungsmittelpunktes der hinteren Fläche vom Scheitel der vorderen, und die G-leichung würde aussagen, dass der Krümmungsmittelpunkt der hinteren Fläche hinter dem der vorderen liege. Dann müsste die Hornhaut von 'der Mitte nach dem Bande zu an Dicke ab- nehmen, während in der Begel das Umgekehrte der Fall ist Die Hornhaut wird also den Folgerungen gemäss, welche am Ende des § 9 für concavconvexe Linsen aus der Gleichung (13) gezogen sind, in der Begel ab Linse in wässriger Feuchtigkeit aufgehängt, eine negative, aber sehr grosse Brennweite haben. Nehmen wir r^ = 8mm, r^ = 7mm, d = 1mm und nach W. Krause n^ == 1,3507, n^ = 1,3420, so wird nach S. 110 Glei- chung (13) die Brennweite der in wässriger Feuchtigkeit be- findlichen Hornhaut gleich —8,7m, eine Grösse, welche wir im Verhältnisse zu den Dimensionen des Auges als unendlich gross betrachten können. Dasselbe wurde bestätigt durch Versuche mit dem Oph- thalmometer, mittels welches Listrumentes ich die Grösse eines Objectes maass, welches sich hinter einem Glasgefasse mit pa- rallelen Wänden befand. Brachte ich in das Wasser eine fiische Hornhaut einer menschlichen Leiche, sodass ich das Object nur durch die Hornhaut erblickte, so war durch das Ophthalmometer keiae Verkleinerung des Bildes zu entdecken. Diese war abo so gering, dass die leichte Trübung des Bildes durch die eingefiihrte Hornhaut hinreichte, sie unwahmehmbar zu machen. Um berechnen oder schätzen zu können, um wie viel sich die wirkliche Brechung am Auge von derjenigen unterscheidet, welche eintreten würde, wenn das Brechungsvermögen der Horn- haut wirklich dem der wässrigen Feuchtigkeit gleich wäre, wollen wir die optischen Constanten der Hornhaut nach der Formel S. 109 Nr. 12 bestimmen, und dabei setzen: /ij = 1, % = n, Wg = n + /\n, r^ = Tj r^ = r — Ar, wobei wir die Grössen A n, Brechung an der Hornhaut 119 A r und die Dicke der Hornhaut d als sehr klein gegen n und r ansehen können. Wenn wir diese Bezeichnungen in § 9 Glei- chungen (12) einsetzen, und die höheren Dimensionen der kleinen Grössen Temachlässigen, erhalten wir die Brennweiten: j; = !/;•, = -!^|l-A«.^"-;)'^-"^'-\ I (1) Der Unterschied der Brennweiten von dem Werthe r/(7i — 1), den wir durch die Annahme A ^t = 0 erhalten, ist eine kleine Grösse zweiter Dimension; ebenso die Entfernung x des ersten Hauptpunktes, von der vorderen Homhautfläche nach vom gerechnet: mr^ } (") Die Entfernung der beiden Hauptpunkte von einander a wird sogar eine kleine Grösse dritter Dimension: (rfA»)" ---^] (1^) Für die Berechnung der Bilder wird es daher genügen, nur eine Brechung an der vorderen Fläche der Hornhaut in Betracht zu ziehen und dabei das Brechungsvermögen der Horn- haut gleich dem der wässrigen Feuchtigkeit zu setzen. Der zweite Theil des optischen Systems des Auges be- steht aus der Krys tallinse. Vor dieser befindet sich die wäss- lige, hinter ihr die Glasfeuchtigkeit Da das Brechungsver- ts mögen dieser beiden Sto£fe nur äusserst geringe Unterschiede zeigt, so wollen wir diesen Unterschied vernachlässigen. In optischen Systemen, deren erstes und letztes Mittel identisch ist, fallen die Hauptpunkte mit den Ejiotenpunkten zusammen. Wir können also für die Ejystallinse im Auge, wie bei den gewöhnlichen Glaslinsen unserer optischen Instrumente, beide Arten von Punkten identificiren. Die Ejystallinse unter- scheidet sich aber dadurch wesentlich von unseren Glaslinsen, dass die Dichtigkeit ihrer Substanz nicht constant ist, sondern von aussen nach innen zunimmt. Da wir das Gesetz dieser Zunahme nicht genau kennen, sind wir auch ausser Stande, den Gang der Lichtstrahlen durch die Linse vollständig zu berechnen und den Ort ihrer Brennpunkte und Hauptpunkte 120 PhysikaliBche Optik. genau zu bestimmen. Wir müssen uns begnügen, Grenzen für die Lage dieser Punkte zu finden. In dieser Beziehung lassen sich folgende Sätze aufstellen. 1) Die Brennweiten der Krystallinse sind kleiner, als sie sein würden, wenn ihre ganze Masse dasBre- chungsvermögen ihres Kerns hätte. Um diesen wichtigen Satz zu beweisen, denken wir uns die Krystallinse nach ihrer natürlichen Schichtung zerlegt in den Kern, der eine fast kugelige biconvexe Linse von posi- tiver Brennweite darstellt und in die einzelnen ihn umschlie- ssenden Schichten, deren zunächst der Augenaxe gelegene Theile concavconvexen Linsen entsprechen. Und zwar sind dies Linsen, die nach dem Bande zu dicker oder wenigstens nicht dünner werden, bei denen also r^^r^ +d (s. Seite 112), wenn wir mit r^ den Badius der convexen, mit r, den der concayen Fläche, und mit d die Dicke der Linsen be- zeichnen. Nach S. 1 10 Gleichung (13) ist unter diesen Umständen die Brennweite negativ. Die Lage der Hauptpunkte h^ und A, und der Brennpunkte p^ und p^ solcher Linsen ist dargestellt auf S. 113 Fig. 11. Es seien in Fig. 13 a^ und a,^ die Scheitelpunkte, c, und c,, die Mittelpunkte der 1/3 \l I / e^ beiden Grenzflächen, h und A die Hauptpunkte einer solchen Linse. Von einem Objecte b, vor der ersten convexen Fläche befindlich, entwirft die Linse ^' ein verkleinertes aufrechtes virtuelles Bild, wie in § 9 gezeigt ist, und können wir hier hin- zusetzen, dies Bild ß liegt nicht nur vor dem zweiten Haupt- punkte, sondern auch stets vor der zweiten Linsenfläche. Denn wenn das Object b von A^ weiter entfernt ist als der Scheitel der ersten brechenden Fläche a^, so muss sein Bild weiter von A,^ entfernt sein als a, das Bild von a,. Das Bild von ö, wird aber nur durch eine Brechung an der EUlnterfläche der Linse entworfen, und da die Brennweite dieser Fläche negativ ist, wird das Bild a von a^ ihr näher und vor derselben liegen. Brechimg in der KrystallinBe. 121 Daher moss /?, welches noch vor u liegt, jedenfalls vor der Hmterfläche der Linse liegen. Es lässt sich femer zeigen, dass das Bild ß eines vor a^ liegenden Objectes b der hinteren Fläche der Linse desto naher rückt, je grösser das Brechungsvermögen der Linse. Zunächst ei^ebt sich leicht, dass das Bild a Ton a^ der hin- teren Fläche der Linse desto näher rückt, je stärker das Bre- chungsyermögen. Wenn u das Bild von a^ ist, und wir die Entfernung aa,, mit q bezeichnen, so haben wir nach den Glei- chungen S. 86 Nr. 3: Wj »j Ai — 9lg d~~q '" rr~ oder Da der Nenner des Werthes von q grösser wird, wenn h^ n grösser wird, so wird q kleiner. Wenn nun gezeigt werden kann, dass, wenn n, grösser wird, auch das Bild von b näher an u rückt, so folgt dann, dass unter dieser Bedingung das Bild von b sich auch der zweiten Fläche der Linse nähert. Um dies zu zeigen, bezeichnen wir die Entfernung des Objectes b vom ersten Hauptpunkte, also die Linie bh^, mit/^, die des Punktes a, von demselben Hauptpunkte, also die Linie a^h^ welche in den Gleichungen (13 a) auf S. 110 der Länge - h, entspricht, mit ;?, die Brennweite der Linse mit F^ so ist die Entfernung des Bildes ß vom zweiten Hauptpunkte oder die Länge: und die Entfernung des Bildes a des Punktes a, von demselben Hauptpunkte: Die zweite Gleichung von der ersten subtrahirt, giebt die ge- suchte Entfernung der beiden Bilder von einander: 122 Pl^nkalische Optik. f.-p ß" = rp- l-p\F-p ■F-p f. - p\ F F \ Wenn wir n, veiUndern, bleibt in diesem Ausdrucke/, — f unverändert. Setzen wir: ^-~F~ und hierin für F und p = —h, aus den Gleichungen (13) und (13a) S. 110 ihre Werthe, so erhalten wir: Setzen wir femer den absoluten Werth des in unserem Falle negativen i^ gleich P, also nach Gleichung (13): (l-y[«,('-i-'-,-rf)+«x'']' 80 wird: if.-p) /9a =r- - ] Wenn wir nun n^ grösser machen, wird C grösser, P kleiner, wie sich aus der Form, in der wir ihre Werthe geschrieben haben, leicht ergiebt, und/^ — P bleibt ungeändert Wenn C grösser wird, wird ßa kleiner, und wenn P kleiner wird, wird ßa eben&lls kleiner* Folglich wird ßa kleiner, und endlich auch ßa^ kleiner, wenn n, grösser wird. Wir haben bisher die Eigenschaft einer einzelnen solchen Linse untersucht, wie sie durch Zerlegung des Krystallkörpers n nach seinen Schichten entstehen würde. Denken wir uns nun alle die concavconvezen Linsen, welche auf einer Seite des Kernes im Ejrystallkörper liegen, in wässrige Feuchtigkeit ge- taucht, und wieder in ihre natürliche Lage gebracht, oder denken wir uns, mit anderen Worten, zwischen jede zwei Lagen ungleicher Dichtigkeit im Krystallkörper eine unendlich dünne Schicht wässriger Feuchtigkeit eingeschaltet und den Theil derselben isolirt, welcher auf einer Seite des Kernes liegt, so erhalten wir ein optisches System, welches wir eine zusammen- gesetzte conyexconcaye Linse nennen können. Brechung in der KrjsCallinse. 123 Ea sei dies System in £Hg. 14 dargestellt; ab sei die Axe, p der Scheitel der &iisaer8t«ii comäxen, k der concaven Fläche des S7st«iu8. Vor der convexen Seit« des Systems liege ein leuchtender Funkt a. Nach dem, was wir in Bezog auf eine einzelne solche Linse be- wiesen haben, folgt, dass die erste Linse ein Bild Ton a entwirft, welches ; , Tor ihrer zweiten F^he, "" aiso auch vor der ersten FUche der zweiten Linse hegt Darans folgt weiter, ^ j^ dass auch diese Xiinse und so jede folgende ein Bild von a entwirft, welches vor ihrer zweiten Fläche liegt Das ganze System wird also em Bild TOn a entwerfen, welches vor seiner letzton brechenden Fläche liegt, etwa in a. Femer eigiebt sich leicht, dass, wenn a naher nach ff rückt, auch a sich dem Punkte h nähern muss. Denn einfache Linsen mit negativer Brennweite entwerfen von näheren reellen Objecten, welche vor ihnen liegen, auch nähere Bilder. Nähert sich also a der ersten Linse, so entwirft diese auch ein näheres Bild, welches wieder Object der zweiten Linae wird, und 80 fort Endlich ergiebt sich, dass, wenn wir das Brechungaver- mögen einer der Schichten erhöhen, das Bild a näher an k EaUen wird. Bis zu der Teränderten Schicht hin bleibt der Gang der Lichtstrahlen und die Lage der Bilder nnyei^dert, die Schicht mit erhöhtem Brechungavermögen entwirft aber jetzt ein näheres Bild Ton a, welches ein näheres Object fUr die folgenden Schichten wird, und dem ein näher an h gelegenes letztes Bild a enteprechen muss. Wenn also das Bild tx dieselbe Lage behalten soll, wäh- rend wir das BrechnngsvermÖgen einer der Schichten erhoben, müssen wir die Entfernung ag enteprechend Tergrössem. Die ganze Krystallünae können wir nun zusammengesetzt denken aus zwei solchen Systemen concavcouTexer Linsen B und C und ihrem biconvexen Kerne A, wie in Fig. 15. Wenn 124 Physikalische Optik. Fig. 15. die Krystallinse als Ganzes von einem vor ihr gelegenen Punkte a ein reelles umgekehrtes Bild in b entwirft, so wird das Schichtensystem B ein Bild c^ vor der vorderen Fläche des Kernes entwerfen müssen ^ und dem Bilde b wird ebenso ein Bild ß hinter der hinteren Fläche des Kernes entsprechen müssen, welches die Strahlen nach der Brechung im Kerne und vor der Bre- chung im Systeme C bilden. Der Kern muss also nach Art von biconvexen Linsen ein umgekehrtes Bildchen von cc in ß entwerfen. Er thut dies, wenn a vor seinem vorderen Brenn- punkte liegt Bückt a in unendliche Entfernung, so wird b im hinteren Brennpunkte der ganzen KrystaUinse liegen müssen. 76 Erhöhen wir nun das Brechungsvermögen einer der Schichten in B^ so wird a näher an die Yorderfläche von A rücken, folglich das Bild ß, welches A von cc, und das Bild bj welches C von ß entwirft, sich nach hinten entfernen. Erhöhen wir ebenso das Brechungsvermögen einer der Schichten von C, so wird dem Bilde /?, welches seinen Platz behält, ein entfernteres Bild b entsprechen. Erhöhen wir also das Brechungsvermögen ein- zelner Schichten der Systeme B und C, so entfernt sich der hintere Brennpunkt der KrystaUinse von ihrer hinteren Fläche. Wir können das Brechungsvermögen sämmtlicher Schichten der KrystaUinse bis zu dem des Kernes wachsen lassen, ohne dass der Brennpunkt in unendliche Entfernung hinausrückt, da ja schliesslich, wenn die Beschaffenheit aller Schichten der des Kernes gleich geworden ist, die KrystaUinse eine einfache homogene biconvexe Linse darsteUt, deren Brennweite positiv und endlich sein muss. Was ftLr den hinteren Brennpunkt der Linse gilt, gUt Brechung in der ElrystaUinBe. 125 nat&rlich auch für den vorderen, und somit ist bewiesen, dass die Brennpunkte der Krystallinse ihr naher liegen, als sie es thun würden, wenn alle ihre Schichten die Dichtigkeit und das Brechungsvermögen des Kernes hätten. 2) Die Entfernung der Hauptpunkte voneinander ist in der Krystallinse kleiner als in einer Linse, welche dieselbe Form und das Brechungsvermögen des Kernes hätte. Die Hauptpunkte sind die von der Linse selbst ent- worfenen Bilder eines in ihr liegenden Punktes, nämlich ihres sogenannten optischen Mittelpunktes. Wo dieser auch liegen mag, so lässt sich in ganz ähnhcher Weise, wie es eben zur Bestimmung der Brennpunkte geschehen ist, nachweisen, dass die Bilder des optischen Mittelpunktes desto näher den Ober- flächen der Linse rücken werden, je mehr das Brechungsver- mogen der einzelnen Schichten der EjTstalllinse steigt, dass dabei also auch die Entfernung der beiden Bilder von einander algebraisch grösser wird. Wenn nun sämmtliche Schichten der Linse schliesslich das Brechungsvermögen des Kernes erreicht haben, wird im aUgemeiaen der optische Mittelpunkt der Krystalllinse nicht mehr mit dem optischen Mittelpunkte dieser nen^i gleichartigen Linse zusammenfallen. Da aber bei einer Linse mit positiven Brennweiten die Entfernung der Haaptpunkte ein Maximum ist unter den Entfernungen zu- sammengehöriger Bilder, so ist die Entfernung der Haupt- punkte dieser neuen gleichartigen Linse jedenfalls grösser als die Entfernung der von ihr entworfenen Bilder des optischen Mittelpunktes der unveränderten Krystalllinse, folglich auch grosser als die Entfernung der Hauptpunkte der unveränderten KiTstallinse, von einander. Es lässt sich femer nachweisen, dass die Entfernung der HauptpmoJde der Eoystallinse einen positiven Werth hat, d- h. dass der zweite Hauptpunkt hinter dem ersten liegt, wenn wir annehmen, wie dies aus der Form der Linsenschichten bervorzngehen scheint, dass die Krümmungsradien der in der Axe gelegenen Theile der Schichtäächen grösser sind als die Entfernungen dieser Flächen vom Kerne der Linse. Brechende Eogelflächen entwerfen von Punkten, welche zwischen ihnen 126 Phjaikalische Optik. und ihrem Mittelpunkte liegen, Bilder, die der brechenden Fläche näher sind als das Object. Folglich wird das Bild des Mittelpunktes des Linsenkemes, welches die vordere Linsen- hälfte entwirft, vor seinem Objecte, das, welches die hintere Linsenfläche entwirft, hinter seinem Objecte liegen. Die beiden zusammengehörigen Bilder des Mittelpunktes des Linsenkemes haben also eine positive Entfernung. Da der Abstand der Hauptpunkte algebraisch grösser ist als der aller anderen zu- sammengehörigen Bilder, so ist dieser Abstand jedenfalls positiv. Die Hauptpunkte einer Linse, welche die Gestalt der menschlichen Krystallinse und das Brechungsvermögen ihres 7« Kernes hätte, würden nur ^4 nam von einander entfernt sein; dadurch ist die Entfernung der Hauptpunkte der Krystallinse von einander also in sehr enge Grenzen eingeschlossen. Aus § 13. SehSrfe des Bildes unter dem Einflnss von Zerstreunngskreisen. Die chromatische Dispersion des Lichtes im menschlichen Auge ist sehr gering, weil die brechenden Medien überwiegend aus Wasser bestehen, welches eine sehr geringe Dispersion zeigt. Indessen ergeben die Messimgen dieser Grösse doch, dass der Durchmesser der durch die Dispersion erzeugten Zer- 181 Streuungskreise ebenso gross sein muss wie der, den ein leuch- tender Punkt in 1,5 Meter (4'/^ Fuss) Entfernung in einem für unendliche Entfernung accommodirten Auge giebt. Eine solche Abweichung der Accommodation giebt bei der Be- trachtung feinerer Gegenstände schon eine recht merkliche Un- genauigkeit des Budes, wie man bei Anstellung eines ent- sprechenden Versuches leicht erkennt. Um zu erklären, warum die Dispersion des weissen Lichtes im Auge trotz der gleichen Grösse der Zerstreuungskreise keine merkliche Ungenauigkeit des Bildes hervorbringt, muss man nicht blos die Grösse der Zerstreuungskreise, sondern auch die Vertheilung des Lichtes in denselben berücksichtigen. Wenn ein Lichtkegel von einem einferbig leuchtenden Helligkeit der ZerstreuimgskreiBe. 127 Punkte in das Auge fällt, und die Netzhaut sich vor oder hinter dem Yereinigungspunkte der Strahlen befindet, bo wird ein Zerstreuungakreis gebildet, der in allen seinen Theilen gleiche Helligkeit hat. Wenn dagegen das Auge von einem Kegel weissen Lichtes getroffen ynrd und sich im Yereinigungspunkte der grün- gelben Strahlen, welche die lichtstärksten sind, befindet, so werden diese auf einen Punkt der Netzhaut yereinigt, während die übrigen Strahlen Zerstreuungskreise bilden, welche um so grösser werden, je mehr ihre Brechbarkeit von der der mitt- leren Strahlen abweicht. Während also der Mittelpunkt des beleuchteten Ej*eises Ton Strahlen aller Art gleichzeitig getroffen wird, und nament- lich auch Yon den lichtstärksten und am meisten concentrirten Strahlen, fiallen auf die dem Bande näher liegenden Theile des Kreises nur Strahlen von den äussersten Farben des Spectrum, welche erstens an und für sich schon lichtschwächer sind als die mittleren und zweitens dadurch, dass sie ihr Licht über grossere Zerstreuungskreise yertheilen, noch mehr ge- schwächt sind. Die Bechnimg ergiebt, dass unter diesen Umständen die Helligkeit im Mittelpunkte des Zerstreuungs- iss kreises imendlich gross sein muss gegen alle anderen Punkte des Kreises. Da wir für das Gesetz der Helligkeit der einzelnen Farben des Spectrum noch keinen mathematischen Ausdruck angeben können, wollen wir die Bechnung unter der Annahme durch- führen, dass alle Farben des Spectrum gleiche Helligkeit haben. Dabei werden wir allerdings die Helligkeit der Bänder der Zerstreuungskreise grösser finden, als sie in Wahrheit ist, aber es wird sich auch unter dieser für unseren Zweck un- günstigen Annahme zeigen, warum die durch Farbenzerstreu- ung bedingten Zerstreuungskreise eine weit geringere ündeut- lichkeit des Bildes geben als die durch mangelnde Accommo- dation bedingten yon gleicher Grösse. Berechnung der Helligkeit in einem durch Dis- persion erzeugten Zerstreuungskreise eines ein- zelnen leuchtenden Punktes. Es sei in Fig. 16 bb die Hauptebene des reducirten Auges 128 Physikalische Optik. vom Badiu8 ^; in ihr möge, wie das beim Auge nahehin der Fall ist, die Blendung liegen, welche das StraMenbündel be- grenzt, sodass bb ein Durch- messer der Blendung ist^ deren Halbmesser wir in der Rech- nung mit b bezeichnen woUen. Die Strahlen, welche in das Auge fallen, mögen parallel sein. Es sei femer v der Brenn- punkt ftir die äussersten violetten, ^' ^ ' w der für die äussersten rothen Strahlen. Diese äussersten Strahlen schneiden sich in ^, so- dass gg der Durchmesser des ganzen Zerstreuungskreises und h sein Mittelpunkt ist. Die Netzhaut muss sich in der Ebene gg befinden, weim sie das deutlichste Bild aufiiehmen soll. Das Brechungsyerhältniss der mittleren Strahlen, die sich in h vereinigen, nennen wir Nj ihre Brennweite ah sei F. Dann ist nach S. 86 Gleichung (8 a): J!f,B (la) Das Brechungsverhältniss irgend einer anderen Art von Strahlen, welche ihren Brennpunkt in x haben, sei n, die zu- gehörige Brennweite ax gleich/. Dann ist: >._ nR J n — l \ I (Ib) Den Badius des Zerstreuungskreises, den diese Strahlen geben^ hy nennen wir q. Er ist gegeben durch die Gleichung: fr / wenn /> F, also n < iV, oder durch: fr / wenn f N. Setzen wir hierin die "Werthe von i^und/ aus (la) und (Ib), so erhalten wir: _ N-n 1 n{N-X) ] wenn n<,N, und -£.= h (2 a) Helligkeit der Zerstreuungskreise. 129 JL= "-'-^- \ (2b) wenn « > iV. Die Helligkeit H nun, mit welcher die Farbe von dem isa Brechongsverhältniss n die Netzhaut beleuchtet, ist H=A^ t] (3) 9 wenn wir die Helligkeit mit A bezeichnen, mit welcher das be- treffende Licht die Fläche bb beleuchtet. Setzen wir in (3) statt b/g seinen Werth aus (2 a) oder (2 b), so erhalten wir übereinstimmend : Die Helligkeit J irgend eines Punktes im Zerstreuungs- kreise wird nun werden: J^fHdn] (4) wobei wir das Integral über alle diejenigen Werthe von n auszudehnen haben, deren zugehörige Farben auf jenen Punkt fallen. In dem Ausdrucke für H ist der Factor A in Wirklich- keit eine Funktion von n, deren mathematischen Ausdruck wir aber nicht kennen. Der Factor n^ verändert in der ganzen Ausdehnung des Spectrum seinen Werth sehr wenig. Wir wollen deshalb setzen: und B als constant ansehen, d. h. annehmen, dass die Hellig- keit der Spectralfarben durch die ganze Ausdehnung des Spectmm nahehin constant sei^ und nur wenig vom rothen zum violetten Ende hin abnehme. Diese Annahme ist für unseren Zweck jedenfalls ungünstiger als die Wirklichkeit. Dann wird nach (4): zwischen den gehörigen Grenzen genommen. Es fallen aber auf jeden Punkt des Zerstreuungskreises erstens Strahlen von dem rothen und zweitens Strahlen von dem violetten Ende Helmholtz, wiwexuch. Abhandlnnffen. IL g 130 Physikalische Optik. des Spectrum. Die Grenzen der Brechbarkeit flir die ersteren seien n^ und n^y sodass: die Grenzen f&r die letzteren seien 713 und n^j sodass: ^4 > '^s > -^• Dann wird die Gleichung (4 a): dn , -n (* dn J = ^/(F-V + ^/(A^-V «1 = SilC^ äA— +lvr-^^ lC-—\ ^4b) Ist nun Qq die Entfernung des Punktes, dessen Helligkeit wir bestimmen wollen, vom Mittelpunkte des Zerstreuungs- kreises, so wird dieser Punkt von allen denjenigen Farben getroffen, für welche die Radien der Zerstreuungskreise grösser sind als Qq, also zwischen Qq und r liegen. Nun ist fiir die weniger brechbaren Farben, wenn wir aus Gleichung (2 a) den Werth von N — n bestimmen: 11 1 h N^n N ^ NiN-1) Q IM Für «1 ist (> = r, für »2 ist (> = Qq, also: 1 _ i_ . JL ^ N—tii N ' (iV'- l)iV r 1 1,1 b (4 c) Für die Bestimmung von n^ und «4 müssen wir den Werth von N — n aus Gleichung (2b) entnehmen: Für n^n^ wird p « r, und für n = «3 wird g = Qq, also: 11 16 (4d) I 1 l b Setzen wir die Werthe aus (4 c) und (4d) in (4b)^ so er- halten wir endlich: Helligkeit der Zentreaungskreise. 131 j %B / A _ A \ (5) Dieser Weith von J wird in der Mitte des Zerstreuimgs- kreises für (>o = 0 unendlich gross, am Eande, wo ^o ^ '^ gleich 0. Berechnung der Helligkeit am Bande einer gleichmässig erleuchteten Fläche. Es sei in Fig. 17 AB ^Q Grenzlinie der leuchtenden Fläche, und angenommen, dass jeder Punkt derselben als Zer- streuungskreis erscheine. Es sei femer p der Punkt, dessen Hellig- keit bestimmt werden soU, und pq^r der Badius der Zerstreuungs- kreise. Es wird auf p Licht ge- langen aus allen denjenigen Punk- ten der Flache, welche innerhalb des mit dem Badius r um /? ge- schlagenen Kreises liegen. Wenn s einer dieser Punkte ist, und wir die Länge sp mit p, den Winkel spq mit m, und die Helligkeit des Zerstreuungskreises eines einzelnen Punktes in der Entfernung q vom Centrum mit J bezeichnen, so wird die Helligkeit H im Punkte p werden : H=ffjgda)dQ } (6) dieses Litegral ausgedehnt über alle Theile der Fläche, welche innerhalb des um p geschlagenen Kreises liegen. Wenn der Band der Fläche eine gerade Linie und der Abstand des Punktes s von diesem Bande gleich x ist, so ist für die am Bande gelegenen Punkte der Fläche: ()COsa> = X, und wenn wir den Ausdruck fllr H zuerst nach w integriren, and aus der letzten Gleichung den Werth für die Grenzen von Ol entnehmen: Fig. 17. H T = j 2J()arc-cos[— jrfp (6a) 9 132 Physikalische Optik. 136 Wenn die Zerstreuungskreise durch unpassende Acconuno- dation entstehen, können wir J als unabhängig von q betrach- ten und erhalten dann: H^j\^ arC'Cosf— ) — ar]/? ^11 (7) welche Gleichung fär diesen Fall die Helligkeit in der Nahe des Bandes der Fläche als Function des Abstandes vom Rande giebt. Für x^r wird Jfir= 0, für a? = — r wird R^Jt^n und geht hier in die constante Helligkeit der Fläche über. Wenn die Zerstreuungskreise durch Dispersion entstanden sind, können wir in Gleichung {6a) den Werth von J aus Gleichung (5) setzen, und erhalten durch Ausführung der Integration: «=^^^{'----(7) + 7l/'^ + « log . nat — Vr'- (8) Für :p = r wird Jfir= 0, flir j? = — r wird: // = xV(iV-l) und geht hier in die constante Helligkeit des mittleren Theiles der Fläche über. fr d. // \ \ C X Fig. 18. Um den Gang dieser Functionen übersichtlicher darzu- stellen, habe ich in Fig. ^18 die beiden Curven construirt. A entspricht der Gleichung (7), B der Gleichung (8). In Helligkeit der Zerstreuungskreise. 133 beiden sind die Werthe von x in horizontaler, die Werthe der Helligkeit H in verticaler Bichtung aufgetragen. Die Ordinate ab entspricht der Helligkeit in der Mitte der Fläche, c be- zeichnet den Ort des Bandes, sodass die Linie ade die Helligkeit eines ganz scharfen Bildes bezeichnen würde. Die Grenzen des Zerstreuongskreises von c sind h und g. Die Corre B zeichnet sich dadurch vor der an deren aus, dass sie in ihrer Mitte bei/, entsprechend dem wirklichen Orte des Bandes, ganz senkrecht abfällt. Es wird hier für a» = 0 näm- lich der DiflFerentialquotient: dB = NiN^i) \r^ r^-'^' + log. nat. ^^^^-^^^—.^^ ) (9) unendlich gross. Dieser plötzliche Abfall der Helligkeit am Bande der Fläche macht fUr das Auge die Lage des Bandes erkennbar, wenn auch eine gewisse Menge Licht sich noch weiter verbreitet, während in der Ourve A die Abnahme der Helligkeit ziemlich gleichmässig stattfindet und der Ort des Randes durch kein besonderes Kennzeichen ausgezeichnet ist. Wenn man die nach den Enden des Spectrum ab- nehmende Helligkeit der Farben in Bechnung ziehen könnte, m so würde die Curve B etwa die Form der punktirten Linie bekommen müssen. Die Helligkeit innerhalb der Grenzen der Fläche würde sich der normalen noch mehr nähern und ausser- halb dieser Grenzen würde sie noch geringer werden. Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich, warum die Farbenzerstreuung der Bilder im Auge der Schärfe des Sehens so wenig Eintrag thut. Ich habe mir Linsen zusammen- gestellt, welche im Stande waren, das Auge achromatisch zu machen^ aber nicht gefunden, dass die Schärfe des Gesichts dadurch merklich' erhöht wurde. Ich &nd zu dem Ende eine concaye Flintglaslinse von 15,4 Mm. Brennweite, von einem Objectivglase eines Mikroskops genommen, passend. Diese setzte ich zusammen mit convexen Crownglaslinsen, sodass dadurch ein System von etwa 2V2 Euss negativer Brennweite entstand, wie es für mein Auge passte, imi ferne Gegenstände gut zu erkennen. Wenn ich durch dieses System sah und die halbe Pupille verdeckte, entstanden keine farbigen Bänder 134 Physikalische Optik. an der Grenze dunkler und heller Gegenstände mehr. Ebenso wenig entstanden dergleichen bei unpassender Accomodation des Auges, sodass das Auge durch dieses Linsensystem wirk- lich achromatisch gemacht war. Ich konnte aber nicht finden, dass die Schärfe des Sehens in irgend merkbarer Weise zu- genommen hätte. 168 Aus § 16. Allgemeiiie Sätze Über Helligkeit reoiproker Bilder mit Anwendnnsren auf die Tlieorie der AngrenspiegeL Satz I. Wenn zwei Lichtstrahlen in entgegengesetzter Rich- tung durch beliebig viele einfach brechende Mittel gehen, und in einem dieser Medien in eine gerade Linie zusammenfallen, so fallen sie in allen zu- sammen. Es sei AB Fig. 19 der Theil der beiden Strahlen, von dem wir wissen, dass er beiden gemeinschaftlich angehöre. Der erste Strahl sei von E längs der Linie EB gekommen, in B gebrochen und nach A gegangen. Der zweite Strahl kommt von A längs der Linie AB nach B, wird hier gebrochen, und gehe nach J?. Zunächst ist zu be- weisen, dass E^B mit EB zusammen- fällt. D BC sei das Einfallsloth, m das Brechungsverhältniss des Mittels, ^ ^ in welchem E und E,, der Winkel Fig. 19. EBD = cc und der Winkel E,BD = a, liegen; n dagegen das Brechungsverhältniss des Mittels, in welchem A und der Winkel ABC=ß liegt. Für den ersten Strahl muss nach dem Brechungsgesetz AB in der durch DB und EB gelegten Ebene liegen, und femer sein: m sin a = w sin ß. Ebenso muss für den zweiten Strahl EB in der durch DB Helligkeit reciproker Bilder. 135 und AB gelegten Ebene liegen, also in derselben, in welcher auch EB liegt, nnd es muss sein: m sin <^^ = n sin ß. Daraus folgt: sin a = sin a, oder da beide Winkel nur im ersten Quadranten liegen können. Daraus folgt, dass E^B mit EB zusammenfällt. Somit congruiren die beiden Strahlen auch in dem Mittel, in welchem E liegt, soweit dieses reicht. Bei der nächsten brechenden Fläche lässt sich ihre Con- gruenz dann wieder ftr das dritte Medium folgern u. s. w. Zusätze. 1) Auch sieht man leicht ein, dass bei Re- flexionen an spiegelnden Flächen die Congruenz nicht ge- stört wird. 2) Für das Auge folgt, dass ein Strahl, der auf seinem Wege von der Netzhaut zur Linse mit einem anderen zu- sammenfällt, der von einem leuchtenden Punkte in das Auge und auf die Netzhaut fällt, auch ausserhalb des Auges mit (Hesem congruirt. 3) Stellt man den Satz so allgemein hin, wie es hier ge- schehen ist, so muss man daran denken, dass bei gewissen Polarisationsrichtungen und Einfallswinkebi die Strahlen bei einer Brechung oder Reflexion ganz verlöschen könnten. Bei unseren Anwendungen auf die Beleuchtung des Auges treten i69 solche Umstände nicht ein. Das Licht fällt auf die brechen- den Flächen des Auges fast senkrecht ein, wobei seine etwa vorhandene Polarisation so gut wie keinen Einfluss auf die Stärke des gebrochenen und reflectirten Antheils hat. Uebrigens können wir die Schwächung der Strahlen durch Reflexion und Absorption an und in den Augenmedien vernachlässigen. Nur wenn man schräg gestellte Glasplatten als Reflector be- nutzt, muss man an die Schwächung des Lichtes durch Re- flexion denken. Für die Intensität des hin und zurück gehenden Licht- strahles lässt sich übrigens ebenfalls eine ganz entsprechende Regel von sehr ausgedehnter Gültigkeit aufstellen, die ausge- 136 Physikalische Optik. sprochen zu haben hier genügen mag, da wir bei gegenwärtiger Anwendung das Princip in seiner allgemeineren Form nicht brauchen. Den Beweis kann sich übrigens Jeder, der die Ge- setze der Optik kennt, leicht selbst fuhren. Man kann diese allgemeinere Regel folgendermassen aussprechen: „Ein Lichtstrahl gelange von dem Punkte A nach beliebig vielen Brechungen, B,eflexionen u. s. w. nach dem Punkte B. In A lege man durch seine Bichtung zwei beliebige, auf einander senkrechte Ebenen a^ und a^j nach welchen seine Schwingungen zerlegt gedacht werden. Zwei eben solche Ebenen b^ und b^ werden durch den Strahl in B gelegt. Als- dann lässt sich folgendes beweisen: Wenn die Quantität J nach der Ebene a^ polarisirten Lichtes von A in der Bich- tung des besprochenen Strahles ausgeht, und davon die Quan- tität K nach der Ebene b^ polarisirten Lichtes in B ankommt, so wird rückwärts, wenn die Quantität J nach b^ polarisirten Lichtes von B ausgeht, dieselbe Quantität K nach a^ polari- sirten Lichtes in A ankommen.^^ Soviel ich sehe, kann liierbei das Licht auf seinem Wege der einfachen und doppelten Brechung, Beflexion, Absorption, gewöhnlichen Dispersion und Diffraction imterworfen sein, ohne dass das Gesetz seine Anwendbarkeit verliert, nur darf keine Aenderung seiner Brechbarkeit stattfinden, und es darf nicht durch Körper gehen, in denen der Magnetismus nach Faraday's Entdeckung auf die Lage der Polarisationsebene einwirkt. Satz IL Wenn die Pupille des beobachteten Auges leuchtend erscheinen soll, so muss sich auf seiner Netzhaut das Bild der Lichtquelle ganz oder theilweise mit dem Bilde der Pupille des Beobachters decken. Wenn von irgend einer Stelle der Netzhaut des beobach- teten Auges Licht in das Auge des Beobachters dringen soll, so muss diese Stelle erstens von der Lichtquelle erleuchtet sein, also dem Bilde der Lichtquelle angehören. Zweitens, wenn wir die Fiction machen, dass Licht von der Pupille des Helligkeit redproker Bilder. 137 Beobachters ausgeht , so müsste nach dem vorigen Satze eben so gut Licht von der Pupille des Beobachters zur betreffenden Stelle der Netzhaut des beobachteten Auges wie umgekehrt gehen können. Die Netzhautstelle muss also gleichzeitig dem Netzhautbilde der Pupille des Beobachters angehören, mag dieses Bild nun scharf oder ein Zerstreuungsbild sein. Zusätze. 1) Dieser Satz gilt nicht nur für den Fall, wo die Strahlen auf geradem Wege von der Lichtquelle zum beobachteten Auge und von diesem zum Auge des Beobachters gehen, sondern auch wenn beliebig viele Linsen und Spiegel dazwischen geschoben sind. Dadurch erhält man ein bequemes Mittel, sich experimentell die Wirkung jedes Augenspiegels am eigenen Auge deutlich zu machen. Man stelle das zur Erleuchtung dienende Licht auf und bringe das Listrument vor sein Auge in dieselbe Lage, wie es sonst vor dem Auge des Beobachteten steht; der Theil des Gesichtsfeldes, welcher alsdann hell erscheint, entspricht dem Theile der Netzhaut, welcher beleuchtet ist Man kann erkennen, ob das helle Feld gross oder klein, ob es gleichmässig erleuchtet ist, oder ob sich dunkle Stellen darin befinden, und wie dunkel diese sind. Aisdann nehme man die Flamme von der Stelle weg, wo sie zur Erleuchtung des Auges dient, imd bringe sie hinter das Instrument, da wo sich sonst das Auge des Beobachters be- findet, 60 dass das Licht durch die Oeffnung scheint, welche dem Beobachter zum Durchsehen dient. Was jetzt im Ge- i^o Sichtsfelde erleuchtet ist, ist der Kreis, den der Beobachter von der Netzhaut übersehen kann. 2) Ich empfehle diesen Weg, um bei den verschiedenen Combinationen ebener und gekrümmter Spiegel, convexer und concaver Linsen in den Augenspiegeln und vielen anderen optischen Apparaten sich die Wirkungen klar zu machen, ohne dass man sich auf verwickelte geometrische Construction einzulassen braucht, die den Ungeübten leicht mehr ver- wirren als aufklären. Ein solches Reciprocitätsgesetz, wie wir es eben dafür aufgestellt haben^ dass überhaupt Licht von einem leuchten- den zu einem zu beleuchtenden Punkte hin und her gehe, lässt sich auch für die Quantität des hin und zurück gelangenden 138 PhysikaUsche Optik. Lichtes aufstellen. Wir erinnern in dieser Beziehung zunächst an folgendes Allgemeines Gesetz der Beleuchtung. Wenn sich in einem durchsichtigen Medium zwei ver- schwindend kleine Plächenelemente von der Grösse a und b in der gegenseitigen Entfernung r befinden, ihre Normalen mit der sie verbindenden geraden Linie beziehlich die Winkel a und ß bilden, und a mit der Helligkeit H Licht aussendet, so ist die Lichtmenge i, welche von a auf b fällt: j- ___ H , a b cos a cos ß /-j \ r« Ebenso gross ist auch die Lichtmenge, welche von b auf a fallen würde, wenn b mit der Helligkeit H Licht aussendete. Satz m. In einem centrirten Systeme von brechenden Eugelflächen sei 72^ das Brechungsverhältniss des ersten, n^ das des letzten brechenden Mittels. In dem ersten befinde sich senkrecht gegen die Axe des Systems gerichtet und der Axe nahe ein Flächenelement cc^ in dem letzten ein eben solches ß. Wenn a die Helligkeit w^^JEThat und ß die Hellig- keit n^^Hj so fällt ebenso viel Licht von a auf ß, wie von ß auf a. Um den Beweis nicht complicirter zu machen, als unsere beabsichtigten Anwendungen verlangen, vernachlässigen wir dabei die Schwächungen, welche die Strahlen an den brechen- den Flächen durch Reflexion erleiden, imd nehmen an, dass 171 die Einfallswinkel der Strahlen an den brechenden Flächen immer klein genug sind, um ihre Cosinus gleich 1 setzen zu können, obgleich der Satz sich auch in allgemeinerer Form beweisen lässt. 1) Wenn ß nicht am Orte des Bildes von a liegt. Es sei ^CFig. 20 die optische Axe des brechenden Systems, i^'sein erster, G sein zweiter Hauptpunkt, a das erste Flächen- element, welches wir, da es verschwindend klein sein soll, nur Helligkeit reciproker Bilder. 139 durch einen Punkt in der Zeichnung dargestellt haben, y sein Bild /i /j der Durchschnitt des einfallenden Strahlenbündels in der ersten Hauptebene, g^ g^ derselbe in der zweiten. Die Grundfläche des Strahlenbündels in der ersten Hauptebene ist congruent derselben in der zweiten; ihre gemeinsame Grösse ft A t't 3t Fig. 20. sei Q>, Das zweite Flächenelement ß liege in der Ebene, welche in B senkrecht gegen die optische Axe steht, und b^ i, sei der Durchschnitt des Strahlenbündels von a in dieser Ebene. Die Pusspunkte der von a und y auf die optische Axe gefällten Lothe seien Ä und C, Die Lichtmenge, welche von a auf die Grundfläche des Strahlenkegels /i /a fällt, ist nach Gleichung (1) gleich wenn n^^H die Helligkeit von a ist. Dieselbe Lichtmenge fällt auch auf die weiteren Querschnitte des Strahlenkegels in //i ^2 ^*^^ K *2' ^^^ Lichtmenge nun, welche in der letzteren Ebene auf das Flächenelement ß fällt, verhält sich zu der ganzen Lichtmenge, welche die Fläche b^ b^ trifft, wie die Ober- fläche von ß zu dem Querschnitt des Strahlenkegels in b^ b^, den wir mit S bezeichnen wollen. Es ist also die ganze Licht- menge Xj welche von u auf ß fällt, gleich Nun ist aber femer S " (6i hY " BC^ (2) Dieser Werth, in die Gleichung (2) gesetzt^ giebt: X^ n^^Haß-ß-QT^jyr' 140 Physikalische Optik. Da nun nach S. 101 Gleichung (8 a) GC F, ÄF AF-F^ wo F^ und -Fj die beiden Brennweiten des Systems sind, so ist: X^Haß ~»'^«- l (2a). ' lAF.F^-^BG.F^- AF.BQY] ^ ' Ebenso bekommt man nun für die Lichtmenge Yj welche von ß, wenn es mit der Helligkeit n^^ H leuchtet, auf a fällt, den Ausdruck: r= Haß. "^^^ \ (2b). I ^^P ' lAF.F^ ■{- BG.F^-^AF.BGy] ^ ^ Da auf beiden Seiten Alles symmetrisch ist, braucht man, um dies zu erhalten, in dem Ausdrucke für X nur zu vertauschen: ^Fmit BG jFj mit F^ cc mit ß n^^H mit tIj^ä 172 Da nun nach S. 102 Gleichung (9 c) n^F^^n^F^, so folgt aus (2 a) und (2 b) x= r, was zu beweisen war. 2) Wenn ß an den Ort des Bildes von a fällt. Wir nehmen zuerst an, dass ß in Grösse imd Lage dem Bilde von cc genau entspreche, dann entspricht auch cc genau dem Bilde von ß. Alles Licht also, was von a aus durch die brechenden Flächen dringt, fällt auf ß, umgekehrt alles, was von ß durch die brechenden Flächen dringt, fällt auf a. Wir behalten die Bezeichnungen der Figur 20 bei, nur dass wir uns das Element ß jetzt in y liegend denken. Es ist die von u bei der Helligkeit n^^B auf die brechen- den Flächen und also auch auf ß fallende Lichtmenge X: X=n,'H^] (3a) Helligkeit reciproker Bilder. 141 und die von ß bei der HeUigkeit n^^H auf die brechenden Flächen und also auch auf a fallende Menge Y : (3 b) Da nun ß das Bild von a sein soU, so ist nach S. 101 Gleichung (Sb), indem man berücksichtigt, dass a und /? ähnliche Flächen, also dem Quadrate ihrer entsprechenden Linear- dimensionen proportional sind: ß - (GC-F,y ' und da femer nach S. 101 Gleichung (8 a): so folgt «J\' _ßF^^ AF^ ^ QC^' und da i^j : /^ = n^ : nj, so folgt: ^ - ßV l (3c) Aus (3a), (3b) und (3c) zusammen folgt endlich: .Y= r, was zu beweisen war. Sollte eines der beiden Elemente, z. B. ccj grösser sein als das Bild von ß, so würden die Theile von a, welche nicht zum Bilde von ß gehören, weder Licht auf ß werfen, noch von ß empfangen können, es würde dadurch also weder X noch Y geändert werden und unser Satz richtig bleiben. Zusätze. 1) Die ganze Beweisführung lässt sich ebenso gut auf centrirte Systeme brechender und spiegelnder Kugel- tiächen anwenden. 2) Die leuchtende und beleuchtete Fläche brauchen auch i78 nicht verschwindend klein zu sein, wenn sie nur klein genug sind, dass die Cosinus der Einfallswinkel der Strahlen an den brechenden Flächen sich nicht merklich von 1 unterscheiden. Denn da für jedes Paar verschwindend kleiner Flächenelemente der beiden Flächen der Satz gilt, so gilt er auch für die ganzen Flächen. 144 Physikalische Optik. die von b nach a gehende Lichtmenge Jlf gleich der von b nach q gehenden, und diese ist: worin R den Abstand der Pupille von der Netzhaut bedeutet. Streng genommen würde hier unter q der Querschnitt des Strahlenbündels in dem von der Linse entworfenen Bilde der Pupille, und unter R die Entfernung dieses Bildes von der Netzhaut zu verstehen sein. Li diesem Ausdrucke für die Lichtmenge, welche von dem leuchtenden Plächenelemente H in das Auge fällt, sind zwei Grössen, welche von der Be- schaffenheit des dem Auge vorgesetzten optischen Systems ab- hängen, nämlich q der Querschnitt des Strahlenbündels in der Pupille und b die Grösse des Bildes auf der Netzhaut. Die Helligkeit dieses Bildchens hängt nun aber nicht nur von der einfallenden Lichtmenge ab, sondern auch von der Grösse der Fläche ä, über welche die Lichtmenge ausgebreitet wird, und ist der letzteren umgekehrt proportional. Setzen wir als Einheit der Beleuchtungsstärke die Lichtmenge, welche die Einheit der Fläche trifft, so ist die Beleuchtungsstärke J des Netzhautelements b: j U ^i^ TT q in welchem Ausdrucke nur noch q von der Beschaffenheit des optischen Systems abhängig ist. Sieht das Auge frei den Gegenstand an, so fällt das Strahlenbündel die ganze Pupille, deren Querschnitt Q sei, und die Beleuchtungsstärke wird: Grösser als Q kann q niemals werden; dieser letztere Aus- druck ist also das Maximum der Helligkeit; er stellt die natürHche Helligkeit des Bildes dar. Die Helligkeit ausge- dehnter Flächen kann durch optische Listrumente nie grösser, nur kleiner werden, wenn q kleiner als Q, und verhält sich zur natürlichen Helligkeit wie q zu Q. Zusätze. 1) Nur wenn wir verschwindend kleine leuch- tende Punkte durch optische Instrumente betrachten, deren Helligkeit optischer Bilder. 145 Bild auch bei den stärksten Yergrosserongen nur die Aos- dehnung der kleinsten Zerstreuungskreise auf der Netzhaut be- deckty also inuner dieselbe Flächenausdehnung behält, können optische Instrumente die Helligkeit vergrössem. Dies geschieht z. B. für die Fixsterne, und deshalb können auch Fixsterne durch stark vergrössemde Femröhre mit grossen Aperturen bei Tage sichtbar gemacht werden. Die scheinbare Helligkeit des Fixsterns steigt proportional der Lichtmenge, welche das Instrument in seinen Focus vereinigt, während die Helligkeit des Himmelsgewölbes im Femrohre nicht vermehrt wird. 2) Auch wenn Zerstreuungsbilder einer leuchtenden Fläche von gleichmässiger Helligkeit im Auge entworfen werden, kann die Helligkeit des Netzhautbildes nur gleich, nie grösser werden als die Helligkeit bei freier Betrachtung der Fläche. 175 Der Beweis lässt sich ganz so führen wie für scharf gesehene Bilder, da Satz in für scharfe Bilder und für Zerstreuungsbilder gleichmässig gilt. Auch hier ist die Helligkeit proportional dem Querschnitt des Strahlenbündels in der Pupille, welches von dem entsprechenden Punkte der Netzhaut bis nach der leuchtenden Fläche gelangen kann. Ich erlaube mir zu bemerken, dass gegen die hier ent- wickelten Grundsätze der Helligkeit dioptrischer und kat- optrischer Apparate noch oft gesündigt wird. Man glaubt noch oft, dass wenn man Licht durch Sanmiellinsen oder Hohlspiegel in das Auge, in Mikroskope u. s. w. fallen lässt, man dadurch nicht bloss die scheinbare Grösse der leuchten- den Fläche, sondern auch ihre scheinbare Helligkeit vermehren könne. Der Vermehrung des in das Auge fallenden Lichtes, welche durch solche Mittel erreicht werden kann, entspricht stets eine entsprechende Yergrösserung des Bildes, sodass das Bild eben nur grösser, nicht heller wird. Durch kein optisches Instrument kann man die Helligkeit einer leuchten- den Fläche von erkennbaren Dimensionen für das Auge grösser machen, als sie dem blossen Auge erscheint. Ebenso wenig kann eine beleuchtete Fläche jemals eine grössere Helligkeit bekommen, als die leuchtende hat Helmholtz, wiMemob. Abhandlangen. U. IQ 146 Physikalische Optik. Satz V. Allgemeines Verfahren, die Helligkeit zu bestimmen, mit welcher dem Beobachter durch einen Augen- spiegel eine Stelle der Netzhaut des beobachteten Auges erscheint. a) Wenn der Verlust, den die einzelnen Strahlen an den brechenden und reflectirenden Flächen er- leiden, vernachlässigt werden kann. Es sei o? ein Punkt an der betreffenden Stelle der Netzhaut; wir haben zu unter- suchen, wie das Strahlenbündel verläuft, welches von x nach der Pupille desselben Auges geht. Nach Satz I und 11 muss ein Theil dieses Strahlenbündels zum leuchtenden Körper, ein anderer zur Pupille des Beobachters gehen. Es sei P der Querschnitt der Pupille des beobachteten Auges, p in dieser Pupille der Querschnitt desjenigen Theiles des Strahlenbündels, welches zum leuchtenden Körper zurückgelangt, H die Hellig- keit, welche der betreffenden Netzhautstelle zukommen würde, wenn das beobachtete Auge, frei nach dem leuchtenden Körper blickend, auf ihr ein Bild dieses Körpers entwürfe. Wir können diese die normale Helligkeit nennen. Sie hängt na- türUch wesentlich von der Structur der Netzhaut selbst ab, femer von der Helligkeit des leuchtenden Körpers und der Weite der Pupille P, Bei Anwendung des Augenspiegels muss nothwendig die wirkliche Helligkeit der Netzhautstelle kleiner werden, nämlich: Weiter ermittelte man den Querschnitt y, den der Theil des von X ausgegangenen Strahlenbündels, welcher in die Pupille des Beobachters gelangt, in dieser Pupille hat, deren ganzer Flächeninhalt Q sei, so ergiebt sich schliessUch für die Hellig- keit der Netzhautstelle, wie sie dem Beobachter erscheint, b) Wenn die Strahlen durch Spiegelung oder Brechung einen merklichen Verlust erleiden. Unter den bisher construirten Formen der Augenspiegel kommt ein Helligkeit optischer Bilder. 147 solcher nur bei dem von mir angegebenen mit unbelegten spiegelnden Platten vor. Das vom Auge zum leuchtenden Körper gehende Strahlenbündel wird in diesem Falle und allen ähnlichen ebenso viel verlieren als die vom Lichte wirklich zum Auge gehenden Strahlen. Man braucht also auch nur den Ver- lust des ersteren zu berechnen. Es möge von einem Strahl, der vom Licht zum beobachteten Auge geht und dessen Inten- sität 1 ist, a im Auge ankommen, und von einem eben solchen Strahle, der vom beobachteten Auge ausgeht, ß in dem des Beobachters ankommen, dann müssen wir den obigen Ausdruck i76 für die HeUigkeit noch mit a und ß multipliciren: er wird also: a-ß 'P-q TT P,Q ^' Durch die in den vorstehenden Sätzen vollzogene Umkehr des Problems von der Erleuchtung des Auges haben wir die Untersuchung der Helligkeit der Bilder für jeden Fall auf die Bestimmung des Gunges eines einzigen Strahlenbündels redu- cirt, während es sonst nöthig war die Helligkeit einer einzelnen Netzhautstelle aus der HeUigkeit aller über einander gelagerten Zerstreuimgskreise, welche den einzelnen Punkten der Licht- quelle entsprechen, durch Summation zu bestimmen. Auch glaube ich, dass die Sache dadurch der Anschauung zugäng- Ucher wird. Den Gang der Strahlen von einem Netzhautpunkte durch die verhältnissmässig einfachen optischen Systeme der Augenspiegel, von denen eines zur Beleuchtung, eines zur Be- obachtung dient, einzeln genommen kann man sich leicht ver- anschaulichen, während die ganze Uebersicht des Ganges der Lichtstrahlen von der Lichtquelle bis zum Auge des Beobachters meist deshalb schwierig wird, weil auf der Netzhaut eine unend- hche Zahl ineinander greifender Zerstreuungskreise der Punkte der Lichtquelle und der Pupille des Beobachters entstehen. Aus § 19. Ort und Beschaffenheit der durch Prismen entworfenen Bilder. Im allgemeinen sind homocentrische Strahlen, nachdem 28» sie durch ein Prisma gebrochen worden sind, nicht mehr homo- 10» 148 Physikalische Optik. centriseh, sondern ein jedes unendlich dünne Strahlenbündel hat zwei Yereinigungsweiten der Strahlen , ähnlich wie es bei homocentrischen Strahlen der Fall ist, welche von ellipsoidi- schen Flächen, oder bei schiefem Einfall von Kugelflächen ge- brochen sind.^ Um die Betrachtung dieser Verhältnisse zu er- leichtem, will ich eine Form des Brechungsgesetzes benutzen, welche bald nach seiner Entdeckung durch Format aufgefunden wurde, und welche es namentlich für die Untersuchung solcher Fälle bequem macht, bei denen die einzelnen Theile desselben Strahles nicht alle in einer Ebene liegen. Definition. Wenn ein Strahl durch verschiedene brechende Mittel hin- durchgeht, und man die Länge seines Weges in jedem einzelnen Mittel mit dem Brechungsverhaltmsse dieses Mittels multipli- cirt, und alle diese Längen addirt, so nennt man die Summe die optische Länge des Strahles. Es seien r^^r^yr^ u. s. w. die Weglängen des Strahles im ersten, zweiten, dritten Mittel, und »i, 74,713 die zugehörigen Brechungscoefßcienten, so ist die optische Länge V nach dieser Definition: f' = Wj Tj + na Tg + W3 r, etc. + n^Vn,. Nennen wir die Greschwindigkeit des Lichtes im leeren Baume c^, in dem ersten, zweiten, dritten u. s. w. brechenden Mittel dagegen c^, c^, 03, so ist (nach § 9 Seite 36): also «/^Cof^+^ + ^ + etc + 'i^il Nenne ich nun t die Zeit, welche das Licht gebraucht. 1) Siehe mein Handbuch d. Physiol. Optik S. 142 und 143. Die fol- genden Theoreme können auch für das citirte Kapitel von den mono- j chromatiBchen Abweichungen des Auges verwendet werden. Optische Länge der Strahlen. 149 um vom Anfang bis zum Ende des hier betrachteten Weges zu gelangen, so ist: also /=?l + !j. + !:2. + etc.*^ Ci C^ Cg Cm V==c,t. Die optische Länge ist also proportional der Zeit, in der das Licht die Länge des Strahles durchläuft, und ist gleich dem Wege, welchen das Licht in derselben Zeit im leeren Baume zurückgelegt haben würde. Es kann der Begriff der optischen Länge auch angewendet werden auf den Fall, wo man den Strahl des letzten Mittels rückwärts verlängert denkt bis über die Grenze des Mittels hinaus, etwa bis zu einem Punkte hin, wo ein potentielles Bild des leuchtenden Punktes sich befindet Um die optische Länge zwischen dem leuchtenden Punkte und seinem potentiellen Bilde sse zu bestimmen, verfährt man dann wie vorher, nur rechnet man die Entfernung vom Eintritt des Strahles in das letzte Mittel bis zu dem potentiellen Bilde gemessen negativ. Die hier fol- genden analytischen Sätze werden dadurch nicht geändert. I. Lehrsatz. Das Brechungsgesetz der Lichtstrahlen lässt sich durch die Bedingung ausdrücken, dass die op- tische Länge des Strahles zwischen einem ihm ange- hörigen Punkte im ersten und im zweiten Mittel ein Grenzwerth (Maximum oder Minimum) sein solle. Die beiden brechenden Mittel mögen durch eine beliebig gestaltete F^che von continuirlicher Krümmung getrennt sein; das Coordinatensystem wollen wir so wählen, dass das Ein- fSedlsloth die Axe der z sei, die Gestalt der brechenden Fläche sei gegeben, indem z als Function von x und y bestimmt ist. Für den Ein&llspunkt wird: ,=y = . = 0,g = 0, 1^=0. (1) Femer seien a^, b^, c^ die Coordinaten eines Punktes im ein- fallenden Strahle, a^, ^2' ^2 ^^ eines Punktes im gebrochenen 150 PhysikaUsche Optik. Strahle. Verbinden wir diese Punkte mit einem Punkte der brechenden Fläche, dessen Coordinaten x, y, z sind, so ist die optische Länge dieses Weges: Damit % welches eine Function der unabhängigen Variablen X und y ist, ein Maximum oder Minimum werde, sind die ersten Bedingungen, welche hier schon genügend sind: 1^ = 0 ^^=0 dx ^ dy ' oder a? - Ol + (« - Ci) ^ Oax V(«i-')* + (6i-y)" + {0,-iy . f ^\ dz dx + «2 3^ - 6i + (« - cj 0 = «, ^ dz (2) Für den Einfallspunkt des gebrochenen Strahls werden diese Gleichungen nach den in 1 gegebenen Bestimmungen: ^ Va; + 6f + c; ' Va| + 6? + e| A A r (28- ^ VaJ + 6J + cf ^ Val + 6i + c| j **® Wenn wir nun die Lage der Punkte Aj, i^, c^ und Oj, Äg, Cg in der gewöhnlichen Weise duixh Polarcoordinaten ausdrücken, d. h. setzen: «1 = Tj sin«! cos ß-^ «2 = rj sin«2 cos d-^ \ h^ = Tj sinaj sin ^^ öj == r^ sinag sin iS", > (3) Cj = Tj cosfi^ Cg = rgcoscfg » so verwandeln sich die Gleichungen (2a) in folgende: Optische Länge der Strahlen. 151 iij sin a^ cos iS-^ = — n^ sin «2 C08 &2 ) .^ \.\ itj sm a^ sin i9"j = — «3 sin «j sin ^2 ) ^ ' Beide in das Quadrat erhoben und addirt, geben: nf sin ^a = n| sin ^^g, d. L iij sin Oj = dz^t sin «j« Es passt hier nur das positive Zeichen, weil a^ zwischen 0^ und 90^, «2 aber nach der hier gewählten Bezeichnung zwischen 90^ und 180^ hegen muss, also sin c^, sin a^^ sowie auch n^ und n^ immer positiv sind. Es ist also: iij sinc^ = ngsinaj (4) und wenn man dies in die Gleichungen (2b) einsetzt, er- hält man: cos i9-j = — cos &2 sin iS-^ = — sin ^2 d. h. *2 = *i + 180«. (4a) Die Gleichungen (4) und (4 a), welche wir aus der Bedingung hergeleitet haben, dass die optische Länge des Strahles ein Grenzwerth sei, sind aber identisch mit den beiden Bedingun- gen des Brechungsgesetzes. Es ist nämlich, wie aus den Glei- chungen (3) hervorgeht, a^ der Brechungswinkel, &^ der Winkel, den die x^r Ebene mit der Einfallsebene, tV, der, den die ;r 2: Ebene mit der Brechungsebene macht Einfalls- und Brechungsebene machen also mit einander einen Winkel von 180«, d. L fallen in eine Ebene zusammen. Genau dieselbe Beweisführung passt auf das Problem der Spiegelung des Strahles an der bisher als brechend vorausgesetzten Fläche. Man hat nur 74 =3 n, zu setzen, weil der Strahl in demselben Mittel bleibt, und «^2 ^^ wie «1 zwischen 0 und 90« zu nehmen. Dann werden die Gleichungen (4) und (4a): sin «1 = sin cfg oder a, = a^ &^ = &, + 180, welches die beiden Gesetze der Spiegelung eines Strahles sind. 152 Physikalische Optik. Nachdem der aufgestellte Lehrsatz für eine brechende Fläche erwiesen ist, lässt er sich leicht auf beliebig viele aus- dehnen. Wenn ein Lichtstrahl durch eine beliebige Anzahl von brechenden Mitteln hindurchgegangen ist, welche durch Flächen von continuirlicher Krüm- mung begrenzt sind, so lässt sich sein Weg durch die Bedingung bestimmen, dass die optische Länge des Strahls zwischen einem seiner Punkte im ersten und einem im letzten Mittel ein Grenzwerth (Maximum oder Minimum) ist. Es sei ^^ die optische Länge des Strahles, und es seien die Punkte der ersten brechenden Fläche durch die Coordinaten d?^ und y^, die der zweiten durch x^ und 1/2 y die der mten durch x^ und ffn gegeben, und alle diese Coordinatensysteme mögen so gelegt sein: dass ihre zAxe mit dem Einfallsloth zusammen- 241 fällt, die xy Ebene die brechende Fläche tangirt. Es sind die ersten Bedingungen des Grenzwerthes: 7 = 0' da?, ' '^-0 dyi U. S. w. ^ '^- = 0. dx„ Die erste dieser Gleichungen ist nach dem eben bewiese- nen Lehrsatze identisch mit der Bedingung, dass der Strahl an der ersten Fläche nach dem bekannten Brechungsgesetze ge- brochen werde; die zweite sagt dasselbe für die zweite Fläche, die mte für die mie. Also ist der Weg des Strahles durch die aufgestellte Bedingung genau ebenso bestinmit wie durch das Brechungsgesetz. Auch in diesem Falle genügt die Untersuchung der ersten Differentialquotienten der optischen Länge. Ob der Weg des Strahles flbr alle Verschiebungen der Einfallspunkte ein Maxi- mum^ oder für alle ein Minimum, oder f&r einige ein Maxi- mum, für andere ein Minimum u. s. w. ist, hängt bekanntlich von den zweiten Differentialquotienten ab, kommt aber hier zu- nächst nicht in Betracht, und es mag deshalb in der vorliegen- Optische Länge der Strahlen. 153 den Untersachung erlaubt sein, Grenzwerthe im allgemeinen alle die Werthe der optischen Länge des Strahles zn nennen, deren erste Differentialquotienten den für das Maximum und Minimum aufzustellenden Bedingungen entsprechen, ohne dass weiter nach dem Vorzeichen und der Grösse der zweiten Dif- ferentialquotienten gefragt wird. Welchen Einfluss bei unserer Untersuchung die zweiten Differentialquotienten haben, wird sich später zeigen. n. Wenn Lichtstrahlen von einem Punkte aus- gegangen und durch beliebig viele Flächen von con- tinuirlicher Krümmung gebrochen worden sind, stehen sie nach der letzten Brechung senkrecht auf jeder krummen Fläche, für deren sämmtliche Punkte die optische Länge des Strahles einen con- stanten Werth hat Die Bezeichnung bleibe dieselbe, wie bei der Verallgemei- nerang des Satzes L Der Endpunkt des Strahles liege in einer krummen Fläche, für welche: W = Const. (1) Wir wollen die einzelnen Punkte dieser Fläche durch dasselbe Goordinatensystem bestimmen, durch welches die Punkte der letzten brechenden Fläche bestinmit sind, und für die Punkte der Flache ^^ = C setzen x^ = a, y« = ä, z^ = c, und c als Function von a und b ansehen. Wir wollen nun zwei gebrochene Strahlen betrachten, welche unendlich wenig von einander entfernt sind. Es seien die Coordinaten der Punkte, wo der erste die betreffenden Flächen trifft: ^i> yi> ^2> ya ®^- ^«> y«> «? *» c> die des zweiten: a?! + Js^y yj -f- 2/y,, it^ + Ax^^ y^ + Ay^ etc. ar« + 2/x«, y« + 2/ym, a + Aa, b + Ab, c + Ac, wobei wir zu setzen haben, weil c eine Function von a imd b ist: 154 PhysikaliBche Optik. 242 Die optische Länge des ersten Strahles sei W, die des zweiten W+ jdV, so ist für unendlich kleine Werthe der Aendemngen : ^f + J^f= ^f+ ^ Jx. + ^ J;p, etc. + i^^x^ , fd^ ^ d^ dc\ . .(dW.d^ dc\ .. + [db+-d7'db)'^^' Da nun der Werth von H^ in der Fläche, deren Punkte durch die Coordinaten a, b und c gegeben sind, constant sein soll, so folgt, dass: und da femer nach dem vorigen Lehrsatze: 0 = — = — = — = — etc dx^ d^i dx^ dy^ ' SO folgt: [dW , dW dc\ . j^ (d^ .dW dc\ .. r. welche Gleichung für alle beliebigen Werthe von Aaj Ab gül- tig sein muss, woraus folgt, dass einzeln: rf^ rf^ de ^Q da de * da d^ d^ de _^ (2) db de ' db Nennen wir nun r^, r^ etc. r^ die Weglängen des Strahles in den verschiedenen brechenden Medien, n^, n^ etc. n« die Brechungsverhältnisse, so ist: Hierin ist nur r^ abhängig von a, b und c, folglich: d^ dr^ « - *« == »»m -5— = «« m da "" da "" r rf J^ dr^ c-z^ (ic "" '•«* de '^ r^ optische Länge der Strahlen. 155 80 verwandeln sich endlich die Gleichungen (2) in: (2 a) db welche bedeuten, dass a, b, c der Fusspunkt einer vom Punkt XfHj y»9 Zm auf die Fläche ^^ ^ C gefällten Normale ist. Dass dies so sei, ergiebt sich am einfachsten, wenn man ms bedenkt, dass die Normale selbst ein Maximum oder Minimum der Entfernung zwischen dem Punkte, von dem man sie fällt, und der krummen Fläche ist. Es ist aber die Entfernung r« zwischen dem Punkte ^«, y^^, z^ und dem Punkte a, ft, c der Fläche: '•• =y {^« - ay + {t/n. - b? + (z^ - c)2; um sie zu einem Maximum oder Minimum zu machen ^ muss man setzen: r, ^^m , ^^m de ^-^m , de C- *m da de da r_ da * r_ ' ^^rfr^ I ^^« de ^^-^m , de c " ^m db de da r_ db ' r« ' welche mit den Gleichungen (2 a) identisch sind. Der durch den Punkt a, 5, c gehende Strahl ist also eine Normale auf der durch denselben Punkt gehenden Fläche Da das Licht gleiche optische Längen in gleicher Zeit znrdcklegt, so gelangt es auch in gleicher Zeit von dem leuch- tenden Punkte zu allen Punkten der Fläche ^^ = C, und diese ist daher eine Wellenfläche, d. h. sie geht durch alle die- jenigen Punkte, in denen die gleiche Phase der Aetherschwin- gung stattfindet Bestimmung des Verlaufs eines unendlich dünnen Strahlenbündels. Nachdem bewiesen worden ist, dass es eine krumme Fläche giebt, die Wellen fläche, auf welcher aUe durch Brechung in beliebigen Flächen von continuirlicher ErQmmung aus homocentrischem Licht entstandenen Strahlen senkrecht stehen, folgt auch, dass fär die gebrochenen Licht- 156 Physikalische Optik. stxaMen die Sätze gelten, welche für die Normalen krummer Flächen bekannt sind. Denken wir uns also durch einen be- liebig gewählten Strahl A eine Ebene gelegt, welche die Wel- lenfläche in einer Curve schneidet, und die Ebene um den Strahl gedreht, so wird die Schnittlinie im allgemeinen, da wo sie den Strahl A schneidet, verschiedene Krünunung zeigen, und zwar wird die Ebene der grössten Krümmung der Schnittlinie senkrecht stehen auf der Ebene ihrer kleinsten Krümmung. Errichtet man nun in den Punkten der Wel- lenfläche, welche dem Strahle A unendlich nahe sind. Nor- malen, welche also benachbarten Strahlen entsprechen, so schneiden diejenigen, deren Fusspunkte in der Linie grösster oder kleinster Krümmung liegen, den Strahl A in dem Mittel- punkte bezüglich des grössten oder kleinsten Krümmungskreises, die dagegen, deren Fusspunkte weder in der Linie grösster noch kleinster Krümmung liegen, schneiden den Strahl A gar nicht Auf jedem Strahle giebt es also im allgemeinen zwei Brennpunkte, in denen er von benachbarten Strahlen geschnit- ten wird, welche den Mittelpunkten der grössten und kleinsten Krümmung der Wellenfläche im Fusspunkte des Strahles ent- sprechen. Nur wenn beide Punkte in einen zusammenrücken, d. h. die Krümmung der Wellenfläche im Fusspunkte des Strahles nach allen Sichtungen hin gleich gross wird, wird der Strahl A von allen ihm unendlich nahen Strahlen in einem Punkte geschnitten. Um diese Sätze analytisch darzustellen, wollen wir ein üoordinatensystem benutzen, dessen zAxe mit dem Strahle A zusammenfällt. Für die einzelnen Punkte der Wellenfläche setzen wir: ar = a, y = bj z = c. Die Fläche sei gegeben dadurch, dass c als Function von a und h gegeben ist. Nach der Annahme über die Lage des Coordinatensystems ist für: j^ a = & = 0 auch "^ = "t^ = 0 . . . . (1) Wenn x, y, z die Coordinaten eines Punktes der in a, A, c auf der Wellenfläche errichteten Normale bezeichnen, haben wir, wie in Lehrsatz 11 Gleichung (2 a): Astigmatische Strahlenbündel. 157 {a-x) + {c-z)4^ = 0 (Ä_y) + (C_;.)^ = 0 da db (la) Setzt man für a und b die unendlich wenig davon verschiede- nen Grössen a + Ja, b + Jb, so werden die Gleichungen (la): {a + Ja-T) + {e+ ^Ja+ ^Jb-z)^ Setzen wir hierin « = ä == 0 und nach (1) auch dcjda = dcjdb = 0, so erhalten wir die Gleichungen einer Normale, die dem Strahl A unendlich nahe die Wellenfläche in dem durch die Coordinaten Aa und Ab gegebenen Punkte schneidet, nämlich: Aa-x + {c-z)i^,Aa + ^ Ji j = 0 Für alle Punkte des Strahles A ist gleichzeitig « == y = 0. Soll A also von dem Strahle geschnitten werden, dessen Weg durch die Gleichungen (2) gegeben ist, so muss auch in diesen für irgend einen Werth von z gleichzeitig x = y = 0 werden. Setzen wir nun in ihnen ar = y = 0 und eliminiren z, so bleibt als Bedingung für die Möglichkeit des Schneidens: Nennen wir die unendlich kleine Entfernung der Fusspunkte der beiden Normalen r und den Winkel, den sie mit der or Axe macht, Uj welches also zwischen 0 und n liegen muss, so ist: Aa ^r cos «, Ab^r%mcc* da 158 Physikalische Opük. Setzen wir ausserdem: o db* da* 2n = - rf«c da .db 246 SO wird die Gleichung (3) vorausgesetzt, dass « + eh)' 9b Der Querschnitt des Bündels ist alsdann eine der yAxe pa- rallele gerade Linie, deren Länge gleich dem eben angegebe- nen Werthe von q ist. Dagegen wird der Querschnitt des Bündels eine der ;r Axe parallele gerade Linie, wenn: ? = 0, ;? = ± -f- ((>a + pft). Endlich giebt es noch eine zweite Stelle, wo der Querschnitt des Strahlenbündels ein Kreis ist^ wo nämlich: 1 + ^11^ = - 1 - ^ - * z — c = daselbst wird: p ^ q ^ ±r. Qa\+9h Zwischen den beiden kreisförmigen Querschnitten des Bündels muss einer der linienförmigen Querschnitte liegen. Dieser Linie sind die grösseren Axen der elliptischen Querschnitte paraüel, welche zwischen den beiden kreisförmigen angelegt • I FTg. 21. werden, während die grossen Axen der ausserhalb dieses Zwischenraumes liegenden senkrecht dagegen gestellt sind. Li Fig. 21 bezeichnet die Linie cd den mittleren Strahl, in c ist ein kreisförmiges Diaphragma angenonmien, in a und ö die Helm hol tz, wIsMOMh. Abhandhingeo. IL 11 162 Physikalische Optdk. Brennpunkte. Unter der Linie sind die Querschnitte des Bün- dels, welche den darüber liegenden Punkten der Linie ent- sprechen, abgebildet. 248 Allgemeine analytische Bedingung für die Lage der Brennpunkte. Wir wollen die optische Länge zweier unendlich naher Strahlen A und B von ihrem gemeinsamen Ausgangspunkte an bis zu einem Brennpunkte hin, wo sie nach beliebig vielen Brechungen an beliebigen brechenden Flächen von continuir- licher Krümmung wieder zusammentreffen , f und ^ •\- A'^ nennen. Die Coordinatensysteme, nach denen wir die Punkte in den einzelnen brechenden Flächen bestimmen, werden wie- der so gedacht, dass ihre zAxe mit den dem Strahle A an- gehörigen Einfallslothen zusammenfällt, und ihre ^y Ebene die brechende Fläche tangirt Die Coordinaten der Einfallspunkte des Strahles B seien in der ersten Fläche x^^ jr, , z^, in der zweiten a?2, y^^ z^ u. s. w., in der ?wten a?„, y»», z^. Es wird indessen im Folgenden vorausgesetzt, dass die optischen Län- gen ausgedrückt sind als Function der x und y allein, und die z, welche selbst wieder Functionen von x und y sind, aus diesen Werthen eliminirt sind ; da übrigens die Strahlen A und B unendlich nahe sein sollen, werden die Grössen x^, y^ bis A'my ym als unendlich klein betrachtet. Nach dem Taylor 'sehen Satze ist alsdann: W + AW=Vf+ i'^-x, + ^x, + etc. + ^ x« d^f^ d^f^ ^ dyf^ Es müssen nun beide Strahlen den im ersten Lehrsatze aus- gesprochenen Bedingungen genügen, d. h. die ersten Differen- tialquotienten von W und von H^ + AH^ nach x^, y^, x^, y^ etc. ^m, y« genommen müssen gleich 0 sein. Dies giebt für den 4?rsten Strahl: "5 — = 0, j — = 0 etc. j— = 0 , (4) Optische Länge der Strahlen. 163 - — = 0, -j — = ü etc. j — = 0 und mit Berücksichtigong dieser Gleichungen ftir den zweiten Strahl folgendes System von Gleichungen: d^W , d^W , ^f« , ^'^ , d*W r. -dir ^' '^it^^;d^^''^''^''^^i^;^ d^W , d^W , ^f^ , ^'^ , d^^ ^ Die Anzahl der Glieder in diesen Gleichungen vermindert sich übrigens dadurch beträchtlich, dass cos V) + -^ sin vi J S = 0 (7b) (7 c) (7d) Im allgeineinen werden wir r^ die Länge des Weges, den die Strahlen im Prisma zurücklegen, vernachlässigen können gegen die Wege ausserhalb des Prisma r^ und r,. Multipliciren wir die vier Gleichungen mit r^ und vernachlässigen dann die mit Tj/r^j oder r^jr^ multiplicirten Glieder als unendlich klein, so erhalten wir folgende drei Gleichungen [(7 b) und (7d) geben zwei identische Gleichungen]: sin *m /iy — (cos 9 + cos »i cos ju) 2/ 1; — cos m cos V {Az — ^4^) = 0 — cosmcosv/ij^ — cos ^ cos 1/2/1; + sin»t/(2/z- 2/f)=:0 — (cosqp + cosmco8jLi)^y + sinV-^*' — COS|LlCOSV(iiz — A^ = 0 (8) Bilder durch das Prisma. 167 Von diesen drei Gleichungen folgt aber wieder eine aus den beiden anderen, sodass sie sich nach Elimination von [Az — A^ oder von Av reduciren auf folgende beide: (cos ju + cos m cos qp) Ay = (cos m + cos u cos (f) A v oder l (8 a) Ay Av und (Az — At,) (cosm + cosjucosijp) = co%v%m^(p Ay oder (8 b) Az -- 2f t ^ ^v Diese beiden Oleichungen sind nur die Bedingungen daftir, dass die beiden Strahlen auf ihrem unendlich kurzen Wege durch das Prisma als merklich parallel angesehen werden können, was selbstyerständlich der Fall sein muss, wenn ihre Con- Tcrgenzpunkte im Vergleich zu ihrem Wege im Prisma un- endlich weit entfernt sind. So haben wir zunächst zwei der unbekannten Grössen Av und Al^ durch die beiden anderen Ay und Az ausgedrückt. Wir müssen uns nun aus den Gleichungen (7) durch Elimi- nation zwei neue Gleichungen bilden, welche die verschwindende Grösse r^ nicht mehr enthalten, und au6 welchen wir die Ver- hältnisse AzfAv und r^jr^ bestimmen können. Eine solche Gleichung erhalten wir, indem wir (7 b) und (7d) addiren: cosmcoBf'^y + — «-(l — »*cos*y)^jr '• . 1 (8c) + — cosju QO%vAv-\ (1 — n^cos V)i4S = 0 Um die zweite zu erhalten, multipliciren wir die Gleichung S52 (7a) mit: y ^ SS*V ^^^® »^ + <^os |u cos qp), die Gleichung (7c) mit: V = v^V- (cos fi + cos m cos tp) , die Gleichung (7 b) mit: jr — J =s Tj cos V 168 PhTBikalische OptüL Tind addirea die drei Gleichungen, so fallen die Glieder sämmt- lich heraus^ welche mit 1/r^ multiphcirt sind^ und wir erhalten: ^ {(1 — n^ cos *m) Ay — n* cos m cos vAz } '0 H ^ { — n* cos m cos y Jy + (1 — n* cos ^v)Jz] '0 + -^ (1 — n^ cos ^(jl)Jv + n* cos ju cos vJC] = 0 , (8d) Wenn man aus (8 a) und (8 b) die Werthe von Jv und J^, in Jy und /i z ausgedrückt, nimmt, und sie in (8 c) und (8 d) sub- stituirt, erhält man zwei Gleichungen, welche die unbekannten Grössen Azj Ay und r^jr^ enthalten. Eliminirt man eine von ihnen, so erhält man für die andere eine quadratische Glei- chung, welche je zwei Werthe liefert. Da man so für jede Combination beliebig gewählter Werthe der Winkel m, ju, v einen oder zwei bestimmte Zahlenwerthe des Verhältnisses ^3/^0 bekommt, so ist für jede gegebene Sichtung des Strah- lenbündels r, proportional r^, wenn dieses sich ändert. Wird Tq unendlich gross, so wird es auch r^. Die Elindnations- gleichungen hier hinzuschreiben, ist nicht nöthig. Wir wollen nur die besonderen Fälle untersuchen, welche ims für die Ver- suche interessiren. Zuerst untersuchen wir, in welchen Fällen homocen- trisches Licht nach der Brechung im Prisma homo- centrisch bleibt Wenn sich alle Strahlen schneiden sollen, welche vom leuchtenden Punkte ausgegangen sind, so müssen die Bedingungen des Schneidens (8 c) und (8d) erfüllt sein, welches auch die Werthe von Ay und Az sein mögen, die man wählt. Man kann also jede dieser Grössen für sich gleich 0 setzen, und erhält dadurch folgende Bedingungen. 1) Wenn man in (8 c) Ay =■ 0 setzt, wobei auch nach (8 a) und (8b) Av=:^0 und A^^ Az: (^ + -M (1 - «* cos M = 0 {»») Da nun nach (6 a) n cos y = (c — ^)/r^j, so kann der zweite Factor dieser Gleichung nur gleich Null werden, wenn Tq^^c— z^ wenn also der Lichtstrahl die brechende Fläche streifte, wobei er Bilder durch das Prisma. 169 zdcbt eindringen würde. Es muss also der erste Factor von (9 a) gleich Null sein, d. h. 2) Wenn man in (8d) Jz = 0 setzt, und r^ = — r^, so «« wird: 0 = (1 + n*sin'y + w* cos*v) (cos*m — cos'ju). Der erste Factor ist 1 + n*, also nie gleich Null, daraus folgt: cosm » ± cosjLi (9 b) 3) Wenn man entweder in (8 c) Jz = 0, oder in (8d) Jy = 0 setzt, und r^ = — r^, so wird mit Berücksichtigung Ton (6 b): (1 — n*) cosf' sin* qp = 0. Da aber tp der brechende Winkel des Prisma ist, sin^p also nicht gleich Null werden darf, so folgt: 5osir = 0 I cosir = 0 [ (9c) Der Strahl hegt also ganz in einer auf der brechenden Kante senkrechten Ebene. Unter diesen Verhältnissen schreiben wir die Gleichung (9b) gemäss (6a) unter der Form: 1/ — vcos(p== ±{v — ycosijp) y(l ± cosqp = ±ü(l±cosqp), also: y = r (9d) Nun ist, wenn b den Einfallswinkel an der ersten Fläche be- zeichnet, ej den Brechungswinkel, rj^ den (im Prisma liegenden) Einfallswinkel an der zweiten Fläche, r^ den (in der Luft lie- genden) Brechungswinkel: V sin (D V sin Q> COS 6, = ^j cos W, s= -1 also unter den gemachten Voraussetzungen: cos«! = cosjyj, also auch: sin£ = n sincj = n siniy^ = sini?. 170 Pbysikaliscbe Optik. d. h. die Winkel zwischen dem Strahl und den Einfallslothen beider Flächen sind auf beiden Seiten des Prisma gleich. Diese Richtung, in welcher homocentrische Strahlen durch das Prisma gehen müssen, um homocentrisch zu bleiben, ist noch dadurch ausgezeichnet, dass auch die Ablenkung des Strahles von seinem ursprünglichen Wege ein Mini- mum ist. Wenn wir die Coordinaten des ersten Systems «, A, c, x und y nach Gleichungen (5 a) in solche des zweiten Systems verwandeln, so erhalten wir die Cosinus der Winkel, welche der ankommende Strahl mit den Axen der a^ ß und y im zweiten Systeme macht, beziehlich gleich: die entsprechenden Cosinus der Winkel, welche der austretende Strahl mit den der Axen c^, ß und y macht, sind: a — 1 Lz^, l:il. SM Wenn wir den Winkel zwischen der Richtung des an- kommenden und der Richtung des ausgetretenen Strahles mit (o bezeichnen, so ist: cos© = - [^^Q^y+(^"~y)'^^° Dadurch ist die Helligkeit, mit welcher die Fläche des Bildes innerhalb des von den Strahlen ausgefüllten Lichtkegels leuchtet, gegeben, unabhängig Ton der Sichtung, welche dS und dS' gegen die Axe haben, und von den Entfernungen derselben von der brechenden Fläche. Von dem Bilde dS" kann man auf ein zweites dS" über- gehen, und so weiter. Es wird offenbar zwischen jedem fol- genden Bilde und dS eine entsprechende Q-leichung bestehen müssen wie (6c). Ist also n =■ n'*, das heisst, liegen Object und Bild in demselben Medium, so wird die Hellig- keit eines durch Strahlen, die mit der Axe und den Einfallslothen sehr kleine Winkel machen, entwor- fenen optischen Bildes (von Verlust durch B.eflexion und 666 Absorption abgesehen) der Helligkeit des Objectes immer nur gleich sein können. Aber dieser Satz muss auch gültig sein ohne die Be- schränkung, dass die Strahlen mit der Axe und den Einfalls- lothen sehr kleine Winkel machen. Wäre er nämlich nicht richtig, wäre es möglich von einem Flächenstück dS^ welches nach dem in Gleichung (6) ausgesprochenen Gesetz ein be- grenztes Strahlenbündel aussendet, ein Bild dS' zgl entwerfen. LeistangsflQiigkeit der Mikroskope. 193 welches in Richtung der Fortsetzung dieses Strahlenbündels mit grösserer Helligkeit leuchtete, als Gleichung (6c) zulässt, so würden wir dieses Strahlenbündel senkrecht durch eine ebene Grenzfläche in Luft übergehen und in das Auge eines Beobachters fallen lassen können. Es wäre dann der Fall gegeben, dass man durch ein optisches Instrument ein Object heller sehen müsste, als es ist, etwas, was allen an den mannig- fachsten Formen durchsichtiger brechender Körper gemachten Erfahrungen widerspricht. Wäre eine solche^Möglichkeit für Lichtstrahlen gegeben, so würden wir sie auch auf Wärme- strahlen übertragen können, und es wäre dann das Gesetz der Gleichheit der Strahlung zwischen Körpern gleicher Temperatur verletzt. Durch ähnliche Betrachtungen, wie sie HerrG. Kirch - hoff zum Beweise seines Gesetzes von der Gleichheit der Ab- sorption und Emission angewendet hat, deren üebertragung auf unsem Fall ohne Mühe geschehen kann, wäre dies leicht zu erweisen. Man braucht zu dem Ende nur die beiden Ele- mente d S und d S' von gleicher Temperatur, wie eine sie rings umschÜessende Hülle anzunehmen, die durchsichtigen Medien als frei von Absorption, und ein passendes Diaphragma ange- bracht, ebenfalls von gleicher Temperatur, um das zu verdich- tende Strahlenbündel abzugrenzen. Wenn dann dS durch dieses Diaphragma dem dS' ein dichteres Strahlenbündel zusendete, als dieses vermöge seiner Temperatur zurücksendet, müsste die Temperatur von dS' steigen, die von dS fallen. Genauere Fassung des Gesetzes der Divergenz- wink el. Die Gleichung (5) setzte unendlich kleine Divergenz- winkel voraus, bei solchen ist es einerlei, ob wir a mit sin a oder tang. u oder ähnlichen Fimctionen vertauschen, die für verschwindend kleine cc gleich a werden. Nehmen wir grössere Divergenzwinkel eines Strahlenbündels ßee von kreisförmigem Querschnitt, und die leuchtende Fläche dS senkrecht zur Axe, so ist: L — JdS, I 29v.cosc^.sine;.^(^ = jiJdS.sin^a. J 0 Ist nach einer Reihe von Brechungen die Fläche d8 vollständig und genau in d8^ abgebildet, mit der Helligkeit Jnj^/n^ und a^ Hclmholts, wisMoich. Abhand]iing«n. IL 13 194 Physikalische Optik. der zugehörige Divergenz wiukel, so muss dieselbe Lichtmenge sein: Da so folgt aus diesen Gleichungen: n.ß,sma = n^.ß^.sincc^ (7) als die auch fiir grössere Winkel gültige Formulirung der Gleichung (5) unter der Voraussetzung, dass ß und ß^ zwei sich einander genau abbildende, zur Axe senkrechte ffltchen- hafte Bilder sind. Helligkeit der Bilder. Wenn die Pupille des Beob- achters ganz eingetaucht ist in das Strahlenbündel, welches von einem Punkte des Bildes ß ausgeht, so wird der Beobachter ß^ in der durch Gleichung (6 c) bedingten Helligkeit sehen. Also wenn Object und Bild beide in Luft liegen, werden beide für ihn gleiche Helligkeit haben. Diese Folgerung ist 'schon von Lagrange gezogen worden. Leider hat er den zweiten Fall, der gerade bei starken Vergrösserungen der gewöhnlichere ist, nicht besprochen, nämlich den, wo das in die Pupille ein- dringende Strahlenbündel diese nicht ganz ausfüllt. Das mag nicht wenig zu der Vergessenheit beigetragen haben, in welche seine wichtige Abhandlung gefallen ist Wenn das in die Pupille fallende Lichtbündel, welches immer einen kleinen Divergenzwinkel a^ hat, so oft das Bild ß^ in richtiger Sehweite liegt, die Pupille nicht ganz ausfüllt, so wird die Helligkeit H des Netzhautbildes eine geringere 667 sein als die HeUigkeit Hq für das freie Auge, dessen Pupille ganz mit Lichtstrahlen ausgefüllt ist. Bezeichnen wir mit « die Sehweite und mit p den B^dius der Pupille, so ist np^ deren Fläche, der Querschnitt des Lichtbündels ist Tss^'sin^a^y und es verhält sich also: H: Hq = s^. sin* a^ :p* oder mit Benutzimg von Gleichung (7): H= ffo' ^ - ^' l-jSin^a. ^ P «1 ßi Leistungsülhigkeit der Mikroskope. 195 Das letzte Medium vor dem Auge muss nothwendig Luft sein, also iij = 1, und wenn wir den nach der Listing'schen Me- thode in Luft gemessenen Divergenzwinkel des Instrumentes mit cCq bezeichnen, so ist sina^ = n • sinc^. Setzen wir femer die Vergrösserung ß^/ß = N, so ist: H=H. *■ . ßin'flo 0 p^ . N^ Bei derjenigen Vergrösserung JVJ,, wobei der Lichtkegel die Pupille gerade ausftQlt, und welche wir die Normal ver- grösserung des Listrumentes nennen wollen, muss H=Hq werden. Daraus ergiebt sich: iV;, = ^8inflro (8) und wenn a^ unverändert bleibt: H:H^^No^:N^ (8a) wemi, wie vorausgesetzt: während H=^ H^ wird, wenn iV^ iVp. Das heisst also: Die Helligkeit des Instrumentes wird gleich der des freien Auges, wenn die Vergrösserung gleich oder kleiner als die Normalvergrösserung ist. Dagegen wächst bei gleichbleibender Divergenz der einfallenden Strahlen die Helligkeit umgekehrt pro- portional der Vergrösserung der Flächen, wenn diese grösser als die Normalvergrösserung ist. Die Normalvergrösserung wächst, wie Gleichung (8) zeigt, mit dem Sinus des Winkels a^. Dessen grösster Werth ist 568 Eins, wenn Uq ein Rechter, ein Werth, den die neueren In- strumente auch nahehin erreichen. Dann ist: V Setzen wir 5, wie es für die Berechnung der Vergrösserung jetzt gewöhnlich geschieht, gleich 250 mm, und p ftLr helle Beleuchtung gleich 1,5 mm, so wird: iVo = 166,7 13* 196 Physikalische Optik. und man erhält die Helligkeit J für Vergrösserung 333,3 - J — 500,0 - A - 666,7 U. 8. W. Das zeigt, wie schnell die Helligkeiten bei steigender Ver- grösserung abnehmen. Wäre es möglich den halbkugelförmigen Lichtkegel eines in Wasser liegenden Objectes in ein Immersionslinsensystem überzuleiten und damit ein gutes Bild zu erzeugen, so würden alle diese Vergrösserungen bei gleicher Helligkeit im Verhält- niss n : 1 = 1,3351 : 1 gesteigert werden können. Aber wie schon oben bemerkt, haben die bisher gefertigten Instrumente nur in Luft, nicht in Wasser nahehin halbkugelfbrmige Kegel der einfallenden Strahlen. Der Querschnitt des in die Pupille eintretenden Strahlenbündels lässt sich leicht empirisch ermitteln. Wenn man das Instrument auf ein helles Feld eingestellt hat, entferne man das Auge vom Ocular in Bichtung der yerlängerten opti- schen Axe des Instruments, und betrachte das Ocular selbst. Man wird in oder etwas vor seiner Fläche eine helle kleine Kreisfläche auf dunklem Grunde sehen. Dieser kleine Kreis ist das optische Bild, welches das Ocularsystem (hauptsächlich das CoUectivglas) von dem Objectivglase entwirft. Alles Licht was vom Objectiv hergekommen ist, und die Oculare passirt hat, muss in diesem Bildchen des Objectivs vereinigt sein. Dieses Bildchen entspricht also auch dem Querschnitt, den die 609 sämmtlichen Lichtkegel, welche von den Punkten des Objectes ausgegangen sind, an dieser Stelle des Baumes haben, um alles dieses Licht aufzufangen und somit ein möglichst grosses und möglichst helles Gesichtsfeld zu erlangen, muss die Pupille an den Ort dieses Bildchens gebracht werden. Das Verhält- niss zwischen der Fläche dieses hellen Bildchens und der Fläche der Pupille ergiebt also unmittelbar das Verhältniss, in welchem die Helligkeit des Bildes kleiner als die des direct gesehenen Objectes ist. Nur wenn jenes Bildchen gleich oder grösser als die Pupille ist, hat man volle Helligkeit Leistungsfähigkeit der Mikroskope. 197 Dass bei einem Femrohr das Yerhältniss zwischen dem Durchmesser des Objectivs und dem Durchmesser dieses Ocu- larbildchens des Objectivs gleich der Vergrösserung ist, hat schon Lagrange ausgesprochen, und vorgeschlagen mittels dieser Beziehung die Vergrösserung zu messen. Bei den Teles- kopen ist man übrigens einer solchen Abnahme der Helligkeit bei steigender Vergrösserung nicht nothwendig unterworfen, weil die Quantität des einfallenden Lichtes durch Vergrösserung der Apertur des Objectivglases oder des Objectivspiegels in das Unbestimmte vergrössert werden kann. Die Oeffnung des mikroskopischen Lichtkegels dagegen wird durch einen Winkel gemessen und hat daher eine bestimmte Grenze. Der Gang der bisherigen Darstellung zeigt, dass die Be- ziehung zwischen Helligkeit und Vergrösserung, die hier auf- gestellt ist, gänzlich unabhängig von der besonderen Construc- tion des Instrumentes ist, vorausgesetzt nur, dass es scharf gezeichnete Bilder giebt. Eine Steigerung der Vergrösserung wäre also nur möglich unter Anwendung sehr viel stärkeren Lichtes, z. B. directen Sonnenlichtes, wie dies auch schon Herr Listing fiir die von ihm vorgeschlagenen Methoden, sehr hohe Vergrösserungen zu erreichen, in Aussicht genommen hat. EEier aber treten andere Hindernisse auf, die durch den sehr geringen Divergenzwinkel der austretenden Strahlen, wie er bei starken Vergrösserungen durch die Gleichung (7) gefordert wird, bedingt sind. Zunächst sind es die Schatten der entoptischen Objecto im Auge, welche das Gesichtsfeld um so dichter erfüllen, je kleiner das oben erwähnte Ocularbild des Objectivglases ist. Dieses Bild ist für die Beleuchtung der Netzhaut gleichsam 670 die Lichtquelle; von ihm geht alles Licht aus, welches in das Auge dringt. Dasselbe ist auch die Basis der sämmtUchen Strahlenkegel, die den einzelnen Punkten des Objectes und seines Netzhautbildes angehören, und sein Durchmesser wächst, wie oben gezeigt, flir starke Vergrösserungen nothwendig um- gekehrt proportional der Vergrösserung. Die bekannte Be- dingung aber, welche erfüllt sein muss, um recht scharfe Schlagschatten von den entoptischen Objecten zu erhalten, ist eben die, dass hinreichendes Licht von einer recht kleinen 198 Physikalische Optik. Fläche aus in das Auge fällt Jeder, der einmal versucht hat, das Feld eines Mikroskops von übertrieben starker Ver- grösserung durch Anwendung von Sonnenlicht aufzuhellen, wird das eigenthümlich fleckige Ansehen des Gesichtsfeldes kennen, was man dann erhält Ein Theil der Flecken liegt fest* im Felde der Blendung, ein anderer bewegt sich mit dem Auge. Erstere rühren von Flecken und Unvollkommenheiten der Politur der Ocularlinsen her, letztere von der Hornhaut, Biystallinse, dem Glaskörper des Auges. Auch ist diese Beobachtungsweise als Methode die entoptischen Objecto zu sehen, längst bekannt und in der That sehr brauchbar. In dem Maasse aber, als die entoptbchen Objecto deutlicher werden, werden immer mehr von den zarteren mikroskopischen Objecten unerkennbar. Ein zweiter unvermeidlicher Nachtheil der engen Lichtbün- del liegt in dem Auftreten von Diffractionserscheinungen, wodurch die Umrisslinien der gesehenen Objecto verwischt und gleichzeitig verdoppelt oder vervielfacht werden. Wir haben es hier hauptsächlich mit den Diffractionserscheinungen zu thun, wie sie beim Sehen durch eine kreisförmige Oeffnung auftreten. Ein heller Lichtpunkt (Sonnenreflex auf einer Thermometer- kugel), durch eine solche Oeffnung (Nadelstich durch ein Kar- tenblatt) gesehen, erscheint bekanntlich als eine helle Kreis- scheibe, die abwechselnd von hellen und dunklen Bingen umgeben ist Die scheinbare Breite dieser Binge, von Minimum zu Minimum gerechnet, entspricht sehrnahehin dem Gesichtswinkel, dessen Sinus gleich k/d istj wo X die Wellenlänge des betref- «71 fenden Lichtes und d den Durchmesser der Oeffnung bezeichnet. Die äusseren Binge haben genau diese Breite, die innersten sind ein wenig breiter; der Badius des innersten hellen Kreises ist 1,220 X/d, Da der kleinste Gesichtswinkel, unter dem wir zwei feine helle Linien von einander trennen können, gleich einer Winkelminute gesetzt werden kann, so werden die Fransen des hellsten gelbgrünen Lichtes, dessen Wellenlänge gleich 0,00055 mm ist, sichtbar, wenn der Durchmesser der Oeffnung d = 1,89 mm. Die Verbreiterung eines hellen Punktes in einen Kreis, oder eioer hellen Linie in einen Streifen, muss sogar bei noch etwas weiteren Oeffnungen merkbar werden können. Wenn man durch solche Oeffnungen nach Objecten hin- Leistungsfähigkeit der Mikroskope. 199 blickt, welche helle Flächenstücke zeigen, so werden die Dif- fractionsfignren der einzelnen Lichtpunkte einer solchen Fläche sich theilweis decken, sodass die kreisförmigen Fransen jedes einzelnen Punktes für sich genommen allerdings nicht erkennbar werden. Aber offenbar wird die Wirhing der Diffraction, da sie jeden lichten Punkt in eine kleine kreisförmige Fläche ver- wandelt die Zeichnung des Objectes verwaschen machen müssen, ähnlich wie dies durch die kleinen Zerstreuungskreise bei un- genauer Accommodation des Auges geschieht Sehr feine Objecte, die nur bei grösster Schärfe des Netzhautbildes er- kennbar sind, werden alsdann unerkennbar werden. Man kann sich durch einfache Versuche davon überzeugen, dass dies der Fall ist. Das empfindlichste Object sind Gitter mit abwechselnd hellen und dunklen parallelen Streifen, seien sie aus parallelen Drähten zusammengesetzt, oder aus weissen und schwarzen Linien auf Papier gedruckt. Man stelle sich in solcher Entfernung von dem Gitter auf, dass man mit einem zur vollkommenen Accommodation des Auges genügenden Bril- lenglase bewaflhet, die Stäbe des Gitters gerade noch von ein- ander sondern kann. Man schiebe dann ein Kartenblatt vor das Auge, in welches man feine Oeffnungen von verschiedenem Durchmesser angebracht hat, und achte darauf, ob man die Linien des Gitters durch diese Oeffnungen noch erkennen und ebenso gut erkennen kann als ohne das Kartenblatt. Die Beleuchtung des Gitters muss sehr hell sein, ein auf Papier 572 gedrucktes zum Beispiel direct von der Sonne beschienen, da- mit das durch die Oeffnung gesehene Bild noch hinreichend hell bleibt. Bei solchen Versuchen finde ich in der That, dass eine merkliche Verschlechterung des Bildes schon durch eine Oeffnung von 1,72 mm Durchmesser hervorgebracht wird. Sehr viel auffallender ist jene, wenn man durch noch engere Oefinungen sieht. Statt der Gitter kann man auch gedmckte Buchstaben ^ter ähnlichen Bedingungen anwenden, indem man sich so weit von ihnen entfernt, dass man sie gerade noch lesen kann. Bann werden sie schwerer oder gar nicht lesbar, wenn man durch eine Oeffnung von etwa 1 mm Durchmesser blickt Aber diese Probe finde ich nicht so empfindlich wie die mit dem Gitter. 200 Physikalische Optik. Es muss hierbei natürlich für beste Accommodation des Auges gesorgt werden, denn wenn diese unvollkommen ist, kann Einschiebung des Kartenblattes die Zerstreuungskreise auf der Netzhaut verkleinern und das Bild sogar verbessern. Die Theorie flir die Diffraction der Strahlen im Mikroskop, wie sie etwas weiter unten auseinandergesetzt werden wird, ergiebt nun die Folgerung, dass ein einzelner Lichtpunkt des mikroskopischen Objectes, durch das Mikroskop gesehen, gerade so erscheinen muss, als würde ein am Orte seines Bildes be- findlicher wirklicher Lichtpunkt durch eine Oeffnung betrachtet, welche in Bezug auf Ort und Grösse dem Ocularbilde der relativ engsten Blendung entspricht. Daraus geht zunächst hervor, dass die Diffraction sich merklich machen muss, wenn das letztgenannte Bildchen einen Durchmesser kleiner als 1,89mm hat, und dass die Breite der durch die Diflfraction erzeugten Zerstreuungskreise umgekehrt proportional dem Durchmesser dieser Oefihung, also direct proportional der Vergrösserung zunehmen muss, wenn der von jedem Objectspunkte einfallende Lichtkegel unverändert bleibt. Es wird also unter diesen Umständen bei weiter gesteigerter Vergrösserung, soweit die Diffraction in Betracht kommt, das Bild unveränderte Schärfe der Zeichnung zeigen, weil eben dabei die Zerstreuungskreise dasselbe Verhältniss zur schein- 673 baren Grösse der Objecte behalten. Dagegen werden die Stö- rungen, welche aus der Verminderung der Helligkeit und aus der zunehmenden Zahl und Dunkelheit der entoptischen Schat- ten herfliessen, sich mit zunehmender Vergrösserung steigern. Daraus folgt denn, dass im allgemeinen diejenigen Vergrös- serungen am meisten erkennen lassen werden, bei denen die kleinsten Objecte, die in dem Bilde überhaupt noch sichtbar sind, unter bequemem, d. h. etwas grösserem Gesichtswinkel er- scheinen, als der Sehwinkel des Beobachters fär die überhaupt wahrnehmbaren kleinsten Objecte beträgt. Nach Gleichung 7 berechnet, entspricht der Durchmesser 1,89 mm des in die Pupille fallenden Strahlenbündels flir halb- kugelförmige Ausbreitung der einfallenden Strahlen in Luft einer Vergrösserung von 264,5 Mal. Für Mikroskope mit engerem Lichtkegel würde sie niedriger anzusetzen sein. Dem LeiBtimgsföhigkeit der Mikroskope. 201 entsprechend finden wir in Hugo v. Mohl's Mikrographie die Angabe, dass Vergrössenmgen zwischen 300 und 400 am meisten erkennen lassen, während Harting bei den neueren Mikro- skopen mit beinahe halbkugelf&rmigem Lichtkegel f&r seine Messungen Vergrössenmgen von 430 bis 450 am vortheilhaf- testen &.nd. Wenn es sich darum handelt, die Grösse der kleinsten erkennbaren Objecte als Maass für die Genauigkeit des mikroskopischen Bildes zu bestimmen, so liegen hier dieselben Grunde vor, wie bei der Bestimmung der Sehschärfe des Auges, Gründe, die ich in meinem Handbuche der Physiologischen Optik S. 217 besprochen habe, dass man nicht den Durch- messer einzelner heller Punkte oder Linien auf dunklem Grunde und ebenso wenig dunkler Punkte und Linien auf hellem Grunde dazu benutzen darf. Denn dann hängt das Resultat nicht bloss von den Grössenverhältnissen des Bildes, sondern auch von der Empfindlichkeit des Auges gegen schwache Lichtimter- schiede ab. Das zweckmässigste Object sind auch hier feine Gitter, welche abwechselnd helle und dunkle Streifen zeigen. Solche sind ja auch fdr die Mikroskope in den Nob er tischen Glas- gittem und Liniensystemen der Diatomeen und Schmetterlings- schuppen vielfach benutzt worden. Da die Lichtmengen der weissen Streifen, ehe dieselben ununterscheidbar werden, jedenfalls w* sehr stark ausgebreitet sind, so kommt es fast nur auf die Ab- stände der Mittellinien der weissen Streifen, viel weniger auf die ursprüngliche Vertheilung des Lichtes in etwas schmaleren oder breiteren weissen Streifen an. Ich nehme also als Maass fiir die kleinsten unterscheidbaren Objecte denjenigen Abstand der Mitten heller Gitterstäbe an, bei welchem diese noch als getrennt wahrgenommen werden können. Bei der Diffraction durch eine quadratische Oeffhung lässt sich nachweisen, dass das Gitter als gleichförmig beleuchtete helle Fläche erscheinen muss, wenn die Fransenbreite gleich der Breite eines Gitterintervalles ist Für runde Oeflfnungen wird die Litegration in der Berechnung der Lichtvertheilung äusserst weitläuflig. Wenn der Durchmesser der kreisförmigen i^effiiung gleich der Seite der quadratischen ist, sind die 202 Physikalische Optik. äusseren Fransen im Spectrum eines hellen Punktes von glei- cher Breite, die inneren sind aber breiter bei der kreisförmigen Oeffnung. Wenn nun die der quadratischen Oefihung aus- reichen die Trennimg der hellen Linien eines Gitters auszu- löschen, wenn deren Mitten um die Fransenbreite von einander abstehen, so wird dies bei den theilweise noch etwas breiteren Fransen der kreisförmigen Oeffnung ebenfalls der Fall sein müssen. Ich habe deshalb im Folgenden als untere G-renze der am Objecte unterscheidbaren Distanzen die Breite der äusseren Fransen benutzt, welche die kreisförmige Oeffnimg er- giebt. Unmöglich ist es nicht, dass bei günstiger Ueberlage- rung der Fransen gelegentlich wohl auch noch etwas kleinere Objecte halb gesehen, halb errathen werden können. Eine sichere und unzweideutige Wahmehmimg solcher wird aber kaum möglich sein. Es sei die Grösse der kleinsten wahrnehmbaren Distanz e, die der Wellenlänge im Medium des Objectes X, der Divergenz- winkel der einfallenden Strahlen ebenda c^, und A^, cCq seien die Werthe der letztgenannten Grössen für Luft. Dann ist nach den weiter unten abgeleiteten Formeln: 2 sin OK 2 sin otq Für weisses Licht können wir die Wellenlänge der mittleren 675 hellsten Strahlen, wie oben, setzen: Ao = 0,00055 mm . Ist cCq = 90^, so giebt dies: € = A = 0,000275 mm = -3^3- mm Wäre es möglich, die Divergenz der Strahlen in Wasser bei einem Immensionssystem bis zu halbkugeliger Ausbreitung zu treiben, so wäre a == 90^ zu setzen, k wäre nahehin gleich Yj^o, und daher Nach den von Hrn. Harting^) veröffentlichten Messungen ist 1) Poggend. Annalen 114. Leistungsfähigkeit der Mikroskope. 203 die Grösse der mit einem Hartnack'schen Objectivsystem Nr. 10 wahrgenommenen kleinsten Distanzen nach unserer Be- rechnungsweise: (Die von Hm. Harting selbst angegebene Zahl Yßg,^ bezieht sich auf die Breite des dunkeln Intervalles.) In naher Oeber- einstimmuDg damit sind die von Hm. L. DippeP) an den feinsten noch erkennbaren Liniensystemen der Diatomaceen angestellten Messungen. Er kam bis zu Vssoc ^^ ^^^ feinsten Nobert'schen Liniensystem Vsöco* keltere Angaben der HHra. SoUitt und Harrison^ vom Jahre 1853 gehen allerdings viel weiter. Von den erkennbaren Linien der Navicula Arcus sollen 5120 auf ein Millimeter gehen. Damit wäre die theo- retische Grenze an Objecten, die in Luft liegen, weit über- schritten. Da aber alle neueren Messungen hinter dieser weit zurückgeblieben sind, weiss ich nicht, ob man sie als zuver- lässig betrachten darf. Auch Hr. Harting, der diese An- 576 gaben citirt, bezweifelt ihre Richtigkeit. Ausser der möglicherweise zu erreichenden Steigerung der Strahlendivergeuz filr Objecte, die in Wasser Hegen, wäre die Leistungsfähigkeit der Listrumente wohl noch zu steigern durch Anwendung von blauem Licht.') Die Wellenlänge der Linie G ist 0,0004282, also etwa nur ^^gj von dem oben ange- wendeten Werthe der Wellenlänge des stärksten Lichtes. Im Verhältniss 1,28:1,00 würden die obigen Nenner der Werthe von 6 zu vermehren sein, wenn man nur blaues Licht an- wendete. Dies gäbe für die wirklich ausgeführten Lnmersions- mikroskope : > statt TTT^rr; mm. 4654 3636 In den Photographien wirkt hauptsächlich das blaue Licht, und diese scheinen in der That etwas mehr zu leisten als 1] Das Mikroskop und seine Anwendung. Braunschweig 1867. S. 135. 2) Quart. Journal of Microsc. Science. V p. 62. 3) Mündlich wird mir berichtet, dass Hr. Hartnack dies schon ge- than habe bei Instrumenten, die er 1873 zur Wiener AussteUung ge- sendet hat. 204 Physikalische Optik. das Auge bei weisser Beleuchtung. In einer Photographie, die Hr. Dr. J. Stinde mit einem Gund lach' sehen Objective ausgeführt hat, von Surinella gemma in lOOOmaliger Yer- grösserung sind Linien sichtbar, von denen 3800 bis 4000 auf das Millimeter gehen. Es scheint mir hiernach nicht zweifelhaft zu sein, dass die Diffraction der Strahlen die hauptsächlichste Ursache für die begrenzte Schärfe der mikroskopischen Bilder ist. Die chro- matischen und sphärischen Abweichungen der Linsen scheinen neben der Diffraction nur noch imerheblichen Einfluss zu haben trotz der sehr grossen Einfallswinkel und Divergenz- winkel der Strahlen. Im Vergleich zu der grossen Mühe, die auf die Berechnimg und Ausfuhrung der Linsen f&r Teleskope und Dunkelkammern verwendet werden musste, um die sphä- rische Abweichung auf ein genügend kleines Maass zurückzu- führen, muss es billiger Weise auffallen, dass bei den viel schwerer nach vorgeschriebenen Maassen herzustellenden Linsen- systemen der Mikroskope und den grossen Oeffnungswinkeln 577 ihrer Lichtkegel die sphärische Aberration sich so wenig geltend machte., üebrigens habe ich schon hervorgehoben, dass, wenn zwischen Object und Deckglas sowie zwischen Deck- glas und Objectiv Wasser ist, die Divergenzwinkel nicht bis zu 87^ 5' steigen, den gewöhnlichen Angaben entsprechend, sondern nur^bis 48^30'. Wenn aber zwischen Object und Deckgläschen das Wasser fehlte so können allerdings Diver- genzwinkel bis 87 , 5^ vorkommen, aber nur auf der sehr kurzen Strecke zwischen dem Object und dem ihm ganz dicht an- liegenden Deckglase, sodass die davon herrührende sphärische Abweichung nicht erheblich wird. Da breite Strahlenbündel noth wendig sind, um die Dif- fraction in engen Grenzen zu halten, muss natürlich auch der Beleuchtungsapparat dergleichen Strahlenbündel liefern können namentlich um die ümrisslinien dunkler Objecte deutlich zu zeichnen. Wenn in dem Objecte linsenartig wirkende Gebilde vorkommen, können diese allerdings auch ein schmales be- leuchtendes Strahlenbündel in ein stark divergentes verwan- deln und deutlich sichtbar werden. Sonst erhält man ein schwer zu übersehendes Gewirr von Diffractionen am und Leistungsfähigkeit der Mikroskope. 205 im Object einerseits, und in der Apertur des Mikroskops andererseits. Hier liegt offenbar der Grund, dass sonst gute Mikroskope, wenn ihr Beleuchtungsapparat nicht besonders zu diesem Zwecke geregelt ist^ so unbrauchbare Bilder von den Grenzlinien dunkler Objecte bei künstlicher Beleuchtung durch eine Flamme liefern. Für eine Immersionslinse wird der Beleuchtungsapparat selbst am besten nach dem Princip einer umgekehrten Linse der- selben Art gebaut. Wenn man nach Einstellung des Instrumentes das Ocularbild des Objectivs mit einer Loupe betrachtet, er- kennt man am leichtesten, ob der Beleuchtungsapparat ge- nügend breite Strahlenkegel giebt. Ich habe hier noch über einen gescheiterten Ver- besserungsversuch zu berichten, dessen negatives Resultat von Wichtigkeit ist. Aus der Theorie glaubte ich folgern zu dürfen, dass man die Diffraction eines Mikroskops beseitigen könnte, wenn man die Punkte der engen Oeffnung, welche die Diffraction erzeugt, zu von einander unabhängigen leuchtenden Punkten machte, indem man durch die Beleuchtimgslinsen in «78 der Ebene dieser Oeffnung ein scharfes optisches Bild der Lichtquelle^ also etwa sonnenbeleuchteter Wolken, erzeugte. Ich habe schon vor Jahren in Bonn Versuche der Art an einem Nobert'schen Mikroskop mit Immersionslinse von aus- gezeichneter Bildschärfe angestellt. Der Versuch ergab in- dessen, dass es einerlei war, ob das Bild der Lichtquelle in die Ebene des Objectes oder des Objectivglases fiel; die durch zu starke Oculare hervorgebrachten Diffractions&ansen blieben unverändert. Ich habe mich neuerdings auch in anderen mit grösseren Linsen angestellten Versuchen überzeugt, dass ein solches Ver- fahren keinen Erfolg hat. Wenn man eine gute achromatische Linse von etwa anderthalb Fuss Brennweite so aufstellt, dass sie das scharfe Bild der Lichtquelle, also zum Beispiel der bewölkten Himmelsfiäche, auf der Ebene eines in Glas ge- ritzten Gitters entwirft, so werden die Bilder verschiedener leuchtender Pimkte auf die verschiedenen durchsichtigen Spal- ten des Gitters geworfen, und man sollte also denken, dass die Interferenz des Lichtes, was durch benachbarte Spalten 206 Physikalische Optik. gegangen ist, aufhören sollte. Wenn man aber durch das Gitter nach dem Objectivglas hinsieht, und vor das letztere Kartenblätter schiebt, in welche man feine Spalten einge- schnitten hat, so sieht man mit blossem Auge sowohl an diesen Spalten, wie an den Aussenrändem der Blätter genau dieselben Diffractionsfransen, als wenn die Linse fortgenommen oder das Gitter aus ihrem Focus gebracht wird. Statt des Gitters habe ich dann auch zwei in ein Karten- blatt eingeschnittene feine Spalten benutzt, welche etwa 1 mm Abstand von einander hatten, und durch welche ich ein System sehr feiner Interferenzlinien in dem Diflfractionsbilde eines anderen Spaltes mit blossem Auge eben noch sehen konnte. Letzterer hatte die Form eines sehr kleinen spitzen Winkels. Nahe der Spitze dieses Winkels war er fein genug, um jene Interferenzstreifen zu zeigen. Auch diese Streifen verschwanden nicht, wenn ich das einfallende Licht zu einem optischen Bilde in der Ebene des Doppelspaltes vereinigte. In diesem Falle konnte der Verdacht, dass chromatische oder »7» sphärische Aben-ation der Strahlen sie über einen Zwischen- raum von 1 mm Breite ausgebreitet haben sollte, nicht im entferntesten aufkommen. Die Erklärung kann ich nur darin suchen, dass das Licht, was von dem Objectiv ausgehend durch den engsten Theil des Spaltes, der als optisches Object dient, hindurchgeht, so starke Diffraction erleidet, dass es nachher beide Oefl&iungen des Doppelspaltes mit entsprechender Wellenphase erreicht, und somit interferirende Bündel durch beide senden kann. Damit man die Interferenzstreifen sehen kann, ist es nöthig, dass deren Minima weiter von einander entfernt erscheinen, als die Breite des Lichtstreifens beträgt, dessen Bilder sie sind, und wenn diese Bedingung erfüllt ist, ergiebt die Theorie in der That, dass der mittelste helle Theil der Diffractionsfigur des einfachen Spaltes einen Lichtstreifen bildet, der breiter als der Abstand der beiden Spalten des Doppelspaltes ist Aehnliche, wenn auch schwerer der Rechnung zu unter- werfende Verhältnisse finden statt, wenn das Object die ein- fache Kante eines dunklen Schirms ist. Es ist bekannt, dass von einer solchen aus sich ebenfalls streifenförmig unter- Leistungsföhigkeit der Mikroskope. 207 brochene StraMenbündel in den dunklen Raum hineinziehen^ welche correspondirende Schwingungsphasen haben, und also durch einen zweiten Schirm gebeugt, regelmässig interferiren können. Dass die resultirende Wirkung hierbei nicht Null werden kann, ergiebt sich am einfachsten daraus, dass die Wirkung eines hellen Streifens dargestellt werden kann als die Summe der Wirkungen zweier unendlicher, durch eine gerade Linie begrenzter heller Halbebenen, die mit ihren Rän- dern etwas übereinander fallen, minus derjenigen einer ebenso hellen Gunzebene. Da die letztere keiQC Interferenzerscheinuug giebt, so könnte der helle Streifen allein in keiner Stelle des Raums eine solche geben, wo nicht auch jede der beiden Halbebenen eine solche giebt. Daraus folgt, dass auch das von einer geraden Kante aus gebeugte Licht sich in merklicher Starke ebenso weit ausbreiten muss wie das eines von zwei Spalten begrenzten Spaltes. Theorie der Diffraction im Mikroskop. Schliesslich will ich noch den Weg angeben, wie man die Diffraction der durch ein Mikroskop gehenden Strahlen theoretisch berechnen ß«) kann. Statt der einfachen Längen geradliniger Strahlen, wie sie bei der Theorie der Beugung des Lichtes, welches sich nur in einem und demselben optischen Medium fortpflanzt, zu be- trachten sind, muss man die optischen Längen derselben in Betracht ziehen, das heisst die Längen, welche man erhält, wenn man jedes Stück des Strahles mit dem Brechungsverhält- niss des Medium multiplicirt, in dem er sich bewegt, und alle diese Producte addirt. Die Wellenphasen zweier Strahlen, die von demselben leuchtenden Punkte ausgegangen sind, und gleiche optische Länge haben, sind auch am anderen End- punkt einander gleich, weil die Wellenlängen in verschiedenen Medien den Brechungsverhältnissen umgekehrt proportional sind. Femer ist bekannt^), dass die optische Länge aller Strahlen zwischen zwei conjugirten Brennpunkten desselben Strahlenbündels, in denen eine vollkommene Vereinigung die- ser Strahlen stattfindet, gleich gross ist. 1) Der Beweis der hier angeführten Sätze findet sich unter andern aach in meinem Handbache der Physiologischen Optik. S. 238—249. (Oben S. 849—864.) 208 Physikalische Optik. Um die Di&action durch die relativ engste Apertur des Mikroskops zu berechnen, wird man jeden Punkt c in der Ebene dieser Apertur als Strahlencentrum behandeln müssen, dessen Phase gegeben ist durch die optische Länge des normal gebrochenen Strahles, der von dem leuchtenden Objectpunkte a aus nach c gelangt ist; welche Länge ich mit {ac) bezeichne. Andererseits hängt der Phasenunterschied zwischen c und dem Punkte b in der Bildfläche, für den die Helligkeit gesucht wird, von der optischen Länge [cb) ab, die dem normal ge- brochenen, von c nach b gehenden Strahle zukommt. Die Phase der von a durch c, als neues Strahlencentrum, nach b fortgepflanzten Bewegung wird also abhängen von der Summe der optischen Längen [ac) + [cb\ Der Antheil, den dieser Strahl an der Bewegung im Punkte * hat, wird zu geben sein durch einen Ausdruck von der Form: A. sin j ^ [(ac) + [cb) -at + Const } wo X die Wellenlänge im leeren Baume, a die Fortpflanzungs- geschwindigkeit, t die Zeit bezeichnet. Die Summe dieser *®i Grösse, genommen für sämmtliche Punkte c der Oeffnung, wo- bei der Factor A als annähernd unabhängig von c angesehen werden kann, wird schliesslich die Bewegung in b bestimmen. Denkt man sich nun die von a und b nach den Punkten c der relativ engsten Apertur gehenden Strahlen verlängert in der Richtung, .welche sie in den Punkten c haben, bis sie sich schneiden in den Punkten cc und /9, so werden diese letzterer Punkte die in dem Medium von c entworfenen Bilder der Punkte a und b sein. Da nun nach dem oben Gesagten die optischen Längen [aa) und [bß) als Längen zwischen conjugir* ten Brennpunkten constant sind, so kann man setzen: [ac) = [aa) — [ca) [cb) = ißb) - {ßc). Die Sichtung der Bewegung des Strahles muss nur immer vom ersten zum zweiten Buchstaben fortlaufend gedacht, und [ca) = — (öfc), sowie {ßc) = — [cß) gesetzt werden. Dann wird der Ausdruck fiir die Wirkung, des einzelnen Strahles auf den Punkt b gleich: LeistungsfiÜugkeit der Mikroskope. 209 A. sin. j I? [{ac) - (^c) - 1 + {aa) + (ßb)j + c] Die einzigen mit dem Punkte c veränderlichen Grlieder unter dem Sinuszeichen sind {ac) -- (ßc); diese optischen Längen liegen aber ganz in dem Medium von c, imd sind also gerade Linien« Somit wird die Difi&actionswirkung des Lichtes von a im Punkte by abgesehen von dem Factor Aj der die 6e- sammtintensität giebt, dieselbe werden^ als die des Lichtes von a f&r den Punkt ß. Die letztere ist aber in der bekannten, f^ geradlinige Strahlen geltenden Weise zu berechnen. Es sei yy Fig. 23 die relativ engste Apertur, imd c ihr I / \ Ai 7 ■ Fig. 23. Mittelpunkt, B der hinter der Apertur folgende Theil des optischen Systems. Es sei a das Bild des Axenpunktes a des Objectes, femer 582 aß dessen im Medium von yy liegendes Bild, und fb das durch B davon im letzten Medium entworfene Bild. Wenn von a Licht ausgeht, und dasselbe durch die OeflFnung yy von Eadius g gesehen wird, so werden rings um cc Interferenz- fransen erscheinen, bei denen die Distanz S je zweier benach- barter Maxima (mit Ausnahme der beiden ersten) nach be- kannten Gesetzen gleich ist: A — ^^ — 1 ^ ^ " 2^ ~ 5 « > wenn wir mit a auch, wie früher, den als klein vorausge- setzten Divergenzwinkel cay bezeichnen. Ist N die Vergrös- serong des Bildes bf im Vergleich zu a/S, so wird in */ die Fransenbreite d^ sein: oder da n a Htlmholts» wiMenMh. Abhuidliingtii. U, 14 210 Physikalische Optik. wenn u den Divergenzwinkel des austretenden StraMes, n das Brechungsverhältniss des letzten Medium, n das des Medium bei c bezeichnet: ^ = 2%-^ (8a) Wenn n = w', so ist dieser Werth der Fransenbreite im Bilde hf dem obigen für aß ganz analog gebildet, und diesei- Umstand zeigt, dass die Fransen im letzten Bilde gerade so gross sind, als sähe man es durch die Oeffnung, die den Strahlenkegel vom Divergenzwinkel a begrenzt, das heisst durch das Ocularbüd der engsten Blendung. Dieser Beweis setzt nur voraus, dass die relativ engste Blendung an einer Stelle liegt, wo die Divergenzwinkel der Strahlenkegel sehr klein sind; übrigens kann sie an jeder Stelle des Instrumentes liegen. Bei einem Immersionsmikroskop ist allerdings diese Bedingung nicht erfüllt, wenn die unterste Begrenzung des Objectivglases die relativ engste Apertur ist Sie wäre es aber schon, wenn die Blendung an der oberen Seite der zweiten oder dritten Linse läge. Selbst wenn also keine seitliche Ausbreitung der Lichtbewegung vorkäme auf 683 dem Wege durch die unteren Objectivlinsen, wo der Strahlen- kegel noch stark divergirend ist, so würde von da ab, wo er schwach divergent oder convergent geworden ist, seine seit- liche Begrenzung, sei sie nun durch ein dort liegendes reelles Diaphragma erzeugt oder nur durch den bisherigen Lauf der Strahlen bedingt, doch DifiFraction hervorbringen müssen. Für das Endresultat macht es schliesslich kaum einen Unterschied, ob man sich die Apertur am Umfiang desselben Strahlenbündels etwas weiter vor oder weiter zurückliegend denkt. Ihr von den Ocularlinsen entworfenes Bild wird um ein Minimum grösser, wenn sie in der Höhe der obersten Objectivlinse liegt, als wenn sie in der Höhe der untersten liegt, aber der Unterschied ist ohne praktische Bedeutung. In Gleichung (8) ist b' die Fransenbreite im letzten Bilde. a der Divergenzwinkel in dem Medium, wo die Blendung liegt, A die Wellenlänge eben da, N die Vergrösserung des letzten Bildes gegen dasjenige, welches die die Blendung pas- sirenden Strahlen erzeugen. Bezeichnen wir dagegen mit iVj Leistungsfähigkeit der Mikroskope. 211 die Yergrösserung des letzten Bildes in Bezug auf das Object, mit Aj und n^ die Wellenlänge und das Brechungsverhältniss filr das Medium, in dem das Object liegt, so können wir nach Gleichung (7) setzen da c^ als klein betrachtet wird; a^ ist der Divergenz winkel im ersten Medium. Setzen wir den Werth von a/N in die Gleichung (8), so wird dies: ö' , 2 « 1 oder da An = A^tIj = A^jW^, welche letztere Werthe sich auf Luft beziehen, so haben wir Ni 2 sin «i 2 sin «o ^ ' Dies € ist die wahre Grösse derjenigen Längen im Ob- ject, welche im vergrösserten Bilde der Fransenbreite gleich erscheinen und deshalb verwischt werden. Es kann also £ sh als das Maass der kleinsten unterscheidbaren Distanzen im Ob- ject angesehen werden. Das € wird am kleinsten, wenn Uq am grössten, das heisst gleich einem Rechten wird. Als- dann ist a = JAo (9) Diese Grenzbestimmung ist, wie man sieht, ebenfalls un- abhängig von dem Bau des optischen Apparats. Sie gilt ebenso gut für einen photographischen Apparat wie für die Verbindung des Mikroskops mit dem Auge des Beobachters. £s sind dies die Formeln, die den obigen Berechnungen zu Grunde gelegt sind. Nachschrift. Die vorliegende Arbeit war fertig ausge- arbeitet und zur Absendung bereit, als ich im letzten Augen- blick die im Aprilheft 1874 des Archivs für mikroskopische Anatomie veröffentlichte Arbeit von Bxn. Professor E. Abbe: „Beitrage zur Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahrnehmung" zu Gesicht bekam. Dieselbe enthält eine vor- läufige Zusammenstellung der Ergebnisse ausgedehnter, theils theoretischer, theils experimenteller Untersuchungen, welche 14* 212 Physikalische Optik. zum grossen Theil mit den von mir gegebenen zusammenfal- len. Die Theoreme über Divergenz der Strahlenbündel, über die Grösse der DifEraction in Mikroskopen und über deren Helligkeit, welche die Grundlage meiner Schlüsse bilden, sind auch von Hm. Abbe gefunden, aber zunächst ohne Beweis veröffentlicht Ausserdem enthält dessen Arbeit aber auch einen Abriss von wichtigen Untersuchungen über die Diffraction in den mikroskopischen Öbjecten selbst bei schmalen Beleuch- tungskegeln. Die besondere festliche Veranlassung, zu welcher dieser Band der Annalen veröffentlicht wird, verbietet mir, meine Arbeit zurückzuhalten oder ganz zurückzuziehen. Da sie die von Hm. Abbe noch zurückgehaltenen Beweise der von uns beiden gebrauchten Theoreme und einige einfache Ver- suche zur Erläuterung der theoretischen Betrachtungen ent- hält, mag ihre Veröffentlichung auch vom wissenschaftlichen Standpunkte aus entschuldigt werden. LVIL Znr Theorie der anomalen Dispersion. AuB Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie. Bd. 154. S. 582 bis 596. 1875. Monatsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. October 1874. Hr, W. Seilmeier hat in Pogg. Annal. Bd. 145, S. 399 ß« und 520, Bd. 147, S. 386 und 525 eine Theorie der ano- malen Dispersion gegeben, welche von den bisher beschrie- benen wesentlichen Zügen des genannten Phänomens Bechen- schaft zu geben wohl geeignet ist. Die Grundlage seiner Erklärung ist die Annahme von ponderablen in den Aether eingelagerten Molekeln, welche des Mitschwingens fähig sind. Nur für diejenigen Fälle bietet seine Hypothese Schwierig- keiten, wo die eigene Schwingungsperiode der mitschwingenden Molekeln der der Lichtoscillationen gleich wird. Dann näm- sss lieh tritt thatsächlich Absorption des Lichtes ein, das heisst Vernichtung der lebendigen Kraft der Lichtschwingungen. Nun hat aber Hr. Seilmeier in seine Bechnungen keine Kraft eingeführt, welche die mechanische Arbeit der schwin- genden Bewegung vernichten, beziehlich in Wärme verwandeln könnte, sondern hilft sich für diesen Fall mit Betrachtungen, die das Wesen des Vorgangs vielleicht richtig beschreiben mögen, aber vorläufig den Nachtheil haben, keiner analytischen Fassung zugänglich zu sein. Ein zweiter Aufsatz über die Theorie desselben Phäno- mens ist von Hm. Ketteier im Jubelbande von Pogg. Annal. g^^ben worden. Der Autor geht darin, nicht unmittelbar zurück auf die Mechanik der Aetherschwingungen, sondern 214 Physikalische Optik. hat sich nur bemüht Formeln für die Abhängigkeit des Brechungscoöfficienten von der Wellenlänge den Experimenten anzupassen. Diese Formeln sind aber nach Analogie derjeni- gen gebildet, welche er selbst in früheren Aufsätzen aus der Annahme mitschwingender Atome hergeleitet hatte. Auch hier sind Kräfte, welche Absorption bedingen können, nicht in die Rechnung eingeführt. Die Folge davon ist, dass die ange- wendeten Formeln zum Theil zwei oder mehrere Werthe für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit und Brechung ergeben und kein bestimmter Grund erhellt, warum gerade der eine oder andere Zweig der Curven als der den thatsächlichen Verhält- nissen entsprechende gewählt wird. Anderseits hat Hr. 0. E.Meyer (Poggend. Annal. Bd. 145, S. 80) Reibung im Aether, aber ohne mitschwingende Theilchen angenommen und daraus wohl Aenderungen der Brechung in dem gewünschten Sinne, aber keine Absorption eines eng begrenzten Farbenstreifens ableiten können. Ich habe nun versucht die von Hm. Sellmeier gegebene Erklärung in der Weise umzubilden, dass ich eine Reibungs- kraft, welche der Bewegung der ponderablen Molekeln ent- 684 gegenwirkt, in derselben Form eingeführt habe, wie sie sich bei den langsameren Schwingungen des Pendels und der tönenden Körper wohl bewährt und eine mit den Versuchen gut zusam- menstimmende Theorie des Mitschwingens ergeben hat. Die Untersuchung hat auch für einen mit mitschwingenden Theil- chen beladenen Aether gute Resultate ergeben und wenn man sich dabei auf die einfachsten, für das Wesen des Phänomens nothwendigsten Annahmen beschränkt, so gewinnt man eine verhältnissmässig einfache und kurz zusammenfassende Theorie. Um zunächst die Verwickelungen zu beseitigen, welche die Einführung discontinuirlich vertheilter Molekeln in der Rech- nung hervorbringt, Schwierigkeiten, deren Ueberwindung übri- gens in den von Cauchy und seinen Nachfolgern ausgebildeten theoretischen Arbeiten gelehrt wird, nehme ich an, dass die ponderablen Atome dicht genug liegen, um alle Theile der zwischen ihnen liegenden Aethermassen in merklich gleich- massiger Weise zu afficiren, so als ob der Aether und die mit ihm schwingenden ponderablen Atome zwei sich gegenseitig Anomale Dispersion. 215 durchdringende continnirliche Medien bilden, welche sich gegen einander verschieben können. Eine solche Annahme wird er- laubt sein, wenn die Entfernungen der ponderablen Theile von einander verschwindend klein gegen die Wellenlänge sind. Ferner wird es genügen, hier nur eine Art ponderabler Atome anzunehmen, welche in Mitschwingungen versetzt wer- den- Wir beschränken uns auf die Untersuchung ebener Wel- len, die sich in Sichtung der y fortpflanzen. Es sei mit x die Verschiebung der ponderablen Theilchen, mit | die der Aether- theilchen zur Zeit t bezeichnet für eine Schicht, deren Coor- dinate y ist. Wenn nur die Elasticität des Aethers wirkt, ist die Be- wegungsgleichung des Aethers für ebene Wellen bekanntlich von der Form: worin fjL die Dichtigkeit und a^ die Elasticitätsconstante des Aethers bezeichnet. Die linke Seite dieser Gleichung drückt sss die für die Volumeneinheit berechnete Kraft durch die Be- schleunigung aus, die der Aether erleidet; die rechte Seite giebt dieselbe Kraft, als herrührend von der elastischen De- formation des benachbarten Aethers. Um nun die Bewegungsgleichung zu vervollständigen für den Fall, dass eingelagerte ponderable Theile, die aber wie ein continuirliches Medium wirken, eine Kraft auf den Aether ausüben, werden wir für unendlich kleine Verschiebungen (als welche die Lichtschwingungen ja immer vorzustellen sind) diese Kraft der relativen Lagenänderung des Aethers gegen das System der benachbarten ponderablen Atome proportional setzen dürfen und erhalten so : 1. Die Bewegungsgleichung des Aethers Dazu kommt die Bewegungsgleichung der ponderablen Atome, deren Dichtigkeit wir mit m bezeichnen. Auf die Vo- lumeneinheit berechnet wäre m (Pxjdfi die auf sie wirkende Kraft, gemessen durch die Beschleunigung. Andererseits wird diese Kraft zusammengesetzt sein: 216 Physikalische Optik. a) aus der Kraft, die der Aether auf die ponderablen Atome ausübt, nämlich ß^ (^ — :i); b) aus der Kraft, welche die übrigen, relativ festliegenden Theile der ponderablen Massen, wenn solche da sind, auf den bewegten Theil ausüben. Wiederum mag hier zur Verein- fachung der Bechnung die der Wirklichkeit wohl nicht ganz entsprechende, mechanisch aber unanstössige Annahme gemacht werden, dass schwere centrale Massen der Molekeln festliegen imd die beweglichen Theile derselben gegen diese und den Aether eine bestimmte Gleichgewichtslage zu bewahren stre- ben. Bei der Verschiebung der beweglichen Atome um x setzen vdr die E[raft, welche sie in die Grleichgewichtslage zurückflihrt, gleich — a^ x. c) Wenn Absorption stattfindet, muss lebendige Kraft der Wellenbewegung in innere unregelmässige Bewegung der Mo- 680 lekeln, d. h. in Wärme, übergeführt werden, durch einen der Reibung im Besultat ähnlichen Vorgang. Wir nehmen also noch eine der Beibimg ähnliche Kraft an zwischen dem beweg- lichen und dem festliegenden Theil der Atome jedes Molekels und setzen diese gleich —y^.dxldt 2. Die Bewegungsgleichung der mitschwingen- den Atome ist dann: Durch die beiden GHeichungen (1) und (1 a) ist die Be- wegung ebener Wellen vollständig bestimmt. Ein entsprechendes particuläres Integral ist: x = A ^y~«*«' Setzen wir diese Werthe in die Gleichungen (1) und (la), so erhalten wir die beiden Gleichungen: l-mn* + a' + ß^-rUn]A = ß*%\ ^ ' Das Product beider Gleichungen eigiebt nach Weglassang des Factors A^: tun« + aU*){mn'^ - a* + y'in) - ß*[mn^ -a* + y^in + fin*+ cc^P] =0 (2) Anomale Dispersion. 217 oder "^ »« ^ a« "~ ifiV* [^ + mn^-a^-ß^ + fUnj ^ ^ Diese Bedingung muss also zwischen den Constanten der Gleichung (2) erfüllt sein, wenn sie als Integrale der Glei- chungen (1) und (1 a) zulässig sein sollen. Demnächst ist dann mittels der Gleichungen (2a) das Yerhältniss %:A zu be- stimmen. Soll die in (2) dargestellte Bewegung rein periodische Os- cillationen darstellen, so muss n reell sein. Dann wird / der Begel nach complex sein. Wir wollen es schreiben: '=-Ä+7 (2c) Darin wird k den Absorptionsco6fficienten darstellen und c die 587 Fortpflanzungsgeschwindigkeit; unter k und c sind reelle Werthe zu verstehen. Setzen wir diese Werthe in (2 b) und trennen das Reelle Tom Imaginären, so erhalten wir folgende zwei Gleichungen: durch deren Auflösung k und c gefunden werden können. Man setze: 1 — =Q cos OJ, k - = p sm ö), n wobei 0) im ersten Quadranten liege, während g positiv oder negativ sein kann. Dann sind die oben gefundenen Werthe von -= r = p* cos 2 w = F, 2k — = p* sin 2 0} = Gj cn ^ ' und daraus g und la also auch 1/c und k/n zu finden. 218 Physikalische Optik. Die Wurzel muss hier positiven Werth haben , da ihr Werth gleich Q^ sein soll. Gang der Function bei schwacher Absorption. Ist G^ \ingungszahl einem festen Werthe: 1 = ü. £93 Wären die Dichtigkeit /i des Aethers und seine Elasticitäts- constante a^ ftLr das durchsichtige Medium dieselben wie für den freien Baum, so würde das Brechungsverhältniss für die schnellsten Oscillationen gleich 1 werden, was nicht zulässig erscheint den Beobachtungen gegenüber. Man muss also in den durchsichtigen Medien entweder eine solche veränderte Structur des Aethers annehmen, dass yija^ grösser als im Anomale Dispersion. 223 freien Baume wird, oder mit Hrn. Sellmeier annehmen, dass jenseits des Ultraviolett in jedem Spectrum einer durchsich- tigen Substanz starke Absorptionen vorkommen , welche im ganzen sichtbaren Spectrum das Brechungsverhältniss in die Höhe treiben. Für sehr kleine Werthe von n andererseits wird; ^ «» (a« + ß^) n « G^^—P'f .1, also GlF=0. Mittels der Reihen (2e) ergiebt sich: k = ßa 1= ß'f . c ^naia^+ß"")^ Wenn a = 0, wird ä = 0 und 1 /c = oc ; sonst werden beide Werthe endlich sein. In der Nähe der Farbe stärkster Absorption lässt sich der Grang der Absorption und Brechung, wie ihn die Glei- chungen (2 d) und (2 e) ergeben, durch die folgende Construction versinnlichen. Man setze: p^H^=tang(ü, wobei CO von — ;r/2 bis +7tl2 gehen wird, wenn n von 0 bis CO geht. Wie der Werth von « aus dem gegebenen Werthe ßw von n durch Construction zu finden ist, wollen wir erst am Schluss besprechen. Man mache (s. Fig. 24 S. 224)die Strecke: errichte in B das Loth BD von der Länge: BD ß* a* Y*^^ und constmire einen Kreis, dessen Durchmesser BD ist. Man mache den Winkel DBE = co] E sei der Schnittpunkt seines 224 PbyaikaUBche Optik. zweiten Schenkels mit dem Ejeise. Dann ftlle man von E das Loth EH auf die Linie AB, so ist: AH= F und EH= G. also: AE=VW+G\ ^==^{AE + AH), ^, = ^{AE-AH). n M ^-n. K Fig. 24. Wenn der Absorptionsstreifen schmal ist, sodass sich n nicht erheblich ändert, während man durch ihn hindurch geht, so kann man in den Werthen der Strecken AB und BD das 606 n constant setzen und dafilr den Werth v nehmen: mv^ = a^ + ß^ welcher etwa der Mitte des Absorptionsstreifens entspricht Dann wird, während n wächst, der Punkt E den festen Kreis durchlaufen, auf dessen oberster Seite bei D wird die stiürkste Absorption eintreten, dagegen vorher an der von A abgewen- deten Seite die stärkste, nachher an der A zugewendeten Seite die schwächste Brechung. Unter derselben Voraussetzung ergiebt sich der Werth von tang 0) annähernd: Anomale DispersioD. 226 tangcü (» — y)m 2 r Man verlängere DB über B hinaus, mache: BK^^y m ziehe dnrch K die Parallele LK mit ^jS, mache XüTb y and trage nnn die Werthe des n von X anfangend auf LK ab. Es sei z. B. LM^Uj so ist annähernd der Winkel MBK^ a>, und der Punkt E wird gefunden, wenn man die Linie MB zieht und sie verlängert, bis sie zum zweiten Male den Kreis schneidet. Es ist leicht ersichtlich, dass je kleiner ^ÜT ist, desto kleinere YeriLnderungen genügen werden, um den Punkt E gleiche Bogen des Kreises durchlaufen zu lassen, was schmalen Absorptionsstreifen entspricht. Die Stärke der Absorption hängt dagegen von dem Durchmesser BD ab. Eine Methode zu genauerer Construction des Winkels m lässt sich leicht finden ftir FäUe, wo die Absorptionsstreifen breiter sind. Die hier beschriebene Construction wird im Wesent- lichen genügen, um den Gttng der Erscheinung verfolgen zu lassen. Dabei zeigt sich nun wieder, dass die Curve der Brechung sich fortdauernd continuirlich verändert und auch zwischen dem MüTiTTinTn und Minimum durch den Absorptionsstreifen von jenem zu diesem absteigend hindurchläuft: Dass die Curve der Brechung einen solchen Gang habe, hat schon Hr. Chri- stiansen aus seinen Versuchen geschlossen. (Poggend. Annal. Bd- 143.) Neuere Beobachtungen, welche Hr. Dr. Wernicke kürz- »•« lieh der hiesigen physikalischen Gesellschaft mitgetheilt hat, bestätigen dasselbe. Die Ausdehnung der Theorie der Medien mit einer grös- seren Anzahl von Absorptionsstreifen würde so geschehen können, dass man statt Gleichung (1) setzte: wo der Index a sich auf die verschiedenen Arten mitschwin- Htlmholfts, wiiMnaeh. Abhudlungra. IL 15 226 PhyBikflliflche Optik. gender Massen bezieht. Für jede derselben würde dann eine andere Bewegungsgleichung bestehend entsprechend (la): Wenn wir für ebene Wellen Integrale von der Form der Grleichungen (2) annehmen, erhalten wir eine lineare Gleichung für die complexe Constante P, deren reeller und imaginärer Theil wieder wie oben die Absorption k und Fortpflanzungs- geschwindigkeit c bestimmen. Die Werthe von k und c lassen sich also dann immer noch durch directe Auflösung der Glei- chungen finden, aber der G^ng ihrer Werthe bei wachsendem n wird allerdings beträchtlich complicirter als in dem betrach- teten einfachen Falle. Der Gang der Functionen Uesse sich auch dann durch eine Construction, wie die oben gegebene, anschaulich machen, nur müssten über der Linie LK, auf der die Werthe von n abgetragen werden, mehrere Kreise den verschiedenen Absorptionsstreifen entsprechend, von vielleicht verschiedener Grösse, verschiedenen verticalen und horizontalen Abstände stehen. Die EH entsprechenden Strecken würden miteinander zu addiren sein, und ebenso die ^^entsprechenden unter einander und zu AB, Der Gting der Brechung würde im Ganzen derselbe werden, wie ihn Hr. Kundt in den Annalen Bd. 144, S. 131 beschrieben hat. Physiologische Optik. 15 Lvm. Beschreibimg eines Angenspiegels zur Untersnchnng der Netzhaut im lebenden Auge. Berlin 1851. A. Förstner'sche Verlagsbuchhandlung. Vorliegende Abhandlung enthält die Beschreibung eines s optischen Instrumentes, durch welches es möglich ist im leben- den Auge die Netzhaut selbst und die Bilder leuchtender Körper, welche auf ihr entworfen werden, genau zu sehen und zu erkennen. Das Instrument hat für diesen Zweck haupt- sächlich zwei verschiedene Aufgaben zu lösen. Erstens er- scheint uns alles, was wir vom Hintergrund des unverletzten Auges erblicken können, absolut dunkel. Der Grund davon liegt, wie ich zeigen werde, in den lichtbrechenden Medien des Auges, welche unter gewöhnlichen Umständen verhindern, dass wir erleuchtete Netzhautstellen hinter der Pupille erscheinen sehen. Deshalb handelt es sich zunächst darum, eine Be- leuchtungsart zu finden, durch welche gerade der Theil der Netzhaut, nach welchem wir durch die Pupille hinsehen, aus- reichend erhellt werde. Zweitens erblicken wir den Hinter- grund des Auges nur durch die lichtbrechenden Mittel hin- durch. Diese entwerfen aber von den Netzhautobjecten Bilder, welche im allgemeinen ftir den Beobachter nicht in den Grenzen des deutlichen Sehens liegen. Wir brauchen also neben einem eigenthümlichen Verfahren zur Beleuchtung auch noch optische « Hül&mittel, welche dem beobachtenden Auge eine richtige Ac- commodation für die Gegenstände, die es sehen soll, möglich machen. 230 Physiologische Optik. 1. Beleuchtung. Um die wesentlichen Bedingungen für die Methode der Beleuchtung finden zu können ^ müssen wir uns zunächst klar machen, warum uns ftir gewöhnlich der Grund des Auges hinter der Pupille in so tiefer Schwärze erscheint. Die Ursache davon ist nicht die Beschaffenheit des Pig- ments der Chorioidea; denn wenn selbst die Pigmentschicht das auffallende Licht yollständiger absorbirte als irgend ein anderer schwarzer Körper, den wir kennen, so liegen 'doch vor ihr Theile, welche hinreichend viel von dem auffallenden Lichte reflectiren können, um gesehen zu werden. Das gilt zunächst schon von der Substanz der Netzhaut, welche allerdings im frischen Zustande sehr durchsichtig ist, und sich wenig auf der schwarzen Pigmentunterlage abzeichnet, in viel höherem Grade aber von den Blutgefässen dieser Membran, deren Stämmchen Blut genug ftihren, um eine kräftige rothe Färbung darzu- bieten. Endlich kommt sogar im Grunde des Auges eine glänzend weisse Stelle vor, nämlich die Eintrittsstelle des Seh- nerven, auf welcher gar kein Pigment liegt, und die deshalb alles auffallende Licht reflectirt. Und doch bemerken wir unter gewöhnlichen Umständen hinter der Pupille des leben- den Auges weder von der rothen Farbe des Blutes noch von der weissen des Sehnerven die geringste Spur. Es lässt sich vielmehr durch einen einfachen Versuch 6 zeigen^ dass nicht die Färbung des Hintergrundes, sondern nur die Brechung des Lichtes in den Augenmedien die Ursache der tiefen Schwärzung der Pupille ist. Man nehme irgend eine kleine, innen wohl geschwärzte Camera obscura, z. B. ein künstliches Auge, und bringe an die Stelle, wo das Bild ent- worfen wird, eine undurchsichtige weisse Tafel, z. B. eine solche aus dickem weissem Zeichenpapier. Es lassen sich dazu unter anderen die Ocularröhren der meisten Mikroskope gebrauchen, nachdem man das Ocularglas daraus entfernt, das CoUectiv- glas aber darin gelassen hat. Diese Bohren sind meistens genau so lang als die Brennweite des Collectivglases. Setzt man sie mit dem Ende, welches das Ocular enthielt, auf die weisse Tafel auf, so bilden sie eine Camera obscura, wie wir Augenspiegel. 231 sie brauchen. Es werden in diesem Falle sehr helle Bilder der umgebenden lichten Gegenstände auf der weissen Tafel entworfen, und doch sieht das Innere des Instrumentes, wenn man durch die Glaslinse in beliebiger Richtung hineinsieht, absolut schwarz aus. Wir haben hier eine künstliche Nach- bildung des Auges, wo Hornhaut und Ejystalllinse durch das Objectivglas der £ammer, die Betina durch eine helle weisse Papierääche ersetzt werden, aber es findet scheinbar dieselbe Yollständige Dunkelheit des inneren Baumes wie im Auge statt, so lange die Papierfiäche genau da liegt, wo die Bilderchen der äusseren Gegenstände entworfen werden. Nimmt man das Conyexglas fort, oder ändert man seine Entfernung von der Papierfläche bedeutend, so erscheint dem Beschauer so- gleich die helle weisse Farbe der letzteren. Wie kann nun die Brechung des Lichtes das besprochene Phänomen bedingen? Ueberlegen wir den G«ng, welchen die e Lichtstrahlen nach den physikalischen Gesetzen der Licht- brechung im Auge nehmen müssen. Es falle Licht von einem leuchtenden Punkte auf einpassend accommodirtes Auge, von dem wir annehmen wollen, dass es vollkommen genau gebildet sei, d. h. alle von jenem Punkte einfallenden Lichtstrahlen auch auf einen einzigen Punkt der Retina concentrire. Von dem Lichte, welches durch die Augen- medien convergirend bis zu dieser Membran gedrungen ist, wird der grösste Theil durch das schwarze Pigment absorbirt, der kleinere theils von den Nervenelementen und Blutgefässen, theils von der Schicht der stabformigen Körperchen reflectirt. Was von den letzteren zurückgeworfen wird, geht, wie E. Brücke gezeigt hat, durch die Pupille wieder hinaus, ohne sich nach einem anderen Theile der Wand des Auges hin zu zerstreuen. Dadurch wird die Verbreitung merklicher Quanti- täten zerstreuten Lichtes innerhalb des Auges vermieden. Die reflectirten Strahlen, die von dem Convergenzpunkte auf der Netzhaut aus divergirend zu den brechenden Flächen des Auges zurückgehen, verfolgen alsdann genau denselben Weg in umgekehrter Richtung, auf welchem die einfallenden Strahlen des leuchtenden Punktes von den brechenden Flächen des Auges aus nach der Netzhaut zu convergirten. Daraus folgt. 232 Physiologische Optik. dass die rückkehrenden Strahlen, auch nachdem sie durch die brechenden Medien hindurch und aus dem Auge heraus ge- treten sind, den einfallenden vollständig congruent sein müssen, sich schliesslich also alle wieder zu dem ursprünglich leuchten* den Punkte zurückbegeben werden. Denn wenn zwei Strahlen, welche durch mehrere einfach brechende Medien in entgegengesetzter Bichtung hindurch- gehen, in einem derselben congruiren, müssen sie es in allen. 7 An den Grrenzflächen des Mediums nämlich, innerhalb dessen sie congruiren, ist der Einfallswinkel des austretenden Strahles identisch mit dem Brechungswinkel des eindringenden. Da nun nach dem Brechungsgesetz das Verhältniss der Sinus zwischen Einfalls- und Brechungswinkel des ersteren gerade eben so gross ist wie das zwischen Brechungs- und Einfalls- winkel des letzteren, so müssen auch auf der anderen Seite der brechenden Fläche der Brechungswinkel des austretenden und der Einfallswinkel des eindringenden Strahles gleich sein. Da gleichzeitig alle diese Strahlen in einer Ebene^ der Brechungs- ebene, liegen, so folgt, dass sie auch im zweiten Medium ganz in einander fiedlen. Ebenso ergiebt es sich weiter für das dritte, vierte Medium u. s. w. Wenden wir das auf den Fall an, wo ein beliebiges Sy- stem brechender Flächen ein genaues Bild eines leuchtendes Punktes a in dem Punkte b erzeugt, d. h. alle Strahlen, welche von a ausgehen, in b wieder vereinigt: so ergiebt sich die be- kannte Thatsache, dass dann auch stets a das Bild von b sein wird, wenn letzteres Strahlen aussendet. G-enau auf denselben Wegen nämlich, auf denen Strahlen von a nach b gehen, können sie auch von b nach a zurückgehen. Ist nun a em leuchtender Punkt ausserhalb des Auges, und b sein Bild, ein Punkt der Netzhaut, so werden die Augenmedien das zurück- kehrende Licht genau in a wieder zu einem Bilde von b con- centriren. Das Bild des erleuchteten Netzhautpunktes wird genau mit dem ursprünglich leuchtenden Punkte zusammen- fallen. Dasselbe gilt auch noch, wenn wir es nicht mit einem leuchtenden Punkte, sondern mit einer leuchtenden Fläche oder einem Körper zu thun haben, sobald das Auge für ihre Be- grenzungslinien richtig accommodirt ist. Alles einfallende Licht, Augenfipiegel. 233 welches zurückgeworfen wird, kann immer nur na»ch seinem Ausgangspunkte zurückgehen und nie irgend eine andere Bich- ^ tung einschlagen. Daraus folgt, dass wir ohne besondere Hülfsmittel nichts von der beleuchteten Stelle der Retina sehen können, weil wir unser Auge nicht in die Sichtung des zurückkommenden Lichtes bringen können, ohne gleichzeitig das einfallende gänz- lich abzuschneiden. Zu unserer Pupille kann aus der Tiefe des fremden Auges kein Licht zurückkehren, welches nicht Ton ihr ausgegangen ist. Und da für gewöhnlich keines von ihr ausgeht, so sieht sie in dem Dunkel des fremden Auges nur den Wiederschein ihrer eigenen Schwärze; nur diejenige Netzhautstelle wird ihr sichtbar, auf welcher ihr eigenes dunkles Bild sich abbildet. Wir haben bis jetzt vorausgesetzt, dass das beobachtete Auge absolut genaue Bilder liefere. Wenn das nicht der Fall ist, so können die bisher aufgestellten Sätze nicht mehr in aller Strenge gelten, es wird das zurückkehrende Licht zwar im al^emeinen nach dem leuchtenden Körper sich hinwenden, aber auch zum Thefl vorbeigehen, und ein Beobachter, welcher sich der Bichtungslinie des einfallenden Lichtes möglichst an- nähert, wird einen Theil des austretenden Lichtes wahrnehmen können. Darauf beruhen die Methoden von Cumming^) und Brücke ^, das Leuchten der Menschenaugen zu beobachten. Aus dem Bisherigen ist ersichtlich, dass hierbei das Leuchten desto stärker sein muss, je weniger genau die Strahlen eines leuchtenden Punktes auf einen Punkt der Netzhaut concentrirt werden, daher namentlich bei mangelnder Accommodation. Uebri- o gens habe ich mich überzeugt, dass man ein schwaches Leuchten nach der Methode von E. Brücke auch an scharf sehenden Augen bei vollkommener Accommodation fär den leuchtenden Köri>er bemerken kann, woraus zu schliessen ist, dass unter allen umständen eine kleine Menge des einfallenden Lichtes seitlich zerstreut wird. Der Grund davon mag üngenauigkeit des Auges, imvoUkommene Durchsichtigkeit seiner brechenden Theile oder Diffraction am Bande der Pupille sein. 1) Medic Chirurg. Transactions. T. 29 p. 284. 2) J. Müller' 8 Archiv. 1847. p. 225. 234 Physiologische Optik. Jedenfalls nimmt bei diesen Versuchen der Beobachter nur einen kleinen Theil des zurückkommenden Lichtes wahr, und zwar gerade den unregelmässig gebrochenen, welcher zur Erzeugung eines regelmässigen Bildes nicht mehr zu benutzen ist Zur Erreichung unseres Zweckes ist eine andere Methode nothwendig, die es möglich macht, nicht bloss annähernd, sondern genau in der Richtung des einfallenden Lichtes in das Auge hinein zu sehen. Das Hülfsmittel dazu ist schon in einer zu- fälligen Beobachtung von v. Er lach gefunden, welche E. Brücke anführt, v. Erlach, der eine Brille trug, sah nämlich die Augen eines Bekannten leuchten, wenn letzterer in den Gläsern der Brille das im Zimmer befindliche Licht gespiegelt sah. Hierbei wurden also unbelegte Gläser als Beleuchtungsspiegel benutzt, und durch eben diese sah der Beobachter nach dem beobachteten Auge hin. Gtinz dasselbe Hül&mittel werden wir ftb: unseren Zweck benutzen, die Brillengläser aber mit Vortheil durch gut geschliffene ebene Gläser ersetzen. In einem verdunkelten Zimmer, wo sich nur eine Licht- quelle, eine gut brennende Lampe oder eine Oeffnung im Fensterladen für das Sonnenlicht vorfindet, stelle man eine 10 kleine ebene Glasplatte so, dass das beobachtete Auge darin das Spiegelbild des Lichtes wahrnehme, ohne dass es jedoch nothwendig dieses Spiegelbild direct anzusehen braucht Von der Vorderseite des Glases aus fällt bei dieser Anordnung Licht in das beobachtete Auge, und durch dasselbe Glas hin- durch kann gleichzeitig der Beobachter das Auge betrachten, ohne dabei von dem an seiner Vorderseite reflectirten Lichte irgend etwas wahrzunehmen. Man begreift, dass es so möglich werde genau in derselben Richtung in das fremde Auge hinein zu sehen, in welcher das Licht einftllt Unter diesen Um- ständen empfängt das Auge des Beobachters in der That Licht aus der Tiefe des anderen Auges und sieht dessen Pupille scheinbar leuchten. Es sei in Tafel I, Fig. 1 A die Flamme, Cdie Glastafel, D das beobachtete, G das beobachtende Auge. Das von A auf die Spiegelplatte fallende Licht wird von dieser theilweise re- flectirt, und der reflectirte Theil geht nach den Gesetzen der Katoptrik weiter, als wenn er von dem Spiegelbilde der Flamme J Augenspiegel. 235 in B herkäme. Für das beobachtete Auge vertritt dieses Spiegelbild die Stelle des leuchtenden Objectes, und auf seiner Netzhaut wird ein umgekehrtes und verkleinertes Bildchen da* von entworfen, debrigens kann die Axe dieses Auges be- liebig, etwa nach dem Gegenstande //hin, gerichtet sein. Nach den vorher entwickelten Regeln entwerfen die brechenden Mittel von D das Bild seiner Netzhaut und seines Netzhautbildchens wiederum nach B. Denn B ist das scheinbar vorhandene Ob- ject f&r das Auge 2>, und die aus letzterem zurückkehrenden Strahlen müssen wieder nach ihrem Ursprungsorte hingehen. Auf dem Wege von D nach B trifft dieses Licht wieder die spiegelnde Platte, ein Theil wird reflectirt und geht nach der wirklichen Flamme A zurück, ein anderer Theil durchdringt n das Glas und trifft das Auge des Beobachters G. Bei dieser Anordnung scheint die Pupille des Auges D in rothem Lichte zu leuchten, imd zwar im allgemeinen stärker, als ich es nach der Methode von Brücke gesehen habe. Nach dieser trägt zum Leuchten nur das wenige Licht bei, welches im Auge nicht vollständig regelmässig gebrochen wird, nach der jetzt besprochenen dagegen das ganze Licht mit Aus- nahme der allerdings nicht unbeträchtlichen Theile, welche bei dem Durchgang durch das spiegelnde Glas verloren gehen, üebrigens ist das Leuchten von sehr verschiedener Stärke, wenn verschiedene Stellen der Netzhaut das Flammenbildchen aufnehmen. Wenn das Auge D sich nach verschiedenen Rich- tungen hinwendet, muss doch immer das helle Netzhautbildchen in der Verlängerung der Linie BD liegen bleiben, wird also nach einander auf verschiedene Stellen des Hintergrundes fallen. Fällt es auf die Eintrittsstelle des Sehnerven, so wird am meisten Licht reflectirt, die Pupille leuchtet stark gelb- weiss auf, fast so als wenn eine Flamme hinter ihr stände. Die eigentliche Netzhaut dagegen reflectirt weniger und zwar rothes Licht. Im allgemeinen erscheint das Flammenbildchen auf ihr desto heller, je näher, desto dunkler, je femer es der Eintrittstelle des Sehnerven liegt. Dagegen reflectirt aus- nahmsweise die Stelle des directen Sehens, der gelbe Fleck, welcher getroffen wird, wenn das beobachtete Auge D direct nach dem Spiegelbilde der Flamme in B hinsieht, sehr viel 236 Physiologische Optik. weniger Licht als ihre nächste Umgebung, und ist deshalb für diese Versuche am ungünstigsten. um die Bedingung zu erftdlen, dass der Beobachter genau 12 in der Bichtung des einfallenden Lichtes in das Auge hinein- sehe, kann die Glasplatte entweder von dem Beobachteten oder von dem Beobachter gerichtet werden. "Will es ersterer thun, so wende er sie zunächst so, dass er in ihr das Spiegel« bild des Lichtes sehe, dann weiter so, dass ihm dieses Bild genau in derselben Sichtung erscheine wie das beobachtende Auge, dass sich ihm also das letztere und die gespiegelte Flamme scheinbar decken. Hiermit ist die gestellte Bedin- gung erfüllt. Dabei findet der üebelstand statt, dass das be- obachtete Auge nach der Flanune direct hinsehen muss, das Netzhautbildchen also gerade auf die Stelle fallt, wo am wenigsten Licht reflectirt wird. Wendet der Beobachtete aber, nachdem er die richtige Stellung gefunden hat, sein Auge etwas seitwärts, um das Leuchten heller erscheinen zu lassen, so verschiebt sich die Pupille imd die richtige Stellung wird gestört. Man kann dann wohl durch leichtes Hin- und Her- drehen des Spiegels nachhelfen. Besser ist jedoch die andere Weise den Versuch anzu- stellen, wobei der Beobachter selbst das Glas hält. Man muss hierbei das zu beobachtende Gesicht beschatten und die spiegelnde Platte so klein machen, dass sie zum Durchsehen eben genügt. Das reflectirte Licht derselben erzeugt dann auf dem be- schatteten Gesichte des Beobachters einen kleinen hellen Fleck, der imgefähr die Gestalt des reflectirenden Glases hat. Diesen Schein lenke der Beobachter so, dass seine Mitte auf das be- obachtete Auge fällt, während er selbst durch das Glas sieht. Auf diese Weise lässt sich das Glas sehr leicht richtig stellen, und das beobachtete Auge kann ohne jede Schwierigkeit nach allen Seiten gewendet werden, um das Flammenbildchen auf verschiedene Theile der Netzhaut fallen zu lassen. 13 Ein Jeder kann nun auch in ähnlicher Art mit HiÜfe eines Stückchen ebenen Glases eines seiner eigenen Augen leuchten sehen. Er trete vor. einen Spiegel, stelle seitwärts eine Lampe auf, halte das Glas vor sein rechtes Auge so, dass er darin die Flamme gespiegelt sieht, und wende es so, ■^ Augenspiegel. 237 dass das Flammenbild mit dem Spiegelbilde seines linken Auges zusammenfällt; dann sieht sein linkes Auge das Spiegelbild seiner rechten Pupille leuchten, aber allerdings nur schwach, weil das Netzhautbildchen auf die äussere Seite des Auges ziemlich entfernt von dem Sehnerven fällt Uebrigens lässt sich dasselbe einfache Hül&mittel überall da mit Yortheil zur Beleuchtung anwenden, wo man in eine dunkle Höhlung mit enger Oeffnung hineinsehen will, z. B. in den Gf«hörgang, die Nase u. s. w. Um das Trommelfell zu besichtigen, setze man die betreffende Person mit dem Bücken gegen das Fenster, am besten bei Sonnenschein, ziehe die Ohr- muschel etwas nach hinten, und werfe das reflectirte Sonnen- licht in den G-ehörgang, während man durch das Glas hinein- sieht So kann man sehr leicht und bequem das Trommelfell beliebig scharf beleuchten und betrachten. Um die Pupille leuchten zu sehen, genügt jede einfache Glastafel fds Spiegel; man braucht dabei auf die Intensität des Lichtes nicht besonders Bücksicht zu nehmen. Kommt es aber darauf an, mittels dieses Lichtes die Structnr der Betina und die Beschaffenheit des Flammenbildchens deutlich zu er- kennen, so muss man suchen, die Helligkeit so gross zu machen, als es irgend geht Das lässt sich durch zweierlei Mittel er- reichen, nämlich durch eine passende Wahl des Winkels, unter welchem das einfallende Licht von der spiegelnden Platte re- u flectirt wird, und durch Vergrösserung der Zahl der spiegeln- den Platten« Ich werde hier die Grundsätze entwickeln, welche mich in dieser Beziehung bei der Construction meines In- strumentes geleitet haben, und welche auch zu Grunde zu legen sein würden, falls Augenärzte etwa Modificationen des Instrumentes zu practischen Zwecken für nöthig erachten sollten. Für diejenigen meiner Leser, denen die hierbei vorkommenden physikalischen Begriffe nicht geläufig sind, bemerke ich übri- gens, dass diese Auseinandersetzxmg ftlr das Yerständniss der folgenden Abschnitte nicht nothwendig ist. Von jeder Begrenzungsfläche einer Glasplatte wird desto mehr Licht reflectirt, je grösser der Einfallswinkel d. h. der Winkel zwischen dem Strahle imd einer Linie ist, welche auf der Platte senkrecht steht Da bei der Beflezion von den 240 PhyBiologifiche Optik. der Platten auch der Winkel bestimmt , unter welchem die ßeflection stattfinden muss, um dem Beobachter das hellste Bild zu geben. Leider lässt sich die Gleichung, welche die Abhängigkeit der Grösse ^von dem Einfallswinkel c; ausdrückt, nicht nach a auflösen; wir können deshalb die passenden Werthe von a nur annähernd durch Kechnungsversuche finden. Uebri- gens lohnt es nicht, die Genauigkeit dieser Bechnung sehr weit zu treiben, einmal weil die Helligkeit für den Beobachter sich nicht beträchtlich ändert, wenn auch die Stellung der Gläser nicht ganz die für das Maximum erforderliche ist, und zweitens weil die Aenderungen der PupiUenweite bei verschie- dener Intensität des einfallenden Lichtes nicht mit in Bechnung gezogen werden können. Da die Pupille des beobachteten Auges durch stärkeres einfallendes Licht kleiner wird, so wird auch die Helligkeit des Netzhautbildchens nicht ganz in demselben Verhältnisse zunehmen, wenn die Werthe von H wachsen, wie sie es nach den entwickelten Formeln sollte. Es ist deshalb vortheilhafter in dem Instrument die Werthe von H etwas kleiner herzu- stellen, als für das Maximum von X in der obigen Bechnung erforderlich sein würde. Man erreicht z. B. den wenig von dem obigen Maximum abweichenden Werth wenn man das Licht von einer Glasplatte ungefähr unter einem Winkel von 70^, von dreien unter 60®, von vier unter 55® reflectiren lässt, und diese Stellungen werden deshalb un- gefähr die vortheilhaftesten sein. Die nöthige Helligkeit kann man also auch mit einer Glasplatte als Spiegel erreichen. Der Gebrauch mehrerer Platten unter kleinerem Einfallswinkel hat aber wesentliche 18 Vortheile, wenn man deutliche Büder der Netzhaut gewinnen will. Zunächst sind Glasplatten, auch wenn sie gut geschliffene parallele Flächen haben, nicht immer im Innern von so gleich- massiger Structur, dass sie bei sehr schiefem Hindurchsehen noch gute und deutliche Bilder geben. Dann wird es bei sehr schiefem EinfieJl schwerer, der spiegelnden Platte die richtige Stellung gegen das beobachtete Auge zu geben, und sie darin AugenspiegeL 241 zu erhalten. Auch fängt der Beobachter leichter durch die seitlichen Theile seines Kopfes die Lichtstrahlen ab, welche auf den Spiegel fallen sollten; namentlich möchte dies bei Ein&llswinkeln Ton mehr als 70^ kaum zu vermeiden sein. Endlich kommt noch ganz besonders in Betracht , dass eine kleine Menge des Lichtes , welches in das beobachtete Auge einfallt, schon von dessen Hornhaut zurückgespiegelt wird und dem Beobachter als eine yerwaschene lichte Stelle im Gesichts- felde erscheint Diese fällt mitten auf die Pii^ille, wenn das beobachtete Auge sich gerade nach dem Spiegel hinwendet, also das Spiegelbild der Flamme direct ansieht; sie fällt mehr nach der Seite, wenn es sich nach einer anderen Bichtung hin* wendet, stört aber die Beobachtimg der Netzhaut inmier mehr oder weniger. Es ist also ein wesentlicher Vortheil, wenn man den Homfaautreflex für den Beobachter möglichst schwä- chen kann. Nun erscheint er aber in der That viel schwächer, wenn 4 Platten bei 56^, als wenn 3 Platten bei 60^ oder eine b^ 70^ reflectiren, während das Netzhantbildchen, wie vorher erwähnt wurde, dabei nahehin dieselbe Lichtstärke behält. Es ist nämlich bei veränderter Zahl und Stellung der Platten die scheinbare Helligkeit des Homhautreflexes der des Netzhaut- bildes deshalb nicht proportional, weil das in das beobachtete Auge einfallende, theilweise oder ganz durch spiegelnde Beflezion polarisirte Lacht, durch difhise Befleidon an der Netzhaut ^^ depolarisirt wird, was bei der spiegelnden Beflezion an der Hornhaut nicht geschieht Beflectirt die Hornhaut von der aufilollenden Lichtmenge A den Antheil fi^A, so ist die Licht- menge, welche bei unseren Versuchen von der Hornhaut aus in das Auge des Beobachters gelangt, nach denselben Princi- pien und derselben Bezeichnung wie vorher gleich: j Die Berechnung ergiebt das vorher angegebene Besultat. Es Ist also unter allen Gesichtspunkten vortheilhafter, die nöthige Helligkeit durch Vermehrung der Platten, während sie unter dem Polarisationswinkel 56® das Licht reflectiren, als durch Vergrösserung des Einfallswinkels zu erreichen, ja man könnte Heimholte, wlBsenseb« Abhandlungeo. U. 16 242 PhyaologiBche Optik. den Homhautreflex ganz yerschwinden machen, wenn man die Zahl der Platten sehr yergrösserte. Ich habe bei den bisherigen Erörterungen vorausgesetzt, dass die Flamme einer guten Oellampe mit doppeltem Luft- zuge als Lichtquelle benutzt werde. Bei möglichst günstiger Anordnung des Versuches wird deren Licht nicht so stark reflectirty dass es die Seitentheüe der Netzhaut des beobach- teten Auges erheblich blenden oder ermüden sollte. Man kann deshalb die Beobachtungen leicht beliebig lange fortsetzen. Nur wenn das Auge direct nach dem Spiegelbilde der Flamme sieht 9 kann dieser Grad der Helligkeit nicht lange ertragen werden. Kann man über ein intensiveres Licht verf&gen, z. B. Sonnenlicht, welches durch eine Oeffhung der Fensterläden in ein dunkles Zimmer fallt, so kann man das Netzhautbüd viel heller sehen, wenn man das Licht, nachdem man es hinreichend 20 abgeschwächt hat, möglichst senkrecht von einer spiegelnden Platte reflectiren lässt, als wenn es schief geschieht. Die Menge des Lichtes, welches man in das Auge einfallen lassen darf, ist nämlich durch die Empfindlichkeit des letzteren be- grenzt. Hat man nun über überflüssig starkes Licht zu ver- filgen, welches bei jeder Art der Reflexion, wenn es nicht gleichzeitig in anderer Weise passend abgeschwächt wird, diese Ghrenze überschreitet, so sieht der Beobachter das Netzhaut- bildchen, welches die Grenze der ertragbaren Litensität erreicht hat, dann am hellsten, wenn möglichst wenig bei der zweiten Beflezion verloren geht Das ist aber der Fall, wenn das Licht von einer Platte fast senkrecht zurückgeworfen wird. Ich habe nicht Gelegenheit gehabt, eine solche Unter- suchung bei Sonnenlicht vorzunehmen; glaube aber nicht, dass dadurch bedeutende Vortheile zu erreichen sein werden, weil bei senkrechter Spiegelung die scheinbare Helligkeit des stö- renden Homhautreflexes in viel stärkerem Verhältnisse steigt als die des Netzhautbildes. Es ist mir einige Male die im ersten Augenblicke wahr- scheinUche Voraussetzung ausgesprochen worden, durch ein Convexglas, welches alles Licht, von dem es getroffen wird, nach dem beobachteten Auge hin concentrire, könne die in das Auge einfallende Lichtmenge und somit auch die Hellig- Augenspiegel. 243 keit des Netzhautbildes beträchtlich yersiärkt werden. Ich will deshalb hier gleich darauf aufinerksam machen, dass da- durch nicht die Helligkeit , sondern nur die Grösse des Netz- hautbildes vermehrt wird. Wenn wir das Auge in den Ver- einigungspunkt der Lichtstrahlen bringen, die durch eine Linse gegangen sind, so erscheint uns die ganze Fläche des Olases leuchtend, mit der Lichtintensität, welche dem leuchtenden Punkte zukommt Li Stelle des kleineren Netzhautbildes des s^ leuchtenden Punktes bildet sich uns also ein grösseres mit der- selben Lichtintensität, das der Glasfläche, üebrigens kann auch durch keine complicirtere Zusammenstellung von Gläsern die Helligkeit verstärkt werden. Dm das einzusehen, brauchen wir uns nur an die Thatsache aus der Theorie der Fernröhre zu erinnern, dass durch kein Femrohr oder eine ähnliche Zu- sammenstellung von Gläsern ein Gegenstand von erkennbarem Durchmesser heller erscheinen kann als mit blossem Auge. So- wie nun der Lihaber des sehenden Auges subjectiv die Fläche nicht heller durch die Gläser wahrnimmt, so kann auch ob- jectiv das Netzhautbildchen in seinem Auge beim Gebrauche irgend welcher Gläser nicht heller sein als ohne dieselben. Denn einem objectiv helleren Netzhautbildchen müsste auch immer eine stärkere subjective Lichtempfindung entsprechen. 2. Erzeugung eines deutlichen Bildes der Netzhaut. Wir kommen jetzt dazu zu untersuchen, wie wir vermittelst des Lichtes, welches von der Retina des beobachteten Auges zurückkommend in das Auge des Beobachters fällt, deutUche Bilder von der Netzhaut selbst und dem auf ihr entworfenen Bilde der Lichtquelle erhalten können. Nehmen wir dazu wieder unsere Fig. 1 Tafel 1 vor. Nach den eben gegebenen Erörte- rungen werden die Augenmedien die von Punkten der Netzhaut des Auges D zurückkommenden Strahlen so brechen, dass sie sich ausserhalb des Auges und zwar in den entsprechenden Punkten des Bildes B wieder vereinigen. Das BUd, welches die Augenmedien von der Netzhaut und vom Netzhautbilde der Flamme entwerfen, fällt also in Grösse und Lage mit dem » ersten Spiegelbilde der Flamme zusammen. Ein Beobachter, 16* 244 PhysiologiBchc Optik. welcher yom Spiegel aus gerechnet noch jenseits B, nnd um die Entfernung des deutlichen Sehens Ton B entfernt stände, würde nun in der That jenes Bild der Ketzhautobjecte deut- lich sehen können. Sein Gesichtsfeld aber, begrenzt durch die Pupille des beobachteten Auges, würde bei der verhältniss- mässig beträchtlichen Entfernung der beiden Augen von ein- ander so klein sein, dass es unmöglich wäre, die gesehenen Einzelheiten zu einem Gesammtbilde zu combiniren« Die Bücksicht, welche wir auf Erweiterung des Gesichtsfel- des nehmen müssen, macht es vielmehr nöthig die beiden Augen so viel wie möglich einander zu nähern. Dann fällt aber das Bild B im allgemeinen hinter den Bücken des Beobachters und kann von ihm nicht deutlich gesehen werden. Befindet sich das beobachtende Auge z. B. in 6r, Fig. 1, so empfängt es die Lichtstrahlen, welche aus dem Auge D hervordringen und nach den Punkten von B hin zusammenlaufen, convergirend. Ein normales Auge kann nun zwar parallele Strahlen, wie sie von unendlich entfernten, und divergirende, wie sie von näheren Punkten kommen, auf seiner Netzhaut vereinigen, aber nicht convergirende. Das einfachste Mittel, dem abzuhelfen und die con vollenden Strahlenbündel divergent zu machen, ist eine Concavlinse, welche zwischen den Spiegel und das Auge des Beobachters eingeschoben wird, wie in der Fig. 1 bei F. Nach den bekannten Gesetzen der Brechung in Concav- linsen, werden die convergirend in F auftreffenden Strahlen nach dem Austritt aus der Linse entweder weniger convergent sein, wenn nämlich die Brennweite grösser als FB ist, oder SS sie werden parallel, wenn die Brennweite gleich FBj oder end- lich divergent, als kämen sie von Punkten eines Bildes E hin- ter dem beobachteten Auge, wenn die Brennweite kleiner als BF ist. Im letzteren Falle wirkt hier das Concavglas ganz so wie in den Theaterperspectiven, wo es eben&Ils das nicht zu Stande kommende verkehrte Bild, welches die Objectivlinse in ihrem Brennpunkte entwerfen sollte, und welches auf der Seite des Beobachters liegt, in ein aufrecht stehendes verwandelt, welches dem Beobachter jenseits der Gläser erscheint In unserem Falle bilden die Augenmedien gleichsam das Objectiv- glas eines Mikroskops, welches nach dem Princip des G^aliläi- ^je.-! ^^.■g'ifrT^e»'— ^^g^^wn^^PTgg^^^^^^ig^^^^"^^ Augenspiegel. 245 sehen Femrohrs construirt ist, während die Concavlinse das Ocular vertritt. Sind die Accommodationsweiten der beiden Augen DB und GE gegeben, und ausserdem die gegenseitigen Entfer«- nungen der Augen und des Ooncayglases nach den oben be-* sprochenen Grundsätzen bestimmt, d. h. so klein gemacht, als es der Spiegel erlaubt, so ist die der Concavlinse zu gebende Brennweite nach den bekannten Brechungsgesetzen der Linsen zu bestimmen. Sie findet sich gleich: EF.BF MB oder: {EQ — GF) {BD — PF) FG+BD-^VO Je grösser die Accommodationsweiten EG und BD sind, desto grösser muss auch die Brennweite von F sein. Man wird also, wenn eines der beiden Augen kurzsichtig ist, schär« fere, wenn eines weitsichtig ist, schwächere Concaviinsen ge* brauchen als fbr zwei normale Augen. Wenn das beobachtende und beobachtete Auge ihre Bolle vertauschen, ohne ihre Ac- 24 commodationsstände zu verändern, so wird im allgemeinen ein Grlas von anderer Brennweite nöthig werden, und zwar, da, GF < DFj ein schwächeres, wenn das kurzsichtigere Auge beobachtet, als wenn es beobachtet wird. Doch ergiebt eine nähere Be- Israchtnng der obigen Formel, dass dieser unterschied bei nicht zu kurzsichtigen Augen äusserst gering wird, sodass bei sol- chen dasselbe Glas zur wechselseitigen Besichtigung dienen kann. Die Vergrösserung bestimmt sich nach den bekannten Ge- setzen der Optik dadurch, dass das Bild E vom Mittelpunkte des Glases F aus gesehen unter demselben Gesichtswinkel erscheinen muss wie B, sein imaginäres Object Da das Auge G, das Glas F und das Auge D möglichst nahe zusammen- stehen, so wird B von F aus nur wenig grösser erscheinen als von D aus. Es sieht also das Auge G das Netzhautbild- chen der Flamme vergrössert, und zwar ebenso gross, oder genau genonmien ein wenig grösser, als das Auge D die ur- sprüngliche Flamme. Die Netzhauttheile , auf welche das Flammenbildchen fällt, erscheinen ebenfalls in dem Bilde E 246 Physiologische Optik. wieder y natürlich in demselben Verhältnisse vergrössert ^e jenes. Nach dem eben Gesagten ist das Yerhältniss dieser Yer- grösserung gleich dem des Netzhantbfldchens zu seinem Objecte. N ehmen wir f&r den Abstand des Ereuzungspunktes der unge- brochenen Strahlen von der Netzhaut nach Y olkmann's Mes- sungen 4 Linien, für den Abstand des Objectes vom Auge die normale Sehweite 8 Zoll, so ergiebt sich die Yergrösserung als 24 fach. Wir haben die Augenmedien bei unserem Yersuche mit dem Objectiv eines Mikroskops verglichen, das Concavglas mit 16 dem Ocular. An Stelle des letzteren würde man nun auch eine Zusammenstellung von zwei Convexgläsem bringen kön- nen, welche um weniger als die Summe ihrer Brennweiten von einander abstehen, sowie es in den gebräuchlichen zusammen- gesetzten Mikroskopen der Fall ist. Das erste der Gläser würde wie das CoUectivglas dieser Instrumente die schwach convergirenden Lichtstrahlen, welche aus dem beobachteten Auge herauskommen, schneller zu einem Bilde vereinigen, wel- ches zwischen ihm selbst und seinem Brennpunkte gelegen, das Flanmienbildchen aufrecht, die Netzhaut umgekehrt darstellen würde. Dieses Bild würde durch die zweite Convexlinse ver- grössert zu betrachten sein. Ich habe die Erfolge einer sol- chen Zusammenstellung nach den bekannten Gesetzen der optischen Instrumente in Bezug auf Yergrösserung, Helligkeit, Gesichtsfeld u. s. w. discutirt. Da die Rechnung ergab, dass dadurch keine wesentUchen Yortheile im Yergleich mit den einüachen Concavgläsem zu erreichen sein würden, wird es hier genügen ihre Resultate kurz anzuführen. Es ist dabei vorausgesetzt, dass das erste Glas, so weit es der Spiegel zu- lässt^ dem beobachteten Auge genähert sei, und das beobach- tende dicht am zweiten Glase liege. Was zunächst die Helligkeit betrifft, so wird das Ma,ximum derselben durch ein Concavglas für die Mitte des Gesichts- feldes gerade erreicht Soll dasselbe durch zwei Convexgläser geschehen, so müssen diese so gewählt und gestellt sein, dass keine andere Yergrösserung als bei dem Concavglase statt- findet, d. h. so, dass das vergrösserte Netzhautbildchen der Augensp^^ 247 Flamme dem beobachtenden Auge unter demselben Gesichts- winkel erscheint als das Spiegelbild der Flamme dem beob- achteten. Wenn diese Vergrösserung stattfinden soll, muss wie in den gewöhnlichen Ocularröhren der zusammengesetzten Mikro- so skope das Bild des ersten Glases in die Mitte zwischen beide Glaser fallen. Bei schwächerer Vergrösserung ist es möglich einen grösseren Theil des Gesichtsfeldes im Maximum der Helligkeit erscheinen zu lassen; bei stärkerer dagegen kann das auch nicht mehr in der Mitte geschehen. So vortheilhaft also auch eine stärkere Vergrösserung vielleicht sein würde, so lässt sich eine solche nicht gebrauchen, weil die Helligkeit zu sehr darunter leiden würde und ein lebendes Auge nicht wohl das Einfallen von noch stärkerem Licht, als dem gespie- gelten einer guten Lampe, längere Zeit, ohne geblendet zu werden, ertragen würde. Dazu kommt noch, dass das lebende Auge nicht so ausreichend befestigt werden kann, wie es bei stärkerer Vergrösserung zur Fixirung einzelner Partien des Bildes nothwendig sein würde. Demnächst ist das Gesichtsfeld zu berücksichtigen. Das Stück der Netzhaut, welches man übersehen kann, ist stets desto kleiner, je weiter man sich von dem beobachteten Auge entfernt, desto grösser, je näher man kommt Die Grenze der AmuLherung ist aber dadurch gegeben, dass die schief gestellten Spiegelplatten zwischen diesem Auge und den Glaslinsen ein- zuschieben sind. Um die Wirkungen der verschiedenen Linsen durch Eech- nung zu vergleichen, müssen wir also die Entfernung des Con- cavglases und die des ersten Convexglases von dem beobach- teten Auge gleich gross annehmen. Wird dann gleichzeitig die Bedingung festgehalten , dass die Helligkeit in der Mitte des Gesichtsfeldes ihr Maximum erreichen solle, so finden sich bestimmte Brennweiten der Convexlinsen flir jede gegebene Entfernung vom Auge, welche das Gesichtsfeld am grössten machen. Wählt man nach diesen Bestimmungen die Brenn- weiten der beiden Convexlinsen, so ergiebt sich femer, dass «7 wenn die Entfernung des Glases vom Auge kleiner ist als die Brennweite, welche man dem Objectiv eines Femrohrs von 248 Phyaiologiscbe Optik. der Apertur der Papille ohne Beeinträditigiiiig der DeatUch- keit des Bildes geben dürfte, ako bei achromatischen G-l&sem kleiner als etwa der zehnfache Pupillendurchmesser, das Con- cavglas, wenn grösser, die beiden Conyezgläser ein grösseres Gesichtsfeld geben können. Nun wird allerdings bei möglichst grosser AnnlUierung der Gläser an das beobachtete Auge die Entfernung zwischen beiden wegen des dazwischen gesetzten Spiegels meistens etwas grösser bleiben als der zehnfache Pu- pillendurchmesser, und man würde dedialb durch zwei Gonvex- gläser einen kleinen Yortheü fitr das Gesichtield erlangen können. Da sie aber, um diesen Yortheü zu geben, Brenn- weiten Ton 36 bis 40 Linien haben müssten, so möchte es schwer halten, ein Bild yon derselben Deutlichkeit zu erhalten wie durch eine Concavlinse, welche 8 bis 10 Zoll Brennweite haben kann. Mir ist es durch Zusammenstellung der mir zu Gebote stehenden Gonvexlinsen wenigstens nicht gelungen. Ausserdem stellte sich beim Versuche mit solchen Linsen her- aus, dass die richtige Stellung des Listrumentes zur Wahmeh- mimg des NetzhautbUdchens viel schwerer gefunden und bewahrt wird. Bei einer einfachen Concavlinse ist es nämlich nicht nöthig, dass die Axe der Linse genau auf das beobachtete Auge gerichtet sei, wenn nur der Spiegel Licht dahin wirft. Diese Bedingung muss aber bei zwei ConvexUnsen eiftUt werden. Danach erscheint es vortheilhafter die einfache Concav- linse als Ocular beizubehalten, während man fast überall sonst in der Optik sie mit entschiedenem Vortheile durch Convex- 28 linsen ersetzt Einen gewichtigen Vorzug der letzteren giebt es allerdings auch in unserem Falle, der ihre Anwendung wünschenswerth jachen würde, nämlich den, dass man durch veränderte Entfernung beider Gläser von einander den Apparat allen Sehweiten des beobachteten und beobachtenden Auges anpassen kann, während man die Concavlinse zu diesem Zwecke mit einer anderen vertauschen muss. Wenn man den Kopf der beobachteten Person und das Instrument vollständig be- festigen kann, würden deshalb Convexgläser allerdings bequemer sein; ohne solche Vorrichtungen werden aber alle ihre sonstigen Vortheile durch den Nachtheil der schwereren Einstellung des Augenspiegd. 249 Instrumentes aufgewogen. Ich habe deshalb selbst immer nnr eine einüa^he Concaylinse benutzt. 8. Beschreibung des Augenspiegels. um Beobachtmigen der beschriebenen Art anzustellen, ist es bequem, die SpiegelplaiLten und dasConcavglas mittels eines passenden Gestelles zu vereinigen. Ich schlage für eine solche Zusammenstellung nach der Analogie ähnlicher Instrumente den Namen Augenspiegel vor. Derselbe ist in Pig, 2 Tafel I ▼on vom gesehen, in Fig. 8 horizontal durchschnitten darge- stellt Die spiegelnden Platten hh sind mittels des Messing- stückes ff ff unter einem Winkel gegen die kreisrunde Platte aa befestigt, welcher dem gew&hlten Einfallswinkel der Licht- strahlen (in der I^gnr 56^ gleich ist Das Messingstück ff ff bildet mit den Glasplatten ein hohles gerades dreikantiges Prisma. In Fig. 8 sieht man in den inneren Hohlraum des- selben hinein und hat eine der rechtwinklig dreieckigen Gbnmd- flachen vor sicL Yon den drei viereckigen Seitenflächen des Prisma wird die der Hypotenuse der Grundfläche entsprechende durch die Glasplatten gebildet, die der längeren Cathete ent- sprechende steht frei, die der kürzeren Cathete liegt der Scheibe er a an, und trägt emen cylindrischen Fortsatz p, welcher durch eine entsprechende kreisrunde Oefihung der Platte aa so hin- durchgreift, dass er das Prisma an der letzteren festhält, aber eine Drehung um seine Axe gestattet Die Glasplatten werden gegen das prismatische Messingstück durch den Rahmen kkkk augedrückt, dessen übergreifende Seitenränder durch die Schrauben // an das Messingstück ff ff befestigt sind. Die Scheibe aa liegt dem Cylinder bbcc an, ohne daran dauernd befestigt zu sein. In den Rand von aa sind nämlich vier Oeflhungen von der Form / eingeschnitten, denen vier in den Rand des cylindrischen Ringes bb eingelassene Schrauben ee mit cylindrischen Köpfen und dünnerem Halse entsprechen. In Fig. 2 sind nur zwei von diesen Schrauben gezeichnet worden, um die Löcher / sehen zu lassen. Die Köpfe der Schrauben lassen sich durch die breiten kreisrunden Theile der Oeffhungen f schiebeh, und wenn abdann die Scheibe aa um 260 PhTBiologuche Optik. ihren Mittelpunkt gedreht wird, treten die Hälse der Schrau- ben in den schmaleren schlitzförmigen Theil derselben Oeffiiun- gen ein, während ihre Köpfe übergreifen und die Scheibe an den Bing bb befestigen. Dadurch wird es möglich, die Scheibe sehr leicht und schnell von der Fassung des Concavglases zu entfernen und dieses mit einem andern zu vertauschen. Die Concaylinse nn liegt zwischen der Platte aa und dem Boden des cjlindrischen Stückes ddy welches m bbcc eingeschraubt ist und durch ümschrauben zurückgestellt werden kann, wenn es nöthig wird, für sehr kurzsichtige Augen zwei Linsen über einander einzulegen. Das Ganze ist an dem Handgriff m 80 befestigt Für einen Beobachter mit normalem Auge sind die Nummern 6 bis 12 der gewöhnlichen concaven Brillengläser aus- reichend, um sich allen Accommodationszuständen der zu unter- suchenden Augen anzupassen. Zur Besichtigung anderer nor- maler Augen gebrauche ich gewöhnlich Nr. 10. Für sehr kurzsichtige Augen legt man zwei Gläser über einander. Was die spiegelnden Platten betrifft, so sind solche von gewöhnlichem Spiegelglase nicht ausreichend, weil die beiden Flächen desselben gewöhnlich nicht hinreichend parallel sind, um die von ihnen entworfenen Bilder der Lampenflamme sich hinreichend decken zu lassen. Die Gläser müssen deshalb für unseren Gebrauch besonders geschliffen werden, um parallele Flächen zu erhalten, obgleich diese Bedingung nicht mit sol- cher Genauigkeit erfüllt zu sein braucht wie bei den plan- parallelen Gläsern, welche man bei feineren Messinstrumenten anwendet Wesentlich ist eine gute Schwärzung der nicht spiegelnden Flächen. Da von dem hellen Lichte, welches auf das Instru- ment fällt ^ nur «ein verhältnissmässig kleiner Antheil von der B^tina des beobachteten Auges zurückkommt, so müssen sorg- fältig alle übrigen Beste des Lichtes, welche etwa in das Auge des Beobachters gelangen könnten, vernichtet werden. Zunächst muss die innere Fläche des Ocularstückes dd geschwärzt wer- den, und der Beobachter muss sein Auge möglichst dicht hin- ein legen, um alles Licht abzuschneiden, welches von der Flamme her auf diese Fläche fallen könnte. Zweitens muss die Aussenfläche der Scheibe aa und des prismatischen Spiegel- Augenspiegel. 251 gesteiles hkhk geschwärzt werden , damit blanke Metalltheile, welche dem beobachteten Auge zugekehrt sind, nicht störende Homhautreflexe hervorbringen. Ghinz besonders sorgfältig ist aber drittens die Innenseite des Spiegelgestelles zu schwärzen. Das Flammenlicht, welches auf die spiegelnde Platte fällt, geht si zum grösseren Theile hindurch und trifft die Platte gg. Was auf dieser nicht absorbirt wird, geht zum Spiegel zurück, wird von diesem in derselben Bichtung zum beobachtenden Auge refiectirt, in welcher das schwache Licht von der Netzhaut des beobachteten Auges ankommt und vermischt sich mit dem Bilde dieser Membran. Ich habe hier die gewöhnUchen Ver- fahmngsweisen der Mechaniker, Messingstücke zu schwärzen, nicht ausreichend gefunden, sondern das Spiegelgestell innen mit schwarzem Sammet tapeziren müssen, welcher das Licht viel vollständiger absorbirte. Will man das Instrument gebrauchen, so setzt man in einem dunkeln Zimmer die zu untersuchende Person neben die Ecke eines Tisches, auf welchem in gleicher Höhe mit dem Auge und seitwärts vom Gesichte eine gut brennende doppelzügige Lampe ohne Milchglas steht Bequem ist es auf dem Tische in passender Sehweite einen nicht zu hellen Gegen- stand anzubringen, auf welchem man dem beobachteten Auge bestimmte Fixationspunkte anweisen kann z. B. eine schwarze Tafel in Quadrate getheilt, deren jedes durch eine Ziffer bezeichnet ist Indem man das Auge nach einander verschie- dene Punkte fbdren lässt, fällt das Flaiilmenbildchen auf immer andere Theile der Netzhaut, welche der Beobachter somit in beliebiger Beihenfolge nach einander untersuchen kann. Zwi- schen der Flamme und dem beobachteten Auge muss ein undurchsichtiger Schirm aufgesteUt werden, um es zu beschatten, damit nicht direct einfallendes Flammenlicht einen sehr stören- den Homhautreflex erzeuge und die Pupille verengere. Doch muss die Schattengrenze ganz dicht vor dem beobachteten Auge vorbeigehen, damit der Augenspiegel, welcher selbst im Liichte bleiben muss, möglichst nahe herangebracht werden » könne. Der Beobachter setzt sich vor den Beobachteten, bringt den Augenspiegel, ohne zunächst hindurchzusehen, ungefähr in die richtige Lage, wobei seine spiegelnde Fläche einen hellen 252 PhyBiologiflche Optik. Schein auf das Gmcht wirft Nachdem man den Spiegel so gewendet hat, dass die Mitte dieses Scheins auf das Auge ffiUt, nnd die Axe des Instrumentes eben dahin gerichtet ist, sieht man hindurch. Man hat alsdann das helle Elammenbild meistens sogleich vor sich, oder findet es nach einigen Hin- imd Herrücken. Uebrigens kann man auch durch das Instru- ment hindurch das Auge und den hellen Schein, der darauf fallen muss, einigermaassen wenn auch undeutlich und ver- waschen erkennen, und auch so mit deren Hülfe die richtige Stellung finden. Sieht man die Theile der Netzhaut nicht deutlich, während die PupUle leuchtend erscheint, so muss man ein anderes Concavglas einlegen. Ein Beobachter, welcher sich geübt hat, willkürlich die Accommodation seines Auges zu ändern, findet leicht, ob er bei femsichtiger oder nahesichtiger Accommodation deutlicher sieht, und ob er demgemftss stSrker oder schwächer gekrümmte Gläser wählen muss. uebrigens erschweren sich yiele Personen, namentlich solche, welche wenig geübt sind durch optische Instrumente zu beobachten, und Kurzsichtige das Sehen sehr dadurch, dass sie ihr Auge un- willkürlich ftkr grosse Nähe accommodiren, weil sie sich den zu sehenden Gegenstand sehr nahe vorstellen. Dadurch werden die Augen des Beobachters stark angegriffen, und ÜEuigen leicht an sich zu injiciren und zu thränen. Es ist hier wie bei allen optischen Instrumenten, welche veränderliche Accommodation zu* lassen, nöthig, das Auge für die Feme zu accommodiren und das Instrument dem anzupassen. 88 Bei einiger üebung macht es keine Schwierigkeit das richtige Glas und die richtige Stellung des Instrumentes zu finden. Auch kann man es jemandem, der es noch nie gesehen hat, leicht am eigenen Auge zeigen, um ihn erst einmal mit dem Anblick dessen, was er sehen soll, vertraut zu machen. Dadurch wird es ihm sehr erleichtert, selbständig dasselbe auch in anderen Augen aufzufinden. Der Lehrende suche zu dem Zwecke zunächst dasjenige Glas, wodurch er die Netzhaut des Schülers deutlich sehen kann, und bringe dies in den Augen- spiegel; denn durch dasselbe kann auch der Schüler im Auge des Lehrers deutlich sehen, wenn nicht einer von beiden sehr -kurzsichtig ist. Im letzteren Falle braucht, wie oben ausein- AugeuspiegeL 258 andergesetzt ist^ der kurzsichtigere ein etwas schwächeres Glas, wenn er beobachtet, als wenn er beobachtet wird. Der Lehrer bringe dann eines seiner eigenen Augen in die für das zu be- obachtende Auge beschriebene Stellung und halte den Augen- spi^el so Yor sich, dass er gleichzeitig durch die mittleren Oeffiiungen desselben hindurch sehen könne und das Spiegel- bild der Flanune im Spiegel erblicke, übergebe dem Schüler das Instrument in dieser Stellung und lasse ihn hindurchsehen. Dieser wird dann im Auge das Bild der Flanune sehen. Um ihn das Aussehen der l^etzhauttheile kennen zu lehren, lasse der Lehrer das Fkmmenbildchen auf die Eintrittsstelle seines Sehnerven £Edlen, weil sich dort die grössten imd erkennbarsten Gef&sst&mme darbieten. Er wende dazu das Auge allm&lig immer mehr nach innen von dem Spiegelbilde der Flamme, bis dieses ihm plötzlich verschwindet oder kleiner wird. Das ge- schieht bekanntlich, wenn das Bild auf die Eintrittsstelle des Sehnerven fällt, üebrigens gelingt es den meisten Personen leichter, das Flammenbüdchen zu sehen und zu erkennen als m in dem hellen Grunde desselben die Netzhauttheilchen. 4. Besichtigung der Netzhaut und des Flammenbildes. Will man die Netzhaut vollständig untersuchen, so ist es, vrie schon angeführt wurde, bequem eine bezifferte schwarze Tafel als Gesichtspunkt f&r das untersuchte Auge aufzustellen. Sobald dieses Auge etwas nach innen neben dem Spiegel vor- beisehend eine der Ziffern fixirt, wird der Beobachter £sist immer ein oder zwei stärkere Grefässe im Gesichtsfelde erkennen. Er lasse das Auge auf eine nebenliegende Ziffer wenden und achte darauf^ ob er dem Ursprünge oder der Verzweigung der Ge- fässe näher gerückt sei. Indem er in dieser Weise die Ge- fasse nach den grösseren Stämmen hin verfolgt, kommt er endlich zur Eintrittsstelle des Sehnerven. Diese unterscheidet sich von dem übrigen Grunde des Auges durch ihre weisse Farbe, da sie nicht mit Pigment und einem feinen Gefässnetze bedeckt ist, sondern hier der weisse Querschnitt des Nerven ganz frei liegt, höchstens von vereinzelten feinen Gefässen durchzogen. Meist nach innen daneben dringen die Arterie und Vene der Netzhaut aus der Tiefe hervor. Zuweilen sieht 254 Physiologische Optik. man noch einen Theil der Grefässe in der Substanz des Nerven selbst verborgen und erkennt, dass diese Substanz im Leben stark durchscheinend ist Man imterscheidet die beiden Ge- fasse von einander durch die hellere Farbe des Blutes und die doppelten Conturen der Wandung an der Arterie und ihren ersten Verästelungen. Pulsationen habe ich nicht mit Sicher-^ heit erkennen können. Die ersten Hauptäste der Gefässe be- 85 grenzen den Sehnerven an der imieren Seite, um sich später oben und unten über das Feld der Betina auszubreiten. Der Anblick dieser scharf gezeichneten rothen Gefässe auf dem hellen weissen Grunde ist von überraschender Zier- lichkeit. Etwas weiter nach innen dicht neben dem Nerven habe ich immer einen kleinen sichelförmigen Schatten- streifen bemerkt, der von einer Falte der Netzhaut herzurühren scheint. An den übrigen Theilen erscheint der Grund des Auges röthlich, und zwar zunächst um den Sehnerven herum ziemlich hell lichtroth, desto dunkler dagegen, je weiter man sich von ihm entfernt Man sieht hier grössere und kleinere, verästelte blutrothe Gefässe, welche deutlich von dem Grunde sich unter- scheiden. Der Grund selbst erscheint nicht ganz homogen, sondern undeutlich röthlich gezeichnet Dies scheint davon herzurühren, dass das enge Capillametz zu fein, zu schwach erleuchtet und zu durchscheinend ist, um deutlich von der unterliegenden schwach lichtgrauen Substanz der Betina unter- schieden zu werden. Dass der Grund in der Nahe des Seh- nerven heller erscheint, rührt wohl davon her, dass die Betina hier wegen der übereinander liegenden Schichten von Nerven- fasern dicker ist und nach ihrer Peripherie hin immer dünner wird. Wesentlich unterscheidet sich ausserdem die Stelle des directen Sehens (der gelbe Fleck) in ihrem Ansehen von den zunächst umliegenden Stellen. Um sie vor sich zu haben, lässt man das beobachtete Auge nach dem Spiegelbilde der Flamme direct hinsehen. Die Netzhaut erscheint dort viel dunkler, grau- gelb ohne Beimischung von Both; es lassen sich auf ihr keine Spuren von Capillargefässen erkennen, üebrigens wird man in der Betrachtung dieser Stelle sehr durch das Homhaut- ae bildchen gestört, welches gerade in die Mitte des G^chtsfeldes AugenapiegeL 265 rückt, während es bei der Betrachtung seitlicher Stellen der Netzhaut auch mehr zur Seite liegt. Nach dem zu urtheilen, was man am gesunden Auge von der Beschaffenheit der Betina sehen kann, zweifele ich nicht, dass man auch alle diejenigen Krankheitszustände derselben wird erkennen können, welche sich an anderen durchsichtigen Theilen z. B. der Cornea durch den Gesichtssinn erkennen lassen. Vermehrte Anf&llung der Gefässe, Yaricositaten derselben müssen leicht wahrzunehmen sein. Exsudate in der Substanz der Betina oder zwischen ihr und der Pigmenthaut müssen sich ganz ähnlich wie diejenigen der Cornea durch ihre Helligkeit auf dem dunklen Grunde zu erkennen geben. Liegen sie zum Theil vor der Betina, so werden sie auch deren Gefässe in einen Schleier hüllen. Ich erinnere hier daran, dass nach Brücke die Betina Msch fast ebenso durchsichtig ist wie die übrigen Augenmedien, und dass sie abgesehen von ihren G^ fassen bei unseren Versuchen nur deshalb sichtbar wird, weil sie durch das scharfe, von den Augenmedien concentrirte Licht auf dem tiefschwarzen Grunde der Pigmenthaut stark beleuchtet wird. Faserstbffexsudate, welche viel weniger durchsichtig zu sein pflegen als die Augenmedien, müssen daher auch, wenn sie im Grunde des Auges liegen, den Beflex beträchtlich yer- stärken. Auch glaube ich, dass Trübungen des Glaskörpers yiel leichter und sicherer theils durch die Beleuchtung mittels einer spiegehiden Glasplatte theils durch den Augenspiegel zu erkennen sein werden. Man wird aus der ündeutlichkeit des Flammenbildchens und der Netzhautgefässe sogar den Grad der Trübung leicht bestimmen können. Haben sich bei einer solchen Trübung gleichzeitig flimmernde Theüchen ausgeschie- ^ den, so wird man auch diese leicht wahrnehmen. Kurz, ich glaube die Erwartung nicht f)k übertrieben halten zu dürfen, dass sich alle bis jetzt an Leichen gefundenen Veränderungen des Glaskörpers imd der Betina auch am lebenden Auge wer- den erkennen lassen, was für die bisher so unausgebildete Pa- thologie dieser Gebilde die grössten Fortschritte zu versprechen scheint Endlich ist es noch für einige physiologische Zwecke von Interesse die Genauigkeit, mit welcher das Auge Bilder ent- 256 Physiologische Optik. wirft, zu untersachen. Am besten ist als Gegenstand dafür ein Faden zu benutzen, den man horizontal vor der Flamme entlang zieht. Dessen Bild bleibt einfach, während senkrechte F&den durch die mehrfachen Spiegelungen vervielfacht werden« Zunächst hat man Gelegenheit sich durch den Augenschein davon zu überzeugen, dass die verschiedenen Acconmiodationen des Auges wirklich auf Yeränderungen der brechenden Medien be- ruhen. Man lasse einen Gegenstand fixiren, der vom beobach- teten Auge etwa ebenso weit entfernt ist wie der Faden von der Flamme. Der Beobachter sieht alsdann die Elemente der Netzhaut und das Bild des Fadens gleich deutlich. B.ückt man den Faden dem Auge näher oder femer, so wird er im Netz- hautbilde undeutlich oder verschwindet ganz, während die Be- tinatheUe deutlich bleiben. Man ersieht daraus, dass Netzhaut- bilder von verschieden entfernten G^enständen in der That nicht gleich deutlich sind. Alsdann stelle man den Faden wieder so, dass man ihn im Netzhautbildchen gleichzeitig mit den Gefassen deutlich erscheinen sieht^ und lasse das beobach- tete Auge einen Punkt fixiren, der entweder viel weiter oder viel näher ist als der, auf den es vorher gerichtet war. So- 88 gleich sieht man Netzhaut und Flammenbild verschwimmen und undeutlich werden. Zu bemerken ist hierbei, dass auf der weissen Fläche des Sehnerven kein deutliches Bild entworfen wird, selbst wenn es aui den dicht daneben liegenden Stellen der Netzhaut voll- kommen scharf erscheint. Da man bei solchen Personen, über deren Sehnervenquerschnitt einzelne kleine Gefässe hinlaufen, diese ebenso deutlich sieht wie die der danebenliegenden Netz- haut, so kann jene ündeutlichkeit des Flammenbildes nicht davon herrühren, dass die Sehnervenfläche etwas aus dem Ni- veau der Netzhaut heraustritt Ich glaube vielmehr die durch- scheinende Beschaffenheit der Sehnervenmasse als Grund an- sehen zu müssen. Uebrigens kann man sich, wo es nöthig werden sollte, durch den Augenspiegel leicht objectiv von dem Vorhandensein und dem Grade der Kurz- und Weitsichtigkeit des beobach- teten Auges überzeugen. Der Beobachter untersuche vorher ein gesundes Auge, welches er Gegenstände in verschiedenen Augenspiegel. 257 Entfernungen fixiren lässt, und bemerke sich, welche Conyex- gläser er bei den verschiedenen Accommodationsstufen desselben gebraucht habe. Bei der Untersuchung eines jeden anderen Auges erfahrt er alsdann aus der Nummer des Concayglases, durch welches er die Netzhaut deutlich sah, die entsprechende Accommodationsweite des beobachteten Auges. Der Beobachter ist hierbei von den Aussagen des Anderen ganz unabhängig, da er selbst gleichsam mit dessen Auge wenigstens mittels der brechenden Theile dieses Auges sieht So war ich z. B. im Stande, in einem vollständig amauroti8chen|Auge auf diese Weise mich zu überzeugen, dass dasselbe zugleich in hohem Grade kurzsichtig war. Dadurch entschied sich in diesem Falle eine für die Anamnese wichtige Frage, ob nämlich gewisse frühere 39 Gesichtsbeschwerden, von denen der Ejranke erzählte, auf Kurz- sichtigkeit oder beginnende Amblyopie zu beziehen waren. Eine wichtige physiologische Folgerung drängte sich mir noch bei diesen Untersuchungen auf. Der freiliegende Quer- schnitt des Sehnerven ist offenbar so durchsichtig, dass Licht, welches darauf fällt, ziemlich tief in die Masse der Fasern ein- dringen muss, wie man denn in der That zuweilen Biegungen der Arteria und Vena centralis durch die Substanz des Nerven hervorschinmiem sieht. Fällt das Flammenbildchen auf die Eintrittsstelle des Nerven, so werden alle seine Fasern oder wenigstens ein sehr grosser Theil derselben von mehr oder weniger intensivem Lichte getroffen, und doch empfinden sie offenbar kein Licht. Empfanden sie es^ so müsste der ganze ihnen entsprechende Theil des Gesichtsfeldes'erleuchtet scheinen. Das ist aber nicht nur nicht der Fall, sondern es wird sogar noch weniger Licht wahrgenommen, als wenn das Bildchen auf eine andere Stelle der Netzhaut fallt. Wir müssen daraus schUessen, dass die Fasern des Sehnerven unfähig sind vom objectiTen Lichte (den Aetherschwingungen) afficirt zu werden, während sie doch jeden anderen Reiz als subjectives Licht empfinden. Dies ist eine scheinbare Paradoxie, welche natürlich ihren Grund nur in der Doppelsinnigkeit des Wortes „Licht" hat, und weit davon entfernt ist ein wirklicher Widerspruch zu sein. Die Aetherschwingungen, welche wir Licht nennen, bringen wie jeder andere mechanische oder elektrische Beiz, Helmholts» wlasenicb. Abhuidliingen. II. \i 268 PhjQiologiBohe Optik. weim sie die Betiaa treffeni die Empfindung hervor^ welche wir auch Licht nennen. Aber daraus, dass die Betinay vor Druck 40 und elektrischen Strömungen geschützt, dem Zutritt der Aether- Schwingungen aber Preis gegeben, viel häufiger von letzteren als von ersteren getroffen und angeregt wird, folgt keineswegs, dass das Licht als ein besonders adäquater Beiz der Betina und der Sehnervenelemente angesehen und den übrigen Arten der Bei- zung gegenübergestellt werden müsse. Es hat keine Schwierig- keiten anzunehmen, dass alle Beize, welche das Sebnervensystem zu afficiren vermögen, Lichtempfindung^i hervorrufen, dass aber Aetherschwingungen nur auf die Betina wirken können. Aehn- liches findet ja auch bei den Tastnerven für Wärme und Kälte statt Auch hier verhalten sich die peripherischen Ausbreitungen anders als die Stämme. Für letztere sind kleine Temperaturänderungen, wie es scheint, gar kein Beiz, und grössere, welche zu reizen vermögen, erregen keine Temperaturempfindung. Man kann übrigens auch weiter schliessen, dass in der Betina nicht die Fasern, welche sich vom Sehnerven aus an ihrer inneren Fläche strahlenförmig ausbreiten^ sondern die kugeligen Elemente f&r das Licht empfindlich sind. Wären es jene, so müsste Licht, wel- ches irgend eine Stelle der Betina trifft, von allen Fasern empfim- den werden, welche theils in dieser Stelle endigen, theils über sie hinaus weiter nach der Peripherie hinlaufen. Es müsste sich also im Gesichtsfelde von jedem hellen Punkte ein lichter Schein nach den Ghrenzen des Feldes hin ausbreiten, was nicht der Fall ist. Wir können demnach weiter schliessen, dass auch die Fortsetzungen der Sehnervenfetsem in der Betina unempfind- lich gegen das Licht sind. Es bleiben nur die Ganglienkörper und die kernähnlichen Gebilde der Betina, in denen die Aether- schwingungen als Beiz wirken können.^) 1) (1882.) StAbchen und Zapfen der Netzhaut wurden zur Zeit der Abfassung dieses Aufsatzes noch nach £. Brücke's Ansicht ab katop- trischer Apparat des Auges betrachtet. Die Verbindung derselben mit Nervenfasern war noch nicht bekannt Augeoepi^. 259 Zusatz. 41 Ableitung der Formel auf S. 288 für die Quantität Licht, welche vonmehreren^lasplattenreflectirt wird. Wenn diese Formel für n reflectirende Flachen richtig ist, lässt sich zeigen, dass sie es auch fllr (n + 1) solche sei Da sie femer für n « 1 und n s 2 zutrifit, muss sie es auch für jeden beliebigen Werth Yon n thun. Die Quantität licht, welche unter dem betreffenden Ilin - £Gdl8?rinkel von einer reflectirenden Fläche zurückgeworfen wird, wenn die Menge 1 von senkrecht gegen die Einfallsebene po« larisirtem Licht au£Eällt, sei p, die von n solchen Flächen zu- rückgeworfene P(n), die von (n + 1) zurückgeworfene P>n + i)- Es lässt sich zeigen, dass wenn: -^^•> "^ l^(n^i)p (^) dann auch die G-leichung richtig sei, welche aus dieser durch Substitution von n + 1 für n entsteht: Der besseren Bezeichnung willen nehmen wir an, das Sy- stem von n spiegelnden Flächen liege horizontal, und es falle Licht von oben darauf. Die (n + 1) te Fläche werde unten daran gefügt Die Quantität Licht, welche von der untersten n ten Fläche des zusammengesetzten Systems herabgeht zu der (n + 1) ten Fläche, nennen wir x\ diejenige, welche von der (n + 1) ten Fläche reflectirt zu dem System der n Flächen hinaufsteigt, j/. Die Quantität z wird zusammengesetzt theils aus 42 dem Theil des einfallenden Lichtes, welcher durch das System der n Flächen hindurchgedrungen ist, theils aus dem Antheil von y, welcher von diesem System reflectirt wird. Also ist: ^=l-P(,)+yi'(n) (3) Die Quantität y rührt von demjenigen Theile des x her, welcher von der (/t + 1) ten Fläche reflectirt wird. Es ist also: y^xp (4) Die Quantität Pcn-i-i)» welche von der obersten Fläche nach oben geht, rührt theils her von dem Theile des einfallenden Lichtes, welcher von dem System der n Flächen reflefctirt wird. 260 Physiologische Optik. theils YOB dem Theile von y, welcher durch dieses System hin» durch geht Es ist also: P(n+l)«P(n)+y(l-P(n)) (5) Wemi man aus den Gleichungen (3), (4) und (5) das x und y eli- minirt, erhält man: P — P ..,y[l-'-P(n)]' /ßx P^n + 1) = F^n) + -YZ-fp^ (ö) Setzt man in diese Gleichung (6) den Werth yon P^^n) aus Glei- chung (1), so erhält man in der That nach den nöthigen Beduc» tionen die Gleichung (2), deren Richtigkeit bewiesen werden sollte. Für eine reflectirende Fläche ist: -P(i) = P* Denselben Werth giebt die zu prüfende Gleichung (1). Für 2 reflectirende Flächen erhalten wir den Werth P(2) 43 ohne die Gleichungen 1 oder 2 zu gebrauchen, wenn wir in der Ableitung der Gleichung (6) das n ss 1 und /(«) = p setzen. Die Gleichung (6) wird dann: -. _?£. ■" 1+p Denselben Werth giebt die Gleichung (1). Da die letztere demnach für n = 1 und für n = 2 richtig ist, so folgt aus dem geführten Beweise, dass sie es auch für n s= 3 sei, und wenn sie es für n = 3 ist, dass sie es auch für n = 4 sei, u. s. w. in infinitum. Ganz ebenso verhält es sich mit dem der Einfallsebene parallel polarisirtem Lichte. Setzen wir die Quantität des einfallenden Lichtes gleich \J, und p = 2PjJ und bezeichnen das, was wir hier P(n) ge- nannt haben, mit /7, so erhalten wir die Formel der S. (238). LIX. Ueber eine neue einfachste Form des Augenspiegels. Ans Yierordt's Archiv für Physiologische Heilkunde. Bd. 11. S. 827—852. 18Ö2. Die günstige Aufnahme, welche der von mir im vorigen ssr Jahre erfdndene und beschriebene Augenspiegel erfahren hat, veranlasst mich noch einmal auf diesen Gregenstand zurückzu- kommen. Ein bedeutender Fortschritt für die Erweiterung des Kreises von Beobachtungen , welche sich durch solche Instru- mente ausführen lassen, ist durch Prof. Buete geschehen in seiner lehrreichen Schrift: „Der Augenspiegel und das Opto- meter. Göttingen 1852." Der Zweck der vorliegenden Abhandlung ist, sowohl die Leistangen von Buete's Instrument im Vergleich mit denen des meinigen zu besprechen, als auch namentlich auf eine ganz ausserordentliche Vereinfachung desselben aufinerksam zu machen, welche diesem intelligenten Beobachter entgangen zu sein scheint, da er sie unter den Formen von Augenspiegeln, welche er vorschlägt, nicht erwähnt. Diese Vereinfachung in der practischen Ausführung desselben Princips, welches Ruete's Augenspiegel zu Grunde liegt , geht in Bezug auf das instru- mentale Zubehör so weit, dass es unmöglich ist, sie zu über- treffen. Statt eines jeden Augenspiegels ist nämlich nichts mehr nöthig als eine kleine Convexlinse, wie sie zu den gewöhnlichen Loupen gebraucht wird. Ihr Grebrauch erfordert sas etwas mehr Geschicklichkeit und Uebung von Seiten des Be- obachters, als der des zusammengesetzten Instrumentes von Buete, aber ich glaube nicht, dass sie in ihren Leistungen 262 Physiologische Optik. wesentlich hinter diesem zurückbleibt. Ich halte es deshalb nicht für überflüssig Theorie und praktische Anwendung dieser Linse zu erörtern, und werde nachher die Leistungen der ver- einfachten und ursprünglichen Methode von Buete mit denen meines Augenspiegels vergleichen. Um das Yerhältniss beider Listrumente zu einander klar zu machen, muss ich auf die Theorie des Augenleuchtens ein- gehen, und rufe zunächst folgende Sätze zurück, welche ich in meiner ,36schreibung eines Augenspiegels^' nachgewiesen habe. Wenn das Auge einen leuchtenden Körper deutlich sieht, d. h. wenn es alle Strahlen, welche von einem jeden leuchtenden Punkte desselben ausgehen, auch auf einen einzigen Punkt der Netzhaut concentrirt: so geht alles Licht, welches hier ztuiick- geworfen wird und aus der Pupille wieder heraustritt, auf den- selben Wegen, auf denen es gekommen ist, nach dem leuchten- den Körper zurück. Es sei in Fig. 25 A ein leuchtender Punkte Fig. 2&. B der Durchschnitt eines Auges, welches für die Entfernung AB accommodirt sei und ein genaues Bild von A auf seiner Netzhaut in a entwerfe. Dam) vereinigen sich alle Strahlen des einfallenden Strahlenkegels Aji^^ p^ innerhalb des Auges im Punkte a. Die Theile des einfallenden Lichtes, welche hier von der Netzhaut und ihren Ghefässen zurückgeworfen werden^ gehen zunächst nach der Pupille und indem sie, immer genaa den Richtungen der einfaUenden Strahlen folgend, auch gtoau dieselben Brechungen erleiden, zuletzt zu dem leuchtenden Punkte A zurück. Während daher die Augenmedien von dem leuchtenden Zweiter Angenspi^eL 263 Punkte A ein Bild in a entwerfen, müssen sie auch umge- kehrt von dem erhellten Punkte der Betina a ein äusseres Bild in A entwerfen. Unter diesen Umständen kann ein zweites Auge 2>, welches neben dem leuchtenden Punkte A Torbei nach B hinblickt, von dem rückkehrenden Lichte nichts auffangen und es muss ihm die Pupille von B dunkel er- scheinen. Anders verhält es sich, wenn das Auge £ für die Ent- fernung des leuchtenden Punktes nicht richtig accommodirt ist. Seine Sehweite bleibe wie vorher gleich der Entfernung AB^ und der leuchtende Punkt rücke von A nach C. Jetzt werden die Augenmedien nicht mehr auf der Betina in a ein Bild von 820 C entwerfen können, sondern der Ort des Bildes wird hinter die Betina, etwa nach e fidlen. Der Glang der Lichtstrahlen für diesen Fall ist in der Fig. 1 durch gestrichelte Lüiien bezeichnet Man sieht, dass sie die Betina nicht mehr in einem Punkte, sondern in einem Zerstreuimgskreise von dem Durchmesser YiY^ treffen. Wo wird jetzt das Bild der erleuchteten Theile der Netzhaut liegen? Natürlich, da die Accommodation des Auges unverändert geblieben sein soll, an derselben Stelle, wo es im ersten Falle lag, nämlich an der Stelle von A, Nur wird jetzt hier nicht mehr das Bild eines einzelnen hellen Punktes der Netzhaut, sondern das eines hellen Kreises entworfen, welches also selbst nicht mehr ab Punkt, sondern als Kreis von dem Durch- messer gi g^ erscheint. Li der Figur ist g^ der Bildpunkt von y^ und g^ der Bfldptmkt von y^* Das Licht, welches von der Netzhaut zurückgeworfen wird, geht also nicht, wie im vorigen FaUe, nach dem leuchtenden Punkte zurück, um sich in diesem wieder zu vereinigen, sondern verbreitet sich jetzt in dem kegelförmigen Baume gig%P\P%^ und es wird ein Theil desselben von dem Auge D aufgefangen werden können. Die Pupille des Auges B, aus der dieses Licht herkommt, erscheint dem Beobachter alsdann leuchtend, während er die erhellten Theile der Netzhaut selbst nicht unterscheiden kann. Denn das optische Bild g^ g^ welches die brechenden Medien des Auges B von ihrer Netzhaut entwerfen, liegt in der Begel nicht in den Grenzen des deutlichen Sehens für D. Auf 264 Physiologische Optik. diesen Umständen beruht die Methode von Brücke, das Augenleuchten zu beobachten. Um es ungehinderter sehen zu können, schiebt man noch einen Schirm zwischen D und C ein, welcher das direct von C kommende Licht vom Beobachter abhält. Das Leuchten ist desto stärker, je weniger die Accommo- dation des beobachteten Auges f&r die Entfernung des leuchtenden Punktes passt. Auf den von der Sehaxe entfernteren Theilen der Netzhaut scheint niemals ein genaues Bild entworfen zu werden, sodass man das Leuchten auch dann stets beobachtet, wenn das beobachtete Auge nicht direct nach der flamme hinsieht. Geschieht dies aber und ist das Auge filr die Ent- fernung der Flamme richtig accommodirt, so verschwindet das Leuchten. Unabhängig vom Stande der Accommodation kann man aber auch bei der Entwerfimg genauer Bilder das Augen- leuchten mittels des Hülfsmittels, welches v. Er lach gefunden 830 hat, sehen, indem man zur Beleuchtung nicht eine wirkliche Flamme, sondern das von einer durchsichtigen Glasplatte ent- worfene Spiegelbild einer solchen anwendet. Dann kann der Beobachter durch die Glasplatte genau in der Bichtung des einfallenden Lichtes in das beobachtete Auge sehen und das aus diesem zurückkehrende Licht in sein Auge auffangen. Meinen Augenspiegel habe ich auf diese Erlach'sche Methode der Beleuchtung gegründet, während dem von Buete die Brücke'sche zu Grunde liegt, denn Ruete sieht durch die OefiEhung eines in der Mitte durchbohrten Hohlspiegels nach dem beobachteten Auge hin, und wenn auch die ganze Spiegel- fläche Licht dahin sendet, so fällt doch gerade von der Stelle, wo das Auge des Beobachters steht und in der Bich- tung, in der dieses hineinsieht, kein Licht hinein. Es ist also derselbe Fall, als wenn der Beobachter neben dem leuchten- den Körper vorbeisieht. Das Augenleuchten nach Brücke's Methode ist um so stär- ker, je weniger die Accommodation des beobachteten Auges für die Entfernung des leuchtenden Körpers passt. Die Verände- rungen im brechenden Apparat des Auges, welche den grössten willkürlich auszuführenden Schwankungen der Sehweite ent- sprechen, sind aber nicht sehi* bedeutend, die Zerstreuungs- Zweiter Augenspiegel. 265 kreise, welche bei unpassender Acconunodation entstehen, daher Ton geringer Grösse und daa Brücke'sche Leuchten schwach. Aber man kann die Sehweite des beobachteten Auges künst- lich in sehr beträchtlichem Grade verändern, wenn man ihm ein scharfes Convex- oder Concavglas vorsetzt. Ebenso wie man ein weitsichtiges Auge durch ein vorgesetztes Gonvexglas ein kurzsichtiges durch ein Concavglas normalsichtig macht, wird ein normalsichtiges durch ein vorgesetztes Concavglas, einem weitsichtigen ähnlich, durch ein Convexglas einem kurz- sichtigen. Wenn man eine Sammellinse von 1^2 Zoll Brenn- weite vor das Auge hält, so kann man nur solche Gegenstände noch deutlich sehen, welche nahehin 1 Y2 Zoll hinter der Linse liegen, alle entfernteren entwerfen Bilder mit so grossen Zer- streuungskreisen auf der Betina, wie es sonst bei den grössten Veränderungen der Sehweite nie geschehen kann. Das ist aber ausserordentlich vortheilhaft, wenn in diesem Auge das Brücke 'che Leuchten beobachtet werden soll, und in der That sieht es der Beobachter in dem mit der Linse versehenen Auge Tiel stärker erscheinen als ohne Linse. Dasselbe ist der Fall, wenn man eine Concavlinse von kleiner Brennweite vor das beobachtete Auge bringt, auch diese macht die Bilder auf ssi sdner Betina sehr undeutlich und verstärkt das Leuchten. Durch diese geringe Modification des Brücke'schen Ver- suches kann eine ganz ausreichende Beleuchtung des Augen- hintergrundes für den Beobachter hervorgebracht werden. Jetzt fragt sich noch, wo ist bei dieser Anordnung das Bild zu suchen, welches die Augenmedien von der erleuchteten Stelle der Netzhaut entwerfen. Fig. 26 stelle das Auge des Beobachters D, des Beobachteten B, die Flamme einer Kerze A im horizontalen Durchschnitte dar. jS' ist ein Schirm, welcher das Licht von A vom Auge des Beobachters abhält; letzteres sieht dicht neben dem Schirm und der Flamme A vorbei und durch die Convexlinse L hindurch nach der Pupille des be- obachteten Auges B und erblickt diese stark leuchtend. Das Auge B kann, so lange die Linse vor ihm steht, kein deut- liches Bild von dem Lichte A auf seiner Betina entwerfen sondern es bildet sich ein helles Zerstreuungsfeld, dessen Durchmesser Yi y^ s®^- ^^^ Einfachheit wegen nehmen wir 266 Physiologische Optik. an, dieses Auge sei für weit entfernte Gegenstände accommodirt, sodass es parallel einfallende Strahlen anf seiner Betina in einem Punkte vereinigt tmd Strahlen, welche von einem Punkte der Betina ausgehen, parallel wieder austreten lässt Sollte seine Accommodation auch in Wirklichkeit eine andere sein, so entsteht dadurch keine merkliche Veränderung in der Pro* jection der Bilder. Die Strahlen, welche von einem Punkte des erhellten Theiles der Betina kommen, treten also unter sich parallel aus dem Auge B aus, fallen auf die Linse L und werden von dieser in deren jenseits gelegenem, dem Auge D zugewendeten Brennpunkte wiederum vereinigt Das Bild der Netehaut wird daher in der Fläche g^g^ entworfen, wenn hL die Brennweite der Linse L ist und wenn der Beobachter sein Auge D flir I Fig. 26. die Entfernung Db accommodirt, kann er hier m g^g^ ein deutliches und umgekehrtes Bild der Netzhaut erblicken. Diese interessante Anwendung der Linse Lj welche gleichzeitig den betreffenden Theil der Netzhaut deutlich sichtbar macht und beleuchtet, ist ganz dieselbe wie in Buete's Augenspiegel Diejenigen meiner Leser, welche die Beschreibung dieses Li- strumentes kennen, werden gleich übersehen, dass sich die be«» schriebene Anordnung des Versuches in Pig. 26 von dem opti^ sehen Theile jenes Augenspiegels, der in Fig. 27 schematisch dar- gestellt ist, nur dadurch unterscheidet, daes an Stelle des das Licht der Lampe A reflectirenden Spiegels C C, der bei Buete 83S vor dem Auge des Beobachters D steht und durch dessen Oeffnung dieser blickt, hier die Lichtflamme selbst getreten ist In theoretischer Beziehung ist dieser unterschied unerheblich, in praktischer aber vereinfEu^ht er das Verfahren ungemein. Zweiter Angensinegel. 267 Statt der Conyexliiise L kann man auch eine Concavlinse von kleiner Brennweite vor das Ange B setzen. Die von einem Punkte der hellen Netzhautfläche Y\Y2 kommenden Strahlen, welche parallel aus dem Auge zur Linse treten, werden von dieser dann so gebrochen, als kämen sie aus deren hin-» terem, nach der Seite von B gelegenem Brennpunkte, und dem Auge D erscheint daher ein Bild der Betina aufrecht und hinter der Concavlinse gelegen, dessen Vergrösserung dem durch die Convexlinse erhaltenen gleich ist, wenn die Brenn-* weiten beider Linsen gleich sind Aber das Feld, welches man von der Netzhaut erblickt und welches bei diesen Yersucdien durch die Iris des beobachteten Auges begrenzt wird, ist bei den Concavlinsen viel kleiner, sodass es sich als vortheil- hafter zeigt, Convexlinsen anzuwenden. Der Augenarzt, welcher den Hintergrund eines kranken Auges beobachten will, braucht also nichts weiter mit sich zu bringen ab eine kleine Convexlinse von IVs bis 2 Zoll Brenn- weite und Vs ^U Durchmesser. Die Art ihrer Anwendung, wie ich sie am bequemsten gefunden habe, ist folgende. Arzt und Patient setzen sich in einem übrigens verdunkelten Zimmer neben ein^m Tische dicht vor einander hin, sodass ihre G-e- sichter etwa einen Fuss von einander entfernt sind und so, dass eine Ecke des Tisches zwischen beide hineinragt Ich setze voraus, dass der Beobachter, wenn er mit einem Auge sehen will, das rechte dazu zu gebrauchen pflegt, wie es ge- wöhnlich der Fall ist; dann niuss der Tisch zu seiner Linken stehen. Der Arzt setzt eine K^'ze, deren Flamme in der Höhe der beiderseitigen Augen steht, dicht vor sich auf die Tisch« ecke, bringt mit der linken Hand zwischen die Flamme imd sein Auge einen kleinen dunklen Schirm, wozu er ein Stück- chen Pappe, ein kleines Buch, oder was sonst zur Hand ist, gebrauchen kann, und visirt nun mit seinem rechten Auge dicht neben dem Bande des Schirmes und dicht neben dem hellsten Theile der Flamme vorbei nach dem Auge des Kran- ken hin, dem er einen Ghesichtspunkt hinter seinem Bücken in der dunklen Tiefe des Stimmers anweisen kann. Die Stellung der beiden Augen, des Schirmes und der Flamme ist wie in 268 Physiologische Optik. Fig. 26. Er sieht bei diesem Visiren die Pupille des beobach- teten Auges roth leuchten und zwar desto stärker, je näher 883 er am Bande der Flamme vorbeisieht. Wenn man nur diese Bedingung fortdauernd beachtet, wird es nicht schwer, das Leuchten wahrzunehmen. Bei blauen und kurzsichtigen Augen mit weiter Pupille ist es stärker als bei braunen und normal- sichtigen, aber es lässt sich auch bei letzteren immer erkennen. Sobald der Arzt die günstigste Stellung seines Auges für die Beobachtung des Leuchtens gefunden hat, bringt er die Linse dicht vor das beobachtete Auge. Er &S8t sie wohl am besten zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, während er den kleinen Finger derselben auf das Gesicht des Kranken aufstützt Lidem man die Linse zunächst dicht vor das beobachtete Auge bringt, erleichtert man sich das Auffinden ihrer richtigen Stellung sehr. Man erblickt nämlich Lis und Pupille dieses Auges in geringer Yergrösserung und übersieht deshalb durch das Glas hinreichend viel von den äusseren Theilen des Auges, um der Linse ohne Schwierigkeit ihre Stellung gerade vor der Pupille zu geben, welche jetzt stärker leuchtend erscheint. Das roth leuchtende, der Netzhaut angehörige Feld, welches man über- sieht, ist zunächst klein, weil es durch den Band der Pupille begrenzt ist und diese wenig vergrössert erscheint, so lange die Linse nahe vor dem Auge steht Entfernt man letztere aber allmälig von dem Auge in solcher Bichtung, dass die roth leuchtende Pupille fortdauernd die Mitte der Linse einnimmt, so erscheint sie und mit ihr das rothe Feld des Hintergrundes immer grösser und grösser, bis es sich zuletzt über die ganze Fläche der Linse ausbreitet. Jetzt wird man meistens schon von selbst auf das Bild der Netzhautgefässe durch einzelne stärker markirte rothe Stämme aufinerksam. Wenn man es nicht gleich sieht, so erinnere man sich, dass dieses Bild nicht in der Fläche des Glases, sondern je nach seiner Brennweite 1) bis 2 Zoll vor ihm nach der Seite des Beobachters hin liegt und dass dieser sein Auge ftir eine kürzere Sehweite acconmiodiren muss, als die Entfernung der Linse be- trägt, um es deutlich sehen zu können. Wenn stark gezeich- Zweiter Augenspiegel. 269 nete Gefässstämme gerade vorliegen, gelingt es übrigens oft das Netzhautbildchen schon zu sehen, während man die Grlas* linse noch dicht yor das beobachtete Auge hält und die Pupille in geringer Yergrösserung erscheint Es ändert sich durch die yerschiedene Entfernung der Linse vom Auge an dem Netz- hautbildchen weiter nichts als der Umfang, den man dayon übersieht Seine Lage zur Glaslinse, Helligkeit, Yergrösserung bleiben dabei unverändert. Wenn die beiden Augen 12 Zoll ^^ von einander entfernt sind, so hat der Beobachter das Netz- hautbildchen in 8-- 9 Zoll Entfernung yor sich, also in bequemer Sehweite. Sollte er sehr kurz oder weitsichtig sein, wird er am besten thun, eine solche Brille aufzusetzen, wie er sie zum Lesen braucht Die Yergrösserung des Netzhautbildchen lässt sich theore- tisch sehr leicht bestimmen; sie ist gleich der Brennweite der Glaslinse dividirt durch die Brennweite des Auges. Unter letzterer verstehe ich den Abstand des Kreuzungspunktes der Bichtstrahlen von der Netzhaut, welcher ungefähr einen hal- ben ZoU beträgt Durch eine Linse von 1} Zoll Brennweite bekommt man also eine dreimalige, durch eine von 2 Zoll eine viermalige Yergrösserung.^) Man sieht, wie es Buete schon beschrieben hat, in einem gesunden Auge sehr leicht die Ein- trittsstelle des Sehnerven als einen kleinen runden weissen Fleck, die Yerästelungen der Centralgefässe, welche als feine dunkelrothe Linien auf dem hellrothen Grunde erscheinen. Den gelben Eleck wie Buete zu sehen, ist mir nicht gelungen, weil das von der Hornhaut reflectirte Lichtbildchen sehr hell und durch die Glaslinse stark vergrössert in den Weg tritt, sobald man in der Bichtung der Sehaxe in das beobachtete Auge zu blicken sucht Das Homhautbildchen ist bei der beschriebenen und ebenso bei Buete 's Methode sehr viel störender als bei meinem Augenspiegel Letzterer schwächt es bedeutend durch die polarisirende Wirkung der spiegelnden Glasplatten, es erscheint als ein matter Schein, hinter welchem 1) Diese Angaben sind nicht identisch mit denen von Buete. Ich habe die wirkliche Vergrösserung des gesehenen Bildes bestimmt, Buete die scheinbare Yergrösserung, wie sie fUr die bestimmte Stellung des Auges in seinem Augenspiegel stattfindet. 272 Physiologische Optik. Ruete hat die betreffenden Theile des Apparates auf einem sehr zweckmässigen Gestelle befestigt und durch diese Neben- einrichtuDgen überhaupt wohl die Beobachtung so bequem wie möglich gemacht Nur will ich ftir diejenigen Aerzte und Physiologen y welche sich das Instrument zu einzelnen Ver- suchen provisorisch und möglichst biUig zusammenstellen möch- ten, hier noch bemerken, dass der Hohlspiegel, so viel ich sehe, ohne Schaden durch einen gewöhnlichen ebenen Glas- spiegel ersetzt werden kann, in dessen Quecksüberbelegung man ein Loch von der Grösse der Pupille f&r den Beobachter zum Hindurchsehen angebracht hat Wenn man eine Lampen- flamme von nicht zu kleinem Querdurchmesser anwendet, welche man dem schräg gegen die Verbindungslinie der Augen gestell- ten Planspiegel von der Seite her ganz nahe bringen kami, wird auch die Helligkeit der Beleuchtung dieselbe. Von dem Lichte, welches der Hohlspiegel sammelt, muss bei Buete's Listrument das meiste verloren gehen. Die Linse L entwirft nämlich durch Concentration des vom Spiegel kommenden Lichtes auf der Oberfläche des Auges B ein Bild der hellen Spiegelfläche, welches nach den vonHuete angegebenen Dimen- sionen seines Listrumentes 5 Linien im Durchmesser haben muss. Davon kann natürlich nur der kleinste Theil durch die viel engere Pupille hindurchtreten, das meiste wird von der Lis und Sclerotica abgefangen. Das Maximum der Helligkeit muss schon erreicht sein, wenn die Linse L von der leuchten- den Fläche (der gespiegelten Lampenflamme) ein Bild von der Breite der Pupille des beobachteten Auges entwirft, und das wird sich bei einer zollbreiten Flamme auch ohne Hohlspiegel erreichen lassen. Ja, es möchte die Zuleitung überflüssigen Lichtes durch den Hohlspiegel nicht einmal ganz unschädlich sein, da die Lichtreflexe an den beiden Oberflächen der Linse 837 und an der Hornhaut desto störender werden, je mehr Licht nach dem Auge hin geworfen wird« Stellt man übrigens zwischen Flamme und Spiegel eine Sammellinse auf, so kann man die Flanmie auch beliebig ver- grössem. Linse und Spiegel zusammen vertreten dann die Stelle des Hohlspiegels, und man hat noch den Yortheil, dass auch. die unbelegte Stelle des Spiegels genau in der Richtung der Zweiter AugenapiegeL 278 Oesiclitslime des Beobachters Licht in das beobachtete Auge sendet. Was zunächst das Yerhältmus der Helligkeit zvischea Ruete's orsprOnglichem und dem vereinfachten Verfahren betrifft, so können wir, ohne uns aul' strengere theoretische Untersuchungen einzulassen, durch folgende üeberlegung ein- sehen, dass die Helligkeit bei dem einfacheren Ver&hren nicht viel geringer zu sein braucht; eine Thatsache, welche sich auch bei der Beobachtung bestätigt. Das beobachtete Auge empfängt das Licht zonächst von der Glaslinse her, diese erscheint ihm als eine stark leuchtende Kreisfläche. Auf seiner Retina wird ein Bild dieser Kreisfläche entworfen, und offenbar muss alles Licht, welches von der Linse in das Auge gelangt, sich in dem umfange ihres kreisrunden Bildes vertheilen. Gebrauchen wir nim in Buete's Augenspiegel und bei dem einfacheren Verfahren eine Linse von derselben Grösse und Brennweite, so wird auch der Umfang ihres Bildes im beobachteten Auge derselbe sein, und da sich somit das ein- fallende Licht in beiden Fällen auf emen gleich grossen Baum vertheUt, wird die Helligkeit der Erleuchtung nur vou der Quantität des einfallenden Lich- tes abhängen. Die Linse L entwirft nun bei ihrer vortheil- baftesten Stellung aufderOber- fläche des Auges B ein Bild des beobachtenden Auges und der leuchtenden Fläche, entweder wie in Fig. 28 des Spiegels oder, beim einfacheren Verfahren, wie in Fig. 29 der Lichtflamme. Li beiden Figuren bezeichnet p das Bild der Pupille des Beobachters, welches auf die Pupille des beobachteten Auges fallen muss, wenn der Beobachter soll hineinsehen können. Ln günst^sten Falle wirkt der Hohlspiegel, als leuchtete seine ganze Fläche mit derselben Intensität, wie der hellste Theil der Lichtflaomie, die Linse wird also von ihm wie in Fig. 28 ein viel grösseres, aber kein helleres Bild entwerfen als von Fig. 2%. 274 PhjsiologiBche Optik. der Flamme in JFig. 29. Aus dem Anblick beider Figuren ergiebt sich leicht ^ dass nur durch diejenigen Theile der Pu- pille, welche von dem hellen Theile des Bildes bedeckt wer- den, Licht in das Innere des Auges zur Erleuchtung der ^etz- sis haut fallen wird, und zwar in beiden Fällen wegen der gleichen Helligkeit der beiden Bilder durch gleich grosse Theile der Pupillenfläche gleich vieL Wenn aber das Lichtbild auf dem Auge die Lage hat, welche in Fig. 29 gezeichnet ist, sieht man, dass auch hier fast die ganze Pupille mit Ausnahme eines ganz kleinen E[reisabschnittes Licht empfangen wird, dass also fast ebenso yiel Licht bei dem einfacheren Verfahren in das Auge fallen und die helle Netzhautstelle üsk ebenso stark beleuchten kann wie in Buete's Augenspiegel Uebrigens yertheilt sich die Lichtmenge bei dem einfachen Verfahren nicht ganz gleichmässig auf der Netzhaut. Die nach der Seite des Lichtes gelegenen hellen Theile derselben sind stärker, ebenso stark wie in Buete 's Augenspiegel beleuchtet, die anderen ein wenig schwächer. Ln Ganzen zeigt sich bei vergleichenden Versuchen der Unterschied in der Beleuchtung so gering, dass ich sehr zweifle, ob dadurch irgend ein Nach- theil bei der praktiuBchen Anwendung entstehen wird. Der zweite wesentliche Punkt der Vergleichung ist die Leichtigkeit, mit welcher man bei den beiden Verfahrungs- weisen die richtige Stellung des Listrumentes findet Buete's Spiegel möchte in Bezug auf Bequemlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, namentlich, wenn man einen intelligenten G-ehülfen hat, welcher den Kopf des Kranken fiidrt und in die erforder- liche Stellung bringt. Buete giebt in seiner Schrift Nichts darüber an, wie er den Kopf des Kranken fixui; habe. Ich hatte anfänglich den optischen Theil meines Augenspiegels auf einem feststehenden Gestelle befestigt, gab es aber auf, weil selbst geschickte und einsichtige Personen, welche sich zur Beobachtung hergaben, nicht im Stande waren, den Kopf ge- nügend lange in unveränderter Stellung zu erhalten. Bei Buete's Augenspiegel bietet sich aber ein bequemes Mittel dar, durch einen G^hülfen den Kopf des Kranken richten zu lassen. Dieser muss nur auf das von der Linse auf dem be- obachteten Auge entworfene Bild des Spiegels mit der mitt- Zweiter Augenspiegel. 275 leren dunklen Oeffnung achten und sorgen, dass dieser dunkle Fleck auf die Pupille tüit, dann wird auch der Beobachter ohne Weiteres die Netzhaut vor sich sehen. Bei dem Gebrauche einer einfachen Convexlinse hat es der Beobachter allerdings nicht ganz so leicht, sondern er muss fortdauernd auf die richtige Stellung der Linse und seines Auges achten, und ich muss gestehen, dass ich bei den ersten Probeversuchen damit, als ich die oben beschriebene Methode, der Linse die richtige Stellung zu geben, noch nicht gefunden 8S9 hatte, nur nach vielem Herumtappen mit dem Versuche zu Stande kam und ihn ohne die theoretische Ueberzeugung von seiner Ausführbarkeit bald aufgegeben haben würde. Seitdem ich aber die oben beschriebenen Kegeln zur Orientirung der Linse benütze, gelingt es mir mit der grössten Sicherheit und Leichtigkeit jedes Mal augenblicklich, und ich bitte diejenigen meiner Leser, welche den Versuch nachmachen wollen, nur alle dort gegebenen Regeln sorgsam zu beachten, dann glaube ich ihnen auch Gelingen versprechen zu können. Namentlich achte der Beobachter darauf stets ganz dicht am Bande des Lichtes vorbeizusehen, und wenn er die Linse vom Auge allm&hlich entfernt, die Pupille stets in ihrer Mitte zu behalten. Auch lasse er das kranke Auge nicht in den hellen Kreis der Linse hinein, sondern ein wenig seitwärts sehen; er würde im ersteren Falle durch das Homhautbildchen an der Beobachtung gehindert werden. Eine andere Schwierigkeit, welche aber ganz in demselben Grade bei Buete's zusanmiengesetztem Augenspiegel be- steht, ist die, dass das sichtbare Netzhautbildchen nicht in der Ebene der Linse, sondern vor derselben liegt und es einem Beobachter, der nicht an willkürliche Aenderung der Sehweite gewöhnt ist, oder es durch einen glücklichen Blick erhascht, vielleicht nicht gelingt die Gefässe der Netzhaut zu sehen, wiUirend er doch die rothe Beleuchtung derselben ganz gut erkennt Erschwert wird die Ausführung der richtigen Accom- modation noch dadurch, dass das Netzhautbildchen, wenn nicht gerade die Eintrittsstelle des Sehnerven darin enthalten ist, keine auffallenden Lichtcontraste darbietet, sondern schwach in dunkelrothen Linien auf heUrothem Grunde gezeichnet erscheint, 18* 276 Physiologische Optik. während die Linse mit den grellen Lichtreflexen ihrer beiden Oberflächen den Blick unwillkürlich auf sich zieht. Einem Be- obachter, dem es gar nicht gelingen sollte, die richtige Accommo- dation zu finden, würde ich rathen, die Beobachtungen mit einem schärferen Convexglase anzufangen, weil diesem das Netzhaut- bildchen näher liegt und letzteres daher schon bei einer ge- ringeren Veränderung der Sehweite aufgefunden werden kann. Oder der Beobachter übe sich in der Beobachtung ähnlicher Bilder, welche solche Convexlinsen von anderen entfernten G-e- genständen des Zinmiers entwerfen und welche leicht zu sehen sind, wenn man die Linsen aus 8 — 12 Zoll Entfernung be- sM trachtet Bei einiger Aufmerksamkeit wird er sehen, dass auch diese Bilder nicht in der Ebene der Linse liegen, und wird lernen, mit seinem Blicke von der Linse auf das Bild und zu- rück zu gehen. Obgleich daher der Augenspiegel von Buete für Augen- kliniken und ftir das Üonsultationszimmer des Augenarztes die bequemste Form sein möchte, um die Arten der Beobachtung anzustellen, welche er zulässt: so glaube ich doch, empfiehlt sich die Anwendung einer einfachen Conyexlinse, welche bei einiger XJebung des Beobachters wohl kaum weniger leisten wird als jenes complicirte Listrument, durch ihre grosse Ein- fachheit, Billigkeit, die Möglichkeit, sie in jedem Augenblicke bei sich zu tragen und zu gebrauchen, hinreichend, um die Augenärzte zu Versuchen damit aufzufordern, und vielleicht sind es gerade diese Umstände, welche eine ausgedehntere Aus- ftihrung von Netzhautuntersuchungen durch eine mögUchst grosse Zahl von Augenärzten möglich machen. Ich knüpfe hier endlich noch eine Vergleichung des Instru- mentes von Buete mit meinem Augenspiegel an. Die wesentlichen Unterschiede beider Methoden sind, dass sowohl die ursprüngliche als die vereinfechte von Buete ein grösseres Gesichtsfeld bei geringerer Vergrösserung und eine grössere Helligkeit gewähren. Das grössere Gesichtsfeld wird bei Krankheitszuständen die Untersuchung sehr erleichtem, und ebenso hat Buete gewiss Röcht, wenn er die geringere Ver- grösserung in einer grossen Zahl von Fällen für ausreichend erklärt Zweiter Augenspiegel. 277 Ich halte deshalb die Erfindung seines Instrumentes ftir einen wesentlichen Fortschritt in der Untersuchung des Augen- hintergnmdes. In welchen Fällen von pathologischen Ver- änderungen der Retina die stärkere Yergrösserung nothwendig werden wird, in welchen die schwächere ausreicht, darüber kann natOrUch nur die ErÜEihrung der Augenärzte entscheiden. Ich will hier nur noch darauf aufinerksam machen, dass die in phjrsiologischer Beziehung wichtigen Beobachtungen über die Gestalt und Genauigkeit der Netzhautbilder, ihre Veränderung bei der Accommodation und über die durchscheinende Beschaffen- heit der Sehnervenmasse nach Buete's Methode nicht aus- gef&hrt werden können, und dass man dabei auch nicht die arteriellen von den renosen Gefässstämmen unterscheidet, was in einzelnen Fällen von Wichtigkeit sein kann und durch meinen Augenspiegel unterschieden wird. Die Helligkeit ist in Buete's Spiegel nahehin 4 Mal grösser als in meinem. Denn bei diesem geht die Hälfte des mi ein&Uenden Lichtes bei der Spiegelung an den unbelegten Glasplatten verloren, die Netzhaut wird also nur halb so stark beleuchtet, und von dem zurückkehrenden Lichte geht wiederum die Hälfte verloren, wenn es durch die Glasplatten hindurch- tritt Ich habe mich bei der Construction meines Instrumentes nicht bemüht, eine stärkere Beleuchtung zu erzeugen, weil diese für die Beobachtung der Netzhaut normaler Augen genügt und weil eine stärkere nicht ohne Belästigung ertragen wird. In der That ertragen gesunde Augen fast beliebig lange die Un- tersuchung mit meinem Augenspiegel, ja selbst gereizte und em- pfindhche Augen habe ich untersucht, ohne dass die Kranken sich geblendet fehlten oder über üble Folgen zu klagen gehabt hätten. Das ist aber bei Buete's Methode anders. Der Grad der Blendung hängt nicht nur von der Intensität des einfallenden Lichtes ab, sondern auch von der Ausdehnung des beleuchtenden Netzhautfeldes, oder, was damit gleich ist, von der scheinbaren Grösse der leuchtenden Fläche. Ausserdem ist zu bemerken, dass die Stelle des directen Sehens sehr viel empfindlicher ist als die Seitentheile der Netzhaut. Bei Ruete 's Methode wird nun ein sehr viel grösseres Feld der Netzhaut mit doppelt so hellem Lichte erleuchtet als bei meinem Spiegel, und selbst 278 Physiologische Optik. wenn man den Beobachteten nicht, wie es Buete Yorschreibt^ direct in den hellen Lichtkreis hinein, sondern seitwärts vorbei blicken lässt, erträgt ein gesundes Auge die Beobachtung nur wenige Minuten, ohne Thränenfluss und lang anhaltende Nach- bilder zu bekommen. Die Untersuchung empfindUcher Augen verwirft deshalb Kuete ganz und gar, während ein geübter Beobachter, der schnell mit der Untersuchung zu Stande kommt, meinen Augenspiegel, natürlich mit der nöthigen Bücksicht auf den £[ranken, dazu wohl anwenden kann. Dem beobachteten Auge erscheint dabei in den spiegelnden Gläsern das Bild der Flamme unvergrössert und in halber Lichtstärke; es bUckt aber nicht direct nach diesem Flammenbilde hin, sondern seitwärts. Ein Auge, welches z. B. ein neben die Lampenflamme gehal- tenes Buch ohne geblendet zu werden betrachten kann, kann, auch ohne Bedenken mit dem Augenspiegel untersucht werd^. Bei Buete's Verfahren erscheint dagegen die Glaslinse dem beobachteten Auge als ein grosser feuriger Ereis, dessen Licht- intensität der der Flamme &st gleich ist, dessen Durchmesser etwa die Hälfte von dem Durchmesser des ganzen Gesichts- feldes beträgt. 842 Bei blinden Augen oder solchen mit stark getrübten Medien ist man natürlich in der Anwendung grösserer Lichtmengen unbeschränkt; bei ersteren würde auch mein Augenspiegel jeden nöthigen Grad der Helligkeit geben können, wenn man mit Hülfe von Sonnenlicht beobachtete. Zu bemerken ist übrigens noch, dass Buete's Augen- spiegel das Licht am meisten in der Pupille concentrirt und nach der Netzhaut hin sich wieder ausbreiten lässt, während der meinige es an letzterer am meisten concentrirt Darin ist der eigenthümliche Yortheil für die Diagnose anfangender Trübungen der Linse begründet, welchen Buete an seinem Instrumente rühmt. Dies sind die wesentlicheren Punkte der Vergleichung. Von Nebenpunkten wäre noch zu erwähnen die grössere Be- quemlichkeit der Beobachtung fUr den Ungeübten auf Seiten von Buete 's Listrument. Dagegen ist das Bild meines Spiegels freier von störenden Nebenerscheinungen. Der Hornhautreflex erscheint als ein blasser Lichtnebel, Zweiter Augenspiegel. 279 während er bei Bnete ein sehr helles grosses Bild der leuch- tenden Fläche darstellt und ausserdem noch die Lichtreflexe der beiden Glasflächen hinzukommen. üebrigens will ich bei dieser Gelegenheit noch auf eine sehr Yortheilhafte Verbesserung meines Augenspiegels aufmerk- sam machen, welche mir von dem hiesigen Mechanikus Herrn E. Bekoss vorgeschlagen wurde und von demselben auch an einer Anzahl von Instrumenten ausgef&hrt ist. Der Wechsel der verschiedenen Concavgläser, welche zu meinem Instrumente gehören y war bei solchen Augen, wo man sich das passende Glas erst suchen musste, lästig und erschwerte die Beobachtung. Herr Bekoss hat jetzt diese Gläser in zwei drehbare Scheiben eingesetzt, welche an dem Gestelle des Instrumentes so be- festigt sind, dass beim Drehen derselben die verschiedenen Gläser, welche sie enthalten, nach einander vor das Auge treten. Jede Scheibe entiiält ein freies Loch und vier Ooncavgläser, die eine No. 6 — 9, die andere No. 10 — 13 der Brillengläser, sodass man ein jedes dieser Gläser einzeln oder gleichzeitig eines von den niederen und eines von den höheren Nummern vor das Auge bringen kann. Die Gläser lassen sich T^^Lhrend der Beobachtung leicht vertauschen, ohne dass man den Augen- spiegel aus seiner SteUung zu bringen braucht Man dreht <1ie betreffende Scheibe mittels des Zeigefingers der Hand, in welcher man das Instrument hält, indem man diesen Finger an 843 dem Bande der Scheibe anlegt Kleine Federchen, welche in Vertiefungen am Bande der Scheiben einspringen, markiren während der Drehung jedes Mal diejenigen Stellungen der Scheibe, wo ein Concavglas gerade vor die Oeffimng des Spiegels getreten ist, und befestigen es ein wenig in dieser Stellung. Der Gebrauch des Augenspiegels hat dadurch ausserordentlich an Bequemlichkeit gewonnen, und ich hoffe, dass namentlich kurzsichtige Beobachter, denen seine Anwendung gewöhnlich schwer wird, die Schwierigkeiten, welche ihnen bisher entgegentraten, durch die neue Form beseitigt finden werden. LX. lieber eine bisher nnbekannte Ver&ndemng am menschlichen Ange bei yeränderter Accommodation. Vorläufiger Bericht aus den Monateberichten der Akademie der Wissen- schaften zu Berlin. 8. Februar 1858. S. 187—189. 137 Ich erlaube mir im Folgenden der Akademie vorläufig die Resultate von Beobachtungen mitzutheilen, welche ich über eine neue, auf die Accommodation bezügliche Veränderung am menschlichen Auge angestellt habe, und welche ich nach der Vollendung geeigneterer Messinstrumente noch zu vervoll- ständigen hoffe. Die Voränderungen, welche man bisher am Auge bei seiner Einrichtung für kurze Sehweiten wahrgenommen hat, sind die, dass sich die Pupille verengt und dass der mittlere Theil der Iris nach vom gedrängt wird. Ersteres ist allgemein bekannt, letzteres wurde zuerst von Huschke behauptet, von vielen anderen Beobachtern geleugnet. Ich bin im Stande gewesen, mich von der Bichtigkeit von Huschke 's Behauptung auch am menschlichen Auge zu über- 137 zeugen imd sogar die Grösse der Verschiebung des Pupillar- randes annähernd zu messen. Man stelle sich für diese Be- obachtung so seitlich gegen das zu beobachtende Auge, dass die Pupille theilweise hinter dem Bande der Sclerotica zu ver- schwinden an£ange, und lasse dann bei unveränderter Richtung derSehaxe für die Nähe accommodiren; man wird die ganze Pu- pille, welche sich gleichzeitig verengt, hervortreten und sich der concaven Fläche der Hornhaut nähern sehen. Wird dagegen ohne Veränderung der Accommodation eine Contraction der •-^simmwm i ■■ iiMiwi— r^"^^^^^ Accommodation des Auges. 281 Papille durch stärkeres Licht hervorgerafen, so yerschiebt sich die Iris nicht nach vom. Die Grösse der scheinbaren Yer- schiebimg ¥rurde gemessen, und indem ich durch firechnung den Einfluss, welchen die Brechung in der Hornhaut ausübt in Abzug brachte y fand ich die wirkliche Verschiebung des Pu- pillarrandes nach vom etwas kleiner als Vs i^^^^* ^^ ^^^ bei Terengter Pupille deren Band der vorderen Linsenfläche immer unmittelbar anzuliegen pflegt, so giebt die Verschiebung des Pupillarrandes auch das Maass für die Verschiebung des vor- dersten Punktes der Linse. Ich habe eine andere gleichzeitig sichtbare Veränderung am Auge entdeckt. Dieses Organ zeigt bekanntlich in einem dunklen Eaume, in welchem sich eine Lichtflamme befindet, drei Spiegelbilder derselben. Das erste, hellste gehört der Hornhaut an, und ist wie das zweite aufrecht. Das zweite ist das grösste, aber auch licht- schwächste, und wird von der vorderen Fläche der Linse ent- worfen, das dritte kleinste verkehrte von deren hinterer Fläche. Das erste imd dritte Bild verändern weder ihre Grösse noch ihre Stellung merklich bei veränderter Accommodation des Auges, wohl aber das zweite, indem es bei möglichster Ver- ringerung der Sehweite fast halb so klem wird, als es beim Sehen in die Feme ist Am leichtesten sichtbar ist die Ver- änderung, wenn man zwei senkrecht über einander liegende Lichtpunkte spiegeln lässt; dann nähern und entfernen sich ihre ))eiden von der Vorderfläche der Linse entworfenen Spie- gelbilder sehr beträchtlich bei veränderter Accommodation. Die Annahme, dass die ganze Linse sich beim Sehen in die Nähe nach vom verschiebe, ist nicht genügend diese Beo- bachtungen zu erklären. Es würde dabei allerdings ebenfalls eine scheinbare Verkleinerung des erwähnten Spiegelbildes ein- 139 treten müssen wegen veränderter Brechung des Lichtes in der Hornhaut, aber die Rechnung ergiebt, dass sie unverhältniss- mässig kleiner als die beobachtete sein würde. Bei einer solchen Verschiebung der Linse, wie sie an ihrer Vorderfläche beobachtet werden konnte, von ^/gumi, würde das Spiegelbild sich höchstens um V27 seiner Grösse verkleinem, während es 282 Physiologische Optik. in der That fest um die Hälfte kleiner wird. Auch würde in diesem Falle ein seitlich stehender Beobachter das Spiegelbild der hinteren Fläche in dem Maasse vorrücken sehen, wie diese Fläche selbst vorrückt. Doch war hiervon durch die von mir zur Messung gebrauchten Apparate, welche eine ausreichende Genauigkeit für eine solche Beobachtung besassen, nichts wahr- zunehmen. Ich halte es deshalb für wahrscheinlich, dass die Linse ihre Gestalt ändert und beim Sehen in die Nähe nach vom convexer wird. Man kann den Krümmungsradius der vorderen Linsenfläche aus der scheinbaren Entfernung der Spiegelbilder ebenso berechnen, wie Senff den der Hornhaut in ähnlicher Weise bestimmt hat; natürlich muss man dabei die Brechung in der Hornhaut in Rechnung ziehen; er findet sich beim Sehen in die Feme ungefähr ebenso gross, wie er an den Linsen von hinreichend frischen todten Augen von Krause und mir ge- funden wurde, d. h. zwischen 10 und 11mm; beim Sehen in die Nähe ist er feat nur halb so gross. Reizung mit elektrischen Liductionsströmen brachte keine Gestaltveränderungen an frisch ausgeschnittenen Linsen von Thieren hervor. Dagegen sind frische Linsen elastisch; ob- gleich sie einer äusseren Kraft leicht nachgeben, nehmen sie doch ihre frühere Form nachher vollständig wieder an. Bin Dmck gegen die Peripherie der Linse würde wohl eine solche Veränderung ihrer Gtestalt bedingen können, wie sie sich in den obigen Beobachtungen zeigt. Die Grösse der Brennweite der Hornhaut, welche bei den angegebenen Rechnungen angenommen wurde, beruht auf eigenen Bestimmungen, wobei die Krümmung ihrer vorderen Fläche am unverletzten Auge, und die — übrigens sehr grosse — Brenn- weite des Homhautknorpels unter Wasser an ausgeschnittenen Hornhäuten bestimmt wurde. Die Brennweite der Hornhaut im lebenden Auge beträgt danach zwischen 30 und 34 mm. LXI. Ueber die Aeconimodation des Auges. Aqb A. y. Gräfe*B Archiv fOr Ophthalmobgie. Bd.!!. S. 1—74. 1856. Ich hatte im Winter 1852 die Beobachtung gemacht, dass i das Spiegelbild, welches die vordere Fl&che der Ejystallinse entwirft, bei den Accommodationsveränderungen des Auges jsich verändert, und darüber der Akademie der Wissenschaften zu Berlin eine Nachricht ^) eingesandt, ehe ich wusste, dass schon vor mir Herr Dr. Cr am er dieselbe Beobachtung gemacht und darüber eine Abhandlung der Societät der Wissenschaften zu Haarlem vorgelegt habe. Die Notizen, welche Cr am er*} selbst und Donders') darüber veröffentlicht hatten, waren mir leider entgangen, weil ich keine Gelegenheit gehabt hatte^ die beiden holländischen Zeitschriften, in denen sie enthalten sind, einzusehen. Ebenso wenig kannte ich Max Langen* beck's^) schon 1849 gegebene, aber von den Physiologen bis dahin nicht beachtete Notiz über diesen Gegenstand. Dies möge mir zur Entschuldigung daftbr gereichen, dass ich meine Beobachtung als neu betrachtete und in der ersten Veröffent- lichung darüber C ramer' s mir damals gänzlich unbekannte > Arbeit nicht erwähnte. Des letzteren Priorität in dieser Sache mir selbst gegenüber steht unzweifelhaft fest, was ich bereit- willigst anerkenne. 1) S. Monataberichto der Berliner Akademie. 1S53. Februar. S. 137. 2) lydachrift der Maatschappy vor Geneeskunde. 1851. W. 11, bL 115. 8} Nederlandsch Lancet. 2 Serie. W. l. bl. 529. 1851—1852. 4) KliniBche Beiträge. Göttingen 1849. 284 Physiologische Optik. Ich hatte gleich, nachdem ich die genannte Beobachtung gemacht, einen Apparat zur genaueren Bestimmung der Form- veränderungen des Auges bestellt Ab ich die Arbeit des Herrn Dr. Cramer durch die Güte des Herrn Professor Donders erhielt, überzeugte ich mich, dass das Bäthsel der Accommodation, an welchem so viele Forscher ihren Scharf- sinn vergebens geübt hatten, darin in der That der Ebtupt- sache nach gelöst war, und von der beabsichtigten Untersuchung mir nicht viel mehr zu thun übrig blieb. Indessen waren doch einige Fragen noch unerledigt, namentlich über die Formver- änderung der hinteren Linsenfläche. Der inzwischen fertig ge- wordene Apparat bot eine gute Gelegenheit dar, am lebenden Auge Grössenverhältnisse zu messen, deren bisher an todten Augen ausgeführte Messungen vielen Zweifeln Raum gaben, und so hielt ich es denn nicht für überflüssig, die Messungs- reihen auszuführen, welche ich im Folgenden zu beschreiben, und deren Ergebnisse für die Theorie der Accommodation ich schliesslich zu erörtern gedenke. Die bisher ausgeführten Messungen an menschlichen Augen ergeben schon, dass die individuellen Abweichungen ausser- ordentlich gross sind; dasselbe vmrd sich durch meine Unter- suchungen bestätigt finden. Um zuverlässige Resultate zu be- kommen, muss man daher, wo es irgend angeht, sämmtliche Elemente, die man für irgend eine Schlussfolgerung braucht, an einem und demselben Auge gemessen haben. Ich habe für drei Augen ein System solcher Messungen durchgeftLhrt, wobei ich es zunächst fllr räthlich hielt, Personen von nahe gleichem Alter und Geschlecht zu wählen« Es wird übrigens bei ihrer Ausführung von dem Beobachteten ein ziemlicher ' Grad von Geduld, Aufinerksamkeit und Intelligenz in An- spruch genommen. Die folgenden Messungen beziehen sich auf die rechten Augen dreier weiblicher Individuen im Alter von 25 bis 80 Jahren, welche ich einzeln mit den Buchstaben 0. H., B. P. und J. H. bezeichnen werde. Alle drei hatten ein scharfes Gesichtsvermögen, 0« H. war etwas kurzsichtig. Accommodation des Auges. 285 Aeussere Fläche der Hornhaut. Um die Form der äusseren Homhautfiiäche am lebenden Auge zu bestimmen, haben Senf f^) und Kohlrausch') einen Weg eingeschlagen, der sehr wohl geeignet ist, zum Ziele zu fähren, und darauf beruht, dass eine conyexe spiegelnde Fläche von den umgebenden Gegenständen desto kleinere Bilder liefert, je kleiner ihr Krünmiungsradius ist Somit kann man denn auch wiederum die Grösse der Bilder benutzen, um daraus den Krümmungsradius zu berechnen. Senff hat leider die Art, wie er die Grösse der Homhautbildchen gemessen hat, nicht näher beschrieben. Es stellt sich der Ausf&hrung dieser Versuche eine grosse Schwierigkeit dadurch entgegen, dass es unmöglich ist, das lebende Auge vollständig festzu- stellen. Scharf sind die Bilder eines Kugelspiegels, also auch der Hornhaut, nur dann, wenn alle Strahlen nahe senkrecht auf die spiegelnde Fläche fallen. Daraus ergiebt sich, dass man zum Zwecke dieser Messungen nur Bilder gebrauchen kann, welche beträchtlich kleiner sind als der Homhautradius. Sie dürfen etwa nur ^/^ der Grösse des letzteren haben. Je- der Fehler in der Messung der Bilder wird daher bei der Be- rechnung des Homhautradius mit 4 multiplicirt werden. Man muss deshalb die Bilder bis auf den hundertsten Theil eines ^ Millimeters sicher zu bestimmen suchen, wenn man den etwa 8 mm betragenden Homhautradius bis auf V2oo seiner Grösse richtig berechnen will. Natürlich giebt es keine Befestigungs- weise des Kopfes eines lebenden Menschen, bei welcher nicht Verschiebungen von Yioo ^^ vorkommen könnten. Wollte man also irgend ein Messinstrument anwenden, wo- bei erst der Theilstrich einer Scale zu bestimmen ist, dem die eine Grenze des Homhautbildchens entspricht, und dann der far die andere Grenze, so würden inzwischen Verschie- bungen des Kopfes nicht zu verhindern sein, die die Genauig«' keit der Messung erheblich beschränken würden. Es kommt also darauf an das bewegliche Homhautbildchen genau zu messen, während es sich bewegt. Ich habe zu dem Ende ein ähnliches Instrument construiren lassen, wie die Astronomen im 1) R Wagner's Handwörterbuch der Physiologie. Bd. III. S. 290, 2) Isis 1840. S. 886. 286 Physiologische Optik. Heliometer besitzen^ mit dem sie kleine Distanzen der in steter Be- wegung begriffenen Sterne sehr genau zu messen im Stande sind. Die Wirkung des Instrumentes^ welches wir im Folgenden Ophthalmometer nennen wollen, beruht darauf, dass wir Gregenstände y welche wir durch eine schräg gegen die Ge- sichtslinie gehaltene Grlasplatte mit vollkommen ebenen und parallelen Flächen betrachten, etwas seitlich verschoben er- blicken, und dass diese Verschiebung desto grösser ist, je grösser der Einfallswinkel der Lichtstrahlen gegen die Platte. In Fig. 6 sei A ein Femrohr, vor dessen Objectivglase und schräg gegen seine Axe die beiden planparallelen Glasplatten Oyh^ und a^h^ ^ so stehen, dass die dem Beschauer abgewendete Hälfte des Objectivglases ihr Licht durch die Platte a^h^^ die zugewen- dete durch die Platte a^b^ empfängt Das Femrohr sei auf 2* ^^^ folgt aus den geometrischen Eigenschaften der Ellipse, dass der Krüm- 298 Physiologische Optik. mungsradius q eines beliebigen Punktes durch folgende Grlei- chung gegeben ist, worin (o den Winkel zwischen dem Krüm- mungsradius und der grossen Axe, a die halbe grosse Axe, 6 die Excentricität (d. h. Abstand der Brennpunkte, dividirt durch die grosse Axe) bezeichnet. p = -M^4^, (3) Bei unseren Versuchen muss der Krümmungsradius der spiegelnden Stelle der Hornhaut immer der Axe des Fernrohrs parallel sein, weil die Mitte C des gespiegelten Objects EF in der Fernrohraxe liegt, und daher die spiegelnde Stelle senk- recht gegen die Fernrohraxe stehen muss. Der Winkel to zwischen dem Krümmungsradius und der Axe des Ellipsoids ist also derselbe wie der zwischen der Axe des Femrohrs und der Axe des Ellipsoids. Bei der ersten Beobachtung , wo die Gesichtslinie des beobachteten Auges in die Axe des Femrohrs fällt, ist der Winkel co gleich dem noch unbekannten Winkel zwischen der Gesichtslinie und der Axe des Ellipsoids, den wir cc nennen und positiv rechnen wollen, wenn die Axe des Ellip- soids auf derselben Seite der Linie CO liegt wie der Punkt A, negativ, wenn sie auf der Seite von B liegt. Bei der zweiten Beobachtung ist die Gesichtslinie nach A gerichtet, und setzen wir: JLEOC ^ L.FOC ^ tp, so wird CO jetzt gleich {u + 9). Wenn bei der dritten Be- obachtung die Gesichtslinie nach B gekehrt ist, wird a> gleich {a — (p). Setzen wir also die drei Paare zusammengehöriger Werthe von q und (u in die Gleichung (3), so erhalten wir folgende drei Gleichungen: ^ g (1 - e») ^® V 1 - e« Bin« «• 0.= "''-"'' Qt = V 1 - e' sin» (o + q,) od-«*) 3 (3 a) y\ - e«Biii»(a-9r 20 Aus diesen drei Gleichungen lässt sich zunächst a elinii- niren. Wenn man sie gleichzeitig auf die zweite Potenz er- Accommodation des Auges. 299 hebty und die dritte Wurzel auszieht, bekommt man folgende zwei andere Gleichungen: Po* - 9i^ = «^ I Po* 81»^ « - Pi* 8Ü1* (« + 9^) 1 Po* - P3^ =* «^ I Po* sin« cc — pi* sin* {cc - 9) 1 {3b) Aus diesen endlich bekommt man nach Elimination von e* die Gleichung: tang,(2«) = tang.(^. (90 9^)' - ^?o yi) I ^g^j (?o9i)^+(?a9«)*-2(^9«r J Aus dieser letzten ist a zu finden, wenn man a hat, aus einer der Gleichungen (8 b) auch f, und dann schliesslich aus einer der Gleichungen (3 a) die halbe Axe a. Die halbe kleine Axe der Ellipse b ist gegeben durch die Gleichung: d=ra /l- B 2 und der Ejümmungsradius im Scheitel der Ellipse: a Es ist bei dieser Berechnungsmethode wieder die Grösse der gespiegelten Bildchen gegen die Axen der Ellipsen yer- nachlässigt worden, denn nur wenn man das thut, kann man unmittelbar aus der Grösse der Bildchen den Krümmungsradius der spiegelnden Stelle berechnen. Will man die Grösse der Bildchen nicht vernachlässigen, so wird die Rechnung ausser- ordentlich weitläuftig, während ihre Ergebnisse sich nur ganz unerheblich von denen der hier angegebenen Formeln unter- scheiden. Die Resultate meiner Messungen, welche ich weiter unten zusammengestellt habe, sind auf diesem genaueren Wege gewonnen. Uebrigens ist es immer nothwendig die Rechnung zuerst nach den einfachen Formeln zu itlhren, die ich oben aufgestellt habe , um zuerst genäherte Werthe der gesuchten 21 Grössen zu erhalten,' da sich die genaueren Formeln nicht arithmetisch nach den Unbekannten auflösen lassen, imd da- her deren Werthe nur durch approximative Rechnungen zu finden sind. 300 Physiologische Optik. In dieser Weise habe ich nun für den horizontalen Durch- schnitt der Hornhaut folgende Werthe für die drei untersuchten Augen gefunden. Es ist a die halbe grosse, h die halbe kleine Axe der Ellipse, q der Krümmungshalbmesser im Scheitel, € die Excentricität, a der Winkel, den die Gesichtslinie nach der Nasenseite zu mit der grossen Axe der Ellipse bildet. Die Längenmaasse sind Millimeter. fi' a a 0. H. B. P. J. H. 7,338 7,646 8,154 0,4367 0,2430 0,3037 13,027 10,100 11,711 9,777 8,788 9,772 4M9' 6M3' Die Messungen von SenfF) haben ähnliche Resultate ge- geben. Er giebt für das rechte und linke Auge einer Person in horizontalem und yerticalem Durchschnitt folgende Maasse, nach Millimetern berechnet. Q 6* a b ff Rechtes A, Vert Hechtes A. Horiz. Linkes A. Vert. 7,796 7,794 7,746 0,1753 0,2531 0,4492 9,452 10,435 11,243 8,583 9,019 8,344 3^6' 2« 9' 1*6' Den Winkel u nennt Senff den Winkel zwischen dem Scheitel der Ellipse und dem Endpunkte der Augenaxe. Jener 22 liegt von diesem in den verticalen Durchschnitten nach unten, in den horizontalen nach aussen. Wahrscheinlich versteht er unter der optischen Axe die Gesichtslinie, vielleicht aber auch eine durch die Mitte der Hornhaut und Iris gelegte Linie. Ersteres scheint wahrscheinUcher , dann würde der Winkel mit dem Winkel a meiner Messungen identisch sein. Der von Senff gemessene Horizontaldurchschnitt stimmt, wie man sieht, mit dem von mir gemessenen des Auges B. P. ziemUch tiberein. _ « Es bleibt noch übrig die Lage des Bandes der Hornhaut gegen den Scheitel der Ellipse und die GesichtsUnie zu be- 1) R. Wagner' 8 Handwörterbuch der Physiologie. Art.: Sehen von Volkmann. Bd. III. S. 290. Accommodation des Auges. 301 stiminen. Ich brauchte dazu das Ophthalmometer mit dem Concayglase an seinem vorderen Ende, brachte dicht unter diesem Glase ein kleines Licht reflectirendes Spiegelchen an, dessen Spiegelbild als ein helles Pünktchen auf der Uomhaut erschien. Da das Licht hier in derselben Sichtung in das Auge fiel, als das Femrohr hineinsah, musste das Spiegelbild auf der- jenigen Stelle der Hornhaut erscheinen, welche senkrecht gegen die Femrohraxe war« Nun wurden die ebenen Glasplatten des Ophthalmometers gedreht, sodass sich die Bilder der Horn- haut und des hellen Pünktchens darauf verdoppeln. Zugleich verschob ich den Körper, auf dem das beobachtete Auge seinen Gesichtspunkt hatte, so, dass es mögUch wurde, jedes der bei- den Bilder des hellen Pünktchens mit einem Bilde eines der entgegengesetzten Ränder der Hornhaut zusammenfallen zu lassen. Die Einstellung war gut auszuführen, da das Spiegel- bildchen nahehin in der Ebene der Homhautbasis Uegt, und deshalb mit dieser zugleich deutlich im Femrohre erscheint Es wurde endlich durch passende Abmessungen der Winkel ß bestimmt, den die optische Axe des Femrohrs mit der Ge- sichtslinie des beobachteten Auges bei der gedachten Ein- stellung gemacht hatte, und dieser fand sich nahe gleich dem Winkel u zwischen der Gesichtslinie und der grossen Axe der Ellipse. Zur Vergleichung setze ich beide Winkel für die drei 23 gemessenen Augen neben einander. 0. H. B. P. J. H. 9 4» 51' V 9' a 4^19' 60 43' 7035' Differenz + 32' -22' -24' Die spiegelnde Stelle der Hornhaut war also der Scheitel der Ellipse, das Spiegelbild lag in der grossen Axe, und da sich durch dieselbe Drehung der Glasplatten gleichzeitig beide Homhautränder mit dem Spiegelbildchen zum Decken bringen Hessen, so müssen beide gleich entfernt von der Axe sein, folglich muss die Basis der Hornhaut eine auf der grossen Axe der Ellipse senkrechte Ebene sein, und der Mittelpunkt der Hornhaut mit dem Scheitel 302 Physiologische Optik. der Ellipse zusammenfallen. Die kleinen Differenzen zwischen den Winkeln a und ß können dabei yernachlässigt werden, da auch die grösste Winkelab weichung 32', längs der Fläche der Hornhaut gemessen, nur 0,07 mm beträgt. Aus dem Winkel, um den wir bei dem angegebenen Ver- suche die Glasplatten abgelenkt haben, können wir auch so- gleich noch den horizontalen Durchmesser der Homhautbasis berechnen, und aus diesem und den Axen der Ellipsen den Abstand ihres Scheitels von der Basis. Diese Grössen finden sich, wie folgt, in Millimetern. 24 Auge 0. H. B. P. J. H. Durchmesser der Basis 11,640 11,640 12,092 Abstand des Scheitels von der Basis. 2,560 2,531 2,511 Die Grösse und Lage der optischen Bilder, welche die Hornhaut entwirft, hängt nur von dem Krüm- mungsradius ihres Scheitels ab, dessen Grösse auch unter den Bestimmungsstücken des Ellipsoids bei ver- schiedenen Individuen am wenigsten zu schwanken scheint. Die Excentricität dagegen variirt so be- trächtlich, dass mau ihr wohl kaum einen wesent- lichen Einfluss auf die Genauigkeit des Sehens wird zuschreiben können. Allerdings ist ein Ellipsoid vom Brechungsvermögen n aplanatisch für Lichtstrahlen, die seiner grossen Axe parallel einfallen, wenn: € = n Es werden dann alle einfallenden Strahlen genau in dem hinteren Brennpunkte des Ellipsoids vereinigt. Der von Brewster bestimmte Brechungscoefficient der Hornhaut würde geben: e« = 0,5206, ein Wei-th, der grösser ist als alle bei den untersuchten Augen gefundenen Werthe von ^, Accommodation des Auges. 303 Dem Auge näher liegende leuchtende Punkte würden noch höhere Werthe der Excentricität verlangen, wenn man den für die Vereinigung der Strahlen yortheilhaftesten Kegelschnitt suchen wollte. Wird die Excentricität gleich 1, wie es für eine gewisse Entfernung des leuchtenden Punktes vom Auge geschehen müsste, so yerwandelt sich die Curve in eine Pa- rabel; wird sie grösser als 1, in eine Hyperbel. Die beschriebene Methode würde natürlich auch fähig sein jede geringste Krümmungsänderung der Hornhaut bei der Accommodation des Auges zu yer- rathen, indessen habe ich, ebenso wenig wie Senff und Cramer, eine solche Aenderung finden können. Innere Fläche der Hornhaut. 35 um die Brechung der Lichtstrahlen fiir ihren üebergang aus Luft in wässrige Feuchtigkeit und zurück berechnen zu können, wozu wir im Folgenden oft genöthigt sein werden, müsste man streng genommen auch die Form der hinteren Flache der Hornhaut bestimmen können, was mir aber bisher noch nicht gelungen ist. Indessen können meine Versuche doch dazu dienen die Richtigkeit der Annahme zu bestätigen, welche bisher von den meisten Optikern, die die Brennweite der Hornhaut zu berechnen suchten, gemacht worden ist, der Annahme nämlich, dass die Strahlen in der Hornhaut nicht merklich anders gebrochen werden, als wenn die wässrige Feuchtigkeit bis an die vordere Fläche der Hornhaut reichte. Ueber die Form der inneren Fläche der Hornhaut hat Krause^) einige Angaben gemacht. Er hat an einer durch- schnittenen Hornhaut ein System rechtwinkeliger Coordinaten gemessen. Während er die vordere Fläche ftlr einen Kreis erklärt, hält er die hintere ftlr eine Parabel Brücke hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass diese Messungen wenig Vertrauen verdienen, weil sie an durchschnittenen, also nicht mehr von innen gespannten Augen angestellt sind, und dass Krause's eigene Zahlen nicht besonders zu seinen An- 1) MeckeTs Archiv für Anat. und Phys. 1S32. p. 113. — Poggen dorff's Annalen. Bd. 81, S. 93 und Bd. 39, S. 529. 304 Physiologische Optik. gaben passen. Das einzige Mittel an lebenden Augen die Form dieser Fläche zu bestimmen, erschien die Messung der Grösse ihrer Spiegelbildchen zu sein. Ich habe mir des- halb viel Mühe gegeben, die Spiegelung dieser Fläche zu sehen, welche offenbar ebenso gut Licht reflectiren muss wie die vordere und hintere Fläche der Linse, indessen ist es mir 26 nicht gelungen. Da die Stärke des Reflexes yon dem Unter- schiede in dem Brechungsvermögen der beiden Mittel abhängt, deren Grenzfläche reflectirt, so ist der Reflex an der vorderen Fläche der Hornhaut so viel stärker als der der hinteren Fläche, dass es nicht tiberraschen darf, wenn man den letzteren nicht sehen kann, so oft beide Reflexe sehr nahe neben ein- ander erscheinen. Lidessen scheint aus der Unsichtbarkeit dieses Reflexes doch zu folgen, dass die beiden Flächen der Hornhaut überall nahehin parallel sein müssen; denn wäre dies nicht der Fall, so würde der schwache Reflex der hinteren Fläche sich hinreichend weit von dem stärkeren der vorderen Fläche entfernen köimen, um gesehen zu werden. Es gelang mir auch nicht mit Hülfe polarisirender Apparate. Wenn nämlich gewöhnliches Licht unter einem gewissen Winkel, dem Polarisationswinkel, auf die vordere Homhautfläche fällt, wird vollständig polarisirtes Licht zurückgeworfen, welches, wenn man durch ein Nicol'sches Prisma blickt, bei einer gewissen Stellung desselben vollständig verlöscht werden kann. Da aber der Polarisationswinkel von den Brechungsverhältnissen der beiden Mittel abhängt, so ist er an der hinteren Homhaut- fläche ein anderer als an der vorderen, und es kann also nicht gleichzeitig von beiden Flächen vollständig polarisirtes Licht zurückgeworfen werden. Wenn also das Nicoische Prisma den vorderen Reflex vollständig verlöscht, müsste ein Theil des hin- teren stehen bleiben. Lidessen gelang es mir auch auf diese Weise nicht beide Reflexe zu trennen, da der hintere dabei doch auch wohl zu sehr geschwächt wurde, um sichtbar zu bleiben. Uebrigens verschwindet der vordere Hornhautreflex durch Polarisation niemals vollständig; wahrscheinlich deshalb, weU sich über der vorderen Fläche der Knorpelsubstanz stets noch eine Thränenschicht befindet, welche eine andere ßrechbar- keit hat. Accommodatioxi des Auges. 305 Da die Versuche an Lebenden ganz fehlschlugen, habe ich einige Versuche an Hornhäuten frischer Leichen ange- ^ stellt Wenn man auch am todten Auge die Form der Curven der vorderen und hinteren Fläche nicht mehr mit Sicherheit ermitteln kann, so kann man doch die Dicke der Hornhaut an verschiedenen Stellen messen, und da man die vordere Ourve kennt, daraus Schlüsse auf die hintere machen. Ich durch- schnitt also die HomMute menschlicher Augen meist 24 Stunden nach dem Tode nach einem ihrer Durchmesser und möglichst senkrecht gegen ihre Oberfläche, legte dann eine Hälfte davon auf das kugelige untere Ende eines Beagens- gläschen, welches ich mir dazu ausgesucht hatte, und welches nahehin dieselbe Krümmung wie eine menschliche Hornhaut hatte. So war also die Hornhaut nahehin in die Form ge- bracht, welche sie im lebenden Auge hat, und es liess sich an- nehmen, dass die Dicke ihrer verschiedenen Theile dadurch nicht wesentlich verändert sein würde. Nun konnte mitttels des Ophthalmometers die Dicke der Haut an verschiedenen Theilen gemessen werden. Es ergab sich, dass in ihren beiden mittleren Vierteln ihre Dicke sich fast gar nicht veränderte, erst gegen den Rand hin nahm sie ziemlich schnell zu. Die Werthe waren in Millimetern bei einem solchen Versuche: in der Mitte . *. 1,37 gleichweit von Mitte und Bande 1,39 am Bande 1,55 Wäre die äussere Homhautfläche ein Kugelstück, so würde die innere einer concentrischen Kugel angehören müssen, wenn die Membran überall die gleiche Dicke haben sollte. Für den mittelsten Theil der Hornhaut können wir das an- nehmen und daraus schliessen, dass in ihrem Scheitel die Krümmungsmittelpunkte der äusseren und inneren Fläche nahehin zusammenfallen. Nehmen wir den Badius der vor- deren Fläche zu 8 mm, die Dicke der Hornhaut zu 1,3 mm, zs ihr Brechungsvermögen nach Brewster's Bestimmung gleich 1,386, ihre innere Fläche der äusseren concentrisch, so würde ihre Brennweite in Wasser oder wässriger Feuchtigkeit positiv und etwa 1,1 m gross sein. HelmhoUx, wlnenteh. AbhftndlaiigtiL II. 20 806 Physiologische Optik. Ausserdem habe ich die Lichtbrechung in ausgeschnittenen Hornhäuten untersucht, um zu bestimmen, ob sie sich wie Concay- oder Convexlinsen, oder wie Uhrgläser yerhielten. Es wurde ein Messingschirm mit einem schmalen rechtwinkligen Ausschnitte aufgestellt, durch welchen Licht fiel, davor ein Wassergefäss mit parallelen Glaswänden. Mit dem Ophthalmo- meter sah ich durch das Wassergefäss nach dem hellen Aus- schnitte hin und brachte zwei gegenüberliegende Bänder des- selben zum Decken. Dann brachte ich die Hornhaut in das Wasser, sodass ich den Spalt durch sie hindurch erblickte. Aber die Einschaltung der Hornhaut brachte keine Verände- rung in der scheinbaren Breite des Spaltes heryor, wie sie ge- musst hätte, wenn die Membran als Concay- oder Convexlinse wirkte. Lidessen ist allerdings zu erwähnen, dass ausgeschnittene Hornhäute todter Augen keine guten optischen Bilder geben, in der Luft sogar so schlechte, dass man überhaupt wenig erkennen kann. Legt man sie dagegen in Wasser, wodurch die Unregelmässigkeiten ihrer Oberfläche unschädUch gemacht werden, so kann man ziemlich gut hindurchsehen, sogar mit dem yergrössemden Femrohre des Ophthalmometers, und die Grenzen des optischen Bildes deutlich erkennen, wenn auch wegen beginnender Trübung der Membran rings um dasselbe ein weisslicher Schein entsteht. Man kann ohne Aenderung *der Brechung an jeder Stelle eines brechenden Systems eine unendlich dünne von parallelen Flächen begrenzte Schicht eines beliebigen brechenden Mittels 20 eingeschoben denken, z. B. eine unendlich dünne Schicht wässri- ger Feuchtigkeit an der vorderen Homhautfläche. Eine ähn- liche Schicht existirt in der That an dieser Stelle in Gt-estalt der die Hornhaut befeuchtenden Thränenflüssigkeit. Beim Uebergange der Lichtstrahlen von der wässrigen Feuchtigkeit dieser hypothetischen Schicht durch die Hornhaut zu der Feuchtigkeit der vorderen Elammer können wir nach dem Er- gebniss der beschriebenen Versuche die Hornhaut ganz unbe- rücksichtigt lassen. Daraus geht hervor, dass für die Berech- nung der Brechung im Auge ohne Schaden die Annahme gemacht werden kann, dass die wässrige Feuchtigkeit bis zur vorderen Fläche der Hornhaut reiche, wie es auch Listing gethan hat* Accommodation des Auges. 307 Das Brechongsvermögen der wässrigen Feuchtigkeit ist Yon Brewster gefimden worden 1,3366, von mir mittels des Ophthalmometers nach einer Methode, deren Beschreibung ich bei einer anderen Gelegenheit geben werde, gleich 1,3365. Somit haben wir alle Data, um die Brennweite der Hornhaut zu berechnen. Ftb; parallele Strahlen, welche aus der Luft in das Auge eintreten, ist die Entfernung des Brennpunktes Toa der brechenden Fläche: wo B der Krümmungsradius des Scheitels der Hornhaut, und n das Brechungsverhältniss zwischen wässriger Feuchtigkeit und Luft ist Für Strahlen, die parallel aus der wässrigen Feuchtigkeit kommen und in der Luft sich y^einigen, ist die Brennweite: jp -B . Für die drei Augen, deren Hornhäute wir ge- messen haben, ergeben sich danach folgende Brenn- weiten: 0. H. B. P. J. H. In Luft ^1 21,800 22,715 24,225 In wftBsriger Feuchtigkeit 30 29,139 80,361 32,379 Entfernung der Linse yon der Hornhaut. Die Entfernung der vorderen Fläche der Linse von der Hornhaut können wir mit Hülfe der Lis bestimmen. Davon, dass der Pupillarrand dieses Organs dicht an der Linse Uegt, kann man sich jeden Augenblick am lebenden Auge überzeugen. Wenn man nämlich das Licht einer Lampe, durch ein grosses Brennglas concentrirt, von der Seite her auf die Pupille eines Anderen fallen lässt, sodass die Substanz der Linse in den Brennpunkt kommt, so sieht man diese Substanz selbst schwach nebelgrau erleuchtet Die Linse ist aus Fasern zusammenge- setzt, an deren Grenzen immer ein kleiner Theil des durch- 20* 308 Physiologische Optik. gehenden Lichtes reflectirt werden muss; nur ist unter ge» wohnlichen Umständen das reflectirte Licht zu schwach , um bemerkt zu werden. Wenn aber die Linse vor dem dunklen Hintergrunde des Auges scharf beleuchtet wird, so bemerkt man das in ihrer Substanz unregelmässig zurückgeworfene Licht und sieht also ihre Substanz selbst. Dabei erkennt man leicht, dass sie bis dicht an die Lis reicht. Letztere wirft keinen Schlagschatten auf die Linse. Will man die starke Verengerung, welche die Pupille bei dieser Beleuchtung er- leidet, vermeiden und bei weiterer Pupille untersuchen, so kann man das Sanson'sche Bildchen der vorderen Linsenfläche benutzen; auch dieses lässt sich bis dicht an den Band der Pupille verfolgen. Unsere Aufgabe reducirt sich also darauf, die Entfernung 31 des Pupillarrandes der Iris von der Hornhaut zu messen. Sie kann am lebenden Auge gelöst werden, wenn wir uns dabei der Bildchen bedienen, welche die Hornhaut von äusseren Gre- genständen entwirft. Die Spiegelbilder entfernter, in der Hom- hautaxe liegender Gegenstände liegen scheinbar hinter der Hornhaut in einem Abstände, der dem halben Krümmungs- halbmesser des Scheitels gleich ist. Es genügt also, wenn wir die Entfernung des scheinbaren Ortes dieser Bildchen von der Iris kennen lernen. Die Iris selbst erscheint nun dem Be- obachter wegen der Brechung der Lichtstrahlen in der Horn- haut etwas vergrössert und nach der Hornhaut hin verschoben. Dies Bild der Iris in seiner scheinbaren G-rösse und Lage wollen wir die scheinbare Iris nennen. Da wir die Brenn- weite der Hornhaut kennen, werden wir aus der Lage und Grösse der scheinbaren Iris auch die der wahren Iris be- rechnen können. Um unsere Aufgabe zu lösen, werden wir also die Entfernung des Homhautbildchens eines äusseren leuchtenden Punktes von der Ebene der scheinbaren Pupille zu bestimmen haben. Diese Entfernung ist in allen von mir untersuchten Augen sehr klein, und zwar liegt das Homhaut- bildchen etwas hinter der scheinbaren Pupille. Die Beobachtungsweise ist nun folgende : A (Fig. 83. S. 809) ist das Auge, an welchem die Messung vorgenommen werden soll; es sieht; durch eine Oeffnung eines Schirmes, um seine Accommodation des Auges. 309 liage annähernd festzustellen. In einiger Entfernung von ihm befindet sich eine horizontale Scale CD, Denkt man sich vom Auge A ein Loth auf die Scale gefällt, so befindet sich an dessen Pusspunkte B ein Schirm mit einer kleinen Oeffnurtg, hinter der eine Lampenfiamme steht, deren Licht durch die Oeffnung auf das Auge fällt und von der Hornhaut gespiegelt wird. Bei F befindet sich ein verschiebbares Zeichen, welches als Gesichtspunkt dient. Bei G^ und G^ sind die Stellungen angedeutet, die man dem Ophthalmometer nach einander giebt, ^^ Fig. 33. beide gleichweit von B entfernt. Um diese Stellungen der einzelnen Theile des Apparates sicher herzustellen, construirt man sich erst auf der Tischplatte die Linien AB^ darauf senk- recht CDj dann AG^ und AG^j sodass ^BAG^ gleich dem /LBAG^ wird. Dann stellt man die Scale und das Fernrohr auf, indem man mit Lothfäden prüft, ob sie genau über den gezeichneten Linien stehen. Für die drei Füsse des Fern- rohrs macht man Marken auf den Tisch, da die Stellung des Femrohrs während des Versuches gewechselt wird. Das Auge A wird nun angewiesen, fortdauernd nach dem Zeichen F hin- zusehen und allen Bewegungen desselben zu folgen. Der Be- obachter, welcher zuerst von G^ aus beobachten möge, dreht die Glasplatten des Ophthalmometers so weit, bis von den 310 Phyeriologische Optik. Doppelbildern des hellen Pünktchens auf der Hornhaut das eine mit dem einen Fupillarrande zusammentrifit. Trifft dann das andere nicht gleichseitig auf den andern Band, so ver- schiebt er das Zeichen F so lange an der Scale, bis dies der 33 Fall ist, und merkt den Theilstrich der Scale, wo F steht. Bei dieser Stellung des beobachteten Auges steht abo dann, vom Orte des Beobachters aus gesehen, das Homhautbildchen perspectivisch hinter dem Mittelpunkte der Pupille. Dasselbe Verfahren wird wiederholt bei der zweiten Stellung des Oph- thalmometer in G^. Die Bechnung wird folgendermaassen ausgef&hrt Zuerst wird die Lage des Spiegelbildchens für die Stellung des Ophthalmometers in G^ berechnet Um den Winkel FAB zu bestimmen, misst man die Längen FB und BA. Es ist: Z.F^£«aiig.tajig(^j Es sei AH die Axe des Homhautellipsoids fbr diese Stellung des Auges, oder, was wahrscheinlich damit meist identisch ist, die Linie, welche im Mittelpunkte der Hornhaut auf ihr senkrecht steht^ und die wir Axe der Hornhaut nennen können, wenn wir die EUipticität der Hornhaut yemachlässigen und sie als einen Kugelabschnitt betrachten, was f&r die yor- liegende Untersuchung yoUkommen ausreicht Den Winkel HAF^ zwischen der G-esichtslinie und Axe der Hornhaut^ kennen wir aus den vorhergehenden Messungen. Der Winkel zwischen dem einfallenden Lichte und der Homhautaxe ist da^ durch also gegeben, wir woUen ihn mit y bezeichnen: y= LBAB^ L.FAH- L.BAF, wenn B und H auf derselben Seite der Gesichtslinie üe« gen, oder: y^ l^BAH^ L,FAH+ LBAF, wenn sie auf verschiedenen Seiten liegen. Es sei in Rg. 34 HAC die Axe der Hornhaut^ BA die Bichtung des einfallenden Lichtes, h^ der Ort des gespiegelten Bildchens, b^d ein Loth auf der Axe, R der schon vorher ge- 84 messene Eolimmungsradius des Scheitels der Hornhaut, so ist Accommodatioxi des Auges. 311 nach den Gesetzen der E[atoptrik mit ausreichender Genauig- keit: Ad=^-Y und iid = lÄ.tangy'. Wird nun die Linie G^ b^ gezogen, welche mit AC den- selben Winkel macht, wie G^ A in Fig. 33 mit A4, und die Hichtung bezeichnet, in der der Beobachter durch das Oph- thahnometer in das Auge hineingeblickt hat, so muss der Mittelpunkt der Pupille in dieser Linie liegen. Fig. 34. Man construire ebenso das zweite Bild b^^ und die zweite dazu gehörige Gesichtslinie des Beobachters ^^2^39 so muss der Mittelpunkt der scheinbaren Pupille auch in dieser Linie liegen. Er hegt also, wo sich G^ b^ und G2 b^ schneiden, in g. Will man den Ort yon g nicht durch Construction, sondern durch Bechnung finden, so denke man das Loth gh auf AC gefällt. Wir bezeichnen Ah mit x, hg mit y imd rechnen letzteres negativ, wenn es, wie in der Figur, auf derselben Seite der Axe wie G^ liegt. Wir bezeichnen femer die Winkel, welche die Linien G^ b^ und G^ b^ mit AC bilden, beziehlich mit a^ und «2 > ^^ Entfernungen b^ d und b^ d mit ß^ und /Sg, so ist: " tang cf j + tang «j tang a^ + tang a. 812 PhyBiologische Optik. Hier sind x und y nur die Coordinaten des Mittelpunktes der scheinbaren Pupille, nennen wir die der wahren g und v, und die Brennweite der Hornhaut in Luft /^ in wässriger Feuchtigkeit /g, so ist: 1= _ */. '+/i Die unmittelbaren Besnltate meiner Versuche an den drei Augen waren folgende: die Entfernung AB = 728 nun, der Winkel Gy^ AB, gleich G, AB = 190 2'46". Die Entfernungen BF waren, vom Mittelpunkte der Oeffimng B an gemessen, in Millimetern: Ophthal- mometer 0. H. B. R J. H. in öj in Q^ 60 86 67 17 89 0 Daraus ergab die Berechnung folgende Grössen in MilU- metem: 0. H. B. P. J. H. Abstand der Pupillarebene vom Scheitel der Hornhaut scheinbarer: 8,485 8,042 8,151 wahrer: 4,024 8,597 8,789 Abstand des Mittelpunktes der Pu- pille von der Gomealaxe nach der Nasenseite scheinbarer: 0,087 0,889 0,855 wahrer: 0,082 0,838 0,804 86 Um nachher berechnen zu können^ wie weit die Mitte der vorderen Linsenfläche sich vor dem Kreise hervorwölbt, wo der Pupillarrand ihr anliegt, muss bei diesen Versuchen auch der horizontale Durchmesser der Pupille gemessen werden. Es war seine Accommodation des Auges. 313 0. H. B. P. J. H. Bcheinbare Grösse: 5,82 3,88 4,03 wahre Grösse: 5,01 3,41 3,56 Veränderungen der Iris bei der Accommodation« Dass die Pupille sich beim Nahesehen verengt, beim Fem- sehen erweitert, ist bekannt. Dass der Pupillarrand der Iris sich beim Nahesehen etwas nach vom verschiebt, ist ebenfalls von mehreren Seiten fest- gestellt, aber wir müssen noch suchen, die Grösse der Ver- schiebung wenigstens annähernd zu bestimmen. Endlich werde ich noch Versuche beschreiben, durch die man sich an jedem lebenden Auge überzeugen kann, dass der peripherische Theil der Iris beim Nahesehen sich nach hinten bewegt Um die Verschiebung des Pupillarrandes sehen und der Grösse nach schätzen zu können, weist man der beobachteten Person zwei hinter einander liegende Gesichtspunkte an, einen fernen und einen nahen, und betrachtet ihr Auge von der Seite und etwas von hinten, sodass beim Fernsehen die dunkle Pupille, wie in Fig. 2 Taf. m, fast ganz hinter dem Eande der Sclerotica verschwindet, man sieht sie dann beim Nahe- sehen jedes Mal hervortreten, wie in Fig. 3 Taf. HI. Um sich bei der Schätzung der Grösse der Verschiebung von kleinen Schwankungen des Kopfes des Beobachteten und des Beobachters unabhängig zu machen, lässt man den Beob- achteten an einem Tische sitzen, sein Kinn auf eine feste Unter- sr läge stützen, stellt als näheren Gesichtspunkt ein Kreuz von schwarzen Fäden, als ferneren einen schwarzen Punkt auf weissem Felde auf, und schreibt ihm vor, das Auge stets so zu stellen, dass das Fadenkreuz den Punkt deckt, was sich, wenn auch das Bild des einen von beiden undeutUch ist, gut ausführen lässt. Der Beobachter betrachtet das Auge durch ein Femrohr aus 8 bis 10 Fuss Entfernung. Wenn das be- obachtete Auge sich nun auch in Richtung seiner eigenen Ge- sichtslinie verschiebt, so hat das auf die perspectivische Stel- lung der Pupille zun^ Bande der Sclerotica keinen Einfluss. 314 Physiologische Optik. Sowie es aber seine Accommodation ändert, tritt die Pupille sehr auffallend hervor. Uebrigens findet man auch ohne alle weitere Vorberei- tungen am beobachteten Auge selbst ein Zeichen, wodurch man sich vergewissem kann, dass das Hervortreten der Pupille nicht von einer Wendung der Augenaxe gegen den Beobachter hin herrühre. Man bemerkt nämlich, wie es in Fig. 2 und 3 auch dargestellt ist, unmittelbar vor der Pupille einen helleren Streifen, es ist dies der jenseits gelegene Theil der vorderen Irisfläche, der in einem verzogenen Bilde er- scheint. Vor diesem bis zu der perspectivischen Grenze der Hornhaut hin liegt ein dunkler Streifen der dem jenseitigen, über die Cornea übergreifenden Bande der Sclerotica ent- spricht Man sieht nun sehr deutlich bei eintretender Accom- modation für die Nahe, dass die Grrenzlinie der Pupille der Grrenzlinie des äusseren dunklen Streifen näher rückt, sodass der dem Bilde der Iris entsprechende mittlere hellere Streifen schmäler wird. Rührte die scheinbare Verschiebung der Pupille davon her, dass das beobachtete Auge bei eintretender Ac- commodation für die Nähe unwillkürlich eine Schwenkung nach dem Beobachter hin machte, so würde im Oegentheile 88 die Iris in einer breiteren perspectivischen Ansicht erscheinen, und der jenseitige Scleroticalrand würde schmaler werden oder ganz verschwinden. Für ein Auge, an welchem man die beschriebenen Mes- sungen ausgeführt hat, kann man diese Beobachtungsart be- nutzen, um die G-rösse der Verschiebung der Pupillarebene auch wenigstens annähernd zu schätzen. Man construire sich einen Durchschnitt der Hornhaut, wie es in Taf. m Fig. 5 flir das Auge B. P. geschehen ist, und die entsprechende Lage der Pupillarebene für das ferne Sehen auf Seite F der Fig. 5. Die Grösse der Pupille zur Zeit der Anstellung der Ver- suche sei ebenfalls, sowohl für die grösste, wie kleinste Seh- weite gemessen worden, natürUch genau bei derselben Beleuch- tung des Auges, sodass man in der Zeichnung auch die Lage des Randes der Pupille bei m angeben kann. Stellte sich der Beobachter nun bei dem hier abgebildeten Auge so, dass der jenseitige Rand der Pupille m sich beim Femsehen gerade Accommodation des Auges. 315 mit dem Rande der Sclerotica bei^ deckte, so war eine gerade m und g verbindende Linie die Richtung seiner G^sichtslinie in der w&ssrigen Feuchtigkeit. Beim Nahesehen worde die ganze Papille sichtbar. Es mnsste also auch der andere Rand der Puplüe bei n bis zur Gresichtslinie mg vorgerücto; sein. Kennt man noch den Radius der Pupille beim Nahesehen, so ist da- durch die Lage des Punktes n gegeben, und wie viel n mehr nach vom als m liegt, durch Construction oder Rechnung leicht zu finden. Beim Auge O.H., wo die Pupille weiter nach hinten lag und weiter war, trat beim Nahesehen dem Beobachter nur die halbe Pupille hervor, sodass die perspectivische Verschiebung der Pupille geringer erschien. Die wirkliche Grösse der Ver- schiebung des Pupillarrandes ergab sich im Auge B.P. 0,44 mm im Auge O.H. 0,36 mm. Mit dem Auge J. H. war ich leider verhindert, diesen Ver- 39 such anzustellen. Ein kleiner Theil dieser Verschiebung rührt davon her, dass die Pupille sich gleichzeitig verengert, und ihre Rander sich der am meisten hervorragenden Mitte der Linsenfläche nähern, der bei weitem grössere Theil aber davon, dass die Mitte der vorderen Linsenfläche selbst sich nach vom bewegt. Wenn man die Pupille blos durch Lichtreiz, der das andere Auge trifft, verengem lässt, ohne dass die Accommodation ge- ändert wird, so sieht man in Augen mit weiter Pupille, wie es die kurzsichtigen (auch das Auge O.H.) gewöhnlich sind, die Pupillarebene ein wenig vortreten, bei den gewöhnlichen engeren Pupillen normalsichtiger Augen ist dagegen nichts davon zu sehen, weil die Orösse der Verschiebung nach vom natürlich sehr schnell abnimmt, wenn der Bogen der Wölbung, auf der sich die Pupille verschiebt, kleiner wird, und durch die Verengerung der Pupille der perspectivische . Effect der Verschiebung auf der einen Seite der Pupille aufgehoben, auf der anderen von zweifelhafter Bedeutung wird. Da der Pupillarrand der Iris der Linse immer dicht anliegt, die Form der Hornhaut aber und das S16 Physiologiflche Optik. Yolumen der wässrigen Feuchtigkeit bei Accommo- dationsyeränderungen unveränderlicli sind, kann die Verschiebung des mittleren Theiles der Iris und Linse nicht geschehen, ohne dass an der Peripherie die Iris zurückweicht und dadurch die vordere Kam- mer hier ebenso viel an Volumen gewinnt, als sie in der Mitte verliert Cramer^) giebt an, sich davon bei Kindern mehrmals überzeugt zu haben, man kann es aber auch 40 am eigenen Auge und dem anderer Erwachsenen sehen. Zu- gleich ist die dabei von mir befolgte Versuchsmethode sehr nützlich, um sich eine Anschauung vom Belief der vorderen Irisfläche zu verschaffen. Fig. 35. Bei meiner Untersuchungsmethode kommt wesentlich in Batracht, dass die Lichtstrahlen, welche auf eine brechende Kugelfläche (als solche wollen wir hier die Hornhaut be- trachten) fallen, nicht genau in einem Punkte vereinigt werden, sondern vielmehr in einer kaustischen Fläche von kegelförmiger Gestalt, deren Spitze der Brennpunkt ist. In Fig. 35 ist der Gang parallel einfallender Lichtstrahlen und der Durchschnitt der kaustischen Fläche ftlr eine Kugel vom Brechungsver- mögen der wässrigen Feuchtigkeit dargestellt. F sei der Brennpunkt der centralen Strahlen, GF die kaustische Linie. Der äusserste Strahl, welcher die brechende Fläche trifft, ist der, welcher sie in B tangirt, er werde nach BH ge- brochen. Im Fusspunkte des vom Mittelpunkte des Kreises 1) L c. S. 97. Accommodation des Auges. 317 auf BH gefällten Lothes, in G, befindet sich der zugehörige Endpunkt der kaustischen Linie GFy und die Strahlen, welche zwischen dem centralen Strahle und dem tangirenden CB auf die Fläche fiEillen, bleiben alle in dem vor der halben Sehne BG und der kaustischen Linie GF liegenden Baume, sodass das hinter diesen liegende Stück des Kugelraumes un- «i beleuchtet bleibt Bringen wir nun im Lmem der Kugel eine sie schneidende Ebene p^q^ an, welche der Jrisfläche ent- sprechen soll, so wird diese in der Lage Po^o? ^^ ^^^ weder die halbe Sehne BG noch die kaustische Linie schneidet, in allen Theilen ihrer Vorderfläche beleuchtet sein. Verrücken wir diese Ebene nach Piq^ sodass sie die halbe Sehne BG schneidet, so wird das jenseits des Schnittpunktes liegende Stück der Ebene dunkel sein. Verschieben wir die Ebene in derselben Bichtung immer weiter, so wird ihr dunkler Theil immer breiter werden, bis sie durch den Punkt G geht Bei noch weiterer Verschiebung wird aber der dunklere Theil wieder schmaler, und da sie nun die kaustische Fläche schneidet, wird die Grenze zwischen dem beleuchteten und unbeleuchteten Theile durch eine helle Linie markirt werden. Liegt die Ebene in der Richtung p^q^, und bewegen sich die Theile derselben, wo sie die kaustische Fläche schneidet, ein wenig in der Bichtung nach dem Mittelpimkte der Kugel hin, so er- giebt die Betrachtung der Figur, dass dann (üe helle Linie, wo die beleuchtete Fläche von der kaustischen Fläche durch- schnitten wird, sich in der Bichtung nach F hin ver- schieben muss. Diese Erscheinung lässt sich nun an der Lis beobachten. Man setze in einem dunklen Zimmer ein Licht in gleicher Höhe mit dem Auge vor sich hin und betrachte sein eigenes Auge in einem kleinen ebenen Spiegel Anfangs stelle man sich so, dass die Lris ganz beleuchtet ist; dann wende man den Kopf so, dass das Licht immer schiefer von der Seite auf die Iris falle. Man wird dann an dem von dem Lichte abgewendeten Bande der Iris einen halbmondförmigen Schatten bemerken, der bei weiterer Drehung des Kopfes breiter wird, wenn er am breitesten geworden ist, sich mit einer hellen Linie 4« (der kaustischen Linie) säumt. Dreht man den Kopf noch 318 Physiologische Optik. weiter yom Lichte ab, so sieht man die helle Linie schnell nach dem Bande der Lis hinrücken, wenn sie diesen erreicht hat, sieht man den vorderen Sand der Sclerotica an der ent- sprechenden Stelle Yon durchscheinendem Lichte lebhaft er- leuchtet, und schUesslich kommt der ganze vordere Theil des Auges in Schatten. Man suche nun die Stellung des Auges wieder au^ wo die kaustische Lichtlinie dem Bande der L:is sehr nahe ist In Taf. in Fig. 4 ist diese Beleuchtung des Auges abgebildet Der Pfeil unter der Figur bezeichnet die Bichtung der Licht- strahlen. An der Hornhaut sieht man an der Seite, woher das Licht kommt, zuerst den Homhautreflex des Lichtes. Die beiden Seitenränder der Pupille sind noch theüweis beleuchtet. Auf der anderen Seite der Hornhaut, wohin die Spitze des Pfeiles weist, sieht man die kaustische Linie und daneben einen Lichtschein, der durch die Sclerotica schimmert. Man ent- ferne den Spiegel, in welchem man das Auge betrachtet, so weit, als es die Erkennung der Lichtlinie erlaubt, und merke sich den Ort des BKntergrundes, vor welchem der Spiegel er- scheint. Um das thun zu können, muss man eben einen kleinen Spiegel nehmen. Nun nähere man den Spiegel, während man den Kopf unverrückt erhält, so weit, als es die Accommo- dationsfähigkeit des Auges erlaubt, und achte darauf, dass er vor denselben G-egenständen des Hintergrundes stehen bleibt Man wird die Lichtlinie näher nach dem Bande der Horn- haut rücken sehen. Durch öftere Wiederholung des Versuches überzeugt man sich, dass nicht zufällige Schwankungen des Kopfes daran Schuld sind. Besser sieht man es an den Augen eines Anderen. Der Beobachtete sitzt dazu an einem Tische, das Kinn auf eine 43 feste Unterlage gestützt, vor sich zwei Fixationspunkte in ge- rader Linie mit seinem Auge, einen nahen und einen fernen. Der Beobachter stellt eine Lampe seitlich von dem beobachte- ten Auge und so fem davon, als es die Bücksicht auf die Helligkeit erlaubt, so auf, dass die Iris des beobachteten Auges wie in Fig. 4 erleuchtet wird. Man sieht dann die kau- stische Linie auf der Iris beim Nahesefaen sich dem Bande nähern, beim Fernsehen sich davon entfernen. Accommodation des Auges. 3X9 üebrigens darf die Beleuchtung der Umgebung auch nicht so schwach sein, dass die Pupille des beobachteten Auges sich sehr erweitert, sonst wird die Erscheinung undeutlich. Wenn die vordere Wölbung der kaustischen Linie den Band der Iris da trifft, wo dieser hinter dem übergreifenden Sande der Sclerotica verborgen ist, scheint das von der Vorderfläche der Iris diffus zurückgeworfene Licht durch die Substanz der Scle- rotica, und man sieht den Lichtschein schmaler und breiter werden, sowie sich das beobachtete Auge für Ferne oder Nähe accommodirt. Ich glaubte anfangs, das Licht träfe hier direct die Sclerotica, und die Erscheinung erkläre sich durch das von Donders angenommene Zurück- weichen des Ansatzpunktes der Iris beim Nahesehen, wobei diese einen Theil der Sclerotica vor dem Lichte bald schützte, bald nicht. Ich halte es aber gegenwärtig für wahrschein- licher, dass es Licht ist, welches von dem hell erleuchteten Theile der Iris ausgeht, und dass auch die erwähnte Erscheinung nur von dem Vorrücken der kaustischen Linie auf der Iris selbst herrührt. Jedenfalls muss aber die Verschiebung der Iris in der nächsten Nähe ihres Ansatzpunktes noch sehr beträcht- lich sein. Schiebt man die Lampenflamme noch mehr zurück, so trifft endlich die kaustische Linie auf den Scleroticalrand selbst, «« wobei ein sehr heller, scharf begrenzter Fleck erscheint. An diesem habe ich dann keine Veränderungen mehr wahr- genommen, die mit der Accommodation des Auges zusammen- hingen. Das Belief der Iris zeichnet sich bei der Beleuchtung von der Seite durch die Schlagschatten sehr deutlich ab. Indessen gehen die Strahlen, welche so schief durch eine krumme Fläche gebrochen sind, nicht von einem Centrum aus, und es könnten dadiirch Täuschungen in der Beurtheilung der Form der Iris aus diesen Schatten entstehen. Besser ist es daher, durch eine Glaslinse von etwa 1 Zoll Brennweite und grosser Aper- tur das von der Seite auf das Auge fallende Licht in der Hornhaut in einen Focus zu vereinigen. Dieser Focus ist 320 PhysiologiBche Optik. dann der leuchtende Punkt, von dem alle Strahlen, die die vordere Augenkammer beleuchten, geradlinig ausgehen. In normalsichtigen Augen pflegt ein erhabener Wulst die Pupille zu umgeben, entsprechend dem Circulus arter. minor. Dieser Wulst wirft bei seit- licher Beleuchtung einen Schlagschatten auf die Iris. In dem Durchschnitt des Auges B. P. Taf. m Fig. 5 habe ich bei / die Stelle bezeichnet, wo der leuchtende Pocus beim Femsehen liegen muss, um den Schlagschatten bis an den Kand der Pupille zu werfen, mit h die Stelle, die er zum gleichen Zwecke beim Nahesehen einnahm. Es ist dadurch die in der Zeichnung angegebene Form der vorderen Irisfläche bedingt. Bei dem Auge O.H. und anderen kurzsichti- gen Augen dagegen war nur ein sehr geringer oder gar kein Schlagschatten des mittleren Theiles der Iris zu erzeugen. Die Iris war offenbar viel flacher, was mit der grösseren Entfernung der Pupillarebene des Auges 0. H. von der Hornhaut übereinstimmt, 45 während doch der Ansatzkreis der Iris nicht in dem- selben Maasse nach hinten gerückt sein kann. Krümmung der vorderen Linsenfläche. Da die vordere Fläche der Linse eine, wenn auch kleine, Quantität des einfallenden Lichtes reflectirt — das grössere der bekannten Sanson' sehen Bildchen — so kann diese Spiege- lung, wie bei der Hornhaut, zur Bestimmung des Krümmungs- halbmessers der vorderen Linsenfläche gebraucht werden. In- dessen muss eine andere Methode eingeschlagen werden, und lässt sich auch nicht eine gleiche Genauigkeit erreichen, wie bei den Messungen der Hornhaut, weil der JReflex kein recht scharfes Bild formt und, wenigstens wenn er von Lampenlicht herrührt, zu schwach ist, um im Ophthalmometer in deutlich sichtbare Doppelbilder zerlegt werden zu können. Jedes der Doppelbilder hat natürlich nur die halbe Lichtstärke des ein- fachen Bildes. Es schien mir daher am besten, die Grösse des Bildchens der vorderen Linsenfläche mit einem dicht daneben stehenden Aceommodatiim des Augea. 321 Homhaatbüdchen za Tergleichen, dessen Qrösse leicht be- rechnet oder gemeesen werden kann. Ich musste deshalb- zwei gespiegelte Objecte haben, das eine von yeränderlicher Grösse, mn das Homhaatbild des einen gleich dem ersten SanBon'schen Bilde des anderen machen zu können. Fig. 37. Die Anordnung des Apparates ist perspectiviscb darge- stellt Pig. 36 und im Ghtindriss in Fig. 37. O ist das beob- achtet« Ange, dicht tot ihm liegt ein kleines ebenes Metall- spiegelchen A (ich benutzte ein Oertling'sches Stahlspiegelchen) horizontal auf einer festen Unterlage. In einiger Entfernung (IVi FoBS] davor befinden sich zwei stellbare Schirme b und ee mit den Oeffnungen / und g. Die Oeffiiung / ist eng 322 PhydologiBche Optik 46 (2 Linien im Quadrat), hinter ihr steht ein kleines Wachs- lichtchen. Die Oeffhong g ist grösser (9 Linien im Quadrat), hinter ihr befindet sich eine recht helle und grosse Lampen- flamme. Das Auge O stellt sich nun so, dass es gleichzeitig über den Spiegel A hinweg die beiden erleuchteten Oeffiiungen sieht, als auch im Spiegel ihre Spiegelbilder^ welche scheinbar bei /i und g^ liegen. Die Oeffhung / und ihr Spiegelbild f^ bilden nun das Object für die Homhautspiegelung, die Oe£f- nung g und ihr Spiegelbild g-^ das Object für die Linsen- spiegelung. Um die Schirme richtig zu stellen, werden auf 47 dem Tische erst, wie der Grundriss zeigt, die Linien OB und senkrecht dazu GH gezogen. Letztere fällt mit der Ebene beider Schirme zusammen. Dem beobachteten Auge O wird ein Fixationspunkt E neben dem Ständer des Schirmes b vor- bei in der Feme angewiesen. Der Beobachter hat sein Auge, entweder unbewaffnet oder mit einem schwach yergrössemden, aber lichtstarken Fernrohre F versehen über der Linie OF, welche mit OB einen Winkel bildet, der gleich dem Winkel gOB ist. Das G-esichtszeichen E wird nun so gestellt, dass der Liosenreflex in der Mitte der Pupille erscheint, und das Homhautbildchen der kleineren Lichtpunkte dicht daneben. Dann wird der Schirm b so lange gehoben oder gesenkt, bis der Abstand der kleinen gespiegelten Lichtpunkte genau eben- so gross ist wie der der Mittelpunkte der grösseren. Die Spiegelung auf der Hornhaut wird durch eine einfeiche spiegelnde Fläche bewirkt, deren negative Brennweite nach den bekannten Gesetzen der E^atoptrik gleich dem halben Krünmiungsradius ist. Die vordere Linsenfläche ist aber in diesem Falle ein aus einer brechenden und einer spiegelnden Fläche zusammengesetztes spiegelndes System, ähnlich einer convex-concaven gläsernen Sammellinse, deren concave Seite mit Spiegelfolie belegt ist. Die Brennweite q dieses spiegeln- den Systems ist sowohl von der Krümmung der brechenden als von der der spiegelnden Fläche und ihrem gegenseitigen Abstände abhängig. Diese Brennweite q lässt sich aus dem beschriebenen Versuche bestimmen. Die Bilder, welche spie- gelnde Systeme von weit entfernten Gegenständen entwerfen, verhalten sich nämlich direct wie die Brennweiten der Systeme, Accommodation des Auges. 328 wenn also zwei verschiedene Systeme von ungleichen gleich weit entfernten Gegenständen gleiche Bilder entwerfen, muss sich ihre Brennweite umgekehrt wie die Gegenstände ver- halten. Es verhält sich also: Um den scheinbaren Abstand der Oeffnung g von ihrem «s Spiegelbilde g^ zu finden, stellt man neben sie einen senk- rechten Maasstab hh (Fig. 12). Das Spiegelbild g-^ liegt eben so tief unter der verlängerten Ebene des Spiegels ^ als ^ selbst darüber. Um nun den Ort zu finden, wo die Spiegel- ebene den Maasstab schneidet, braucht man nur sehr flach über das Spiegelchen hinweg nach dem Maasstabe hin zu visiren. Man sieht dann an der Grenzlinie direct gesehene und gespiegelte Theilstriche sich decken. Die Mitte zwischen zwei solchen sich deckenden Theilstrichen ist der Punkt des Maasstabes, der in die Verlängerung der Spiegelebene fällt. Dessen Abstand von der Mitte der Oeffnung g doppelt ge- nommen ist gleich dem Abstände gg^ Ebenso findet man ff^ Es ergaben sich in drei verschiedenen Beihen von Ver- suchen folgende Werthe fllr das Verhältniss Ä/(2y): 0. H. B. P. J. H. 0,308 0,635 0,544 0,313 0,618 0,544 0,346 0,571 0,478 Mittel 0,322 0,608 0,522 9=r 11,39 mm 6,288 mm 7,810 mm. Endlich ist aus q noch der Badius r der vorderen Linsen- fläche zu berechnen. Die Herleitung der Formel, welche die Brennweite eines zusammengesetzten brechenden und spiegeln- den Systems giebt, ist weitläuftig, aber ohne Schwierigkeiten. Ich gebe daher hier nur ihr Besultat, und zwar gleich ftir einen etwas allgemeineren Fall. Vor der spiegelnden Fläche vom Badius r (Badien concaver Flächen als positiv, convexer als negativ betrachtet) stehe ein System brechender Kugel- flächen, deren erste Brennweite (in Luft) /, , die zweite Brenn- 21* 324 Physiologiache Optik. ^ weite (im letzten brecheoden Medium) /, ist. Der Abstand der spiegelnden Fläche vom zweiten Hauptpunkte des brechen* den Systems sei dy so ist: Die Haupt- und Eiiotenpunkte des Systems fallen in einen Punkt zusammen, und dieser ist das von dem Systeme ent- worfene Bild des Scheitels der brechenden Fläche. Aus dem Werthe von g findet sich: 9U% Die beiden Grössen /i und/j .sind oben für die Horn- häute der untersuchten Augen berechnet worden. Für die Grösse d können wir hier ohne Nachtheil den Abstand zwischen der Pupillarfläche und der Mitte der Hornhaut setzen. Es ergiebt sich der Krümmungshalbmesser der vorderen Linsenfläche: für das Auge 0. H. gleich 1 1,9 mm » » w ■"• ^' w ^fi w W « » "• ^ 99 lü,4 yj Bei zwei todten Linsen fand ich mit dem Ophthalmometer den Krümmungsradius der vorderen Fläche gleich 10,2 und 8,9 mm, was mit den Messungen an den lebenden Augen gut stimmt. Bei der Accommodation für die Nähe wölbt sich die vordere Fläche der Linse stärker, ihr Krüm- mungshalbmesser wird kleiner. Um diese Thatsache zu demonstriren, benutze ich eine ähnliche Anordnung, wie die zur Messung des Krümmungshalbmessers der vorderen Linsen- fläche gebrauchte ist. Nur lasse ich den Schirm b mit der kleineren Flamme weg und stelle auf der Linie OJE ein zweites näheres Gesichtszeichen e auf, am besten ein Fadenkreuz, welches genau das hintere Gesichtszeichen E deckt Nach- dem der Beobachter die beiden grösseren Sanson'schen Bilder 60 in der Pupille des beobachteten Auges angefunden hat, ac- commodirt sich dieses für das nähere G^sichtszeichen. So- gleich nähern sich die beiden Sanson'schen Bildchen bis auf etwa die Hälfte ihres früheren Abstanden ^^^~*TL -^. j^m Accommodation des Auges. 825 Weim das gespiegelte Bild aus zwei Lichtpunkten besteht^ ist seine YerUeinening beim Nahesehen auffallender, als wenn man blos eine dem Auge nahe gerückte Lampenflamme spiegeln lässi Man erkennt aber auch im letzteren Falle deutlich, dass beim Nahesehen ihr Bild auf der vorderen Linsenfläche kleiner und zugleich schärfer wird. Ich ziehe diese Methode zur Demonstration der von Cr am er, welcher nur die Verschiebungen der Bildchen be- rücksichtigt, Yor, weil bei der Verkleinerung des Bild- chens nicht an kleine Schwankungen des Auges oder der Linse gedacht werden kann, ein Einwurf, der aller- dings leicht zu beseitigen ist, wenn man darauf aufinerksam macht, dass die Verschiebung des Bildchens nicht immer nach einer Sichtung erfolgt, sondern dass, wo auch das Bildchen in der Pupille scheinbar stehen mag, es sich stets beim Nahe- sehen der Mitte der Pupille nähert. Ausserdem aber scheint mir auch, dass die Schlussfolgerung aus der Ghrösse des Bildes auf die Grösse des Krümmungsradius kürzer und leichter zu verfolgen ist, als die aus den Verschiebungen des Bildes hergeleitete. Mittels des Apparates, fHg. 36 und 37, kann nun auch leicht die Grössenveränderung des Bildes der vorderen Linsen- fläche gemessen werden, indem man die Beobachtimg ganz ebenso ausführt, wie dort beschrieben ist, und nur die Augen für das nähere Gesichtszeichen accommodiren lässi Ich fand unter diesen umständen die Brennweite q des aus der Horn- haut und vorderen Linsenfläche zusammengesetzten spiegeln- den Systems und den Krünmiungsradius r der vorderen Linsen- fläche wie folgt: q r 51 Auge 0. H. 6,33 8,6 Auge B. P. 3,49 5,9. Bei der Berechnung von r sind die Verschiebungen der vorderen Lmsenfläche mit der Lis nach vorn, welche oben annähernd gemessen sind, berücksichtigt worden. 326 Physiologische Optik. Ort und Krümmung der hinteren Linsenfläche. um den Ort der hinteren Linsenfläche zu bestimmen, kann man ein dem Prineip nach ähnliches Yerfiahren ge- brauchen wie bei der vorderen. Eine Veränderung in der Ausführung ist aber deshalb nöthig, weil man bei der vorderen Fläche die Iris hatte, welche dieser Fläche dicht anliegt und ihren Ort sichtbar macht. Die hintere Linsenfläche ist an und f&r sich nicht sichtbar und mit keinem sichtbaren Theile in Berührung, nur ihr Lichtreflex lässt den Beobachter ihre Anwesenheit und Lage erkennen. Es kommt nun nur darauf an, zu bewirken, dass flir einen Beobachter, der nach einander von zwei verschiedenen Sichtungen in das Auge sieht, beide Male genau derselbe Funkt der hinteren Linsenfläche durch einen Lichtreflex bezeichnet ist. Dann kann er dessen Lage von zwei verschiedenen Bichtungen her gegen einen Hornhaut- reflex von bekannter Lage bestimmen und dadurch den schein- baren Ort der hinteren Linsenfläche finden. Das kann nun mittels folgenden Kunstgriffes geschehen. Nachdem man den Reflex eines Lichtes an der hinteren Linsenfläche angesucht hat, bringe man das eigene Auge genau an den früheren Ort des Lichtes, das Licht genau an den früheren Ort des Auges. Nun geht das Licht, welches von der hinteren Linsenfläche gespiegelt, in das Auge des Beobachters dringt, genau auf dem- selben Wege zurück, auf dem es bei der ersten Stellung des Lichtes und Auges gekommen war, und muss auch nothwendig 62 genau an derselben Stelle gespiegelt werden. Bringt man bei beiden Stellungen den Linsenreflex mit einem Homhautbild- chen zum Decken, dessen scheinbaren Ort man bestimmen kann, so findet sich nachher der scheinbare Ort des reflecti- renden Punktes der hinteren Linsenfläche in dem Durchschnitts- punkte der beiden durch die betreffenden Homhautbildchen gehenden Oesichtslinien des Beobachters. Die nöthigen Data zu diesen Bestimmungen bekommt man nun auf folgende Weise. Es wird, wie in Fig. 33, S. 309, in einiger Entfernung vor dem beobachteten Auge A eine Scale aufgestellt. Symmetrisch Accommodation dea Anges. 327 zur Liiiie AB werden die beiden Stelltmgen des Ophthal- mometers (TOD dem man aber nur das Fernrohr benutzt) in Gj nnd G^ conetmirt und bezeichnet, sodass man das Ltstrn- ment leicht ans der einen in die andere bringen kann. Wenn das Femrohr in C, steht, wird in (?, ein Schirm mit einer Oeffimng angestellt, durch welche eine grosse und helle Lam- penflamme ihr Licht auf das Auge A wirft Das G^sichtB- zeichen F wird so gestellt, dass die Aze der Hornhaut nach dem Punkt« B gerichtet ist. Ausserdem wird an der Scale Terscbiebbar noch ein kleiner Schirm mit emer engeren, durch ein blaues Glas Terschlossenen Oeffaung angebracht, hinter der em Wachslichtchen steht Die ganze Anordnung, wie sie dem beobachteten Auge erscheint, ist in Fig. 38 dargestellt. Fig. 88. J^ ist das G^esichtszeichen , E der Schirm mit dem blauen a Lichtchen. Man Terschiebt E so lange, bis sich der Hom- haaü^äez des blauen Lichtes mit dem Linsenreöex der grossen Flamme deckt, xmä. merkt den Theilstrich der Scale, wo E steht Dann Tertauscht man die Stellungen des Femrohrs und der Lampe und wiederholt dasselbe Verfahren. Die Orte der Homhaatbildcben und den Durchschrntts- pnnkt der G^esichtelimen des Beobachters im beobachteten Auge kann man ganz ebenso, wie ich es fUr die Iris be- scl^eben habe, bestimmen. Ich habe es für die folgenden Beobachtungen mit Berücksichtigung der Ellipticit&t der Horn- haut gethan. Falls die Linse ein Rotationskörper wäre, dessen Aze genau mit der der Hornhaut zusammenfiele, 828 Physiologische Optik. mtisste bei diesem Verfahren der spiegelnde Punkt der hinteren Linsenfläche, also auch sein schein- barer Ort, der Durchschnittspunkt der Gesichts- linien des Beobachters, in der Aze der Hornhaut liegen. Meine Versuche zeigen, dass das nicht der Fall seL In dem Auge O. H. ist die Abweichung allerdings so gering, dass sie kleinen Beobachtungsfehlem in der Be- stimmung der Homhautaze zugeschrieben werden könnte; aber in den beiden andern Augen ist sie dafür zu gross. Ich gebe im Folgenden die Ordinaten der scheinbaren Lage des refiectirenden Punktes c für die drei untersuchten Augen an. Als Abstand von der Aze der Hornhaut habe ich angegeben die Länge des Lothes, welches von c auf die Homhautaze ge- fällt ist, und als Abstand von der Hornhaut die Länge zwischen dem Fusspunkte des Lothes und dem Scheitelpunkte der Horn- haut Die so gefundene Lage des Punktes c ist immer nur eine scheinbare, wie sie dem Beobachter durch die Linse und Hornhaut hin erscheint; indessen ist die Abweichung von der 64 wirklichen Lage jedenfalls nicht sehr bedeutend, da die hintere Linsenfläche dem zweiten Ejiotenpunkte des Auges sehr nahe liegt. Die Brechung in der Hornhaut kann berechnet i und dadurch die Lage des Punktes c gefunden werden, wie sie einem in der wässerigen Feuchtigkeit stehenden Beobachter erscheinen würde. Die Bezeichnung scheinbare Lage in Luft und in wässeriger Feuchtigkeit erklärt sich hiemach. Es sind die Bresultate zweier Versuchsreihen angegeben. Scheinbare Lage des Punktes c der hinteren Linsenfläche. 0. H. B. P. J. H. Abstand von der Horn- haut Abstand von der Hom- hautaze nach der Nase zu in Luft inHuuL aq. in Luft in Hum. aq. I I I 6,763 6,788 6,899 6,982 0,084 0,178 0,026 0,188 I I I 7,018 6,998 7,162 7,189 0,190 0,236 0,148 0,177 I ( { I 6,655 6,662 6,979 6,989 0,194 0,284 0,146 0,218 Accommodatioii des Auges. 329 Die scheinbare Lage des Punktes c, von der wässerigen Feuchtigkeit aus gesehen , ist nun immer noch nicht seine wahre Lage, da die von ihm kommenden Lichtstrahlen noch in der Linse gebrochen werden. Leider lassen sich die opti- schen Constanten der Linse an den lebenden Augen noch nicht ermitteln. Glücklicher Weise hat aber die Brechung in der Linse einen höchst geringen Einfluss auf die scheinbare Lage des Punktes Cj weil dieser ihrem hinteren Knotenpunkte sehr nahe liegt^ und wir brauchen deshalb an dem Abstände des Punktes c von der Hornhaut nur eine kleine Correction anzubringen, die wir nach den optischen Constanten todter Linsen bestimmen können. Die wahre Entfernung des Punktes c von der Homhautaxe lässt sich dagegen nicht bestunmen, weil die Linsenfl&chen offenbar schief von der Homhautaxe ss geschnitten werden, und wir die Grösse dieser Abweichung, welche von grossem Einfluss auf die scheinbare seitliche Ver- schiebung des Punktes c ist, nicht kennen. Ein durch eine Convexlinse gesehener Punkt, der nahe hinter ihrem zweiten Knotenpunkte liegt, wird scheinbar vor- gerückt um die Entfernung ihrer Ejiotenpunkte von einander, ein Thefl dieser Verschiebung wird aber wieder dadurch auf- gehoben, dass die Distanz des Bildes vom ersten Knotenpunkte nach hinten gerechnet etwas grösser ausfällt, als die wahre JBntfemung des Objects vom zweiten Knotenpunkte ist. Ist f&r eine in wässeriger Feuchtigkeit liegende Linse die Entfer- nung der Knotenpunkte von einander d, die Entfernung des Punktes c vom lunteren Knotenpunkte a, und p die Brenn- weite der Linse, so ist die scheinbare Verschiebung x des Punktes c nach vom, wenn man die höheren Potenzen von alp vernachlässigt, gleich: :p = rf--^ (8) P In Listing' s schematischem Auge ist für die in wässeriger Feuchtigkeit liegende Linse: d^ 0,203 mm a:= 1,424 „ ;^« 44,301 „ 3r= 0,157 „ 330 Physiologifiche Optik. Ich habe an todten Linseii, an denen ich mit dem Oph- thabnometer ein System von Messungen ausgeführt habe, ge- funden: a= 1,546 1,499 p = 45,14 47,43, was mit Listing' s Annahmen hinreichend übereinstimmt, d konnte ich leider nicht genau genug bestimmen, weil sich in 66 dieser sehr kleinen Grösse die Fehler in der Bestimmung der Dicke der Linse und der Abstände der beiden Knotenpunkte von den betre£fenden Linsenflächen addirten. Wenden wir den gefundenen Werth der Correction x auf unsere Messungen an, so ergiebt sich: 0. EL B. P. J. H. Abstand vom Scheitel der Hornhaut der hinteren Linsenfläche der Pupille 7,172 4,024 7,232 8,597 7,141 8,789 Dicke der Linse: 3,148 8,635 8,402 Diese Werthe der Linsendicke sind kleiner, als man sie an todten Linsen gefunden hat. Krause giebt an, an solchen Ij bis 2§ par. Lin. (4,05 bis 5,4 mm) gefunden zu haben; ich selbst fand 4,2 und 4,3 mm. Nun wölbt sich die yordere Linsenfläche in der PupUle ein wenig, und ihre Mitte tritt deshalb etwas vor die Ebene des Kreises hervor, in der die Pupille ihr anliegt, und diese Wöl- bung könnte der Dicke der Linse noch zugerechnet werden. Die Höhe der Wölbung beträgt nach den oben S. 313 und 324 gegebenen Werthen des Durchmessers der Pupille und des Krümmungshalbmessers der vorderen Linsenfläche: 0. H. B. P. J. H. 0,266 0,166 0,153 dann würde die Dicke der Linse: 3,414 8,801 3,555. Aber auch diese Werthe reichen noch nicht an die der todten Linsen, und doch ist es auch fraglich, ob ^v Accommodation des Anges. 831 man die ganze Höhe der Wölbung hinzurechnen darf, da dem Bande der Pupille, da wo er der Linse anliegt, auch noch eine Dicke von einigen Hunderttheilchen gegeben werden muss, 57 um welche der von yom sichtbare Band der Pupille von der Linsenfläche entfernt bleiben möchte. Um so viel würde die Correction wegen der Wölbung der Linse noch wieder ver- ringert werden müssen. Andererseits aber lassen die Messungsmethoden, durch welche die vorliegenden Besultate gefunden sind, nicht zu, einen Fehler von } mm in der Bestimmung der Dicke der Linse zu begehen. Es scheint mir daher daraus hervorzugehen, dass sich die Dicke der Linse nach dem Tode ver- grösserb Bei der Accommodation des Auges für die Nähe ver- ändert sich der Ort des spiegelnden Punktes auf der hinteren Linsenfläche nicht merklich. Wenn ich bei den Beobachtun- gen, die ich zur Ermittelung des Ortes der hinteren Linsen- fläche angestellt habe, das beobachtete Auge einen nahen Gegenstand fixiren liess, ohne seine Bichtung zu ändern, so blieb der scheinbare Ort des Befiexes von der hinteren Lin- senfläche ganz unverändert, man mochte von rechts oder links in das Auge hineinsehen. Da der scheinbare Ort der hinteren Linsenfläche fast gar nicht verändert wird, und die Aenderun- gen, welche die optischen Gonstanten der Linse bei der Ac- commodation erleiden, einen entgegengesetzten und sich theil- weise aufhebenden Einfluss auf den scheinbaren Ort der ge- nannten Fläche haben müssen, so können wir schliessen, dass der wahre Ort des mittleren Theiles der hinteren Linsenfläche sich nicht merklich ändert. Ich bemerke noch; dass die Abweichung des Auges von einer richtigen Centrirung, wie wir sie von unseren künstlichen optischen Instrumenten verlangen, nicht etwa auf einer falschen Bestimmung der Homhautaxe beruht Man kann sich vielmehr von der mangelhaften Centrirung auch auf folgende Weise überzeugen. Wäre das Auge symmetrisch um irgend eine Axe gebaut, 68 und fiele Licht unter demselben Winkel zu dieser Axe in das Auge, unter dem der Beobachter hineinsieht, so würden ihm 332 Physiologische OptiL die in der Axe liegenden Punkte der Hornliaut, der vorderen und hinteren Linsenfläche Licht refiectiren, und es wfirde ihm der reflectirende Punkt der vorderen Linsenfläche etwa in der Mitte zwischen dem reflectirenden Punkte der Hornhaut und dem der hinteren Linsenfläche erscheinen. Ordnet man nun den Apparat wie in Fig. 38, wobei man aber das blaue Lichtchen fortlassen kann, und stellt man für beide Stellungen des Femrohrs und der Lampe das G-esichts- zeichen so, dass der Beflex der vorderen Linsenfläche in der Mitte zwischen dem der Hornhaut und der hinteren Linsen- fläche erscheint, so findet man zwei sehr merklich differirende Stellungen, je nachdem das Licht von der inneren oder äusseren Seite in das Auge fällt. Gleichzeitig muss das Gesichtszeichen auch etwas höher als die Scale stehen. Es war der Winkel zwischen der G^sichtsUnie und der Normale der reflectirenden Hornhautstelle: Auge 0. EL B. P. J. H. Licht kommt von der Nasenseite 8Mr 5» 6' 5M8' von aussen 4« 57' 8° 12' 7M4' Es folgt daraus, dass der Krümmungsmittelpunkt des Scheitels der Hornhaut auf der Nasenseite der Linsenaxe liegt, oder genauer gesprochen, auf der Nasenseite eines beide Linsenflächen senkrecht schneidenden Lichtstrahles. Die Krümmung der hinteren Linsenfläche lässt sich am s» lebenden Auge nicht genau, aber doch annähernd bestimmen. Wie wir es bei der vorderen Linsenfläche gemacht haben, kann man auch die hintere als einen Eugelspiegel betrachten, dem ein System brechender Flächen vorgesetzt ist. Die Brenn- weite dieses zusammengesetzten spiegelnden und brechenden Systems lässt sich alsdann mittels einer Messung der Gh*öS8e der von ihm entworfenen Bilder berechnen. Die Messung kann mit dem Ophthalmometer gemacht werden, ganz ähnlich wie die Messung der Homhautkrümmung , doch ist wegen der J * - -^ ' Accommodatioix des Auges. 833 Xichtschwäche allerdings nur eine geringere Genauigkeit zu erreichen. Man muss die Uchtgebenden Oe&ungen im Ver- hältnisse zu ihrem Abstände von einander ziemlich gross machen, wenn ihre Spiegelbilder gesehen werden sollen. Die Brennweiten des zusammengesetzten spiegelnden Systems waren: f&r das Auge 0. H. 2,808 B. P. 2,567 J. H. 2,642. Um daraus den Krümmungsradius finden zu können, müssen wir die Knotenpunkte und die Brennweiten des davor liegenden brechenden Systems kennen. Oenau sind diese an den lebenden Augen nicht zu er- mitteln. Annähernd lassen sich dazu die Werthe aus Lis- ting's schematischem Auge brauchen. Man kann sich die spiegelnde Fläche durch eine unendliche düzme Schicht Glas- feuchtigkeit von der hinteren Linsenfläcbe getrennt denken, sodass die Brennweiten und Ejiotenpunkte des vor ihr lie« genden optischen Systems die Brennweiten und Knotenpunkte des ganzen Auges sind. Die Bechnung nach der Formel (5) giebt: Krümmangshalbmesser der hinteren Linsenfläche. O. H. B. P. J. H. 5,88 5,18 5,37. An todten Linsen habe ich gefunden 5,86 und 5,89, was 9(y damit hinreichend übereinstimmt. Das von der hinteren Linsenfläche entworfene Bildchen verändert seine Grösse ebenfalls, aber in sehr geringem Grade, sodass ich zur Zeit, wo ich meine frühere Notiz aufsetzte, mit einem unvollkommeneren Instru- mente seine Veränderung noch nicht gefunden hatte. Ich be- obachtete diese Veränderung durch das Ophthalmometer, in- dem ich zwei senkrecht über einander stehende Flammen spiegeln liess. Bei der Drehung der Glasplatten des Oph- tbahnometers liess ich das untere Doppelbild des oberen Lichtpunktes sich nicht geradezu mit dem oberen des unteren 884 PhysiologiBche Optik. decken, sondern brachte sie seitlich neben einander, wie in Fig. 89, weil man bei dieser Stellung kleine Verschiebung leichter erkennt Bei der Accommodation f&r die Nähe ver- schoben sich die neben einander gestellten Bilder Oj und b^ ein wenig, sodass sich a^ dem a^ näherte und b^ dem by Das Spiegelbild, welches die hintere Lin- senfläche von den Lichtflammen entwarf, wurde also kleiner, und ich konnte die Verkleinerung auf etwa 7i2 schätzen. Der Durchmesser der erleuchteten OeShungen war nämlich Ve ^^^ Abstandes ihrer Mittelpunkte. Bei der Accommodation für die Nähe verschoben sich die neben einander gestellten hellen Flecke nahehin um ihre halbe Breite gegen einander, was Vis ihres Abstandes ausmacht Es fragt sich nun, ist aus dieser Verkleinerung des Bildes auf eine Krümmungsänderung der hinteren Linsenfläche zu schliessen, oder rührt sie von der Aenderung der Brennweite des Auges her? Es lässt sich in diesem Falle zeigen, dass in der That die hintere Fläche der Linse ihren Krümmungsradius verringern muss, obgleich sich nicht 61 berechnen lässt, um wieviel. Es hat nämlich die Veränderung der Ejiotenpunkte der Linse, deren Grösse wir noch nicht be- stimmen können, einen verhältnissmässig beträchtlichen Einfluss auf das Resultat Der hintere Knotenpunkt des Auges liegt, nach Listing's Bestimmungen, sehr nahe vor der hinteren Linsenfläche. Nen- nen wir seinen Abstand von ihr € und p den Abstand des hinteren Brennpunktes des Auges von der hinteren Linsen- fläche, so wird in der Formel (4) S. 324: /i =/? + « /2 = «(? + «) also: nr (p + e)* ^"" 2 Xp + r)- Bei der Accommodation für die Nähe wird p kleiner und 6 nothwendig grösser. Der erstere Umstand würde den Werth von q kleiner machen, der zweite grösser. Wahrscheinlich Accominodation dea Auges. 385 heben sich in Wirklichkeit diese beiden entgegengesetzten Ver- änderungen ziemlich genau auf, wenigstens zeigt dies die Bech- nung, wenn man die wahrscheinUchsten Annahmen f&r die Ver- änderung der Brennweite und Knotenpunkte zu Ghrunde legt. Jedenfalls lässt sich zeigen, dass, wenn man die Veränderung von 6 vernachlässigt, aoeh die grösste Verringerung von p, welche sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen lässt, nicht hioreicht, q um Vis seines Werthes zu verringern, wie das in der That stattfindet. um nämlich ein Auge, das für unendliche Entfernung accommodirt war, auf 100 mm zu acconmiodiren, müsste der hintere Brennpunkt des Auges um 2,5 mm vor die Netz- haut rücken, wenn man der Bechnimg die Grössen von Listing 's schematischem Auge unterlegt Dadurch würde sich es der Werth von q aber erst um V20 seiner Grösse ändern. Andererseits scheint es wahrscheinlich, dass der hintere Knoten- punkt des Auges um etwa V3 Millimeter vorrückt, weil sowohl die Knotenpunkte der Linse vorrücken müssen, als auch ihre Brennweite kleiner wird. Bei Linsen von homogener Substanz sind nämlich die Knotenpunkte von den beiden Flächen im Verhältniss der Krümmungsradien entfernt, sie liegen der Fläche mit stärkerer Krümmung näher als der anderen. So müssen auch die Elnotenpunkte der Krystalllinse beim Nahesehen vorrücken, da die Vorderfläche sowohl vorrückt, ab auch stärker gekrümmt wird. Die Knotenpunkte des Auges liegen zwischen den Knotenpunkten der Linse und denen der Hornhaut, und müssen den ersteren wiederum um so näher rücken, je kleiner die Brennweite der Linse wird. Wenn es aber auch sicher ist, dass die Knotenpimkte des Auges vorrücken, so kann doch die Grösse der Verschiebung nur durch annähernde Schätzxmgen bestimmt werden. Nehmen wir sie zu ^/^ mm, so würde der Werth von q dadurch um etwa V20 seiner Grösse wachsen, also um ebenso viel, als er durch die Verringerung der Brenn- weite des Auges abnehmen konnte. Aus dieser Berechnung ist klar, dass jedenfalls nicht die ganze Veränderung des Spiegelbildchens von den Veränderungen der davor liegenden brechen- 386 Phydologische Optik. den Medien herrühren kann, sondern dass die hintere Fläche der Linse sich ebenfalls stärker krümmt> wenn auch in einem geringeren Verhältnisse als die vordere, 63 Die Yerändeningen, welche ich im Auge bei der Ac- commodation f&r die Nähe beobachten konnte, sind also folgende: 1) Die Pupille verengert sich. 2) Der Pupillarrand der Iris bewegt sich nach vom. 8) Die peripherischen Theile der Iris treten zurück. 4) Die vordere Linsenfläche wölbt sich stärker, und ihr Scheitel bewegt sich nach vom. 5) Die hintere Linsenfläche wird ebenfSEtlls ein wenig ge- wölbter und verändert ihren Platz nicht merklich. Die Linse wird also in ihrer Mitte dicker. Da das Volumen der Linse constant bleiben muss, können wir noch schliessen, dass die queren Durchmesser der Linse sich verkürzen müssen. Die Sechnung ergiebt femer, dass bei unveränderter Lage der Netzhaut Listing' s schematisches Auge sich auf 150 mm oder 5Vs Zoll Sehweite einrichten würde, wenn der Krüm- mungshalbmesser der hinteren Fläche der Linse sich um 7is verkleinerte, der Scheitel der vorderen Fläche um 0,4 mm vor- rückte und der Krümmungshalbmesser der letzteren von 10 mm auf 6,8 vermindert würde, was den VenLnderungen des Auges B. P., wo dieser Halbmesser von 8,8 mm auf 5^9 sank, unge- fähr entspricht. Es scheint also die von uns beobachtete Veiiknderang der Elrystalllinse auch ausreichend zur Erklärung der Accommo- dationsveränderungen des Auges zu sein. M Schliesslich füge ich noch einige Bemerkungen an über die Art und Weise, wie die beschriebene Formänderung der Linse wohl zu Stande kommt. In Figur 5 Taf. III habe ich mit 5-maIiger Linearvergrösserung die Form der Hornhaut, Ort und Ejümmung der Scheitel der beiden Linsenflächen nach den Messungen des Auges B. P. dargestellt, und zwar stellt die mit Accommodation des Auges. 337 F bezeichnete Seite der Zeichnung die Verhältnisse beim Fern- sehen, die mit N bezeichnete Seite dagegen beim Kahesehen dar. Die liinse hat auf der nahesehenden Seite die Dicke von 4,3 mm, wie sie bei todten Linsen gewöhnlich ist; ich habe ihr auf dieser Seite also auch den Aequatorialhalbmesser todter Linsen, nämlich 4,8 mm, gegeben« Der fernsehenden Seite der Linse musste ich aber einep grösseren Aequatorial- halbmesser geben, weil die Linse bei den AccommodationsTer- änderungen ihr Volumen nicht ändern kann. Wenn man die Dimensionen der Linse parallel der Axe ihren mjEBichen und denen senkrecht gegen die Axe ihren n fachen Werth giebt, so wird das neue Volumen der Linse das n'm fache des früheren; macht man daher n, » l/m, so bleibt das Volumen ungeändert Für die Mitte unswer Linse ist nun m etwa gleich ^7o9 ^^ ^d ^ ^^^ gleich ^^so* ^^^ Aequatorial- halbmesser der fernsehenden Seite habe ich deshalb auf 5,0 mm gesetzt Natürlich ist eine genaue Bestimmung auf diese Weise nicht möglich, weil das G-esetz der Formänderung der Linse demjenigeu, welches wir der Bechnung zu Ghimde gelegt haben, schwerlich genau entspricht. Die Lis habe ich, wie es die Beobachtungen am leben- den Auge ergeben, dicht an die Linse anliegend gezeichnet, und ihre Wölbung ebenMls mit den früher beschriebenen Ver- suchen auf Seite 815 übereinstimmend gemacht Li Betreff der Ciliarfortsätze bin ich von den älteren Darstellungen des Auges abgewichen, indem ich sie sich bis auf die hintere Seite es der Iris yerläugem lasse, und schliesse mich in dieser Be- ziehung Cr am er 's Zeichnungen, wenn auch nicht vollständig, an. Durchschneidet man ein möglichst frisches menschliches Auge in der Aequatorialebene und betrachtet die Linse und Ciliarfortsätze vdh hinten durch den Glaskörper, so sieht naan die Gipfel der Fortsätze bis ganz nahe an den Band der Linse reichen und Verlängerungen der- selben noch eine kleine Strecke vor ihre Vorder- fläche sich erstrecken. Bei feinen Schnitten aus den ge- trockneten Augenhäuten nach der Methode von Brücke findet man ebenfalls zuweilen, dass die Ciliarfortsätze eine weite Strecke auf die Lis hioauflaufen, in anderen Fällen, dass sie Helinholti, wimaoMta. AbluuidluiigexL IL 22 338 Physiologische Optik. sich nicht einmal bis zum Ansatzpunkt des Ciliarmuskels (Tensor Chlorioideae) erstrecken. Das erstere kann nur dann eintreten, wenn man den Schnitt gerade durch den Gipfel eines Fortsatzes geführt bat, das letztere dann, wenn man yom zwischen zwei 'Fortsätzen geschnitten und nur hinten das niedrigere Ende eines Fortsatzes getroffen bat Man muss übrigens oft ziemlich viele Präparate macben, ehe man eines findet, an dem der Fortsatz weit auf die Iris hinausläuft; da- her erkläre ich mir, dass Brücke kein solches gefunden und bei seiner Darstellung des Auges benutzt hat. In der Figur ist angenommen, dass auf beiden Seiten die Ebene des Bildes zwischen zwei Oiliarfortsätzen hindurchgeht und nur den Spannmuskel der Aderhaut durchschneidet Die Gipfel der Fortsätze liegen hinter der Falte der Zonula, welche in dem entsprecbenden Zwischenräume hinläuft. In Betreff des Verlaufes der Zonula, die sich in der Figur wie ein Schleier über die schwarzen Ciliarfortsätze hinlegt, und der Form und Dicke des Ciliarmuskels habe ich micb nach den Angaben und der Zeichnung von Brücke gerichtet 66 Was den Ansatz der Iris betrifil, so bemerke ich darüber folgendes, was mit den Angaben von Donders und Koel- liker im wesentlichen übereinstimmt: Die innere Wand des Schlemm'schen Canals bestebt in ihren vorderen zwei Dritteln aus elastischem Gewebe, dessen Fasern (in der Zeichnung gelb) von der Membr. Descemetii entspringen ^ das hintere Drittel ist dagegen eine Lamelle von Sehnensubstanz, welche sich von der Sclerotica ablöst und mit deren Gewebe identisch ist, da- bei an Dicke den vorderen elastischen Theil der Wand be- deutend übertrifft. Nur dicht an der inneren Oberfläche des Canals reichen elastische Fasern bis zu seinem hinteren B.ande. Da wo sich das elastische und Sehnengeweb^ vereinigen, ent- springen zusanmien der Ciliarmuskel und die Iris. Ausserdem gehen nun aber von dem vorderen elastischen Theile der Wand des Schlemm'schen Canals eine Menge elastischer Fäden frei durch die wässrige Feuchtigkeit zum Bande der Iris hinüber, das Ligamentum pectinatum Iridis (Fig. 5 p.). Aus der angegebenen Structur der Theüe scheint mir her- vorzugehen, dass für einen kräftigen Zug der Badialfiasem der Accommodation des Auges. 339 Iris deren fester Insertionsponkt an dem hinteren Rande des Schlemm'sclien Canals sich befindet. Man betrachte die Eig. 5 auf der Seite N, wo s der genannte Canal ist, und der «lastische Theil seiner inneren Wand hell, der sehnige grau dargestellt ist Dieser sehnige Theil der Ganalwand ist gleich- sam die Ansatzsehne der Iris. Wenn nun aber die Badial- fasem der Iris erschlaffen, wird sie dem Zuge der elastischen Gebilde nachgeben, und da die vordersten Fasern des Liga- mentum pectinatum von dem vorderen Ende des Schlemm'- schen Canals entspringen, so ist anzunehmen, dass sie sich in der ganzen Breite dieses Canals an dessen innere Wand an- legt Nehmen wii* nun mit Gramer an, dass beim Nahesehen gleichzeitig eine Innervation der Gircular- und Badialfasem «f der Iris eintrete, so wird durch die beschriebene Befestigungs- weise der Iris auch gleichzeitig das Zurückweichen ihrer peri- pherischen Theile erklärt Wieviel Raum dadurch an der Peripherie der vorderen Kammer gewonnen wird, habe ich durch die punktirte Linie qr bezeichnet, welche der Stelle ent- spricht, wo sich beim Fernsehen die Vorderfläche der Iris be- findet Der Querschnitt dieses durch die Spannung der Iris gewonnenen Raumes erscheint in der Zeichnung allerdings riel kleiner als der Querschnitt des Raumes, der in der Mitte der vorderen Augenkammer verloren geht Aber man bedenke, dass jener einem Ringe von riel grösserem Durchmesser ent- spricht als der letztere, und dass durch die Länge der Peri- pherie des Ringes flir das Volumen gewonnen wird, was dem Querschnitte an Ausdehnung abgeht XJebrigens kann auch, wie Donders^) bemerkt hat, der Giliarmuskel, wenn er sich spannt, den Ansatz der Iris nach hinten rücken, wenigstens um so riel, als der hintere sehnige Theil der Innenwand des Schlemm' sehen Canals durch Um- beugung dem Zuge des Muskels nachgeben kann. Ich möchte nicht geradezu die Chorioidea als den festen Punkt bezeichnen, von dem aus der Muskel wirkt, da eine so dünne und lange Membran einen ausserordentlich hohen Grad von Undehnsam- 1) Onderzoekingen ged. in het Physiologisch Laborat. der Utrechtsche Hoogeschool. Jaar VI 1858—1854. p. 61. 22* 340 Physiologische Optik. keit haben müsste, um dem Zuge des yam befestigten Muskels gar nicht nachzugeben. Ausserdem erklärt Koelliker das Stroma der Ghorioidea für eine unentwickeltere Form des elastischen Gewebes. Die Dehnsamkeit der Chorioidea sei übrigens, welche sie wolle, so würde die von Donders dem Ciliaxmuskel zugeschriebene Wirkung doch immer stattfinden ^ müssen, insofern ein zwischen zwei dehnsamen Membranen aus- gespannter Muskel durch seine Zusammenziehung beide dehnen wird. Nur würde bei grösserer Dehnsamkeit der Chorioidea eine stärkere Zusammenziehung des Muskels nothwendig sein, um eine bestimmte Verlängerung der elastischen Wand des Schlemm' sdien Ganais hervorzubringen. Es ist also im Folgenden nicht unvereinbar mit Donders' Ansicht^ wenn ich den Muskel die hinteren Enden der Ciliarfortsätze nach vorn ziehen lasse. Dass die Iris eine wesentliche Function bei der Accom- modation habe, lehren die Versuche von Gramer, wonach durch intermittirende elektrische Ströme, welche auf die Giliar- gegend ausgeschnittener Augen von Seehunden und Vögeln wirkten, noch Accommodationsänderungen zu erzielen waren, so lange die Iris unv^letzt vorhanden war, dagegen ausblieben, wenn die Iris entfernt oder radial durchschnitten war. Den Giliarmuskel nimmt Gramer nur zu Hülfe, insofern er meint, dass seine Zusammenziehung im Stande sei, die Netzhaut gegen Druck zu schützen. Auch lässt sich in der That diejenige Aendening der Gestalt der liinse, welche Gramer beobachtet hatte, nämlich die grössere oder geringere Wölbung der Vorder- fiäche der Linse, durch die Wirkung der Iris allein vollständig erklären. Dass die Iris bei normalsichtigen Augen nach vom gewölbt sei, lässt sich durch die oben S. 819 be- schriebenen Beleuchtungsversuche auch an lebenden Augen ermittehL Daraus folgt ganz richtig, wie Stellwag von Garion und nach ihm Gramer geschlossen haben, dass eine gleichzeitige Spannung der circularen und radialen Muskel- fasern der Iris den Druck in der vorderen Kammer vermindern, im Glaskörper vermehren müsse. Es erscheint vielleicht paradox, dass durch eine Spannung «» der Iris, welche die Wölbung dieses Organs flacher zu machen Accommodation des Auges. 841 strebt, bewirkt werden solle, dass im Gegentheü der Papillar- rand hervortrete. Es ist hierbei zu bedenken, dass sowohl die vordere Augenkammer, wie der Glaskörper ihr Volumen be- halten müssen, da sie mit incompressibler Flüssigkeit gefüllt sind. Jede Bewegmig der Iris kann also nur so geschehen, dass diese Bedingung erftQlt bleibt. Dabei wird die Iris durch ihre Spannung jede Bewegung der inneren Theile des Auges unterstützen oder hervorbringen können, bei welcher sich ihre BadialÜBisem verkürzen, wenn wir der Einfachheit wegen vor- aussetzen, dass während dieser Bewegung der Durchmesser der Papille unverändert bleibt. Sehen wir die Seite F unserer Eig. 5 an, so ergiebt sich leicht, dass eine Verkürzung der BadialfEksem der Iris eintreten kann, wenn sich ihr Band zvdschen dem hinteren Ende des Schlemm' sehen Canals und dem Bande der Idnse streckt. Da durch diese Bewegung aber der Baum des Humor aqueus vergrössert wird, muss noth- wendig die Mitte der Linse mit dem Fupillarrande der Iris vortreten. Dadurch tritt allerdings wiederum eine kleine Ver- längerung der Badialfasem ein. So lange aber diese Verlän- gerung geringer ist als die Verkürzung der Fasern durch die Streckung am Bande, so lange wird die beschriebene Bewegung durch stärkejre Spannung der Irismuskeln hervorgebracht werden können. Man sieht aber, dass Gramer 's Theorie von der Iriswirkung auch nothwendig die Existenz einer Wölbung oder Ejiickung der Iris an ihrem Bande voraussetzen muss, wie eine solche nach der vorher gegebenen Beschreibung des Ansatzes der Iris bedingt ist. Ich muss hier bemerken, dass in meiner Zeichnung die Knickung der Iris nicht gross genug erscheint, um ein so starkes Vorrücken der Pupillarebene zu er- lauben, wie es den Beobachtungen entsprechend dargestellt ist Bei den in der Zeichnung dargestellten Verhältnissen des Auges würde also die Wirkung der Iris allein die dargestellte 70 Veränderung des Auges nicht bewirken können. Kommt aber die Wirkung des Ciliarmuskels hinzu, und erweitert dieser die vordere Augenkammer an ihrem Bande, so muss auch die Mitte der hinteren Wand dieser Kammer wieder mehr vorge- schoben werden, unsere Zeichnung bestätigt also Donders' Worte: „Ich halte diesen Muskel (M. Brückianus) für die ■■■■■■^■■i^MiaPHHi^^^^i^Bi^pm^^es^EssBPPv^^Bsiipiiii mi i« 342 Phjsikalische Optik. Formveränderung der Linse für ebenso wichtig als die Muskelfasern der Iris. Ohne ihn ist die Iris nicht im Stande, einen Druck von Bedeutung auf die Linse auszuüben.'^ Von dieser Seite also liesse sich C r am er' s Ansicht ver- theidigen und ergänzen, dagegen scheint sie mir nicht auszu- reichen, um diejenige Gestaltveränderung der Linse zu er» klären, welche wir durch unsere Beobachtimgen gefunden haben. Wenn die Linse nämlich nur durch den stärkeren Druck des Glaskörpers gegen die Iris gedrängt würde, so würde ihre Vorderfläche allerdings vortreten und convexer werden, aber es müsste auch die Mitte ihrer hinteren Fläche vorgedrängt und weniger convex werden, so me esL. Fick^) ausdrücklich bei seiner Theorie angenommen hat, die ebenfalls die Verände- rungen in der Form der Linse von verschiedenem Druck im Glaskörper und in der vorderen Augenkammer herleitet, wenn auch diese Verschiedenheit des Druckes nicht von der Wirkung der Iris, sondern von veränderter Blutvertheilung abgeleitet wird. Diesen beiden Theorien steht nun entgegen, dass die hintere Fläche der Linse in Wirklichkeit ihren Platz nicht merklich verändert, und nicht flacher, sondern ein wenig ge- wölbter wird. Da die Linse ihr Volumen nicht verändern kann, so folgt daraus gleichzeitig, dass die Aequatorialdurch- 71 messer der Linse kleiner werden müssen, wie ich schon früher angeführt habe. Cr am er scheint anzunehmen, dass nur au der unbedeckten Mitte der vorderen Fläche die weiche Sub- stanz ihrer äusseren Theile hervorquelle, die stärkere Krüm- mung also nur auf den unbedeckten Theil der vorderen Fläche sich ausdehne. Dass die Formänderung der Linse einen viel weiteren Umfang habe, ergiebt sich leicht aus meinen Messun- gen und der darnach construirten Zeichnung Fig. 5. Da femer die Mitte der Linse ausser Zusammenhang mit anderen festen Theilen ist, und auf sie keine anderen Kräfte wirken können^ als der hydrostatische Druck der umgebenden Flüssigkeiten, so müssen wir die Kräfte, welche die Aequatorialdurchmesser verkleinem, an den Rändern der Linse suchen. Beim Nahe- sehen, schliessen wir daraus, muss ein verminderter Zug oder 1) J. Müller'B Archiv für Anat und Phye, 1853. p. 449. Accommodation des Auges. 343 ein vermehrter Dnick auf die Bänder der Linse einwirken. Ein yerminderter Zug könnte nur der der Zonula sein. Wir müssten annehmen, dass im ruhenden Zustande des Auges beim Fernsehen die Zonula gespannt sei und dadurch der Linse eine abgeplattetere Form gebe. Erschlaffen kann die Zonula durch die Thä- tigkeit des Tensor chorioideae, indem dieser Muskel das hintere Ende des Ciliarkörpers, mit welchem die Zonula eng zusammenhängt, nach vorn zieht und der Linse nähert, wie dies schon Brücke aus der Ansatzweise des Muskels geschlossen hat. Ich glaube nicht, dass man der Chorioidea eine dazu hinreichende Dehnbarkeit wird absprechen können. Uebrigens kann man auch in einem frischen todten Auge, wenn man an zwei entgegengesetzten Seiten der Linse die Zonula mit Fincetten fasst und daran zieht, die Form der Linse merklich verändern, sodass der Zusammenhang der Zonula mit der Linse und das Gewebe der Zonula selbst jeden- falls fest genug sind, um die angeführte Annahme zu erlauben. 73 Damit möchte femer die Thatsache in Verbindung stehen, dass ich an allen drei lebenden Augen, welche ich unter- sucht habe, die Dicke der Linse beim Femsehen dünner ge- funden habe, als sie bei todten Augen zu sein pflegt Ich hoffte diese Annahme noch an den Augen eben gestorbener Personen oder Thiere prüfen zu können, bei denen durch die Entleerung des Auges von Blut und durch die beginnende Diffusion der Augenflüssigkeiten der Dmck im Auge vermin- dert war. Der Augenspiegel schien darüber Aufschluss geben zu können, ob das Auge nach dem Tode für die Nähe oder Feme accommodirt sei. Indessen fand sich selbst bei Kanin- chen, die durch Verblutung getödtet waren, unmittelbar nach den letzten Zuckungen des Thieres das Auge in einem Zu- stande, welcher eine genaue Einsicht mit dem Augenspiegel unmöglich machte. Während die Hornhaut noch ganz klar und unverändert aussah, durch Auftröpfeln von Wasser auch immer wieder eine vollkommen polirte Oberfläche erhalten konnte, erschien die Linse streifig, wie schlechtes Fensterglas. Dasselbe war bei eben gestorbenen menschlichen Leichen der Fall. S44 Physiologiache Optik. Ausserdem könnte man noch an einen Druck denken, den die Ciliarfortsätze, wenn sie sich erigiren, beim Nahesehen auf den Band der Linse ausüben können. JedenÜEtlls aber wird der Ciliarapparat schon deshalb nicht ganz unverändert bei der Accommodation für die l^ähe bleiben können, weil der Band der Linse beim Nahesehen sich von ihm entfernt und sich der Augenaxe nähert Bei der straffen Ver- bindung des Linsenrandes mit der Zonula und dem Ciliar- körper muss der letztere nothwendig dieser Bewegung folgen, oder es würde eine beträchtlich vermehrte Spannung der Zo- nula entstehen, welche der herbeizuführenden Formänderung der Linse geradezu entgegenwirken würde. Somit würde der 73 Ciliarmuskel, wenn er sich nicht activ verkürzte, jedenfalls passiv verkürzt werden müssen. Aus den angeführten Gründen werden wir kaum anstehen können, den Giliargebilden in einer oder der anderen Weise eine Mitwirkung bei der Accom- modation zuzuerkennen.^) Andererseits genügt aber auch eine auf den Band der Linse ausgeübte Kraft allein nicht, um die Formveränderung der Linse zu erklären. Denn eine solche wüJ^de die Wölbung der vorderen und hinteren Fläche ziemlich gleichmässig ver- mehren müssen, während sich doch die vordere Fläche in viel stärkerem Verhältnisse als die hintere wölbt Wir werden vielmehr stets mit der Kraft, welche die Aequatoiialdurch- messer zu verkürzen strebt, eine solche verbinden müssen, welche die Aequatorialebene nach vom zu wölben strebt, wie dies der Druck der Lis, oder die von L. Fick angenommene vei^derte Blutvertheilung thun. Die Mitwirkung der Jris scheint mir durch Cr am er 's Versuche an Thieraugen ausser Zweifel gesetzt zu sein. Eine Mitwirkung der contractilen Cüiarfortsätze auf die Vertheilung des Blutes liegt nicht ausser- halb der GFrenzen der Möglichkeit Bis das Vorhandensein einer solchen aber bewiesen ist, würde wohl, übereinstimmend 1) Dass in der That auch bei Mangel der Iris Accommodation statt- finden kann, ist später durch pathologische Fälle durch A. v. Graefe erwiesen. Accoinmodation des Auges. 845 mit der Ansicht von Donders, die Iris in Verbindung mit dem Brücke'schen Muskel als das Hauptorgan der Accommodation betrachtet werden müssen; auch scheint mir diese Annahme allen Erscheinungen genügend zu entsprechen, wenn der Oiliarmuskel nicht blos den Ansatz der Iris nach hinten, sondern auch die hinteren Enden der Ciliar- fortsätze nach vom bewegt, also in der That nach Brücke's ursprünglicher Bezeichnung als Spannmuskel der Aderhaut wirkt Dadurch würden sich auch die Beobachtungen patho- logischer Fälle erklären, wo bei stärkster Mydriasis oder 74 Irideremie das Accommodationsvermögen nicht ganz fehlte, und es wäre sehr zu wünschen, dass die Augenärzte, denen solche Fälle vorkommen, im Interesse der physiologischen Theorie der Accommodation das Accommodationsvermögen solcher Augen genau bestimmen möchten. Die im Archiv für Ophthalm. L Bd. Abth. I S. 815 von A. v. Gräfe besprochenen EUle von Mydriasis möchten darin ihre Erklärung finden, dass zunächst nach der eingetretenen Erweiterung der Pupille der Kranke, die Hülfe der Iris bei der Accommodation vermissend, die Aenderung des brechenden Apparates nicht hervorzurufen versteht^ später aber lernt mit dem Oiliarmuskel die Accom- modation wenigstens innerhalb gewisser Grenzen zu Stande zu bringen. Eine genaue Untersuchung der beiden Sanson'- schen Bildchen und ihrer Aendemngen bei der Accommodation in solchen Fällen würde sehr wichtig sein, und wenn die von mir aufgestellte Hypothese richtig ist, wäre zu erwarten, dass an solchen mydriatischen Augen das Bildchen der hinteren Linsenfiäche sich stärker verkleinern wird als an gesunden Augen« LXIL Ueber Farbenblindheit Ans den Verhandlungen des naturhistorisch -medicinischen Vereins zu Heidelberg. Bd. n. S. 1—3. 11. November 1859. Die Lehre von den drei Gnindfarben, aus denen sich alle anderen Farben durch Mischung zusammensetzen Hessen, kann nicht in dem Sinne festgehalten werden, dass es irgend welche drei objectiv existirende Farben oder farbige Lichter gäbe, aus denen aUe anderen objectiv existirenden Farben zusammenge- setzt werden könnten. Solche Farben müssten nothwendig unter den gesättigtesten Farben gewählt werden, weil weiss- liche Farben wohl aus gesättigten, aber nicht letztere aus ersteren zusammengesetzt werden können. Die gesättigtesten Farben, welche wir kennen, sind die Spectralfarben; aber wie man auch drei unter diesen wählen mag, so gelingt es doch nicht alle anderen Spectralfarben aus ihnen zusammenzusetzen, weil die Mischungen immer sehr merklich weisslicher sind als die entsprechenden homogenen Farben« Dagegen kann die Lehre von Th. Young, dass es drei Hauptfarbenempfindungen gebe, welche Young an drei hypothetisch angenommene Faser- systeme vertheilt, sehr wohl benutzt werden, um das Gebiet der Farbenerscheinungen auf einfache Principien zurückzu- führen. Danach existiren im Sehnervenapparate drei ver- schiedene Fasersysteme, welche alle von allem objectiven Lichte erregt werden können, aber in verschiedener Stärke, und wenn sie erregt sind, qualitativ verschiedene Empfindungen hervor- bringen. Als Grundfarben nahm Young an Roth, Grün, Vio- lett, und dem entsprechend rothempfindende, grünempfindende Farbenblindheit 347 violettempfindende Nerven; doch bleibt die Wahl der Grund- farben noch bis zu einem gewissen Grade willkürlich. Die rothen Strahlen des Spectrum erregen die rothempfindenden Nerven am stärksten, schwach die beiden anderen Systeme. Ebenso erregen die grünen und violetten Strahlen die gleich- namigen Systeme von Nerven stark, die ungleichnamigen schwach. Weiss entspricht gleich starker Erregung aller Sy- steme. Die Spectralfarben erregen die einzelnen Grundempfin- dungen noch nicht rein und von den beiden anderen getrennt, es ist deshalb möglich, wie der Vortragende in der letzten Naturforscherversammlung auseinandergesetzt hat, noch ge- sättigtere Farbenempfindungen, die den Grundempfindungen näher kommen, zu erregen, indem man Spectralfarben be- trachtet, nachdem man das Auge für ihre Complementärfarbe ermüdet hat. Um genaue Messungen über die Mischungsverhältnisse der a Farben anzustellen, hat Maxwell eine eigenthümliche Con- struction des Farbenkreisels eingeführt, welche erlaubt den Sectoren, die die einzelnen Farben enthalten, eine veränder- liche Breite zu geben. Mit Hülfe eines solchen Kreisels kann man sehr genau Farbenmischungen herstellen, die einer anderen gegebenen Farbe ganz gleich aussehen, oder wie Maxwell es nennt, eine Farbengleichung herstellen. Für ge- sunde Augen lassen sich nun zwischen jeder beliebig gegebenen Farbe und drei passend gewählten Grundfarben mit eventueller Hinzunahme von Weiss Farbengleichungen herstellen, und Maxwell hat mit Hülfe solcher Versuche das von Newton aufgestellte Gesetz der Farbenmischung streng erwiesen, wo- nach sich alle Farben in einer Ebene so ordnen lassen, dass man, wenn man die Menge der gemischten Farben durch pro- portionale Gewichte ausdrückt, im Schwerpunkte dieser Ge- wichte die Mischfarbe findet Derselbe Forscher hat für Farbenblinde gefunden, dass für deren Augen zu solchen Versuchen nur zwei Grundfarben nöthig seien. Der Vortragende hat Gelegenheit gehabt, solche Untersuchungen an einem Farbenblinden, Herrn M. in Garls- nihe, zu wiederholen, und diese Thatsache bestätigt gefunden. Es konnten für dessen Augen alle Farben durch Mischungen 848 PhysiologiBche Optik. von Gelb und Blau wiedergegeben werden. Daraus folgt, dass solchen Augen eine der Grundempfindungen fehlt. Da Maxwell femer gezeigt hat, dass die Farben, welche von farbenblinden Augen verwechselt werden, in einer nach dem Princip der Schwerpunktconstructionen geordneten Earben- tafel alle in einer geraden Linie liegen, so geben Unter- suchungen an Farbenblinden die Gelegenheit, den Farbenton der fehlenden Grundfarbe genau zu bestimmen und dadurch mindestens eine der Grnnd£BU*ben sicher kennen zu lernen. Man braucht zu dem Ende nur solche Farben zu suchen, welche der Farbenblinde mit neutralem Grau verwechselt; deren Farbenton muss entweder dem der fehlenden Grund- farbe entsprechen oder ihm complementär sein. In dem Falle von Herrn M. waren diese Farben Roth und Grünblau. Das Roth war die ihm fehlende Grundfarbe, denn sein Auge erwies sich als sehr wenig empfindlich gegen Roth. Dies erschien ihm einem sehr dunklen Grau gleich, während das complemen- täre Grünblau einem sehr hellen Grau gleich erschien. Der Farbenton dieser rothen Gnmdfarbe entspricht nahehin dem des rothen Endes des Spectrum, schien jedoch ein wenig nach dem Purpur hin abzuweichen. Dadurch ist denn eine der Grundfarben gegeben. Man kann die Classe von Farbenblinden (Seebeck 's zweite Glasse), zu der Dalton tmd Herr M. gehören, die Roth- blinden nennen. Aus Seebecks's Angaben scheint es wahr- scheinlich, dass die andere von ihm aufgestellte Classe, welche andere Farben Verwechslungen macht als die Rothblinden, die von letzteren verwechselten Farben aber unterscheidet. Grün- blinde sind. Die Untersuchung eines solchen mittels der 9 Methode von Maxwell wäre sehr ¥rün8chenswerth, um die zweite Grundfarbe kennen zu lernen. Die Methode der Untersuchung von Maxwell macht voll- ständige Untersuchung des Zustandes der Farbenblinden erst möglich. Der Vortragende besprach die UnvoUkommenheiten der früheren Untersuchungen, wobei man immer nur eine Reihe von Farben kennen lernte, die den Farbenblinden nahe- hin gleich schienen, sich aber nicht darüber verständigen konnte, ob der noch vorhandene Unterschied den Farbenton Farbenblindheit 349 oder den Ghrad der Sättigung beträfe. Auf dem Farbenkreisel kann man die Mischungen fUr ihr Auge genau gleich machen, und dabei gab Herr M. durchaus keine unsicheren Angaben; sein Auge unterschied die Farben, welche es überhaupt unter- scheiden konnte, sicher und fein. Nach der Young'schen Theorie wäre anzunehmen, dass bei den Bothblinden die rothempfindenden Nerven gelähmt seien. Daraus ergäbe sich, dass die Empfindungen der Farbenblinden f&r die Spectralfarben folgenden der normalen Augen ent- sprechen: Botfa erscheint gleich Itchtschwachem gesättigtem Ghrün. Gelb „ „ lichtstarkem gesättigtem Ghrün. Grün Grüngelb Blau Violett ,j lichtstarkem weisslichem Grün. „ Weiss oder Grau. „ weisslichem Violett „ gesättigtem Violett Das Grün nennen sie aber G^b, weil in der Farbe, die die normalen Augen Gdb nennen, sie die lichtstärkste und gesättigste Art dieser ihrer einen Farbe erblicken, und daher also den Namen wählen. Weitere Ausf&hmng dieses Themas findet sich in § 20 meines Handbuches der Physiologischen Optik. LXIIL Ueber die Contrasterscheinungen im Auge, Aus den Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg. Bd. ü. S. 82—83. 1860. 27. April. 32 Der Bednar sprach zuerst darüber, was man unter Con- trasterscheinungen verstehe und wie dieselben vielfach mit den Nachbildern verwechselt werden, welche Chevreul unter dem Namen des successiven Gontrastes bezeichnet Zu wirklichen simultanen Contrasterscheinungen muss man durch besondere Untersuchungsmethoden die Nachbilder vermeiden. Dann ergiebt sich jedoch, dass dieselben in der That bestehen, üeber dieselben ergaben mannigfach modifi- cirte, der Versammlung vorgeführte Versuche Folgendes: Die Veränderung der Farbe durch den Contrast ist um so stärker, je grösser das Feld ist, welches den Contrast her- vorbringt, je schwächer zweitens der Unterschied der Farben ist, je gleichmässiger endlich ohne eingeschobene fremdartige Abgrenzung die beiden Felder in einander übergehen. Am besten sind diese Bedingungen im Phänomen der far- bigen Schatten vereinigt. Bei Beobachtung eines farbigen Schattens durch eine geschwärzte Bohre erhält sich die Vor- stellung der Farbe, wie sie sich zuvor gebildet hatte, auch wenn ihre Bedingung wegfällt, so lange man nicht andere Stellen des Gesichtsfeldes vergleichen kann. Unsere Begriffe von Weiss, welche dabei vielfach in Betracht kommen, nahem sich über- haupt der Farbe des herrschenden Lichtes und üben ihren Einfluss auf die Beurtheilung anders gefärbter Stellen. In homogen rother Beleuchtung, wie wir sie am besten durch mit Kupferoxyd gefärbte Gläser erhalten, zeigen sich Gontrast im Auge. 351 die lichtarmen Partien complementär grün gefärbt. Es ge- schieht dies in Folge der Ermüdung der Netzhaut, und wir erhalten dadurch eine Gorrectur unserer Vorstellung über das herrschende Licht Wenn das gefärbte Feld nur einen kleinen Theil des Seh- feldes einnimmt, so hängt die Möglichkeit der Contrasterschei- nungen von einer Menge von kleinen Umständen ab, deren Ein- vrirknngen sich aus den oben angegebenen Bedingungen er- klären, und welche durch die Versuche erläutert wurden. Auch das Zustandekommen der wirklichen Contrasterschei- nungen scheint auf einer Täuschung des ürtheils zu beruhen. Wir können richtig vergleichen, wenn die zu vergleichen- den Stellen im Gresichtsfelde unmittelbar an einander liegen. Bäumliche Trennung und noch mehr Aufeinanderfolge in der Zeit schwächen die Sicherheit der Empfindung. Sicher em- pfundene Unterschiede werden im allgemeinen zu hoch veran- schlagt. Auf solche Weise, nicht durch die ältere Annahme einer wirklich veränderten Nervenerregung lassen sich die Gontrast- 33 erscheinungen im Auge erklären. Dabei bleibt es aber oft sehr schwer, die im einzelnen Falle mitwirkenden Nebenum- stände ausreichend aufzufinden. Weitere Ausführung dieses Themas ist in meinem „Hand- buch der Physiologischen Optik^' § 24 gegeben. LXIV. Uel)er die Bewegnngen des menschlichen Anges. Vorläufige Mittheilung auB den Verhandliingeii des natarhistorisch-medic VereiiiB zu Heidelberg. Bd. lU. S. 62—67. 8. Mai 1868. (Das Manuscript wurde sogleich eingereicht) 63 Bei den Bewegungen unseres Auges beabsichtigen wir zu- nächst nur einen bestimmten Punkt des Gesichtsfeldes zu fixiren, zu welchem Ende das Auge so gestellt werden muss, dass das Bild des zu fixirenden Punktes auf die Netzhaut- grube, die Stelle des deutlichsten Sehens, fällt. Dazu ist es genügend, dass wir das Auge um einen gewissen Winkel nach aufwärts oder abwärts, nach rechts oder nach links drehen. Wenn nun aber das Auge die verlangte Stellung erhalten hat, so würde es immer noch möglich sein dasselbe um die Ge- sichtslinie zu drehen, ohne dass dadurch das Bild des zu fixirenden Punktes sich von dem Centrum der Netzhautgrube entfernte. Alle Stellungen vielmehr, in welche das Auge durch eine solche Drehung der Ghesichtslinie übergeht, würden der obengestellten Forderung gleich gut entsprechen. Das Problem der Augenbewegungen bezieht sich nun darauf zu bestimmen, welche von diesen durch Drehung um die G^sichtslinie zu erreichenden Stellungen das Auge wirklich einnimmt, und warum es gerade diese einnimmt Das erste Gesetz, welches in dieser Beziehung durch Donders und Meissner früheren entgegenstehenden An- sichten gegenüber ermittelt wurde, ist, dass der Grad der 63 Drehung um die Gesichtslinie nur abhängt von der Bichtung dieser Linie, relativ zur Lage des Kopfes genommen, und nicht AugenbeweguDgen. 353 von dem Wege, auf welchem die Gesichtslinie in die betreffende Lage gebracht ist. Es ist dieses Gesetz von grosser Wichtigkeit für die Orientirung über die Lage der Gegenstände im Gesichtsfelde. Denn wenn wir bei gegebener und constant bleibender Haltung des Kopfes irgend einen Punkt des Feldes fixiren, so werden die vertical über oder unter dem fizirten Punkte liegenden anderen Punkte des Gesichtsfeldes stets auf demselben Netz- hautmeridiane abgebildet, wie auch das Auge in die betreffende Stellung gekommen sein mag. Wenn das betreffende Gesetz nicht existirte, und das Auge verschiedene Grade der Bad- drehung (Drehung um die Gesichtslinie) annehmen könnte, so würden zu verschiedenen Zeiten bei gleicher Stellung der Ge- sichtslinie verschiedene Netzhautmeridiane in die Lage kommen können, das Bild der vertical über und unter dem fixirten Punkte gelegenen anderen Punkte au£ranehmen, und demge- mäss würde das Bild einer Yerticallinie bei gegebener Stellung des Kopfes und des Auges nicht immer demselben Netzhaut- meridiane entsprechen. Es würde dadurch zwar nicht un- möglich gemacht werden die Bichtung der Yerticallinien im Gesichtsfelde zu bestimmen, aber es müssten viel mehr durch Empfindung gegebene Elemente dabei berücksichtigt werden, nicht blos diejenigen Muskelempfindungen, welche über die Er- hebung oder Senkung des Auges und über seine Rechts- und Linkswendung Aufschluss geben, sondern auch solche, welche den Grad seiner Baddrehung zu erkennen geben. Die Auf- gabe der Orientirung im Gesichtsfelde würde also beträchtlich complicirter sein, als sie bei dem wirklich vorhandenen Ge- setze der Bewegungen ist Wenn das Gesetz dieser Bewegungen den Literessen des binocularen Sehens angepasst sein sollte, so würden wir er- warten müssen, dass diejenigen Netzhautmeridiane, welche ein- mal in der Visirebene (d. h. in der durch die Gesichtslinien beider Augen gelegten Ebene) enthalten sind, immer darin bleiben müssten. Dann würde es nämlich möglich sein, dass eine Reihe von Punkten dieser Ebene (die des Mülle r'schen Horopterkreises) auf identischen Stellen beider Netzhäute ab- gebildet wären, und in den symmetrischen Augenstellungen Heimholte, wiiaeiiMh. Abhandlungen, n. 23 LXIV. Vebei die Bewegungen des menschlichen Anges. Vorläufige Mittheilung auB den Verhaadliingeii des natnrhistorisch-medie. Vereins zu Heidelberg. Bd. lU. S. 62—67. 8. Mai 1868. (Das Manuscript wurde sogleich eingereicht) 63 Bei den Bewegungen unseres Auges beabsichtigen wir zu- nächst nur einen bestimmten Punkt des Gesichtsfeldes zu fixiren, zu welchem Ende das Auge so gestellt werden muss, dass das Bild des zu fixirenden Punktes auf die Netzhaut- grube, die Stelle des deutlichsten Sehens , fällt. Dazu ist es genügend, dass wir das Auge um einen gewissen Winkel nach aufwärts oder abwärts, nach rechts oder nach links drehen. Wenn nun aber das Auge die verlangte Stellung erhalten hat, so würde es immer noch möglich sein dasselbe um die 6e- siditslinie zu drehen, ohne dass dadurch das Bild des zu fixirenden Punktes sich von dem Gentrum der Netzhautgnibe entfernte. Alle Stellungen vielmehr, in welche das Auge durch eine solche Drehung der Gesichtslinie übergeht, würden der obengestellten Forderung gleich gut entsprechen. Das Problem der Augenbewegungen bezieht sich nun darauf zu bestimmen, welche von diesen durch Drehung um die G^sichtslinie zu erreichenden Stellungen das Auge wirklich einnimmt, und warum es gerade diese einnimmt Das erste Gesetz, welches in dieser Beziehung durch Donders und Meissner fiüheren entgegenstehenden An- sichten gegenüber ermittelt wurde, ist, dass der Grad der 63 Drehung um die Gesichtslinie nur abhängt von der Bichtung dieser Linie, relativ zur Lage des Kopfes genommen, und nicht AugenbeweguDgen. 353 von dem Wege, auf welchem die Gesichtslinie in die betreflfende Lage gebracht ist. Es ist dieses Gesetz Ton grosser Wichtigkeit f&r die Orientirung über die Lage der Gegenstände im Gesichtsfelde. Denn wenn wir bei gegebener und constant bleibender Haltung des Kopfes irgend einen Punkt des Feldes fixiren, so werden die yertical über oder unter dem fixirten Punkte liegenden anderen Punkte des Gesichtsfeldes stets auf demselben Netz- hautmeridiane abgebildet, wie auch das Auge in die betreffende Stellung gekommen sein mag. Wenn das betreffende Gesetz nicht existirte, und das Auge verschiedene Grade der Bad- drehung (Drehung um die Gesichtslinie) annehmen könnte, so würden zu verschiedenen Zeiten bei gleicher Stellung der Ge- sicbtslinie verschiedene Netzhautmeridiane in die Lage kommen können, das Bild der vertical über und unter dem fixirten Punkte gelegenen anderen Punkte au£ranehmen, und demge- mäss würde das Bild einer Verticallinie bei gegebener Stellung des Kopfes und des Auges nicht immer demselben Netzhaut- meridiane entsprechen. Es würde dadurch zwar nicht un- möglich gemacht werden die Richtung der Yerticallinien im Gesichtsfelde zu bestimmen, aber es müssten viel mehr durch Empfindung gegebene Elemente dabei berücksichtigt werden, nicht blos diejenigen Muskelempfindungen, welche über die Er- hebung oder Senkung des Auges und über seine Rechts- und Linkswendung Aufschluss geben, sondern auch solche, welche den Grad seiner Raddrehung zu erkennen geben. Die Auf- gabe der Orientirung im Gesichtsfelde würde also beträchtlich complicirter sein, als sie bei dem wirklich vorhandenen Ge- setze der Bewegungen ist Wenn das Gesetz dieser Bewegungen den Interessen des binocularen Sehens angepasst sein sollte, so würden wir er- warten müssen, dass diejenigen Netzhautmeridiane, welche ein- mal in der Visirebene (d. h. in der durch die Gesichtslinien beider Augen gelegten Ebene) enthalten sind, immer darin bleiben müssten. Dann würde es nämlich möglich sein, dass eine Reihe von Punkten dieser Ebene (die des Müll er 'sehen Horopterkreises) auf identischen Stellen beider Netzhäute ab- gebildet wären, und in den symmetrischen Augenstellungen Heimholt!, wiMenfoh. Abhandlungen, n. 23 354 Phystologische Optik. würde der Fixationspunkt zusammenfallen mit dem Kreuzmigs- punkt der geraden Linie und der Kreislinie, welche nach einem früheren Vortrage von mir den Horopter bilden, was vortheil- hafter für das Einfachsehen wäre, als wenn diese Punkte nicht coincidiren. Aber schon die Versuche von Donders zeigten, dass die Interessen des binocularen Einfachsehens bei den Augen- bewegungen gar nicht berücksichtigt sind. Dasselbe wurde durch alle späteren Versuche von Meissner, Fick, Reck- linghausen, Wundt bestätigt. Man hat deshalb in neuerer Zeit die Ansicht aufgegeben, dass das Gresetz der Augen- 64 bewegungen von den Interessen des Sehens abhänge, und es haben Fick und Wundt nachzuweisen gesucht, dass es nur von d^r Bequemlichkeit der Augenmuskeln abhänge, indem das Auge stets denjenigen Grad der Raddrehung annehme, der bei der vorhandenen Rtchtung der Gesichtslinie den Muskeln den geringsten Grad der Anstrengung zumuthe. Es wäre nun auffallend bei einem übrigens seinem Ge- brauche so zweckmässig angepassten Organe, wie das Auge, wenn bestimmte Interessen des binocularen Sehens vernach- lässigt sein sollten in dem Gesetz der Bewegungen, ohne dass ein anderer optischer Zweck durch die vorhandene Einrich- tung erfüllt würde. Da das Wachsthum der Muskeln eines gesunden Körpers überall von den Forderungen, die an ihre Anstrengungen gemacht werden, abhängt, und die Muskel- gruppen sich also schliesslich immer dem Principe zu accom- modiren pflegen, dass die zweckmässigste Art der Bewegung auch die am leichtesten ausführbare ist, so wäre die üeberein- stimmung der Thatsachen mit der von Fick und Wundt ver- theidigten Ansicht kein Grund, nicht noch nach einem opti- schen Principe für die Augenbewegungen zu suchen, und ich glaube in der That ein solches nachweisen zu können. Das erste an die Spitze gestellte Princip der Bewegungen sichert die Wiederkehr derselben Orientirung des Bildes gegen die Netzhautmeridiane, wenn dieselbe Stellung der Gesichta- linie wiederkehrt Wir können ein zweites Princip derselben Art aufstellen für die Bewahrung der Orientirung bei Be- wegungen des Auges. Indem wir die G^sichtslinie über das Augenbewegungen. 355 Gesichtsfeld gleiten lassen, werden sich die Lichteindrücke auf allen Punkten der Netzhaut verändern« Wir müssen nun Mittel haben zu beurtheilen, dass alle diese Veränderungen des Bildes auf sämmtlichen Theilen der Netzhaut nur von der geänderten Stellung des Auges, nicht von einer Veränderung der Objecte im Qesichtsfelde herrühren. Bezeichnen wir verschiedene Punkte des Bildes mit A, Bj Cj D, Es falle A auf die Netzhautgrube die wir mit a be- zeichnen wollen, B auf einen Netzhautpunkt b, C auf c u. s. w. Wir verschieben jetzt den Fixationspunkt ein wenig, sodass das Bild A auf einen anderen unendlich wenig entfernten Netz- hautpunkt a fällt, B von b nach ß rückt, C von c nach y. Nun wird es am leichtesten constatirt werden können, dass wir es nur mit Verschiebungen des Auges zu thun haben, wenn jedes Mal, so oft das Bild, welches eben den Netzhaut- punkt a empfjBuid, nach a rückt, auch gleichzeitig der Licht- eindruck aus b nach /9, der von e nach y u. s. w. übergeht Die mathematische Bedingung für diese Forderung ist, dass der Uebergang des Bildes vom Punkte a nach dem un- endlich wenig entfernten cc, stets nur durch Drehung um eine bestimmte, relativ zum Auge unveränderlich gelegene Axe erfolgt. Ninmit man die Fordidrung des ersten Princips hinzu, dass die Stellung des Auges für jede Sichtung der Q-esichtslinie un- abhängig von dem Wege sein soll, auf dem sie dahin gelangt, es so folgt weiter, dass die Bewegung des Fixationspunktes nach irgend einem zweiten unendlich wenig entfernten Punkte des Gresichtsfeldes geschehen muss durch Drehung um eine Axe, welche in einer bestimmten, zum Auge unveränderlich ge- legenen Ebene gelegen ist Der Beweis für die letztere Behauptung ergiebt sich aus dem Satze, dass man die Axenrichtungen unendlich kleiner Drehungen nach der Begel des Parallelogramms der ELräfte zusammensetzen kann; wenn also für zwei Verschiebungsrich- tungen die Drehungsaxen gegeben sind, so sind sie darnach für alle anderen Bichtungen zu finden, und müssen alle in der durch die ersten beiden Axen gelegten Ebene liegen. Wenn die Drehungsaxen für alle vorkommenden Be- 23 ♦ 356 Physiologische Optik. wegungen in einer Ebene liegen sollen, so kann keine Drehung eintreten, die als Componente eine Drehung um eine zur Ebene der Axen senkrecht gestellte Linie lieferte, welche Linie wir nennen wollen: die atrope Linie des Auges. Die Forderung des zweiten Princips würde also sein, dass bei keiner unendlich kleinen Drehung des Auges eine Drehung desselben um die atrope Linie vorkäme. Diese Forderung kann, wie wir gesehen haben, für un- endlich kleine Verschiebungen des Auges allerdings erfüllt werden, aber nicht immer und nicht vollständig für Ver- schiebungen von endlicher Grösse, da sich Drehungen um end- liche Winkel nicht mehr nach der Regel des Parallelogramms der Kräfte zusammensetzen lassen. Die ideale Forderung, welche wir für die Bewahrung der Orientirung im Gresichtsfelde bei den Bewegungen des Auges aufgestellt haben, lässt sich also nicht vollständig erfüllen, ohne gegen das erste und oberste Princip der Orientirung in ruhen- den Stellungen des Auges zu Verstössen. Es kann unsere zweite Forderung nur insofern berücksichtigt werden, ab ein Gesetz der Augenbewegungen gesucht werden kann, bei dem die Summe aller Abweichungen von diesem Principe ein Minimum ist. Es ist dies eine Aufgabe, die sich mittels der Variations- rechnung lösen lässt. Bei Ausführung der Rechnung ist aus ähnlichen Gründen, wie sie in der Wahrscheinhchkeitsrechnung bei dem Principe der kleinsten Quadrate entscheiden, nicht die Summe der Drehungen um die atrope Linie, sondern die Summe ihrer Quadrate zu einem Minimum gemacht worden. Das Resultat der Rechnung ergiebt folgendes Gesetz: Es muss eine Stellung des Auges geben, von welcher aus alle unendlich kleinen Bewegungen desselben ohne Drehung um die Gesichtslinie geschehen. Wir nennen diese die Primärstellung, alle anderen Secundärstellungen. Man führe die Gesichtslinie aus ihrer Primär- stellung über in eine Secundärstellung dadurch, dass man das Auge um eine feste zur Gesichtslinie senk- 66 rechte Axe dreht, so wird dadurch diejenige Stel- lung erhalten, welche das Auge in der betreffen- den Secundärstellung stets anzunehmen hat Augenbeweg^ngen. 857 Diese Regel für die Bewegungen des Auges stimmt genau überein mit derjenigen, welche nach einer Mittheüung von Buete schon von Listing aufgestellt worden ist, ohne dass derselbe jedoch einen Beweis dafür gegeben hat. Ueber die Lage der Primärstellung des Auges ist nichts zu bestimmen, auch fällt die Gesichtslinie nicht nothwendig mit derjenigen Linie zusammen, die wir oben die atrope genannt haben, doch lässt sich als wahrscheinlich vermuthen, wenn man den im Gunzen symmetrischen Bau des Auges berücksichtigt, dass «die atrope Linie sich nicht weit von der Gesichtslinie ent- fernen wird. Auch habe ich mich überzeugt, dass in meinem eigenen Auge diese beiden Linien nicht merklich auseinander- fallen; in diesem Falle liegt die Primärstellung in der Mitte des Gesichtsfeldes. Listing's Gesetz wurde ursprünglich von Meissner ac- ceptirt, später von ihm und anderen Beobachtern wieder fallen gelassen, weil es mit den Beobachtungen nicht überein zu stimmen schien. Ich selbst fand das ursprünglich Listing'- fiche Gesetz für meine eigenen beiden Augen, wie bemerkt, vollständig bestätigt und glaube, dass theils nur die in einigen Augen bestehende Abweichung der Primärstellung von der Mitte des Gesichtsfeldes, theüs ungeeignete Beobachtungs- methoden theils auch vielleicht die mit der Kurzsichtigkeit ver- bundene Verschiebung des Drehpunktes des Auges, es ver- hindert haben, dass die übrigen Beobachter dasselbe Resultat gewannen. Man hat hauptsächlich drei Methoden zur Bestimmimg der Augenstellungen angewendet: 1) Nachbilder, 2) Doppel- bilder, 3) den blinden Fleck. Die Beobachtung der Nachbilder ist allein geeignet die nöihige Genauigkeit der Messungen zu gewähren, und ich glaube, dass sie bei geeignetem Verfahren, worüber Wundt schon gute Regeln gegeben hat, auch den meisten Augen ge- lingen wird. Der von Meissner angewendeten Methode der Doppelbilder liegt die Voraussetzung zum Grunde, dass beim Fernsehen und paralleler Richtung der Augen die beiden verti- calen Netzhautmeridiane identische Netzhautstellen enthalten müssen. So natürlich diese Voraussetzung erscheinen mag, so 358 Physiologische Optik. ist sie doch nicht richtig, indem auch unendlich entfernte senkrechte Linien bei jeder Haltung des Kopfes in nicht parallelen Doppelbildern erscheinen. Die Beobachtung der Stellungen des blinden Fleckes scheint zu geringe Genauigkeit zuzulassen. Ein sehr wesentliches Erfordemiss bei diesen Beobach- tungen, dessen Erfüllung, wie mir scheint, bei den bisherigen Versuchen nicht immer genügend gesichert war, ist es, dass der Kopf stets genau in dieselbe Stellung zu dem beobachte- 67 ten Objecte gebracht werde. Um das zu erreichen, habe ich ein Brettchen, welches mit einem Ausschnitt für die Zähne versehen war und diesen umschliessend Abdrücke der Zahn- reihen in Siegellack enthielt, ausserdem noch passende Yisir- zeichen trug, zwischen die Zähne genommen. Die Stellung dieses Brettchens und der Yisirzeichen, die es trägt, gegen den Kopf ist unverrückbar, und indem man die Yisirzeichen auf das betrachtete Object einstellt, sichert man die Beibehaltung und das Wiederaufßnden einer identischen Kopfhaltung. Auf einer grauen Tafel wird ein System horizontaler und verticaler Linien gezogen, in deren Mitte ein farbiger Streifen befestigt, parallel den Yerticallinien. Dieser wird fixirt, dann der BUck nach einer anderen Stelle der Tafel gewendet, wo nun das Nachbild erscheint, und seine Lage mit der fiichtung der Coordinatenlinien verglichen werden kann. Man sucht zuerst die Primärstellung des Auges, welche man daran erkennt, dass von ihr aus das Nachbild der verti- calen Linie genau verticaJ oder horizontal verschoben sich selbst parallel bleibt Nachdem ich die Primärstellung des Auges gefunden hatte und meine Yisirzeichen so fixirt hatte, dass ich sie stets wiederfinden konnte, stellte ich die Tafel mit den Luiien schief, aber so, dass sie senkrecht gegen die Primärstellung der Gesichtslinie blieb. Wenn ich nun das Bild der farbigen Linie wieder entweder parallel ihrer jetzigen Bichtung, oder senkrecht gegen diese Bichtung verschob, blieb es ¥dederum der ursprünglichen Bichtung jener Linie parallel. Dadurch war für mein Auge die Richtigkeit des Listing'schen Gesetzes erwiesen. Aogenbewegongen. 359 Eine Reihe Messungen über Stellung der Nachbilder hat Wundt gegeben, welche beim ersten Anblick stark vom Listing'schen Gresetze abweichen. Indessen passen sie mit Ausnahme einiger extremen Stellungen ziemlich gut unter dieses Gesetz, wenn man die Primärstellung richtig wählt, welche etwa 13^ tiefer und 8® nach aussen, von dem Punkte des Gesichtsfeldes liegt, den Wundt als Nullpunkt der Drehun- gen angenommen hat Dass übrigens die Abweichungen von den Forderungen des von mir aufgestellten zweiten Princips, welche nicht ganz ver- mieden werden können, wirklich die Sicherheit der Orientirung im Gesichtsfelde beeinträchtigen, zeigt sich, wenn man mit dem Blicke an einer geraden Linie entlang geht, die entweder weit nach rechts oder weit nach links, oder weit nach oben oder weit nach unten von der Primärstellung sich befindet. Solche Linien erscheinen dann immer concav gegen die Mitte des Ge- sichtsfeldes zu sein, was sich daraus erklärt, dass das Auge bei einer solchen Bewegung Baddrehungen ausführt, welche als Drehungen der verschiedenen Theile des Objectes gegen einander in das Gesichtsfeld projicirt werden. LXV. Ueber die normalen Bewegungen des menschlichen Anges, Aus A. von Gräfe' 8 Archiv für Ophthalmologie. Bd. IX. Abth. 2. S. 153—214. — 1863. 163 Die Lehre von den normalen Augenbewegungen des Men- schen ist durch die neueren Arbeiten, in denen sie behandelt worden ist, in einen ziemlich verwickelten Zustand gerathen, und es schien fast, als würde man es ganz aufgeben müssen, ein übersichtliches und leicht verständliches Princip für diese Bewegungen au&ustellen« Indem ich diesen Gegenstand für das Schlussheft meines Lehrbuches der physiologischen Optik durcharbeitete, glaube ich denn doch ein solches einfaches Princip gefunden zu haben, welches übrigens in seinen prak- tischen Consequenzen mit dem schon früher von Listing auf- gestellten Gresetze der Augenbewegungen ziemlich nahe zu- sammenfällt. Da in dem genannten Lehrbuche die hierher gehörigen Untersuchungen und Sätze sich in verschiedene Ka- pitel zerstreuen werden, so hielt ich es für besser, an diesem Orte eine zusammenhängende Darstellung der darauf bezüg- lichen Ergebnisse meiner Untersuchungen zu geben. 164 Der nächstliegende Zweck für die Bewegungen unserer Augen ist der, dass wir nach einander verschiedene Punkte des Tor uns liegenden Gesichtsfeldes zu fixiren streben, d. h« das optische Bild derselben mit dem Centrum der Netzhaut- grube, als der Stelle des deutlichsten Sehens, zusammenfallen machen. Zu diesem Zwecke genügte es, die Gesichtslinie um Augenbewegungen. 861 bestimmte Winkel nach oben oder nach unten, nach rechts oder nach links zu wenden. Wenn wir nun aber dem Auge auch eine Stellung gegeben haben, bei welcher derjenige Punkt des Gesichtsfeldes, dem unsere Aufmerksamkeit zur Zeit zu- gewendet ist, sich auf der Netzhautgrube abbildet und genau gesehen wird, so ist doch dadurch die Stellung des Augapfels noch nicht vollständig bestimmt. Denn der Augapfel würde sich in jeder Stellung, die er einnimmt, noch um die Gresichts- linie als Axe drehen können, ohne dass sich dabei sein Fixa- tionspunkt ändert, wie gross auch der Winkel wäre, um den er sich drehte. Für diese Art der Drehung des Augapfels, nämlich die Drehung um die Gresichtslinie, wollen wir den be- zeichnenden Namen der Raddrehung beibehalten, da sich die Iris dabei wie ein Bad um ihren Mittelpunkt drehen würde. Das Problem der Augenbewegungen besteht nun bekannthch darin, zu bestimmen, welchen Grad der Baddrehung der Augapfel erleidet, wenn der Gesichtslinie eine bestimmte Stel- lung im Gesichtsfelde angewiesen wird. In Bezug auf die Lösung dieses Problems haben Don- ders und alle ihm nachfolgenden neueren Beobachter, welche hinreichend zuverlässige Untersuchungsmethoden angewendet haben, übereinstimmend festgestellt, dass zu jeder gegebenen Stellung der Gesichtslinie im Kopfe ein bestimmter Grad der Baddrehung gehört, der ganz unabänderlich eintritt, auf wel- chem Wege auch die Gesichtslinie in jene Stellung geführt worden sein mag, und der auch nicht durch eine willkürliche Anstrengung verändert werden kann. Um die Sichtungen des Auges genauer zu fixiren, denken iss wir uns mit Meissner durch die Gesichtslinien beider Augen eine Ebene gelegt, die Yisir ebene. Diese Ebene kann ge- hoben und gesenkt werden, indem der Blick sich hebt und senkt Wir wählen irgend eine bestimmte Lage der Yisirebene als Anfangslage; vorläufig ist es willkürlich^ welche. Später werden wir Gründe finden, eine gewisse Lage vor allen andern zu bevorzugen. Die Lage der Yisirebene bestimmt sich dann durch den Winkel, den Erhebungswinkel, welchen sie in ihrer augenbUcklichen Lage mit der gewählten Anfangslage bildet. Bei erhobenem Blicke ist der Erhebungswinkel positiv, 362 Physiologische Optik. bei gesenktem negativ zu nehmen. Die Anfangslage der Visir- ebene ist gegen den Kopf als fest zu denken, mit dem Kopfe beweglich, wie denn überhaupt alle unsere Bezeichnungen der Richtungen oben und unten, rechts und links u. s. w. sich auf die Lage des Auges zum Kopfe beziehen sollen. Der Blick, die Visirebene, das Auge werden gehoben, wenn sich die Cornea dem Augenbrauenrande der Augenhöhle nähert, sie werden gesenkt, wenn sich die Cornea gegen die Wange hin bewegt u. s. w. Es kann femer die Gesichtslinie noch innerhalb der Visir- ebene nach rechts und nach links sich bewegen. Da der Kopf symmetrisch gebaut, und die Augen symmetrisch in ihm gestellt sind, so ist durch die Mittelebene des Kopfes, welche die Visir- ebene schneidet, eine feste Bichtung in der Visirebene gegeben, nach Henle 's Terminologie die sagittale Bichtung. Diese können wir als Anfangsstellung für die Bewegungen der Gte- sichtslinie in der Visirebene von aussen nach innen benutzen, »und von ihr aus die Winkel zählen. Wir wollen die Innen- wendung, welche zur Convergenz fahrt, als die wichtigere und häufigere dieser Bewegungen mit dem positiven Vorzeichen ver- sehen und die Wendungen des Auges nach aussen als negative Innenwendungen betrachten. 156 Wenn die Gresichtslinie in die gewählte Anfangsstellung geführt ist, sodass die Erhebung und die Innenwendung beide gleich Null sind, so schneidet die Visirebene die beiden Netz- häute in einem Kreise, dessen Ebene wir mit dem Namen des Netzhauthorizontes belegen wollen. In dem Netzhaut- horizonte ist eine bestimmte Beihe von Netzhautelementen ge- legen. Nach Bewegungen des Auges ist der Netzhauthorizont durch dieselbe Beihe von Netzhautelementen zu legen, er ist also eine im Auge festgedachte Ebene und wird nicht noth- wendig immer mit der Visirebene zusammen fallen. Die Bad- drehung des Auges wollen wir nun messen durch den Winkel, den der Netzhauthorizont mit der Visirebene büdet, und wir nehmen den genannten Winkel als positiv, wenn die obere Seite des Auges dabei nach aussen verschoben ist, die äussere nach unten. Das oben erwähnte erste allgemeine Gesetz der Augen* Aagenbewegungen. 363 bewegongen lässt sich also dahin aussprechen, dass der Werth des Raddrehungswinkels nur abhängig sei von den beiden Werthen des Erhebungswinkels und der Innenwendung, nicht abhängig von der Stellung des Kopfes, nicht von der Willkür des Sehenden. Es ist leicht ersichtlich, welch eine wichtige Bedeutung dieses Gesetz f)lr den Zweck hat, uns die Orientirung über die Richtungen von Oben und unten, von Rechts und Links im Gresichtsfelde zu erleichtem, und ist dies auch schon von Meissner^) hervorgehoben worden. Wenn die Richtung unserer Gesichtslinie gegeben ist, und das Auge den bestimmten Grad von Raddrehung angenommen hat, der jener Stellung angehört, so wird eine verticale Linie, welche durch den Fizationspunkt geht, bei derselben Stellung der Gesichtslinie imveränderlich i67 sich immer auf demselben Netzhautmeridiane abbilden; ebenso eine sagittal (d. h. parallel der Richtung von vom nach hinten) and eine lateral (d. h. von rechts nach links) gezogene Linie. Wäre es möglich, dass das Auge seine Raddrehung veränderte, so würde es bald dieser, bald jener Netzhautmeridian sein, welcher bei unveränderter Stellung der Gesichtslinie das Bild der verticalen Linien, oder der sagittalen, oder der lateralen au&ähme. Dadurch würde offenbar die richtige Beurtheilung der Lage der Objecto im Gesichtsfelde eine viel verwickeitere and schwierigere Aufgabe werden, als sie es jetzt ist Jedes richtige Urtheil über die Lage der Objecte im Räume vor uns setzt ein richtiges Urtheil über die Stellung des Auges im Kopfe voraus. Sowie die Stellung des Auges durch einen äusseren Dmck, eine Schwäche oder Lähmung der MuAeln so verändert wird, dass wir über diese Stellung kein genaues Urtheil mehr bilden können, so erscheinen uns, wie bekannt, auch die Objecte an falschen Stellen im Gesichtsfelde. Bei der bestehenden Einrichtung der Augenbewegungen genügt es, die Erhebung und Innenwendung des Auges richtig zu beur- theilen, dann wissen wir auch schon, in welchen Theilen un- seres Sehnervenapparates wir die Bilder z. B. der durch den fixirten Punkt gehenden verticalen Linien zu suchen haben. 1) Archiv für Ophthalmologie. Bd. Tl. 8. 18—20. / I 864 PhysikaliBche Optik. Wäre die Baddrehung yeränderlich, und müssten wir deshalb j auch deren Grösse noch genau beurtheilen, so würde die Aufgabe viel schwieriger werden. Je verwickelter die Um- ; stände sind, für die wir unser sinnliches XJrtheil ausbilden ' müssen, desto längere XJebung wird im allgemeinen nothwendig sein und desto geringer wird der Grad der Genauigkeit sein, j die wir bei der Schätzung der Grössenverhältnisse erreichen. \ Bei der Beurtheüung der Bichtung mittels des Auges genügt [ es jetzt, zwei Winkel durch das MuskelgefÜhl zu bestimmen; ! der Baddrehungswinkel braucht nicht besonders bestimmt zu werden, da er mit jenen beiden unabänderlich verbunden ist. \ 168 Dieses erste allgemeine Gesetz der Augenbewegungen, wo- t nach die Baddrehung in fester Weise abhängig von dem ge- / rade bestehenden Grade der Erhebung und Innenwendung ist, hat also seinen leicht verständlichen Sinn für die optischen Zwecke des Auges. Dagegen sind die bisherigen Untersuchungen an der Auf- gabe gescheitert, einen verständlichen optischen Zweck für die besondere Art der Abhängigkeit zu finden, welche zwischen dem Baddrehungswinkel und der Stellung der Gesichtslinie be- steht. Statt die weiteren Consequenzen des eben erörterten Princips der leichtesten Orientirung aufeusuchen, die, wie die Folge lehren wird, in der That zu dem gewünschten Ziele flQu*en, wendete man sich zu den Interessen des bino- cularen Sehens hinüber, wobei sich namentlich durch die Unter- suchungen von Meissner ergab, dass diese Interessen bei dem bestehenden Gresetze der Augenbewegungen vielfältig verletzt sind, und dass nur bei sehr wenigen Stellungen die Bedingun- gen, welche für das Einfachsehen möglichst vieler in der Nähe des fizirten Punktes gelegener Punkte am günstigsten sind, sich erfüllt finden. Wenn die Netzhauthorizonte beider Augen eine Beihe identischer Punkte enthalten, und die Augen stets so bewegt würden, dass die Netzhauthorizonte stets in der Visirebene blieben, also gar keine Baddrehung des Auges einträte nach unserer Definition dieses Ausdruckes, dann würden stets alle diejenigen Punkte der Visirebene einfach gesehen werden, welche in dem Müller'schen Horopterkreise liegen, d. h. in Augenbewegongen. 365 einem Kreise, der durch den fixirten Punkt und die vorderen Knotenpunkte beider Augen gelegt ist Ausserdem würde noch stets eine zur Visirebene senkrechte Linie existiren, welche durch einen Punkt des floropterkreises geht (Prevost's Horopter), deren Punkte einfach gesehen würden. Bei den symmetrischen Augenstellungen würde diese gerade Horopter- linie durch den Fixationspunkt gehen, und es würden sich is» dann also im Fixationspunkte zwei Linien schneiden, die Gerade imd der Kreis, deren Punkte einfach gesehen werden. Es würde dies der vortheilhafteste Fall sein. Nun haben meine theoretischen Untersuchungen über die Form des Horopters^) ergeben, dass, wenn man wirklich alle einfach gesehenen Punkte aufsucht, der Fall trotz der Drehun- gen nicht ganz so ungünstig ist, wie er in Meissner' s Unter- suchungen erscheint, indem in jedem Falle mindestens eine Curve durch den Fixationspunkt gezogen werden kann, welche einfach gesehene Punkte enthält, während Meissner für eine grosse Zahl von Augenstellungen (alle assymetrischen Tertiär- stellungen) behauptet, dass nur der fixirte Punkt einfach ge- sehen werde. Lidessen ist nicht zu leugnen, dass die bestehen- den Eaddrehungen des Bulbus die Zahl der günstigsten Fälle, wo zwei einfach gesehene Linien durch den Fixationspunkt zu ziehen sind, ausserordentlich beschränken. Für das binoculare EinfEichsehen ist das bestehende Gesetz der Augenstellungen daher entschieden unvortheilhafi, und wir werden weiter unten noch auseinander setzen, dass sogar in demjenigen Fällen, wo Meissner die Literessen desselben am besten gewahrt glaubte, nämlich beim Femsehen, Abweichungen vorkommen, welche das genaue Einfachsehen feist ganz auf den Fixationspunkt be- schränken. Bei dieser Lage der Dinge haben in neuester Zeit A. Fick ^ und Wundt^) eine andere Hypothese ausgebildet, wonach 1) Vorläu% veröffentlicht in den Verhandlungen des natorhistorisch- mediciniBchen Vereins zu Heidelberg 1863. (S. unten LXVI u. LXVII.) Seit dem hat auchE. Hering die richtige Behauptung aufgestellt, dass der Ho- ropter immer linienförmig sei, ohne aber die Gestalt der Curve zu besdmmen.. 2) Zeitschrift för rationelle Medicin. N. Folge. Bd. IV. S. 101. 3) Archiv ftir Ophthalmologie VIII. 2. S. 46. 366 Physiologische Optik. die Grösse der Baddrehungen gar nicht von einem opti- schen Principe, sondern von dem Mechanismus der Muskeln abhängen soll Es wird danach stets derjenige G-rad der Bad- drehung des Augapfels gewählt, bei welchem die verlangte Bichtung der Gesichtslinie mit dem geringsten Aufwände von Anstrengung erreicht oder erhalten werden kann. Ich bin nicht abgeneigt, die thatsächliche Gültigkeit dieses Princips der kleinsten Muskelanstrengung für höchst wahrscheinlich zu. halten, obgleich bei dem noch sehr fragmentarischen Zustande unserer Kenntniss der Umstände, von denen das Gefühl der Anstrengung und der Grad der Ermüdung bei den Muskeln des lebenden Körpers abhängt, bisher der Beweis der XJeber- einstimmung jenes Princips mit den Ergebnissen der Versuche noch vielfach durch plausible Hypothesen hat ergänzt werden müssen. Aber selbst wenn sich das Princip der kleinsten Anstrengung für die Augenbewegungen als vollständig anwend- bar erweisen sollte, würde daraus noch nicht folgen, dass nicht ein optisches Princip das eigentlich entscheidende sei Es ist bekannt, dass die Ernährung der Muskehi mit der Häufigkeit ihrer Anstrengungen zu wachsen pflegt, sodass im allgemeinen die Muskeln einer Gruppe, welche häufig zu einem und dem- selben Zwecke in Bewegung gesetzt werden, sich schliesslich immer mehr oder weniger der Forderung anpassen müssen, dass die zweckmässigste Art der Bewegung auch die leichteste und am wenigsten anstrengende sei Das würde, zum grossen TheUe wenigstens, schon während der Lebensdauer eines In- dividuums erreicht werden können, selbst ohne dass wir dabei den von Darwin nachgewiesenen Einfluss der Erblichkeit in- dividueller Eigenthümlichkeiten auf die zweckmässigere Aus- bildung der Organismen zu berücksichtigen brauchen. Unter allen Systemen des Organismus sind die Muskeln vielleicht die- lei jenigen, welche sich am schnellsten und am deutlichsten in ihrer Ernährung den von ihnen geforderten Leistungen an- passen. Eben deshalb erschien es mir höchst unwahrscheinlich, dass die Bequemlichkeit des so bUdsamen Muskelsystems bei den Augenbewegungen die Entscheidung geben sollte, während wichtige Interessen des binocularen Einfachsehens zurückstehen Augenbewegaugen. 3g 7 müssen. Es war zu yermuthen, dass diesen vernachlässigten optischen Interesen andere wichtigere Interessen des Sehens entgegenstehen, welche den Ausschlag geben. Ich glaube nun das eigentlich optische Princip der nor- malen Augenbewegungen nachweisen zu können; dasselbe ist nur eine weitere Entwickelung des schon oben ausgesprochenen Princips der leichtesten Orientirung. Oben haben wir gesehen, dass die Orientirung über die verticalen, sagittalen, lateralen Richtungen der fixirten Objecto in den verschiedenen Stellungen der Gesichtslinie am leichtesten erhalten bleibt, wenn jede be- stimmte Stellung der Gesichtslinie mit einem bestimmten Grade der Raddrehung des Auges verbunden ist. Die Gesichtslinie war dabei als ruhend in ihrer jedesmaligen Stellung betrachtet. Jetzt fragen wir, wie wird es sich während der Bewegung ver- halten? Wie ist es möglich, dass das Auge in seiner Orien- tirung möglichst sicher bleibe, während der Fixationspunkt im Gesichtsfelde sich verschiebt? Nun würde man das Auge zum Beispiel so bewegen können, dass in allen Stellungen desselben die durch den Fixationspunkt geführten Yerticallinien sich immer auf dem- selben Netzhautmeridiane abbildeten. Wenn dies aber für die verticalen Linien der Fall wäre, würde es in der Regel nicht auch gleichzeitig für die horizontalen, entweder sagittalen oder lateralen Linien zutreffen können. Stellen wir ims zum Beispiel der Wand eines Zimmers gegenüber auf, an welcher les die Tapete mit horizontalen und verticalen Linien versehen ist, 80 wird auf der Netzhaut unseres Auges ein perspectives Bild der Tapete und der auf ihr befindlichen Linien entworfen. Die Netzhaut, und vorzugsweise ihr mittlerer Theil, der die Netz- hautgrube umgiebt, bildet hierbei die Frojectionsebene des per- spectivischenBUdes. Nun schneiden sich in dem perspectivischen Bilde eines Gitters von horizontalen und verticalen Linien die einzelnen Linien nur dann unter rechten Winkeln, wenn die Ebene, auf die das perspectivische Bild projicii*t ist, dem Gitter parallel ist. Also werden sich die Bilder aller verticalen und horizontalen Linien auf der Netzhaut auch nur dann in rech- ten Winkeln schneiden, wenn die Gesichtslinie senkrecht gegen 368 Physiologische Optik. die Tapete gerichtet ist. Wenn wir aber schräg, zum Bei- spiel nach oben und rechts gegen die Tapete hinsehen, so würden in dem perspectivischen Bilde sich die horizontalen mid verticalen Linien nicht mehr unter vier rechten Winkeln schneiden; vielmehr wird von diesen vier Winkeln derjenige, zwischen dessen Schenkeln das vom Auge gefällte Loth die Wand trifft, stumpf erscheinen, ebenso sein Scheitelwinkel, während die beiden anderen Winkel spitz sind. Wenn also auch die Bewegung des Auges in diesem Falle so geschehen wäre, dass die Yerticale des neuen Fixationspunktes auf dem- selben Netzhautmeridian sich abbildete, wie die des ersten Fixationspunktes, so würden doch sicher die horizontalen Linien beider NetzhautbUder auf verschiedene Betinahneridiane fallen, und es ist also nicht möglich, die Congruenz aller Augen- meridiane mit bestimmten Bichtungen des Baumes festzuhalten. Wir würden sie immer nur für eine einzige Bichtung voll- ständig festhalten können, und es ist kein Grund vorhanden, eine Bichtung vor allen anderen in dieser Weise zu bevor- zugen. Die verticale Bichtung können wir an den äusseren Objecten immer am leichtesten sicher feststellen mittels eines 163 Fadens, der ein Gewicht trägt; deshalb spielt diese Bichtung eine bevorzugte Bolle bei allen Messungen an Objecten der Aussenwelt. Dem Auge gegenüber kommt ihr aber in keiner- lei Weise ein besonderer Vorzug zu. Die Forderung also, dass bestimmte Netzhautmeridiane be- stimmten Bichtungen der Aussenwelt entsprechen sollen, würde sich günstigsten Falles nur theilweise erMlen lassen, imd die wirklichen Augenbewegungen lehren uns auch, dass weder die verticalen, noch die sagittalen noch die lateralen Linien immer auf demselben Netzhautmeridiane abgebildet werden^ und dass es auch keine andere Bichtung giebt, für die dies zuträfe. Ln Verlaufe dieser Untersuchung werden noch Versuche beschrie- ben werden, die dies ganz direct erweisen. Fragen wir nun: wie kann während der Bewegung des Auges, wo in jedem Punkte der Netzhaut die Lichteindrücke fortdauernd wechseln, die Anerkenntniss erhalten bleiben, dass trotz dieses Wechsels aller Lichteindrücke nicht eine Ver- schiebung und Veränderung der Objecte, sondern nur eine Augenbewegungen. 369 Bewegung des Auges stattgefunden habe. Diese Anerkenntniss muss während des Ueberganges von einem ZeittheUchen zum andern erhalten bleiben^ also zunächst für unendlich kleine Verschiebungen des Auges« Wenn sie ffir jede unendlich kleine Verschiebung während einer continuirlichen Bewegung erhalten bleibt, wird sie auch für die endlich eingenommene neue Stellnng da sein. Wir wollen eine Beihe von yerschiedenen Punkten des optischen Bildes auf der Netzhaut mit A, B, C, D u. ^ w, bezeichnen, und die Netzhautpunkte, auf welche die genannten Bildpunkte fallen, mit a, b, c, d. Dabei möge der Punkt A des Bildes fixirt sein, a also das Centrum der Netzhautgrube bedeuten. Der Augapfel werde um einen unendlich kleinen Winkel weiter gedreht, wobei die Punkte des Bildes Aj B, C, D beziehUch auf die Netzhautpunkte a, /?, y, 8 hinrücken, welche alle ebenfalls unendlich wenig von a, &, c, d u. s. w. entfernt im sein werden. Wenn nun jedes Mal, wo der Lichteindruck, der den Punkt a betroffen hatte, auf a hinüberrückt, aucl^ gleich- zeitig die Beleuchtung der Punkte b, c, d beziehlich auf ß, y, S übertragen wird, so wird diese Verbindung zusammengehöriger Veränderungen durch Erfahrung leichter als ein zusammenge- höriges Granze, verursacht nur durch eine Bewegung des Aug- apfels , bekannt werden können , als wenn zu derselben Ver- schiebung aa auch einmal andere Verschiebungen des Punktes by als die zuerst gefundene bß, gehören könnten, und für c eine andere als cy und so fort Ein solcher fester Zusammenhang der Verschiebungen der verschiedenen Bildpunkte A, 5, C, D von den Netzhautpunkten a, b, c, d auf die Punkte a, ß, y^ S erfordert aber, dass die Verschiebung des Bildpunktes A von a nach a immer nur dadurch zu Stande kommt, dass das Auge um eine ganz bestimmte Axe gedreht wird, die zu den Punkten des Augapfels immer dieselbe Lage hat, wie auch übrigens der Augapfel gerichtet sein mag. Dies ist die Bedingung, damit die Orientation in diesem einen Falle möglichst sicher geschehe, wo das Bild, welches auf dem Centrum der Netzhautgrube a lag, nach a rückt Dieselbe Forderung wird nun aber aufzu- stellen sein für alle anderen Sichtungen unendlich kleiner Verschiebungen des Budes A von a aus. Helmholtz, wiasenscb. Abhandlungen. U. 24 370 Physiologische Optik. Nun können wir auf diesen Fall einen bekannten Satz der Bewegungslehre anwenden, wonach sich unendlich kleine Rotationsbewegungen zusammensetzen lassen nach der Begel des Parallelogramms der Kräfte. Zu dem Ende betrachtet man als die positive Strecke einer Botationsaxe diejenige Hälfte derselben y um welche vom Drehpunkte aus gesehen, die B-otation nach rechts herum, wie die des Zeigers einer Uhr, geschieht. Sollen nun mehrere unendlich kleine Bota- tionen gleichzeitig oder nacheinander geschehen, so schneidet 166 man vom Drehpunkte aus auf der positiven Hälfte aller zu- gehörigen Botationsaxen Längen ab, welche dem Winkel der betrefiPenden Drehung proportional sind. Man setzt dann alle diese Linien nach der Begel des Parallelogramms der Kräfte zusammen, als stellten sie Kräfte dar, und als wäre deren Besultante zu suchen. Die Lage der Besultante giebt dann die Lage der Drehungsaxe der resultirenden Drehung, die Länge der Besultante deren Drehungswinkel an. Durch diese eine resultirende Drehung kann man dem gedrehten Körper dieselbe Lage geben wie durch die ganze Zahl der componir- ten einzelnen unendlich kleinen Drehungen. Umgekehrt kann man nach derselben Begel auch eine einzige unendlich kleine Drehung zerlegen in eine beliebige Anzahl von Oomponenten, die im allgemeinen nach beliebig gewählten Axen gerichtet sein können. Wenn wir nun im Auge für die Bewegung des Bild- punktes A vom Netzhautpunkte a nach u die Drehungsaxe % gefunden haben, und für irgend eine zweite Bewegung von a, nach a' die Drehungsaxe 31', so können wir den Büdpunkt A von a aus nach jedem anderen unendlich nahen Punkte hin- bringen, indem wir ihn erst um eine gewisse Länge in Bich- tung des Weges aa, und dann ein zweites Stück von a aus parallel der Bichtung au' fortführen, d. L erst eine Drehung um die Axe 3(, dann eine solche um die Axe %' ausführen. Beide Drehungen können wir nach dem eben angeführten Satze in eine einzige verbinden, indem wir auf den Axen 21 und 31' von ihrem Schnittpunkte (dem Drehpunkte) aus Stücke abschneiden, a und a', und diese als Seiten eines Parallelo- gramms betrachten, deren Diagonale 3('' zu suchen ist Augenbewegimgen. 371 Nun liegt die Diagonale eines Parallelogramms jedenfalls mit seinen Seiten in derselben Ebene. Folglich liegt die resulti- rende Drehungsaxe 31" in der Ebene, welche durch die Drehungsaxen 31 und %* gelegt worden ist, welches auch übrigens die Sichtung sein mag, in der der Bildpunkt A von lee a aus auf der Netzhaut verschoben worden ist. Da nun nach dem ersten oben vorangestellten Gesetze der Augenbewegungen die Stellung des Auges unabhängig ist von dem Wege, auf welchem die Gesichtslinie in ihre zeitweilige Stellung geführt worden ist, so folgt, dass bei allen unend- lich kleinen Drehungen des Auges, wodurch die Ge- sichtslinie von dem Funktet auf einen benachbarten Funkt übergeht, die Drehungsaxe immer in einer und derselben Ebene liegen muss. Verbinden wir diesen Satz, welcher nur eine Folge des oben aufgestellten Princips der leichtesten Orientirung in den Suhestellungen des Auges ist, mit der schon gefundenen Fol- gerung aus dem Princip der leichtesten Orientirung während der Bewegung, welche feststellt, dass die Drehungsaxen für eine bestimmte Verschiebung des Bildes A von a nach a un- abhängig von der Stellung des Augapfels immer dieselbe Lage im Auge haben sollen, so folgt, dass das zweite Princip nur dann vollständig erfüllt sein würde, wenn die Ebene der Drehungsaxen bei jeder Stellung des Auges immer dieselbe Lage beziehlich zum Augapfel hätte, also immer dieselben Theüe des Augapfels schnitte. Denken wir uns im Drehpunkte des Auges eine Normale auf der Ebene der Drehungsaxen errichtet, welche wir die atrope (ungedrehte) Linie des Auges nennen wollen, so würde weiter folgen, dass bei jeder Bewegung des Auges die- jenige Componente der Drehung, welche die atrope Linie als Axe hat, Null sein müsste, und dass jede Drehung um die atrope Linie ein Fehler gegen das Princip der leichtesten Orientirung sein würde. Ich werde weiter unten zeigen, dass in der That eine jede solche Bewegung einen Lrthum über die Bichtung der Linien im Gesichtsfelde veranlasst. Jetzt haben wir die Frage zu stellen: Kann die aufge- ie7 stellte Begel für die Bewegungen des Auges durchgeführt 24* 372 Physiologische Optik. werden, ohne das erste und oberste Princip für die ruhenden Augenstellungen zu verletzen? Die Antwort darauf ist folgen- de: Sie kann durchgeführt werden, so lange sich die Augen- bewegungen auf ein so kleines Stück des Gesichtsfeldes be- schränken, dass innerhalb desselben die Sinus den Bogen und Tangenten der Gesichtswinkel gleich gesetzt werden können. Sie kann nicht durchgeführt werden f&r Bewegungen des Auges über grössere Winkel Dass sie für ein sehr kleines Feld durchgeführt werden kann, ist durch den bisher geführten Beweis schon bewiesen. Denn so weit die Sinus mit den Bögen identificirt werden kön- nen, so weit gilt auch die Regel von der Zusammensetzung der Drehungen nach der Diagonale des Parallelogramms. Dass sie für Bewegungen in grossen Bögen nicht durch- geführt werden kann, lässt sich ohne Bechnung am leichtesten erkennen, wenn wir Drehungen um rechte Winkel annehmen. Nehmen wir einmal als Beispiel an, die Augenaxe sei die atrope Linie, was, wie wir später sehen werden, nicht weit von der Wahrheit entfernt ist, und alle Drehungeil des Auges müssten um Axen geschehen, welche in der Aequatorialebene des Bulbus liegen. Nehmen wir weiter an, wir könnten die Bewegungen des Auges bis auf rechte Winkel ausdehnen, wie es das Chamäleon thui Wenden wir das Auge nach aussen durch Drehung um eine verticale Axe, so würde die innere Seite des Bulbus nach vom treten; wenden wir es nach innen, die äussere. Ebenso würde bei der Drehung um eine hori- zontale Axe die obere Seite des Bulbus nach vorn treten, wenn wir nach unten sehen; die untere, wenn wir nach oben sehen. Nehmen wir jetzt weiter an^ wir hätten den Blick erst 168 unter einem rechten Winkel nach aussen gedreht; die innere Seite des Bulbus wäre vom zwischen den Augenlidem er- schienen. Wir wollen jetzt die Augenaxe direct nach oben führen, dann im Kreise herum nach innen, nach unten und wieder nach aussen, sodass sie immer unter einem rechten Winkel von ihrer Anfangsstellung entfernt bliebe. Die Drehungsaxe für diese Bewegung sollte nach der Forderung unseres Princips in der Aequatorialebene des Auges liegen; Augenbewegongen. 373 die Aequatorialebene steht nach der Yorausgesetzten Drehung des Auges nach aussen, jetzt der Medianebene des Körpers parallel, und für die verlangte Bewegung des Auges würde keine andere in ihr liegende Axe zu brauchen sein als die gegenwärtig von vom nach hinten laufende Verbindungslinie der ursprünglich äusseren und inneren Seite des Bulbus. Drehen wir das Auge um diese Linie als Axe, so bleibt die innere Seite des Bulbus, welche vom zwischen den Lidern liegt und von der Drehungsaxe geschnitten wird, unverändert vom an ihrer Stelle, weil die Punkte der Drehungsaxe selbst ihren Platz nicht verändern, und wir bekommen somit die Bichtung des Blickes nach oben, nach innen, nach unten, wobei fortdauernd die innere Seite des Bulbus vorliegt, und nicht wie wir vorher fanden, beziehUch die untere, die äussere und obere. Nun sind allerdings Drehungen des Auges um so grosse Winkel, wie hier vorausgesetzt wurde, nicht möglicL Was aber für rechte Winkel gilt, muss natürlich in geringerem Maasse auch fär halbe oder viertel Bechte gelten. Es ist hieraus klar, dass sich die beiden Principien der leichtesten Orientirung, die wir einmal für die Buhestellungen, dann ftir die unendlich kleinen Bewegungen des Auges aufge- stellt haben, für grössere Excursionen nicht mit einander ver- einigen lassen. Da wir schon gesehen haben, dass das erste auf die Buhestellungen bezügliche in Wirklichkeit erfiült ist, i69 so kann das zweite für die Bewegungen dicht unbedingt, son- dern nur annähernd erfüllt sein; es kann nur so weit erfüllt sein, dass die Summe der Abweichungen von diesem Princip möglichst klein ist. Betrachten wir also eine jede Drehung des Auges um die atrope Linie als Fehler, so werden wir das Princip der leichtesten Orientirung bei den Bewegungen beschränken müssen auf die Forderung: Es soll das G-esetz der Augenbewegungen 80 bestimmt werden, dass die Summe der Fehlerqua- drate für die sämmtlich möglichen unendlich kleinen Bewegungen des Auges zusammengenommen ein Mi- nimum werde. Die Quadrate der Fehler müssen hier aus denselben 374 PhyBiologische Optik. Gründen genommen werden wie bei dem bekannten Princip der kleinsten Fehler quadrate in der Wahrscheinlichkeits- rechnung. Da vielleicht nicht alle Leser dieses Aufsatzes geneigt sein werden, die mathematische Entwickelung dieses Postulats mit durchzurechnen, gebe ich diese in einem Anhange und stelle hier gleich das Eesultat hin. Die aufgestellte Forderung flihrt nämlich unter der Vor- aussetzung, dass das Feld, über welches sich die atrope Linie bewegen kann, kreisförmig sei, was beim menschUchen Auge nahehin zutrifft, geraden Weges zu dem schon oben erwähnten Principe von Listing, welches dieser scharfeinnige Optiker an Ruete mitgetheilt hat, aber ohne einen Beweis zu geben und ohne zu erklären, wie er auf dieses Gesetz gekommen sei. Um dieses Princip auszusprechen, haben wir eine ausgezeichnete Stellung der Gesichtslinie zu unterscheiden, die Primärstel- lung, die sich übrigens in jedem Theile des Gesichtsfeldes befinden könnte, in Wirklichkeit jedoch, wie es scheint, seiner 170 Mitte meist ziemlich nahe liegt Alle anderen Stellungen des Auges nenne ich mit Listing SecundärsteUungen , worunter also die von Meissner mit dem Namen der secundären und tertiären belegten Stellungen zusammen begrijBfen sind. Listing's Gesetz ist: Die Stellung des Auges in einer Secundärstel- lung wird gefunden, wenn dasselbe aus der Primär- stellung in die Secundärstellung übergeführt wird durch Drehung um eine Axe, welche auf der pri- mären und secundären Richtung der Gesichtslinie senkrecht steht Meissner hat Listing's Princip in seiner ersten Arbeit') über Augenbewegungen nur für die Stellungen, welche er se- cundäre nennt, angenommen; in seiner zweiten^ für alle, in seiner dritten ^ betrachtet er es nur als eine erste Annäherung 1) Beiträge zur Physiologie des Sehorgans. Leipzig 1854. S. 95. 2) Archiv für Ophthalmologie, ü. 1. S. 64. S) Ueher die Bewegungen des Auges. Zeitschrift für rationelle Me- dicin. 3. Reihe. Bd. VIII. S. 34. Augenbewegungen. 375 an die Wahrheit, weil es mit den Versuchen ziemlich schlecht zu stimmen schien. Eick und Wundt haben darauf gar keine Rücksicht genommen; ihre Versuche waren in einer Weise an- gestellt, dass die Vergleichung mit Listing' s Gesetz erst ziemlich mühsame Berechnungen erforderte ; und man muss zu- geben, dass es bisher nicht genügende theoretische Wahrschein- lichkeit für sich hatte, um eine so weitläufige Arbeit zu diesem Zwecke zu unternehmen. Auch ist es in der That nur dann streng richtig, wenn das Feld für die Bewegung der atropen Linie des Auges ge- nau kreisförmig ist, was nun allerdings bei manchen mensch- lichen Augen, z. B. meinen eigenen, so nahehin zutrifft, dass die Augenbewegungen gar keine Abweichung von Listing's Oesetz erkennen lassen. Wenn dagegen das Bewegungsfeld i7i nicht kreisförmig ist, so folgt aus unserem Princip, dass sich namentlich gegen den Eand hin Abweichungen von L istin g's Gesetz einstellen müssen, und zwar so, dass, wenn man im Sinne der Baddrehung dem Umfange des Bewegungsfeldes folgt, positive Zuwachse der Drehung eintreten werden, wo sich die ümfangslinie vom Mittelpunkt des Feldes entfernt^ negative, wo sie sich nähert. Die Baddrehung, gemessen an der Abweichung des Netz* hauthorizontes von der Visirebene in dem oben angefüirten Sinne, ist nach dem Listing'schen Gesetze negativ oder links gerichtet im rechten oberen und linken unteren Quadranten; positiv im linken oberen und rechten unteren. Wäre das Feld elliptisch mit längerer Horizontakixe, und durchliefe man seinen Umfang im Sinne der Bechtsdrehung, also so wie ein Uhrzeiger um das Zifferblatt läuft, so wüi'de man sich im rechten oberen und linken unteren Quadranten vom Mittelpunkte der Ellipse entfernen y man würde hier einen positiven Drehungszuwachs haben, in den beiden anderen Quadranten einen negativen. Also würde die Baddrehung nach dem Bande des Feldes zu überall kleiner werden müssen, als sie nach dem Listing'schen Gesetze ist Umgekehrt wenn das Bewegungsfeld elliptisch mit längerer verticaler Axe wäre, so würden alle Baddrehungen etwas grösser ausfallen müssen, als sie sind. 376 Physiologische Optik. Alle dergleichen kleinere Abweichungen des Bandes wür- den auf die Drehungen in der Mitte des Feldes einen verhält- nissmässi^ sehr kleinen Einfluss ausüben, sodass also in dem mittleren wichtigsten Theile des Feldes das Gresetz von Listing sich doch immer als gültig bewähren müsste, wenn die Ab- weichungen des Umfanges von der Kreisgestalt nicht gar zu gross wären. Ich schreite jetzt zur Prüfung dieses theoretisch gefiinde- 172 nen Gresetzes durch Versuche. Ich werde zunächst meine eigenen Versuche beschreiben, bei denen sich die vollkommenste üebereinstimmung mit Listing's Gesetz herausstellte, und werde dann auseinandersetzen, durch welche umstände bei den Versuchen meiner Vorgänger, wie mir scheint, die Üeber- einstimmung ihrer Messungen mit dem genannten Gesetze ver- deckt oder gestört wurde. Eigene Versuche Über Augenstellungen. Meine Versuche sind ebenso wie die fiüheren von Ruete, Donders und Wundt mit Benutzung der Nachbilder ange- stellt worden, mit solchen Veränderungen des Verfahrens, dass dadurch eine directe Prüfung des Gesetzes von Listing mög- lich wurde. Gleich bei den ersten Versuchen überzeugte ich mich von der Nothwendigkeit einer fortdauernden genauen Controle für die Haltung des Kopfes. Wenn die Haltung desselben nur dem subjectiven Gefühle überlassen ist, kann man gar nicht dafür stehen, dass sie nicht nach fünf Minuten um mehrere Grade geändert ist, namentlich, wenn man dabei Augenstellun- gen wählt, in denen die Fixation nur mit einiger Ajistrengung vollzogen wird. Im letzteren Falle wendet sich der Kopf fast unwillkürlich so, dass die Anstrengung der Augen verringert wird. Wenn man einige Stellen des Gesichts, Kinn und Stirn, oder Wangenbein und Nasenrücken gegen feste Stützen legt, ist zwar im Ganzen eine stetigere Haltung des Kopfes gesichert, indessen lässt die weiche Haut doch sehr verschiedene Grade der Zusammendrückung und Verschiebung zu. Ich zweifle nicht, dass der Beobachter durch grosse Aufmerksamkeit und 377 Vorsicht den Nachtheilen entgehen kann, die daher fliessen; indesBen eine zarerlässige Sichernng gegen Verschiebungen des Kopfes ist dadorch nicht erreicht, and namentlich, wenn man nach einer Unterbrechung der Beobachtungsreihe wieder zo ihr zurückkehrt, ist es kaum mSghch sich zu Tergewisaem, dass i: der Eopf wieder in dieselbe Lage zum Olgect gebracht ist, wie IrOher. Um mich zn schützen gegen IrrthUmer, die aus dieser Quelle fliessen, habe ich ein Visirzeichen (abgebildet in Fig. 40 in geometrischer Frojection), welches mir zur Orientimng für die Stellung des Kopfes dient, fest mit den Z^nen, und somit fest mit dem knöchernen Skelette verbunden. Zu dem Ende benutze ich ein Brettchen AB (13 cm lang, 4 breit), welches bei A einen den Zahnreihen ent- sprechenden bogenförmigen Au3' schnitt hat, bei B eine hölzerne vierkantige Säule trägt, au der ein horizontaler Streifen CC aus steifem Papier mit Klebwachs, und daher leicht rerschieblich, befestigt ist Die Bänder des Ausschnittes A werden auf bei- den Seiten mit einem Wulst von „ heissem Siegellack bedeckt, und wenn dieses zn erhärten beginnt, drückt man die beiden Zahn- reihen in den Siegellack ab, indem man das Brettchen fest zwischen die Zähne nimmt Ist der Siegellack erkaltet, so ist nachher die Lage des Brettchens zwischen den Zahnreihen unTerrückbar festgestellt, und nach jeder Unterbrechung der Versuche immer wieder in genau unveränderter Weise her- zustellen. Der Fapierstreifen CC wird so lang gemacht, als die Distanz der Knotenpunkte der Augen beim Fernsehen. Man erkennt das leicht, wenn man nach einem fernen Objecte hin- blickt Dann erscheint der Papierstreifen in einem binocularen Doppelbilde, und man macht ihn so lang, und dreht ihn so, dass die einander zugekehrten Enden seiner Doppelbilder r I 378 Physiologische Optik. 174 gerade auf einander stossen. Wenn man auf diese Weise dem Papierstreifen eine bestimmte Stellung gegeben hat, ist man sicher, dass, wenn man mit dem rechten Auge am rechten, mit dem linken am linken Ende des Streifens vorbei visirt^ die beiden Gesichtslinien immer wieder genau dieselbe Eich* tung zum Kopfe haben. Um die Nachbilder zu beobachten, habe ich an der Wand eines Zimmers, dessen hellgraue Tapete verticale Streifen und horizontale Abtheilungen zeigte, in der Höhe meiner Augen ein rosenrothes Band horizontal ausgespannt und mich an der entgegengesetzten Wand des Zimmers so aufgestellt, dass, wenn ich die Mitte des Bandes fixirte, meine Gesichtslinie senkrecht zu der Wand, an der es haftete, gerichtet war. Wenn ich dann einen Punkt des Bandes einige Secunden fixirte, und nachher das Auge nach einem anderen Theile der Wand seit- wärts wandte, sah ich für kurze Zeit ein grünes Nachbild des rothen Bandes. Sobald dies zu schwinden beginnt, kehrt man zur Fixation des Bandes zurück, wendet den Blick dann seit* wärts zu derselben oder einer anderen Stelle der Wand, und kann so in kurzer Zeit eine grosse Anzahl von Augenstellun- gen durchmachen, ohne lange in einer zu verweilen, und indem man durch immer wiederholtes Betrachten desselben Punktes des rothen Bandes das Nachbild fortdauernd frisch erhält. Hält man dabei das eben beschriebene Brettchen mit dem Yisirzeichen zwischen den Zähnen und richtet die gegen ein- ander gekehrten Spitzen der Doppelbilder des Papierstreifens so, dass sie in der Nähe des Fixationspunktes einen genau be- stimmten Punkt der Tapete decken, so erkennt man bei jeder Bückkehr des Blickes nach dem rothen Bande, was nach Unterbrechungen von 10 bis 20 Secunden immer wieder ge- schieht, ob der Kopf seine Stellung verändert hat oder nicht. 176 Ich lege Gewicht darauf, dass bei dieser Beobachtungs- methode die Gesichtslinie niemals lange in einer seitlichen Stellung verweilt, sondern immer wieder schnell zu ihrer Mittel- lage zurückkehrt. Ich habe nämUch gefunden, dass, wenn man nur kurze Zeit stark nach rechts unten, links unten, rechts oben oder links oben blickt, nachher während der ersten Minuten die Drehungen des Auges etwas abweichend von Augenbewegungen. 379 denen des unermüdeten Auges aus&Uen, und dadurch mögen einzelne Abweichungen in den früheren Beobachtungen ent- standen sein. Wenn man die Beobachtungsreihe beginnt, ist es nöthig, zuerst die Primärstellung der Augen empirisch zu suchen. Dies geschieht^; indem man bei der gewählten Stellung des Yisirzeichens den Blick von der fixirten Stelle des Bandes aus gerade nach oben und gerade nach unten, dann horizontal nach rechts und nach links wandern lässt. In allen diesen Stellun- gen des Auges muss das Nachbild horizontal bleiben, wenn man von der Primärstellung ausgeht; bleibt es nicht horizon- tal^ so muss man dem Visirzeichen (dem Papierstreifen CC) eine andere Lage geben, bis man die richtige Lage desselben gefunden hat Und zwar muss man den Papierstreifen weiter nach links rücken, wenn man nach oben blickend das Unke Ende des Nachbildes höher, nach unten blickend dasselbe tiefer stehend findet. Findet man nach oben blickend das rechte Ende des Nachbildes höher, so verschiebt man den Streifen nach rechts. Man verschiebe den Streifen dagegen nach oben, wenn man nach links blickend das linke, nach rechts blickend das rechte Ende des Nachbildes tiefer stehend findet Man verschiebe ihn nach unten, wenn man umgekehrt nach links blickend das rechte Ende des Nachbildes tiefer findet, nach rechts blickend dagegen das linke. Man findet übrigens bei den Beobachtungen selbst diese Kegeln immer leicht wieder, wenn man absichtlich das Besicht zu weit nach rechts, oder links, oder oben, oder unten dreht, i7s und die Verschiebungen des Nachbildes beobachtet. Hat man endlich diejenige Stellung des Yisirzeichens ge- funden, wobei die Augen die Primärstellung annehmen, sobald sie an seinen Enden vorbei visiren, so kann man zur weiteren Prüfung des Listing' sehen Gesetzes übergehen. Ich bemerke noch, dass bei meinen eigenen Augen die Primärstellung in der Mitte des Umkreises liegt, welchen die Gesichtslinie überhaupt durchlaufen kann, und dass sie auch diejenige Bichtung ist, die ich als die bequemste zu wählen geneigt bin, wenn ich stehend Gegenstände, die mit meinen Augen gleich hoch sind, betrachten will. Für höhere Gegen- 380 Physiologische Optik. stände wähle ich dagegen auch eine etwas höhere Lage der Gesichtslinie, für tiefere eine etwas tiefere. Durch die bisher beschriebene Art und Weise, die Primär- stellung zu finden, ist zugleich festgestellt worden, dass bei den Bewegungen nach rechts und nach links das Auge um eine genau verticale Axe gedreht ist, bei den Bewegungen nach oben und unten um eine horizontale Axe, welche Drehungsaxen in beiden Fällen senkrecht waren auf dem ersten und letzten Stande der Gesichtslinie. Bei der angegebenen Stellung des Beobachters nämlich liegt die Yisirebene horizontal, so lange die Mitte des rothen Bandes den Fixationspunkt bildet. Das rothe Band und sein Netzhautbild liegen selbst in der Yisir- ebene, sein Nachbild also in demjenigen Meridiane der Netz- haut, den wir den Netzhauthorizont genannt haben. Die Yisir- ebene schneidet die gegenüberliegende Wand in einer horizon- talen geraden Linie. Bei der horizontalen Bewegung des Blickes bleibt die Lage der Yisirebene unverändert, indem der Fixations- punkt nur in einen anderen Funkt ihrer Schnittlinie mit der Wand verlegt wird. Wenn wir nun finden, dass das Nachbild, 177 welches die Projection des Netzhauthorizontes auf der Wand ist, mit der durch den neuen Fixationspunkt gezogenen Hori- zontallinie, also mit der Yisirebene, zusammenfällt, so schliessen wir daraus, dass das Auge um eine zur Yisirebene senkrechte Axe gedreht ist, und da die Gesichtslinien, die hierbei in Be- tracht kommen, alle selbst in der Yisirebene liegen, so folgt auch weiter, dass die Drehungsaxe senkrecht zur ersten mid zweiten Lage der Gesichtslinie ist. Wenn der Fixationspunkt gerade nach oben bewegt wird, dreht sich die Yisirebene um eine durch die Dreh- punkte beider Augen gelegte laterale Axe, während die Ge- sichtslinien in einer sagittal gerichteten verticalen Ebene auf- und absteigen — vorausgesetzt nämlich, was bei diesen Yersuchen mit zwei Augen immer angenommen werden muss, dass die fixirten Punkte weit genug vom Auge entfernt sind, um keine merkliche Convergenz der Gesichtslinien nöthig zu machen. Nur unter dieser Bedingung können die Drehungen beider Augen übereinstimmend sein. Wenn also auch nach dieser Bewegung die Nachbilder mit den horizontalen Linien AugenbeweguDgen. Sgl der Wand übereiDstimmen, so folgt, dass die Augen um die- selbe horizontal laterale Axe gedreht sind wie die Gesichts- linien, welche in der sagittal verticalen Ebene enthalten sind. Wiederum also steht die Drehungsaxe senkrecht auf den sämmtlichen Richtungen der Gesichtslinien. Das gleiche Resultat wie für horizontale Linien erhalten wir bei den gleichen Bewegungen des Auges ftir die Nach- bilder yerticaler Linien, welche dabei durchaus den verticalen Linien der Tapete parallel bleiben. Wenden wir dagegen die Gesichtslinie aus ihrer Frimär- stellung nicht entweder horizontal nach rechts und links, oder yertical nach oben und unten, sondern schief nach rechts und oben, oder rechts und unten u. s. w., so treten sogleich sehr i78 merkliche Winkel zwischen dem Nachbilde des horizontalen Bandes und den horizontalen Linien der Wand ein, und zwar so, dass 1) bei der Richtung des Blickes nach rechts oben oder links unten das Nachbild einer Horizontallinie links gedreht, das einer Yerticallinie rechts gedreht erscheint; 2) bei der Richtung des Blickes nach links oben oder rechts unten das Nachbild einer Horizontallinie rechts gedreht, das einer Yerticallinie links gedreht erscheint. Daraus ergiebt sich schon, dass ftir alle diese schiefen Richtungen der GesichtsUnie es auch Richtungen der primären Linie geben muss, mitten inne zwischen horizontal und vertical, deren Bild gar nicht gedreht erscheint Es ist leicht ersichtlich, dass der Vorzug, der bei diesen Versuchen sich für die Nachbilder horizontaler und verticaler Linien bei horizontaler und yerticaler Verschiebung des Fixations- punktes herausgestellt hat, wonach ihre Nachbilder der ur- sprünglichen Richtung immer parallel erscheinen, darauf be- ruht, dass die Drehungsaxe des Auges entweder senkrecht oder parallel zur Richtung des rothen Bandes war, welches abge- bildet wurde. Denn in der Fassung des Listing*' sehen Ge- setzes sind horizontale oder yerticale Linien durchaus nicht vor den anderen bevorzugt, und alle die Betrachtungen, welche 382 Physiologische Optik. wir eben angewendet haben für horizontale und verticale Nach- bilder bei horizontaler oder verticaler Bewegung des Fixations- punktes, passen natürlich ebenso gut auf schief gelegene Nach- bilder; wenn der Fixationspunkt gleichfalls derartig in schiefer 179 Richtung bewegt wird; dass die Sichtung seiner Bewegung ent- weder in Verlängerung der Richtung der Öbjectlinie liegt oder senkrecht darauf. Denken wir uns statt des Auges einen gewöhnlichen Erd- globus gesetzt; der um seine Folaraxe drehbar ist Derjenige Durchmesser der Aequatorialebene, der in der Ebene des ersten Meridians liegt, stelle die Gesichtslinie vor, der Mittel- punkt den Knotenpunkt des Auges. Der Globus werde so gestellt; dass diese GesichtsUnie senkrecht gegen eine Wand des Zimmers gerichtet sei; übrigens mag die PolaraxO; welche dieser Wand demnach parallel gelegen sein muss; senkrecht, horizontal oder schief stehen. Wir nennen diese erste Stel- lung des Globus seine Primärstellung. Die der Wand abge- wendete Seite des Globus repräsentire die Fläche der Netz- haut Zwei Ebenen an dem Globus haben wir zu beachten, die des Aequators und die des ersten Meridians; welche beide auf einander senkrecht stehen und auch die Wand des Zimmers schneiden in zwei Linien, die senkrecht zu einander stehen, in- dem die drei genannten Ebenen; wo sie sich schneiden; eine rechtwinkelige Ecke bilden. Die beiden in der Wand liegen- den Kanten dieser Ecke denke man durch farbige Object- linien bezeichnet Werden diese beiden Linien auf dem Globus nach dem Principe abgebildet; wie das Auge abbildet; so liegt das Bild der einen Linie im Aequator des Globus; das andere im ersten Meridian, und wenn sich diese Bilder zu Nachbildern entwickeln, so werden die Ebene des Aequators und die Ebene des ersten Meridians immer die Projectionsebenen dieser Nach- bilder bleiben. Jetzt drehe man den Globus um seine Polaraxe. Die Aequatorialebene ändert dadurch nicht ihre Lage im Raum; die Linie, in der sie die Wand schneidet; in der das Nach- bild erscheinen musS; bleibt unverändert. Es schiebt sich bei der angegebenen Drehung des Globus in dieser Schnittlinie nur 180 hin und her; behält also seine ursprüngliche Richtung unverändert Augenbewegungen. 383 bei. Die £bene des ersten Meridians geht durch die Drehungsaxe, welche selbst der Wand parallel ist. Polglich ist auch die Schnitt- linie des ersten Meridians mit der Wand stets der Drehungs- axe parallel. Denn wenn zwei Ebenen sich schneiden, und eine (erster Meridian) durch eine der anderen Ebene (Wand) parallele Linie (Drehungsaxe) geht, ist die Schnittlinie beider ebenen der genannten Linie selbst parallel. Li dieser Schnitt- linie müssen die Nachbilder erscheinen, die im ersten Meridian entwickelt sind. Folglich sind diese Nachbilder immer der Drehungsaxe, folglich auch sich unter einander parallel. Da- durch ist die aufgestellte Behauptung allgemein erwiesen. Diese Betrachtungen geben nun ein sehr einfaches Ver- fahren an die Hand, um die Richtigkeit des Listing'schen Gresetzes fär alle Augenstellungen zu prüfen, ohne dass man Winkelmessungen auszuführen und zu berechnen hat. Man hat nur gerade 'dasselbe Verfahren anzuwenden bei schiefen Objectlinien, welches wir anwendeten, um bei horizontalen, be- ziehlich verticalen Linien die Primärstellung zu finden. Schief sind die betreffenden Linien imd Richtungen hier genannt, insofern sie spitze Winkel mit der verticalen und lateralen Coordinataxe des Kopfes bilden. Man kann also die Schiefheit der Objectlinie in zweierlei Weise herstellen, ent- weder indem man bei gerade aufgerichtetem Kopfe die Object- linie selbst einen spitzen Winkel mit der horizontalen Rich- tung machen lässt, oder indem man bei horizontaler, beziehlich ▼erticaler Objectlinie den Kopf neigt. Die letztere Methode ist die einfachere, wenn man in der bisher beschriebenen Weise mit beiden Augen gleichzeitig die Ldnien einer Tapete beobachtet. Lidem man das oben be- schriebene Visirzeichen zwischen die Zähne nimmt und sich danach orientirt, ist man sicher, bei jeder schiefen Neigung des i8i Kopfes die Eichtung der Frimärstellung immer leicht wieder zu finden. Der Kopf ist also in irgend einer seitlich geneigten Lage festzuhalten, bei welcher der fixirte mittlere Punkt des Bandes wieder dieselbe Lage gegen das Visirzeichen hat wie fiüher. Die Doppelbilder seines Papierstreifens projiciren sich dabei auf die Wand und bezeichnen die Neigung der lateralen Linie des Kopfes gegen die horizontale. Man macht nun bei 384 Physiologische Optik. geneigter Kopfhaltung wieder dieselbe Reihe von Versuchen durch, wie früher bei gerade aufrechter Haltung des Kopfes; man verschiebt das Nachbild des rothen Bandes längs der durch den Fixationspunkt gehenden absoluten Verticallinie und Horizontallinie, und kehrt immer wieder zum ersten Fizations- punkte zurück, um das Nachbild wieder aufinifrischen und sich von der unveränderten Haltung des Kopfes zu versichern. Ich finde nun für meine beiden eigenen Augen, dass hier- bei die Nachbilder genau parallel den horizontalen Linien der Tapete bleiben, wodurch das Listing'sche Qesetz für meine eigenen Augen vollständig bestätigt ist. Ich habe mich ausser- dem überzeugt, indem ich bald das eine, bald das andere Auge mit der Hand verdeckte, dass die Nachbilder beider Augen einzeln genommen genau die gleiche Lage gegen die Tapete haben. Ich habe indessen auch noch eine zweite Beihe von Ver- suchen mit je einem Auge an näheren Objecten angestellt, da meine Augen zwar noch weitsichtig genug sind, um die Sich- tung der Linien auf der entfernten Tapete deutlich genug zu erkennen, eine vollständig genaue Accommodation für dieselbe aber doch über die Grenzen meiner Sehweite hinausging. Ich überzog daher ein gewöhnliches Zeichenbrett mit hellgrauem Zeichenpapier, zog darauf mit Bleistift ein Gitter von verti- calen und horizontalen Linien, je ein Centimeter von einander 182 entfernt. Längs der Mitte der mittleren Verticallinie ist ein schmaler grüner Streifen auf der Mitte eines etwas breiteren rothen Streifens angebracht, beide aus farbigem Papier ge- schnitten. In der Mitte des grünen Streifens, dem Schnitt- punkte der verticalen und horizontalen Linie entsprechend, ist ein schwarzes Tüpfelchen angebracht, um den Fixationspunkt zu bezeichnen. An dieser mittelsten Stelle ist ein kleines G-lasspiegelchen unter den rothen Streifen geschoben, und blickt durch einen Ausschnitt desselben dicht neben dem Fixationspunkte hervor. In Fig. 41 sieht man bei aa den grünen Streifen, bei cccc den rothen, durch dessen Ausschnitt bb der Spiegel hervorsieht; links und rechts neben dem breiteren Streifen die Anfänge der Gitterlinien in halber natürlicher Grösse. Wenn sich das beobachtende Auge Augenbevegnngeo. 385 gerade senkrecht zur Tafel vor dem Fixationspunlcte b befindet, sieht es in den unbedeckten Stellen dea Spiegels das Bild seiner Iris and Sclera gespiegelt, und der Beobachter kann sich danach leicht so stellen, dass seine Pupille sich in dem im Punkte / aof der Ebene der Tafel errichteten Lothe be- findet Ausserdem nimmt er das oben beschriebene Visir- zeicben zwischen die Zähne, um sich danach so zn orientiren, dass sein Ange, ii^brend es / &drt, sich in der Primärstellnng les befindet. Ist die Primärstellnng richtig getroffen, so moss das Nachbild den Yerticallinien parallel bleiben, so oft der Fiiationspankt entweder längs der mittleren Ver- ticallinie aa oder längs der mittleren Horizontal- linie gff yerscboben wird. Hat man auf diese Weise die Bichtigkeit der Pri- märstellung festgestellt, so ist es in diesem Falle leichter, die Tafel schief za stellen, während die Lage des Kopfes unver- ändert bleibt. Wie anch die Tafet gedreht werden möge, wenn nur die Ge- sichtslinie anfangs in der .. Primärstellung mit dem ; ;_._; _ ; „: _ _ ; _J in / auf der Tafel er- j^ ^l richteten Lothe znsam- meniUllt, so iand ich nachher bei Fixation eines Punktes der Linie aa oder der Linie ffg stets, dass das Nachbild mit den parallel aa gezogenen Linien auf der Tafel znsammenfUllt. Somit findet sich auch bei dieser Methode die vollständige Uebereinstimmung der Bewegungen jedes meiner Augen mit dem Gesetze von Listing bestätigt. Nach beiden Methoden hat auf meine Bitte auch Herr Di. Knapp zu experimentiren die Gefälligkeit gehabt und fOr sein linkes Auge ganz dieselben Resultate gefanden. Udmtaalti, wtiHnuh. Abhindhmg«!. II. 2} 386 PhTsiologische Optik. Sein rechtes Auge zeigte nur bei den siArkeren Drehungen nach innen und unten Abweichungen im Sinne einer positiven Baddrehung. Von den Versuchsreihen anderer Beobachter ist es nament- lich die Beihe von Wund t (ArcL f. OphthahnoL Bd. VHX 2 S. 16 und 17], welche zur Yergleichung herbeigezogen werden muss. Es sind darin die Winkel gemessen worden, welche die Nach- bilder einer verticalen Linie, bei verschiedenen Stellungen der G-esichtslinie auf eine zur G^dchtslinie senkrechte Ebene ent- worfen, mit der Yerticalebene gemacht haben. Die Ergebnisse dieser Messungen scheinen auf den ersten Blick mit dem Listing 'sehen Gesetze gar nicht zu stinmien, aber nur des- halb, weil die als Nullpunkt für die Winkelmessungen gewählte Stellung der G^sichtsÜnie nicht die Prim&rstellung gewesen ist 184 Die Formel, nach welcher zu rechnen ist, ist ziemlich ver- wickelt; sie ist im Anhange in Gleichung (i) entwickelt Der Winkel, den Wundt mit b bezeichnet, heisst dort A, der Höhenwinkel h heisst dort /9, und der Baddrehungswinkel y. Li dieser Formel kommen zwei Constanten p und q vor, welche von der Lage der Primärstellung zum Nullpunkt der Winkelmessungen abhängen, und deren Bedeutung unten näher erklärt werden wird. Für die Berechnung einer Yersuchreihe, wie die von Wundt ist, müssen sie durch Probiren gesucht werden, was äusserst weitläufige Bechnungen giebt Ich habe sie annähernd bestimmt, und zwar: log. q = 9,12702 log. (-/>) = 8,78811 und damit die Baddrehungswinkel der folgenden Tabelle be- rechnet Die Primärstellung der GesichtsUnie würde danach liegen an dem Punkte, der nach Wundt's Bezeichnung die Höhe A = - 15« 12' und eine seitUche Ablenkung * = 7« 9' nach aussen hat Die Höhe — 15« entspricht gerade der mittleren Hohe des ganzen Feldes. Wenn man A = — 15*^ und A = 0 ab Mittelpunkt des Bewegungsfeldes nimmt, würde folgen, dass die atrope Linie in Wundt's Auge 3« 34' 30" nach aussen von der Gesichtslinie liegt, also wahrscheinlich sehr nahe mit der Augenaxe zusammenfällt Die Differenzen zwi- schen Beobachtung und Bechnung würden zweifelsohne noch Augenbewegongen. 387 4> ^ lO CD Ol n. Ol 5?. e « 1 ©^ o* 9 o 1 « »H lO lO 1 1 + + + + VH CO va S lO S lO e o^ "^ o" * O 00 o oa Ol o «* 00 1 1 1 I + + + + 0) Ol Ol ^ CO Ol 3 lA p 0 o*» o" o" - s O (N »H O Ol Ol MI 1 + 1 + + + o f 00 CO CD *-< 00 O lO 00 e o" o^ ^ ©• O o o tH O t-l »H »H 1 + + + + + o ^ o f Ol ^3 ^ «,. o e o^ • 1 ©r _ O + + o 1 + o o t* « VH CD 3 « 0 o* 5:^ ©^ o ^ O O »1 »H l-( »H + + + 1 1 \ t-4 lO 0» t- Od o» VH Ol «0 ■tfk _»l ^*l QU ^ O e © 'C o 0* »H o o Ol Ol mS e« + + + 1 1 1 s s s 0 o »o 00 lO ^ o * © ^ o s 09 tH o © «^ Ol + + + I + 1 1 *-< «- o Ol 1 I o ©^» 00 CD 1 I Ol © • X X I I o CO X X X + + ©^» + + X O tA ©"•^ + + eo lA + + "^ lA ©^ ^ Ol Ol I I 01 Ol ©" t- X I I lA IM lA ©* ^ Ol CO I I s © f X I I X CO I I Ol s IM Ol + -• «t lA X X + + s X o + + X m "^ t Sl X + + O^iA X X I I ©"# X i-< 1 I Ol lA ©^ ^ X I I f X -V lA ©^ ^ S Ol I I X X ©^ X Ol © o lA I 185 26 388 Physiologische Optik. kleiner geworden sein, wenn ich eine noch genauere Bestim- mung von p und q versucht hätte. Da aber zu ersehen war, dass eine vollständige üebereinstimmung doch nicht zu er- reichen sein würde, so hielt ich es fllr überflüssig, die oft ge- ntig wiederholte lange Eechnung noch öfter zu wiederholen. Die Zahlen, welche Wundt beobachtet hat, stehen unter den berechneten. Diejenigen Zahlen, welche um mehr als 2^ oder 2^,5 von der Rechnung abweichen, sind mit einem, beziehlich zwei Sternchen versehen. 180 Es sind die Vorzeichen der Tabelle von Wundt bei- behalten worden, bei denen die links gerichteten Drehungen positiv genommen sind. Bei den geringeren Graden der Drehung des Auges ist die Üebereinstimmung der berechneten und beobachteten Werthe recht gut; die Abweichungen grösser als 27^ Grad kommen alle in den äussersten, nur mit Anstrengung zu er- reichenden Stellungen des Auges vor, die beim gewöhnlichen Sehen gar nicht gebraucht werden. Auch lassen die Unregelmässigkeiten in den Differenzen der auf einander folgenden Zahlen in Wundt's Beobachtungen erkennen, dass Beobachtungsfehler etwa bis zur Grösse von 1® oder 1^2^ bei den Beobachtungen vorgekommen sind, welche vielleicht von kleinen Veränderungen in der Haltung des Kopfes oder von Ermüdung der Augenmuskeln durch angestrengte Seitwärtsdrehungen herrühren mögen. So findet man folgende Reihen auf einander folgender Differenzen: Reihe h= + 20: —2,5; — 0,5; — 1; + 2; — 2 ; — 2 ; — 0,5. „ h = — 80 : + 7 ; + 4 ; + 6; + 4; + 6,5; + 8,5; + 2,5; + 6. Aber trotz dieser mehr zufälligen Unregelmässigkeiten lassen die Abweichungen zwischen Rechnung und Beobachtung auch eine gewisse Regelmässigkeit in der Vertheilung der Fehler erkennen, welche auf ein Gesetz hindeutet. Nämlich im äusseren oberen und inneren unteren Quadranten sind die Abweichungen gegen den Rand des Feldes hin überwiegend negativ, entsprechen also einer Rechtsdrehung; im inneren oberen und unteren äusseren Quadranten überwiegend positiv, im Sinne einer Linksdrehung. Dabei bemerkt man, dass die grösste Breite des ganzen Feldes von innen nach aussen 80'^ AugenbewegungexL 389 beträgt, die Höhe dagegen nur 70^. Nun müssen wir aber nach der von uns aufgestellten Theorie in einem queroyalen Felde, wie das von Wundt ist, gegen den Rand hin gerade la? diejenige Art von Abweichungen finden, wie sie hier vorliegt. Es muss nämlich wegen der Gestalt des Feldes im oberen rechten und unteren linken Quadranten gegen den Band hin eine stärkere Bechtsdrehung , in den beiden anderen eme stärkere Linksdrehung eintreten, als in einem kreisförmigen Felde. Um die Grösse dieser Abweichungen genauer zu berechnen, welche längs der Grenzen etwa 1 bis 1 Vs Winkelgrade betragen würden, und sie mit den Beobachtungen zu vergleichen, dazu sind diese selbst nicht genau genug. Es würde die Bestimmung der Constanten für die Berechnung jener Correction zu un- sicher bleiben. Die Versuche von Pick und Meissner mittels des blin- den Flecks die Augenstellungen zu bestimmen, lassen wohl kaum die gleiche Genauigkeit der Messung erwarten, welche bei der Benutzung der Nachbilder zu erreichen ist. Die Zahlen von Fick^), welcher die Ergebnisse aller einzelnen Versuche neben einander gestellt hat, lassen direct die grossen Abweichungen erkennen. Da der blinde Fleck ziemUch un- regelmässig begrenzt ist, ist die zu wählende Lage des Ob- jects, welches in ihm verschwinden soll, eben nicht sehr genau bestimmt. Ausserdem glaube ich, dass die Nöthigung, das Auge bei diesen Versuchen lange Zeit in ermüdenden Stellun- gen festzuhalten, nachtheilig ist. Li der von Meissner^) gegebenen Tabelle seiner Mes- sungen, die nach dem von Fick angegebenen Principe ausge- führt sind, stimmt der Gang der Werthe des Winkels m ziem- lich überein mit der von uns gegebenen Berechnung von "Wundt's Beobachtungen, indessen zeigen sich, der geringeren Genauigkeit der Methode entsprechend, auch grössere Diffe- iss renzen. Auch scheint Meissner einzelne Werthe, z. B. die 1) MoleBchott*s Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen. Bd. V. S. 201 und 202. 2) Zeitschrift für rat. Medicin. 3. Reihe. Bd. VIII. S. 19. 390 Physiologische Optik. mittlere Y erticalreihe , welche mit Nullen ausgefüllt ist, au8 seinen früheren^ nach anderen Methoden angestellten Be- obachtungen ergänzt zu haben. Bestimmung der Augenstellungen mittels binocularer Doppelbilder. Es bleibt mir noch übrig die Resultate der zuerst von Meissner angewendeten Methode zu besprechen, die Augen- stellungen mittels der Doppelbilder zu beobachten. Diese Methode scheint einer grossen Genauigkeit und Feinheit in der Ausführung fähig zu sein. Aber die eigenthümlichen In- congruenzen beider Gesichtsfelder, auf welche zuerst Beck- linghausen ^) aufinerksam gemacht hat, lassen erkennen, dass die nach dieser Methode für die Augenstellungen gewonnenen Resultate noch mit einem gemeinschaftlichen Fehler behaftet sind, der erst eliminirt werden muss, und durch welchen die scheinbaren Differenzen zwischen diesen Beobachtungen und denen der Nachbilder bedingt zu sein scheinen. Dieser Fehler liegt, wie mir scheint, darin, dass Meiss- ner bei der Discussion der Versuche der bis dahin allgemein angenommenen Voraussetzung gefolgt ist, bei parallelen Ge- sichtslinien würden alle Punkte unendlich femer Objecte auf identischen Netzhautstellen abgebildet Man hat von jeher die Definition identischer Netzhautstellen auf diese Voraussetzung gegründet, indem man von ihnen behauptete, dass sie um gleiche Winkel vom Fixationspunkt nach oben (oder unten) 189 und nach rechts (oder links) abstehen müssten. Das ist nun zwar annähernd richtig; aber, wie die neueren sorgfältigeren Untersuchungen schon manche andere Assynametrien und Un- regelmässigkeiten am Auge kennen gelehrt haben, so zeigt sich auch in der Anordnung der identischen Stellen bei fernsehen- den Augen eine solche. Meissner hat gezeigt, dass wenn man eine zur Visir- ebene verticale Linie mit Augen betrachtet, die auf einen et- was ferneren oder etwas näheren Punkt convergiren, man die 1) Archiv für Ophthalmologie. Bd. V. S. 127. Augenbewegungen. 391 Linie in Doppelbildern sieht, die nicht parallel, sondern zu einander geneigt sind. Er hat die Veränderungen in der Neigung dieser Doppelbilder mit Recht aus der veränderlichen Drehung der Augen gegen die Visirebene erklärt Wir ver- danken ihm eine Reihe von Messungen der Divergenzen, -welche die Doppelbilder bei verschiedenen Entfernungen des Objectes vom Auge zeigen, aber Kurzsichtigkeit scheint ihn verhindert zu haben, hierbei grössere Entfernungen als 58 Centimeter zu benutzen« Er konnte also nicht durch Ver- suche entscheiden über das Verhalten der Doppelbilder von sehr weit entfernten Linien, war viehnehr genöthigt sich bei der allgemein angenommenen Definition der identischen Netz- hautstellen zu beruhigen, der zu Folge die Doppelbilder weit entfernter Objecte bei parallelen Gesichtslinien entschieden parallel sein mussten. Dies ist nun aber keineswegs der Fall, denn, wie ich finde, auch die Doppelbilder weit entfernter Objecte divergiren bei parallelen Gesichtslinien, und zwar bei jeder Höhe der Visirebene nahehin um denselben Winkel. Dasselbe habe ich auch für die Augen einiger anderer Beobachter bestätigt ge- funden. Wenn ich dagegen in der Entfernung meiner Augen von einander (68 Millimeter) zwei nahehin verticale und paral- lele Linien ziehe, die aber nach oben hin ein wenig divergiren unter einem Winkel von etwa 2 Graden, und sie in genäher- ten Doppelbildern betrachte, die Gesichtslinien senkrecht zur iw> Ebene des Papiers, so erscheinen solche Linien einander parallel, wie auch übrigens die Visirebene gegen den Kopf ge- richtet sein mag. Daraus folgt, dass die verticalen Trennungs- linien identischer Netzhautpunkte bei parallelen Gesichtslinien nicht vertical und nicht parallel stehen, und dass daher die von Meissner beobachteten Divergenzen der Doppelbilder nicht blos von Drehungen des Auges herrühren. Dagegen scheinen aber allerdings bei parallelen Sehaxen in der Visir- ebene identische Netzhautstellen zu liegen, sodass jene Di- vergenz der verticalen identischen Meridiane gar nicht blos von einer Drehung der Augen hergeleitet werden kann, sondern auf einer Assymmetrie in der Anordnung der identischen Stellen selbst beruht 392 PhjBiologiBche Optik. Es ist hiemach klar, dass die Ergebnisse der Doppel- bilder-Versuche nicht unmittelbar mit denen verglichen werden können, welche mit Hülfe der Nachbilder gewonnen worden sind. Störungen der Orientirung durch Drehungen des Auges. Es ist jetzt noch durch Versuche nachzuweisen, dass die Orientirung im Gesichtsfelde wirklich mangelhaft wird, wenn Bewegungen des Auges eintreten, welche der oben ausge- sprochenen Forderung widersprechen, wonach das Auge keine Be- wegung ausführen solle, deren Drehungsaxe nicht immer in ein und derselben, im Auge festen Ebene läge. Diese Be- dingung ist nach dem Gesetze von Listing, wie in den mathematischen Nachweisen, welche unten folgen, gezeigt werden wird, erfüllt für alle Bewegungen des Auges, welche von der Mitte des Gesichtsfeldes fort nach seiner Peripherie 191 zu gerichtet sind, aber nicht für solche Bewegungen, welche durch eine B^ihe von peripherischen Stellungen des Auges hin- durchgehen. Wir finden dem entsprechend denn auch falsche Raumprojectionen im Gesichtsfelde. 1) Man stelle sich der verticalen, geraden Kante einer Mauer oder einer Thür gegenüber so auf, dass das Gesicht nicht gerade nach der Kante hin, sondern etwas seitwärts ge- richtet ist imd die Kante also sich entweder nach rechts oder nach links vor dem Beobachter befindet Man bewege den Blick an der Kante auf und nieder, ohne den Kopf zu be- wegen, so wird dieselbe gekrümmt erscheinen, und sgnrar so, dass ihre Goncavität gegen die Medianebene des Beobachters hinsieht. Eine rechts befindliche gerade Kante wird also nach rechts convex, nach links concav erscheinen; umgekehrt eine links befindliche. 2) Man laufe mit dem Blicke ebenso hin und her an ge- raden Horizontallinien entweder mit gehobenen oder mit ge- senkten Augen und unbewegtem Kopfe; auch solche erscheinen gekrümmt, und zwar hochgelegene Linien, die mit gehobenem Blicke betrachtet werden, concav nach unten, niedrige Linien bei gesenktem Blicke concav nach oben. Augenbewegongen. 393 In allen diesen Fällen erscheinen die Enden der Linien gerade entgegengesetzt geneigt als die Nachbilder von hori- zontalen und verticalen Linien. Wenn man mit dem JS ach- bilde einer horizontalen Linie im Auge und mit erhobenem Blicke längs der oberen Kante einer Wand entlang geht, so erscheint auf der rechten Seite das rechte Ende des Nachbildes gehoben, auf der linken Seite das linke Ende. Das Nachbild bezeichnet uns hierbei aber die Stellung des Netzhauthorizonts, und da also das rechte wie das linke Ende der objectiven Horizontallinie nach unten gerichtet ist, im Vergleich mit dem entsprechenden Ende des Metzhauthorizonts in dem jenem Ende 102 zugekehrten Auge, so erscheint die objective Linie mit beiden Snden etwas nach unten gerichtet, also nach unten concav. Aehnlich in den anderen Fällen. Es ist noch zu bemerken, dass der ganze Kopf bei seinen gewöhnlichen uns bequemen Bewegungen in den Gelenken der Halswirbelsäule ebenso bewegt wird wie das Auge. Wird das G^cht nach rechts und oben gekehrt, so dreht sich der Kopf um eine schräg von oben und links nach unten und rechts gehende Axe, sodass sich das rechte Auge mehr l^ebt als das linke. Umgekehrt stellt sich das rechte Auge tiefer als das linke, wenn wir nach rechts und unten sehen. Fände im unteren Atlasgelenk eine reine Drehung um eine verticale Axe, im oberen eine reine Drehung um eine horizontale, vom rechten zum linken Gelenkknopf des Hinterhauptbeins verlaufende Axe statt, so würden beide Augen bei allen Wendungen des Kopfes immer gleich hoch bleiben müssen. Man überzeugt sich aber durch Betastung des Nackens auch leicht davon, dass die Gelenke der unteren Halswirbel zu diesen Bewegungen mit bei- tragen. Wenn nun auch die bequemen und gewöhnlichen Wen- dimgen des Kopfes der Bichtung nach mit den normalen Augen- bewegungen übereinstimmen, so erlaubt doch die Halswirbel- säule eine ganz freie Beweglichkeit des Kopfes innerhalb des gegebenen Umfanges dieser Bewegungen, und ist der Wille un- beschränkter Herrscher in der Wahl der Kopfstellungen, während er in der Ausführung der Augenstellungen durch das von uns entwickelte Gesetz beschränkt ist. In jeder Stellung 394 PhysiologiBche Optik. des Gesichts können wir dasselbe immer noch, ohne die Lage seiner Fläche zu verändern, durch einen massig grossen Winkel um eine vom Hinterhaupt zum Nasenrücken gehende Axe drehen, doch sind alle anderen Stellungen unbequemer und an- gestrengter, als die den Augenstellungen analogen. Sobald wir IM aber eine solche Drehung des Kopfes um eine von vom nach hinten gehende Axe ausführen und dabei auf die gesehenen Gegenstände achten, bemerken wir auch, wie diese eine schein- bare entgegengesetzte Drehung ausführen. Durch diese Versuche kann also nachgewiesen werden, dass die Erfüllung der oben aufgestellten Bedingungen zur Wahrung einer sicheren Orientirung im Gesichtsfelde noth- wendig ist, und dass die in den Bewegungen des Auges übrig gebliebenen, verhältnissmässig kleinen Abweichungen von der strengen Erfüllung jener Bedingungen sich verrathen durch entsprechende Fehler in der Beurtheilung der Bichtung von Linien. Es ist jedenfalls eine merkwürdige und auffallende Er- scheinung, dass wir in der Ausführung der Augenbewegungen so beschränkt sind, während der vorhandene Mechanismus die vollste Fseiheit der Bewegungen zulassen würde. Ich glaube aber nicht, dass die Anordnung der Nervenbahnen etwa, oder irgend eine andere anatomisch vorgebildete Einrichtung hier- bei die Freiheit der Bewegungen beschränkt Alle unsere Willensacte beziehen sich, so weit sie bewusst sind, nicht auf die Contraction bestimmter Muskeln, von deren Existenz die meisten Menschen kaum etwas wissen, auch nicht einmal immer auf die Erreichung einer bestimmten Stellung eines Körper- theils, sondern vielmehr auf Erreichung eines wahrnehmbaren Erfolges. Am Kehlkopf, am Auge können wir durchaus nicht eine bestimmte Stellung des Organs durch einen direct darauf bezüglichen, bewussten Willensact hervorbringen, sondern wir haben mit dem Kehlkopfe nur gewisse Laute und Athmungs- bewegnngen hervorzubringen gelernt, und mit den Augen ge- lernt äussere Objecto in beliebig gegebenen Stellen des Ge- sichtsfeldes deutlich und einfach zu erblicken. Wenn wir die Augen nach rechts wenden wollen, so müssen wir einen rechts IM gelegenen Gegenstand vorstellen und nach diesem hinblicken. Augenbewegungen. 395 Wenn wir sie beide nach innen wenden wollen, müssen wir nach einem eingebildeten Gegenstande in der Nähe des Nasen- rückens hinblicken. Mit passend gewählten Prismen , Brillen- gläsern oder stereoskopischen Bildern können wir die Augen divergiren machen, die Accommodation von der Convergenz trennen, ja selbst kleine Divergenzen nach der Höhe hervor- bringen, indem wir das Auge unter Bedingungen versetzen, wo es nur durch solche ungewöhnliche Combinationen der Bewe- gungen dazu gelangen kann, deutlich und einfach zu sehen. Natürlich sind solche ungewöhnliche Combinationen viel schwerer auszuführen ab die eingeübten, mit der Zeit werden sie aber zu gew^bnlichen, wie z. B. die Verbindung zwischen Accom- modation und Convergenz bei Leuten, welche eine Brille zu tragen pflegen, eine andere wird als vorher, und sie im Gegen- theil, wenn sie die Brille abnehmen, sich genirt fühlen. Ich habe auch beobachtet, dass wenn ich des Abends beim Lesen schläfrig werde und sich Doppelbilder der Zeilen zu bilden anfangen, diese Doppelbilder oft über einander stehen, zuweilen eine Raddrehung gegen einander zeigen. In diesem Zu- stande also, wo der Wille seine Energie verliert und man die ungehindertste Wirksamkeit aller durch den anatomischen Mechanismus vorgeschriebenen Bewegungsantriebe erwarten sollte, da hört gerade die gewöhnliche Anordnung der Augen- bewegungen auf. So glaube ich auch, dass das in der vorliegenden Unter- suchung gefundene Gesetz der Augenbewegungen erworben ist durch den Gebrauch des Auges, bei dem sich fortdauernd das Bedürfiiiss möglichst sicherer Orientirong geltend machte, und dass deshalb die von mir gegebene Ableitung aus diesem Be- dürfioiss wirklich den letzten Grund des Gesetzes darlegt Wir dürfen aber wohl erwarten, wie ich oben schon angedeutet habe, dass schliesslich das Wachsthum der Muskeln bewirken im wird, dass die durch das Bedürfiüss der Orientirung verlangten Augenstellungen auch mit der geringsten Anstrengung herge- stellt werden. Wir sehen ähnliche Bedürfiiisse auch bei Be- wegungen anderer Theile des Körpers die Einübung der Be- wegungen beherrschen. Das Kind, welches gehen lernt, der E^nabe, der schwimmen lernt, sind anfangs ungeschickt, un- 396 Physiologische Optik. sicher und wenden grosse Anstrengung an. Uebung lehrt sie schliesslich diese Bewegungen so ausführen, dass eine gegebene Strecke Weges mit geringster Anstrengung zurückgelegt wird. Der Matrose, welcher auf dem schwankenden Schiffe gehen muss, lernt eine andere Art des Ganges, bei welcher die Sicherheit m höherem Grade berücksichtigt ist als die schnelle Förderung, da er auf dem Schiffe niemals grosse Strecken zu- rückzulegen hat Seinen Gang übrigens behält er auch auf dem Lande bei und kann den Gung eines Landbewohners nicht nachmachen. Eine ähnliche Art zwingender Gewohnheit, hergeleitet aus dem Bedürfaisse der Orientirung, meme ich, beherrscht auch die Augenbewegungen, und ich halte es des- halb nicht fllr nöthig nach anatomischen Einrichtungen zu suchen, die das Gesetz dieser Bewegungen bestimmen. Mathematischer Anhang. Folgerungen aus dem Princip der leichtesten Orientirung.M 497 Wir haben zunächst die Unterschiede der Baddrehung zu h berechnen, welche dadurch ent- stehen, dass die Drehungen um andere Drehungsaxen ausgeführt werden als um solche, die zur atropen Linie senkrecht sind. Es sei in Fig. 42 ab 6ie Gesichts- linie, ad die Drehungsaxe, um welche das Auge gedreht wird, wo- bei die G^sichtslinie ab den unend« lieh kleinen Bogen ds senkrecht zur Ebene der Zeichnung zurück- Fig. 42. legen möge, so kann die Drehung um arf, deren Winkelgrösse wir 1) Hier ist die etwas allgemeiner ausgearbeitete und von einem Rechnungsfehler befreite Fassung dieser Untersuchung aus dem Hand- buch der Physiologischen Optik § 27 gegeben. Augenbewegangen. 397 mit J bezeichnen wollen, angesehen werden als resnltirend aus einer Drehung um die zu a& senkrechte Axe acy und einer «^ Drehung um a& selbst. Die Grösse der letzteren wird sein müssen gleich i^cosAi, wenn wir den Winkel dab, wie in der Figur geschehen ist^ mit X^ bezeichnen. Nun ist aber die Grösse von A dadurch bestimmt^ dass ab sich um den Bogen ds fortbe- wegen soU. Für die Bewegung des Punktes b ist hierbei das von b auf die Drehungsaxe gefällte Loth bf der Radius Vec- tor, also: ab»ds =zj^b»/i oder rf«=s ^sinÄj. Die Baddrehung um die Linie ab wird also bei dieser Bewe- gung gleich: ds cotang k\ Denken wir uns nun durch ab Ebenen gelegt nach yerschiedenen Richtungen hin, so kann das Element ds in jede dieser Ebenen verlegt werden, und die zugehörigen Drehungsaxen müssen, wenn die Bewegungen des Auges von ab aus continmrlich ineinander übergehen sollen, in einer Ebene liegen. Eine der durch ab gelegten Ebenen muss senkrecht stehen auf der Ebene der Drehungsaxen, in welcher ad liegt. Für diese Ebene nehme der Winkel Ä' den Werth k an, und es sei e der Winkel, wel- chen die durch das Bogenelement ds und die Gesichtslinie ab gelegte Ebene mit jener Ebene des Winkels A macht Eine bekannte Formel der sphärischen Trigonometrie ergiebt in der rechtwinkeligen dreikantigen Ecke, welche von der Ebene der Drehungsaxen und von den Ebenen der Winkel X und T gebil- det wird: cotg A' == cotg A • cos 6 und die Drehung um die Linie ab wird also: ds cotg k^ =^ dS' cotg X • cos €. Wenn nun ^e Blicklinie ai in der gleichen Stellung den Win- kel fi mit der Ebene bildet, die zur atropen Linie normal ist, und X der Winkel zwischen den beiden durch ab gelegten Ebenen der Winkel ju und X ist, so würde eine Rechnung ahn- 398 Physiologische Optik. lieber Art, wie die eben gemachte, ergeben, dass die Drehung um die Gesichtslinie gleich sein mttsste: ds cotg fi cos (e — x), wenn die Drehungen den Forderungen des Gesetzes der leich- testen Orientirung überall folgen könnten, wonach die Drehungs- axen stets senkrecht zur atropen Linie bleiben würden. Das Quadrat des Unterschiedes g zwischen der geforderten und der wirklichen Drehung ist: p« CS ds^ [ cotgAcose — cotg jii cos (e — x) }*. Die Forderung des Princips der leichtesten Orientirung geht also dahin, dass die Summe aller Werthe von g^ für alle unendlich kleinen Bewegungen der Blicklinie von der Ausdehnung ds^ welche im Blickfelde möglich sind, ein Minimum sei. Nehmen wir zuerst die Summe aller Werthe von g^ für Verschiebungen .b^ Augenbewegongen. wo die Grössen a, bj c folgende Werthe bezeichnen: a s cos a a^ s= sin ci; cos 19* a^^ == — sincesini9' 899 (6) v/ Ä =s — COS (ö sin a Ä^ =s cos ci; COS i9- cos w — sin i9- sin w b,, = — coscesini^-coscu — cosi9-sincö CS— sin CO sin a c, =s cos a cos i?- sin CO + sin 1?- cos 0) c,^ = — cos a sin i?" sin CO + cos & cos co. Zwischen diesen Grössen finden bekanntlich Systeme von Glei- chungen folgender Art statt: 1 = a« + a* + «• ab + a,b, + a,,b,, = 0 1 =: i« + J« + i« ac + a,c, + a,,c,, = 0 [ (A) 1 = c« + c* + c* bc + i,c, + i,,c,, = 0 0 =3 arfa + a^rfa^ + a^,da^ adb + a^rfi^ + €L^,db,^ = — (Ärfa + i^cfa^ + b^^da,) 0 = ÄrfÄ + Ä.rfi, + *,,c?Ä,, ade + a^dc^ + a^^c,^ = — [cda + c,c?a^ + c,,da,^ 0 =s crfc + c^dc^ + c^,dc;^ bdc + b,dc, + b^^dc^, = - {cdb + c,db, + c,,db,) // (B) Aendem sich die Werthe von a, i?* und dem Bad- soo drehnngswinkel w, mid damit die Lage des Auges , so ist für die Punkte der Drehungsaxe dx ^ dy SS dz = 0. Also nach Gleichungen (6) 0 := dx ^ ^da + vdb + ^dc 0==rfy=|da, + vdb^ + ^dc, 0^dz=^ Ida,, + vdb,, + ^dc„ (6a) 400 Physiologische Opük. So erhält man: 0 = v{adb + a^db, + a^.dbj + ^{adc + a^dc^ + a^.dc^) 0 = l{bda + b,da, + b,,da,) + ^{bdc + b^dc^ + b,ßc,,) 0 = l{cda + c,rfa, + c.^rfaj + v{cdb + c^db, + c^^dbj Diese letzteren drei Gleichungen ^) geben jede der Coordinaten der Drehungsaxe durch jede andere ausgedrückt. Für eine zur Ebene der Drehungsaxen normale Linie sei {nl2 — X) der Winkel, den sie mit der |Axe (Blicklinie) bildet, und X der Winkel, den die Ebene des Winkels X mit der Ebene der v| macht, entsprechend der Bezeichnung in Q-leichung (5) und unter der Annahme, dass die Ebene der v^ durch die atrope Linie gelegt sei, dann ist für die Ebene der Drehungs- axen: |sin A + r cosÄcosx + c^sinAsinx a= 0 oder wenn man die Werthe von v und ^ aus den beiden letzten Gleichungen (6a) nimmt und mit: {bdc + b^dc, + b^dcj = - (cdb + c,db^ + c,,db,) multiplicirt, so erhält man: 0 = sinA {bdc + b^dc^ + b^,dc,) — cosA cosx {cda + c,da^ + c,ßa^) + C08AsinÄ(Ärfa + bda^ + b^ßa,) (6 b) 1) Es ist leicht zu sehen bei Berücksichtigung der Gleichungen (6 a), dass die dritte dieser Gleichungen identisch aus den beiden ersten folgt. Wenn nun die Baddrehung cu eine continuirliche Function von a und x^ ist, also: da ^ -j- da + -rj^d^, da d'& ' so werden die Differentiale da^ db, de etc. alle von der Form: da =» j^da + ■j^d&. aa axT Eliminirt man nun aus zweien der Gleichungen (6 a) das Verhältniss dajd&f so behält man eine durch £ theilbare, und nach der Division iu Bezug auf ^, v, ^ lineare Gleichung zurück, die Gleichung einer Ebene, in der alle Drehungsaxen für unendlich kleine Drehungen aus der ge- gebenen Stellung des Auges liegen müssen. Darin liegt der Beweis des früher angeführten Hilfsatzes, dass bei continuirlich in einander über- gehenden Stellungen des Auges jeder einzelnen derselben eine bestimmte Ebene der Drehungsaxen zukommt Angenbewe^nsgeiL 401 Diese Q-leichung zerfällt nun in zwei, wenn da und d& unab- hängig von einander sind, da jedes der Differentiale die Form hat: da^^du + %d&. Werden also die Differentiale in (6b) ausgeführt, und erst nach a genommen und dann nach &j so erhSit man folgende zwei Gleichungen: 0 = sin A j^ — cos X cos x sin cw + cos Ä sin x cos co soi 0 = sinA [^ + cos« I + cos Ä cos X sin« cos to + cosAsinxsinasinw. Durch Elimination von cosx oder sinx erhält man aus den beiden letzten Gleichungen: sinAfsinc^sino) -^ — coso) t^ — coswcosai = cosAcosxsine^ i da d& «)= sinAjsinacosö)^ + sinoi t^ + sincöcosaj = — cosA sinx sin«. Diyidiren wir beide Gleichungen durch sinA sin«, so giebt die erstere den Werth von cotgA cosx, den wir zur Substitution in (5) brauchen. Beide dagegen quadrirt und addirt, geben: -^^^=(j-:r+ Sin-.« (!?+-«) 2 und wir erhalten endlich den Werth von dem Integral R, welches ein Minimum werden soll: in 00 ^dv oo cotg fi Cd& /sin c^ rfof 2» «0 = id&Cdalsxaasiaa)-^ -- cosü>(^ + C0Ba\ (6e) Aus der Gleichung (6d) kann man durch partielle Integration die Grössen dSwjda und dSwIdd- entfernen, und erhält dann 502 zwei Integrale, eines nach dem Umfange des Blickfeldes, eines über seine Fläche ausgedehnt, die nur noch Sm als Factor unter dem Integrationszeichen enthalten. Ehe man dies aber ausführt, ist danach zu sehen, dass die zu integrirende Function nicht mehrdeutig oder discontinuirlich werde im Innern des Blickfeldes. Nun erfordert die Continuität, dass für sehr kleine Werthe von cc rings um die Anfangsstellung des Auges die Grösse oo + & gleich Null sein muss. Es wächst aber & von 0 bis 2;r, wenn man die Blicklinie ein- mal um die Anfangsstellung einen unendlich kleinen Kreis be- schreiben lässt, also muss dabei (o von 0 bis — 2;r sich ver- ändern und in der Nähe der Anfangsstellung discontinuirlich sein. Es ist deshalb besser eine andere Variable: einzuführen, welche überall im Blickfelde continuirlich sein kann. Dann ist: d(o drj da da und d(ö d& d d& — ^^7 — 1 3(0 s= St], Wenn wir nach dieser Substitution die partielle Integration. Augenbewegungen. 403 der Gleichung (6d) ausführen, um dSrjIdcc und dbrild& weg- zuschaffen: so haben wir nachher den Principien der Variations- rechnung gemäss in beiden Integralen, dem nach dem Umfange sowohl, wie in dem nach der Fläche, die Factoren gleich Null zu setzen, welche mit Sri multiplicirt sind, und erhalten: 1) für den umfang, indem wir ihn in Bichtung der wachsen- den & durchlaufen denken: r iM'^ — cotg/Lt sin£^.sin(^ — d)dß' + cos{^ — d)da \\ 2) f&r die Fläche des Blickfeldes: 0 = ^fsin«^) +4-^,1, (7a) da \ daj sma d&* y ^ ' WOZU endUch noch kommt die Gleichung (6 e), welche ebenfalls eine einmaUge Integration zulässt: cotg/Lt Al — cos a) dd- = r[— sin of cos (i; — iS*) dd- ^ ^ (7b) + sin(i;— d)dä\ \ welche beide Integrale über den ganzen umfang zu nehmen sind. Das Integral links, welches mit cotg/i multiplicirt ist, ist bekanntUch der Flächeninhalt des Blickfeldes. Um diese Gleichungen zu vereinfachen, führen wir statt a eine andere Yariable ein, nämlich: ß = log. nat tang -|- , sodass wird: ^=tang-^ -^=sinc^ 1 -j- Ö jQ da X — e^ dp = - — 5" = cos a. * sin a l-^e^ Wenn \f) eine beliebige Function von a ist, so ist: 4303 d\ü dw • 26 404 Physiologiflche Optik. Substituirt man diese Werthe in (7 a), so erhält man folgende Gleichimg f&r das Innere des Feldes: Dann ans (7) f&r den ümfEing: o-'^'»-{%-i':$r)<'ß {7d) + cos{ti'-&)dß] und endlich ans (7 b): cotgfi J^^d& =/j^ [sin(i?-i^)(/^-co8(i?-*)rf*]}(7e) Es ist bekannt, dass alle reellen Integrale der Gleichung (7 c) dargestellt werden können als der reelle Theil irgend einer beliebigen Function xp von der complexen Ghrösse ß + O'u Wenn gesetzt wird: t/'^y+r«} (8) wo q> und x i'^^U sind, so kann sowohl (p eUs x Integral der Gleichung (7 c) sein. Soll 9) ein für unsere Zwecke passendes Integral sein, so muss es erstens innerhalb des Blickfeldes überall endlich und eindeutig sein, auch für a = 0 oder ß= —oo- Zweitens muss es auch noch längs des Bandes des Blickfeldes den Gleichun- gen (7d) und (7e) genügen. Aus der Gleichung (8) folgt, wenn wir das Diflferential von rp nach der complexen Yariablen ß + &i mit if/ bezeichnen: dß '^^ " dß ^ ^ dß rf^ ^ d& ^^ d&* also wenn man 1// eliminirt: ^''^dß dß d^ ^ d& Angenbewegangen. 405 oder iÄ + ^^0 ] dz _d^ f) d& dß ^ ) Setzt man ferner: so ist auch diese Grösse eine Function von ß+ &t, nnd folglich: d Tq ^ dYj __Q dd' dß . .^y. <£|9 d& "^ nnd 7, ; = -ö»6^sin(9)-i^) 3 ^^^^ Wenn wir nun in Gleichung (7d) die Grösse 9p für 17 substi- tniren und die Gleichung multipliciren mit dem Factor: wobei wir setzen: cos tde sin adce c= — sin ;^ sin (> sin «cf 6 oder . ft , Bin r sin *p sin 'erfe SiXixraa= * — r^i • sm'a Diese Werthe, in das Integral der Gleichung (10 d) gesetzt, ergeben: 2;rcotg^(l — cosp) /»in ^ COS c + COS y COB ^ ein p C08 a — sin y sin *p , 1 -)- cos g cos i' — sin 1" sin ^ cos e Setzen wir hierin zur Abkürzung: 1 + cos y cos p = a sin y sin ß = Ä tang Y =ar, so können wir das Integral auf die Form bringen: 410 PhyBiologische Optik. 2;rcotg/Lt{l — cosp) = + 00 +00 f a + h dx . aano / dx — 00 — 00 (08 Drücken ynx cotg /u , a und b wieder durch y i^^d q aus , so erhalten wir: 2Bmy(l-co8y)^^.^ COSy CO80 - cosy - cosp) oder (cos Q + COS y) [1 + cos y cos p — cos y — cos q]) ^ ' wofür auch geschrieben werden kann: (1 — cosy) (1 — cos q) [2 + cos y — cos ß } = 0 } (lOf ) woraus folgt, dass der einzige reelle Werth von cosy, der diese Gleichung zu Null macht, ist: cosy = 1, woraus folgt: sin y = 0 und cotg f* = 0. Der zweite Werth von cosy, den die Gleichung {10 f) giebt, würde kleiner als — 1 sein, nämlich: cos y = cos p — 2 und also einem imaginären Bogen entsprechen. Die vorliegende Rechnung^) ist durchgeführt worden unter 1) Sie ist hier weiter durchgefiihrt worden, als dies bei der ersten Veröfientlichung dieser Untersuchungen im Archiv für Ophthalmologie IX, 2, geschehen war. Dort war der Winkel ft zwischen der Blicklinie und der atropen Linie noch als fest gegeben betrachtet worden und ausser- dem als klein. Es ist mir erst später gelungen, den Beweis zu finden, dass die Consequenzen des zu Grunde gelegten Princips foidem, dass er gleich Null sei. Augenbewegungen. 411 der Yoraussetzimg, dass Bewegungen des Auges in allen Theilen des Blickfeldes und nach allen Bichtungen gleich häufig vor- kommen, was der Wirklichkeit wohl nicht ganz entspricht, in- dem wir in der Regel die Blicklinie in den mittleren Theilen ihres Bewegungsfeldes zu halten pflegen. Die peripherischen Theile des Feldes werden deshalb im allgemeinen weniger durchlaufen als die centralen, und werden deshalb auch einen geringeren Einfluss auf das Bewegungsgesetz haben müssen als die centralen. Diesen umstand in der Bechnung zu berück- sichtigen schien mir nutzlos, da wir seine Grösse doch nicht genau kennen, und da sich leicht übersehen lässt, welchen Einfluss er auf das Besultat haben wird. Aus der Gleichung (9), welche wir schreiben können: 17 == ^0 + ^1 tang ~ cos {& + Cj) + A^ tang2 -| . cos (2 1?- + c^) + A^ tang 3 y cos (3 19* + c^ etc. und in der wir den Anfangspunkt der Coordinaten noch so Tcrändem können, dass das mit der ersten Potenz von tang(^/2 behaftete Glied gleich Null wird, geht hervor, dass für kleine "Werthe von cf, tj nahehin constant ist, und dass nur nach der Peripherie des Feldes hin, wo die Werthe von tang«/ 2 grösser werden, die Abweichungen vom Listing'schen Gesetze merk- lich werden können. Wenn nun die peripherischen Theile des Blickfeldes überhaupt weniger Einfluss erhalten, so wird eben die Abweichung vom Listing'schen Gesetze, welche durch eine nicht kreisförmige Form des Feldes bedingt werden «» könnte, noch geringer werden müssen, als wenn die periphe- rischen Theüe oft durchlaufen werden. Ausserdem möchte es vielleicht nicht ganz richtig sein, dass in allen Theüen des Gesichtsfeldes Bewegungen des Blickes nach allen Bichtungen hin gleich häufig sind. Wenigstens finde ich an mir selbst, dass ich Bewegungen, die der Peri- pherie des Blickfeldes parallel gehen, zu vermeiden suche, namentlich, wenn ich die Form und Ausdehnung der betreffen- den Objecte deutlich zu erkennen wünsche. Ich habe dann den unwillkürlich wirkenden Trieb, den Kopf so zu drehen, dass die betreffenden Bewegungen des Blickes in Meridiane des 412 PhysiologiBche Optik* Blickfeldes fallen, die durch die Primärlage gehen. So kann ich an einer gerade yor mir liegenden YerticaUinie mit dem Blicke hoch hinauflaufen ohne die Neigmig den Kopf zu drehen; wenn ich aber an einer hoch gelegenen Horizontallinie entlang laufen will, so ist es mir natürlicher, den Kopf zu heben, bis ich sie in der Primärlage habe, als es mit gehobenen Augen zu thun. Es scheinen mir also die Bewegungen des Auges bevor- zugt zu sein, welche in Meridianen des Blickfeldes entlang laufen, die durch die Primärlage gehen. Dies sind auch die Bewegungen, bei denen keine Scheindrehung der Objecto statt- findet, und daher rührt auch wohl ihre Bevorzugung. Auch dieser Umstand muss dahin wirken, dass wenn einmal das Listing'sche Gesetz für die Bewegung eines individuellen Auges zur Geltung gekommen ist, die Neigung von dem Ge- setze abzuweichen, wegen irgend welcher Unregelmässigkeiten des Blickfeldes geringer werden muss. ^00 Berechnung der Versuche, unter Voraussetzung der Richtigkeit von Listing's Gesetz. Bei den Apparaten von Fick, Meissner und Wundt, mit denen sie die Messungen über Drehungen des Auges aus- geführt haben, war der ganze Apparat drehbar um eine ver- ticale Axe; den Winkel der Drehung um diese Axe wollen wir mit Fick die Longitudo oder X nennen. Der drehbare Theil selbst enthielt dann eine horizontale Axe, um welche ein zweiter beweglicher Theil des Apparates gedreht werden konnte. Den Drehungswinkel um diese horizontale Axe nen- nen wir die Latitudo oder ß. Endlich war mit diesem letzteren beweglichen Theile verbunden eine Scheibe, die das Yisirzeichen trug und um eine Axe gedreht werden konnte, welche durch den Schnittpunkt der ersten beiden Drehungsaxen hindurch- ging. Der Drehungswinkel dieser letzten Scheibe wurde als Baddrehung g betrachtet. Wir denken uns den Apparat in seine Anfangslage ge- bracht, wo die Axe der Drehung g oder die Gesichtslinie senkrecht steht auf der verticalen Axe der Drehung ^, wo Angenbewegangen. 413 ).=iß = Q=so. Wir nehmen den Schnittpunkt der drei Axen als Mittelpunkt eines rechtwinkeligen Coordinatensystems^ dessen zAxe zusammenfällt mit der verticalen Axe der Drehung ly während die Gesichtslinie die Axe der x bildet Die positiven z seien nach oben gerichtet, die positiven x nach vom zu dem Gesichtszeichen hin, die positiven y nach rechts. Wir nehmen drei andere rechtwinkelige Ooordinatensysteme an, welche bei der angegebenen Stellung des Apparates mit dem aor ersten dieselbe Lage haben. Das System der (c\ y^ z sei fest verbunden mit dem Theile des Apparates, der um die erste verticale Axe gedreht wird, das der a<', y'', ^' fest mit dem- jenigen Theile des Apparates, der um die zweite horizontale Axe gedreht wird, und endlich das System |, t;, £ sei fest mit der Scheibe verbunden, welche das Gesichtszeichen trägt. Drehen wir das Oesichtszeichen um die Gesichtslinie, so wird das System |, v, g um seine |Axe gedreht. Wir be- trachten die Drehungen als positiv, wenn sie für einen Be- obachter, der im Mittelpunkte steht und nach dem positiven Theile der Drehimgsaxe hinschaut, rechtsläufig sind, wie die eines Uhrzeigers. Demnach werden nach der Drehung um den Winkel q die Werthe von sf\ y'', 2<' flir irgend einen der bewegten Punkte nicht mehr übereinstimmen mit denen von |, t;, ^, sondern es wird sein: ^^' = S y'' = V cos p + £ sin ß \ (a) 2<' = — V sin p -f- f cos p i Denken wir ebenso das x*\ y", 2:^' System um seine yAxe, und das sf^ y', ^r' System um seine 2: Axe gedreht, jenes um den Winkel /9, letzteres um den Winkel A, so er- halten wird: a:' = iF"c08/9-^'sin/9 / = r [ (b) -r' = z'' sin /S -f- ;?"' cos /9 416 Physiologische Optik. Substituirt man diese Werthe in die Gleichung (h)^ wobei sich der Factor r' (cos/? cos A — 1) weghebt, so erhalt man: [sin /? sin A — 2 9 sin X — 2|7 Bin ^ cos AI ' + (y* — p")8in/?sinil+2py(cosil— C08|9)J — boug ^ = r^gß ^ ^^^ ^ 2p sinA — 2q cosA sin ßf [+ (j'" — p»)(co8 A — cos|9)— 2j?9'8in/98in aJ (i) wonach der Winkel p zu berechnen ist Wenn p = ^ = 0 ist , also die Ebene der Drehungsaxen normal zur xAxe steht, wird dieser Werth: -tang(,= <^/f^\ ] (k) ^^ C08|9-fCOSA J ^ ' Setzen wir nun nur y == 0, nicht aber ;?, so ist ;? in diesem Falle die Tangente des Winkels, den die Ebene der Axen mit der y 2: Ebene bildet Es sei: p = tang e, dann ist: _ f — sin ^sin A (1 — p*) — - 2p sin /? cos A 1 . - tangp - ^5,^(x-:4.^ Vt- COS A (l -p^ + 2pmnXj w oder wenn wir bemerken, dass: 2p und l + p 2 = sin 2 € so erhalten wir: 1 + p 4-««« sin/? sin (A - 2e) ^^8e = cos^ + cos(A-2«)' SU Dieser Ausdruck ist ganz von derselben Form wie die Gleichung (k), wenn wir den Winkel k nicht von 0 an, sondern von 2« an zu zählen anfangen, und wir erhalten also dieselben Stellimgen des Auges, wenn wir: 1) entweder von der Mittelstellung der öesichtslinie A=0 ausgehen und die Ebene der Axen unter dem Winkel 6 gegen die y;? Ebene geneigt nehmen, sodass: X =:y tang e. Augenbewegungen. 417 2) oder ?on der Anfangsstellimg X^2e ausgehen, und die Ebene der Axen senkrecht zur Gbsichtslinie nehmen. Diese neue Ebene der Axen bildet mit der y;;Ebene einen doppelt so grossen Winkel als die früher angenommene Ebene der Axen. Daraus folgt also, dass bei einem kreisförmigen Bewegungs- felde des Auges anstatt von der Stellung der Gesichtslinie in der Mitte dieses Feldes auszugehen, und die Ebene der Axen als geneigt gegen die Gesichtslinie anzunehmen, wir dafür stets eine andere Stellung der Gesichtslinie angeben können, welche wir vorzugsweise ihre Primär Stellung nennen wollen, und welche sich dadurch auszeichnet, dass sie senkrecht auf der zugehörigen Ebene der Axen ist Wie diese Primärstellung experimentell zu finden ist, ist oben gezeigt worden. Wenn man die Messungen der Drehun- gen so ausführt, dass für diese Primärstellung A, == /? =» ^ == 0 gemacht wird, so lassen sich die Stellungen' des Auges, die nach dem Gesetze von Listing eintreten müssen, berechnen nach der einfachen Formel (k). Hat man eine beliebige Pri- märstellung gewählt, so wird man im allgemeinen genöthigt sein, die verwickeltere Formel (i) zur fi.echnung zu gebrauchen, nachdem man passende Werthe von p und q gesucht hat. Zugleich geht aus dieser Rechnung hervor, dass wo das 212 Gesetz von Listing gilt, man nicht nur aus der Primär- stellung, sondern auch aus jeder Secundärstellung durch Drehung um festliegende Axen in jede andere Secundär- stellung übergehen kann , sodass auch alle zwischen dem An- fang und Ende der Bewegung liegenden Stellungen des Auges normale Stellungen desselben sind. Es ergiebt sich zugleich, wie wir für solche Bewegungen des Auges, welche von irgend einer Secundärstellung der Gesichtslinie ausgehen, die Ebene der Axen finden können. Diese Ebene ist nämlich senkrecht auf derjenigen Linie, welche den Winkel zwischen der be- treffenden Secundärstellung und der Primärstellung des Auges halbiri ^ Wenn also ac in Fig. 44 die Primärstellung der Gesichts- linie bezeichnet, und cb irgend eine Secundärstellung, sodass ac und cb beide in der Ebene des Papiers liegen, so halbire H«Imholtz» wiasenieb, AbhADdlongen. II. 27 418 Physiologische Optik. man den Winkel acb\ die Halbirungslinie sei ec. Die auf ec senkrechte Ebene , deren Durchschnitt mit der Ebene der Zeichnung hi ist, ist die gesuchte Ebene der Axen für die- jenigen Drehungen, mittels deren man von cb aus in irgend eine andere Stellung der Gesichtslinie übergeht; während /y, welches senkrecht auf der Primärstellung ac ist, den Durch- schnitt der Ebene der Axen bezeichnet f&r die Bewegungen aus der Primärstellung. Wenn das Auge aus einer Secundärstellung b in eine zweite c übergeht, so muss es offenbar durch Drehung um SIS dieselbe Axe wie von b nach c, auch von c nach b zurück- ^ e gehen. Wenn wir von b /nach c gehen, finden wir die Ebene der Axen nach . y der eben aufgestellten Be- 1 / / gel, indem wir den Winkel l;/ zwischen b und der Pri- ■ jL— — — — '■"^ — ^ märstellung a halbiren, die f ""■ c""^^-- _^^ Halbirungslinie sei /S. Die pig 44 Axe für die Bewegung von b nach c liegt in der auf ß normalen Ebene. Wenn wir den Winkel zwischen c und a halbiren und die Halbirungslinie mit y bezeichnen, so liegt dieselbe Axe auch in der auf y senkrechten Ebene. Folglich muss diese Axe in der Schnittlinie der beiden auf ß und y errichteten normalen Ebenen liegen, folglich muss diese Axe normal auf ß und auf y sein, wodurch ihre Lage gegeben ist Ein Irrthum in der Orientirung des Auges wird immer eintreten müssen, wenn die Drehungsaxe für den Uebergang aus i in c nicht in derjenigen Ebene liegt, welche die Axen für die aus der Mittelstellung m des Auges beginnenden Be- wegungen enthält. Nun ist die betreffende Drehungsaxe die Schnittlinie der beiden Axenebenen, welche zu den Stellungen b und c gehören. Wenn also diese Schnittlinie auch noch in der zu m gehörigen Axenebene liegt, so schneiden sich diese drei Axenebenen in einer einzigen geraden Linie, woraus weiter folgt, dass die Eblbirungslinien der Winkel zwischen a einerseits Augenbewegungen. 419 und bj Cj m andererseits in einer Ebene liegen, da sie alle drei senkrecht auf der Drehungsaxe sind. Unter diesen Um- ständen wird durch Drehung um dieselbe Aze, welche die Ge- sichtslinie Yon b nach c und umgekehrt führt, die Gesichtslinie auch nach m geftkhrt werden können. Daraus folgt, dass nur dann keine Drehung um die atrope Linie eintreten wird, wenn das Auge durch fortgesetzte oder rück- gängige Drehung um dieselbe Axe in seine Mittel- stellung übergeführt werden kann. Bei allen anderen Bewegungen des Auges, welche nicht entweder auf den Mittel- 214 punkt des Bewegungsfeldes hin oder von ihm weg geschehen, kann daher auch ein Irrthum in der Orientirung eintreten, wie das oben bei den betrefifenden Versuchen bemerkt wurde. ^) 1) Während des Druckes dieser Abhandlung wurden die Versuche nach der zweiten oben beschriebenen Methode auch von Hrn. Hirsch- mann aus Charkow in meinem Laboratorium durchgemacht. Derselbe bat normalsichtige Augen und fand bei seinen Beobachtungen die voU- stfindigste Uebereinstimmung mit Listing^s Gesetz. 27 LXVL Ueber die Form des Horopters, mathematisch bestimmt. Aus den Verhandlungen des naturhiatoriBcfa-mediciniBchen Vereins zu Heidelberg. Bd. m. S. 51-55. Vom 24. October 1862. (Das Manuscript wurde eingereicht am 8. November 1862.) 61 Der Horopter ist der Inbegriff derjenigen Punkte des äusseren Eaumes, deren Bilder bei einer gegebenen Stellung der Augen in beiden Augen auf identische Netzhautpunkte fallen. Identische Netzhautpunkte sind solche Punkte beider Netzhäute, auf welche die Büder desselben unendlich weit ent- fernten Punktes fallen, wenn die Augen ihre normale Stellung für das Femsehen haben. Man nennt die durch die Eoiotenpunkte beider Augen und den fixirten Punkt gelegte Ebene die Yisir ebene; die geraden Linien, welche den fixirten Punkt mit dem Centrum der Netz- hautgrube verbinden, imd welche durch den Knotenpunkt des betreffenden Auges gehen, heissen die Gesichtslinien, fline durch die Gesichtslinie eines Auges gelegte Ebene heisse Me- ridianebene des betreffenden Auges. Die Visirebene ist die einzige Ebene, welche gleichzeitig Meridianebene beider Augen ist Wir unterscheiden einen Meridian in jedem Auge als ersten; es möge derjenige sein, welcher nach rechts hin in der Visirebene liegt, wenn die Augen ihre normale Stellung 6Sj: das Femsehen haben, d. h. einen in der Mittelebene des Form des Horopters. 421 Kopfes gelegenen unendlich entfernten Punkt fixiren. Dieser erste Meridian liegt aber nicht immer in der Yisirebene, sondern wenn die Augen nicht geradeaus blicken, bildet seine Ebene der Begel nach einen Winkel mit der Yisirebene, welchen man den Drehungswinkel des Auges um die Gesichtslinie nennt Der Winkel, welcher zwischen der Meridianebene, die durch irgend einen Punkt des Baumes geht, und der Ebene des ersten Meridians des betreffenden Auges eingeschlossen ist, heisse die Länge des betreffenden Punktes im G-esichtsfelde. Der Winkel, welcher zwischen der Bichtungslinie, die zu dem genannten Punkte geht (Yerbindungslinie mit dem Knoten- punkte), und der Gesichtslinie des betreffenden Auges liegt, S2 heisse die Polardistanz des betreffenden Punktes im Ge- sichtsfelde. Identische Punkte beider Netzhäute müssen nach den gegebenen Definitionen gleiche Länge imd gleiche Polardistanz haben. Punkte des äusseren Baumes, die in beiden Augen auf identischen Stellen abgebildet werden sollen, müssen also zwei Bedingungen erfüllen. Sie müssen nämlich: 1) für beide Augen gleiche Länge, 2) für beide Augen gleiche Polardistanz haben. Solche Punkte müssen also zweien Gleichungen genügen und können im allgemeinen nur den Punkten einer Linie entsprechen. Um diese Linie zu finden, zertheilt man die Aufgabe, wie schon Wundt gethan hat, am besten in zwei Aufgaben. Erstens sucht man den Libegriff derjenigen Punkte, welche für beide Augen gleiche Länge haben. Der Inbegriff dieser Punkte, welche nur eine Gleichung zu erfüllen haben, bildet eine Fläche, welche wir den Horopter gleicher Länge oder den Badialhoropter nennen, weil radienförmig durch den Fixationspunkt gezogene gerade Linien, die in dieser Fläche liegen, einfach erscheinen. Zweitens suchen wir die Fläche, welche diejenigen Punkte enthält, deren Polardistanz in beiden Augen die gleiche ist, den Horopter gleicher Polardistanz oder Circular- 422 Physiologische Optik. horopter, weil in ihm gewisse Linien einÜEU^h erscheinen, die sich als Kreisbögen in das Gesichtsfeld jedes Auges pro- jiciren. Wo der Iladialhoropter und der Circularhoropter sich schneiden, liegen die Punkte, welche zugleich gleiche Länge und gleiche Polardistanz in den Gesichtsfeldern beider Augen haben. Diese bilden den Totalhoropter, der also im all- gemeinen nur eine Linie sein kann. Die mathematische Untersuchung ergiebt nun, dass der Kadialhoropter eine Kegelfläche zweiten Grades ist Um ihre Gleichung in rechtwinkeligen Coordinaten zu geben, ver- legen wir den Anfangspunkt dieser Coordinaten in den fixirten Punkt, nehmen die Yisirebene als die xy Ebene und die Hal- birungslinie des Gesichtswinkels als die x Axe. Die positiven z sind nach oben gekehrt, die positiven y nach rechts, die po- sitiven X nach dem Gesichte des Sehenden hin. Es sei y die algebraische Differenz der Drehungswinkel beider Augen, und 2a der Convergenzwinkel der Gesichtslinien, so ist die Gleichung des Badialhoropters: y^cos^a — ir^sin'a-|-2ziF.sina,cotangy-|-z* = ö .... } (1) Es ist dies die Gleichung eines Kegels, dessen Spitze im Anfangspunkte der Coordinaten liegt, und welcher durch die beiden Gesichtslinien geht; denn wenn man setzt: z = 0 und 63 y/^ = ±tangc^, so ist die Gleichung (1) erfüllt Die beiden Gesichtslinien theilen die Kegelfläche in zwei vollständig von einander getrennte Theile. Nur die Punkte des einen Theiles haben in beiden Gesichtsfeldern gleiche Länge. Für die Punkte des anderen Theiles ergänzen sich die Längenwinkel zu zwei Uechten, sie geben nicht identische, sondern symmetrische Bilder. Die Durchschnittslinie mit der ;rjr Ebene ergiebt sich, wenn man y ^0 setzt. Es ist dann entweder: z = — JT sin a cotang . -|- oder: 2 =s 4- j? sin a tang . -|-. Die erstere Linie ist die von Meissner bei symmetrisch Form des Horopters. 423 conyergirenden Augen gefundene Horopterlinie. Der Drehungs- winkel yl2 des rechten Auges ist dabei positiv zu setzen, der des linken negativ. Die zweite Linie giebt symmetrische BUder. Die Durchschnittslinie des Kegels mit einer Ebene, f&r welche x = Const, ist eine Ellipse, deren Azen vertical und horizontal liegen. Die beiden Endpunkte der verticalen Axe sind durch die letzten beiden Gleichungen gegeben. Die Länge der verticalen Halbaxe ist: a?sinc^/sin;^. Die Länge der hori- zontalen Halbajce ist: ortangc^/sin/; die letztere ist also die grössere. Der beschriebene Kegel hat die Eigenthümlichkeit, dass seine Kreisschnitte senkrecht stehen auf einer der beiden Kan- ten, die in der xz Ebene liegen. Ist Yy die Differenz der Drehungswinkel, gleich Null, so verwandelt sich die Gleichung (1) in zx^O. Es muss also entweder z = 0 sein, welches die Gleichung der Visirebene ist, oder ir == 0, welches die Gleichung der auf der Halbirungslinie des Gesichtswinkels senkrechten Ebene ist. Der Kegel reducirt sich in diesem Falle auf die beiden Ebenen. Die Gleichung des Circularhoropters ist im allge- meinen vom vierten Grade, nämlich in den vorher gebrauchten Coordinaten ausgedrückt folgende: \ 2co8a/\^ 2Bma/ \ ^ 2co8o -J^y){— y+(^^S^)-8in«+(-?4^)yco8«) (2) Darin bedeuten r^ und r^ die Entfernungen beider Augen vom Fixationspunkte. Die Form dieser Fläche kann man in folgender Weise übersehen: Man bestimme zuerst ihre Durchschnittslinien mit m der Visirebene, d. h. man setze z = 0. Dann ergiebt sich aus 2 unmittelbar, dass entweder: ^a+y2_.^Jiri^_^_:zI«y = o ... .1 (2a) ^ 2co8a 2 8ma ^ J ^ ' 424 PhjsikaliBche Optik. sein mussy welches die G-leichung eines Kreises ist, des von J.Müller gefundenen Horopterkreises, der durch den Fi- zationspunkt und die Knotenpunkte beider Augen geht Denn die Gleichung (2 a) wird erfüllt durch folgende drei Systeme von Werthen: ;f = 0 y = 0 X ^r^ cos a y = r^ sin a ar = r2 COS a y = — r, sin cc. Oder aber es muss sein: xy-l^^ysina- h±Jl\ycosa=^0^ (2b) welches die Gleichung einer gleichseitigen Hyperbel ist, deren Mittelpunkt im Halbirungspunkte der Yerbindungslinie der Kno- tenpunkte beider Augen liegt, deren Asymptoten den Axen der X und y parallel sind. Diese Hyperbel geht ebenfalls durch den Fixationspunkt und die Knotenpunkte beider Augen, woselbst sie also den Kreis schneidet. Ein vierter Schnittpunkt ist gegeben durch die Werthe: X = -ji , y = -^- — - (2c) 2 cos a ^ 2 sin a ^ ' die sowohl der Gleichung (2 a) wie (2 b) genügen. Dieser letzt- genannte Punkt und der Fixationspunkt bilden die Enden eines und desselben Durchmessers des Müll er 'sehen Horop- terkreises. Denkt man nun in dem letztgenannten Punkte ein Loth auf der Yisirebene errichtet und durch dieses Loth Ebenen gelegt, so schneiden alle diese Ebenen die Fläche des Cir- cularhoropters in verticalen Kreisen, deren Mittelpunkte in der Visirebene liegen, und deren horizontale Durchmesser ab- gegrenzt sind durch den Kreis und die Hyperbel in der Visir- ebene. Jede durch den Punkt, der in Gleichung (2 c) bestimmt ist, in der Yisirebene gezogene Linie schneidet nämlich sowohl den Kreis wie die Hyperbel erstens im Punkte (2 c), zweitens in noch einem anderen Punkte. Die beiden letzteren Punkte Form des Horopters. 425 begrenzen den horizontalen Dnrclmiesser eines solchen Kreis- schnittes des Circttlarhoropters. Wenn r^ = r^ ist, so reducirt sich die Gleichung (2) auf y = 0, welches die Gleichung der xz Ebene ist, oder: ''('-■du) = ('* + y'-^) ('•C08«-ar). welches die Gleichung einer Fläche dritten Grades ist, die die Yisirebene in einer geraden Linie, der Verbindungslinie der Knotenpunkte beider Augen, und im Müll er 'sehen Horopter- kreise schneidet und dieselben £j:eisschnitte hat wie die all- m gemeinere Fläche. Wenn man dem x einen constanten Werth giebt, so erhält man eine Gleichung zweiten Grades zwischen z und y, daher die Durchschnitte eines solchen symmetrischen Circularhoropters mit Ebenen, die auf der Yisirebene und der Mittelebene des Kopfes senkrecht stehen, Ellipsen oder Hy- perbehi sind. Endlich ist noch zu bemerken, dass dieser symmetrische Circularhoropter von Ebenen, welche durch die Verbindungs- linie der Knotenpunkte beider Augen gelegt sind, deren Glei- chung also ist: z =1 ß[r cos u — x\ ebenfalls in Elreisen geschnitten wird. Von diesen Kreis- schnitten des Circularhoropters fallen zwei gleichzeitig noch zusammen mit zwei Kreisschnitten des Kegels, der den Radial- horopter bildet Der Totalhoropter ist diejenige Curve, in welcher sich der Badialhoropter und der Circularhoropter schneiden. Seine Gestalt ist leicht zu beschreiben, wenn entweder der Fixations- punkt gleichweit von beiden Augen entfernt ist oder keine Drehung der Augen um die Gesichtslinie stattgefunden hat In beiden Fällen besteht der Horopter aus einer Kreislinie, welche durch die Knotenpunkte beider Augen geht, und einer geraden Linie, welche in demjenigen Punkte des Kreisum- fanges, der gleichweit von beiden Augen entfernt ist, senkrecht auf der Ebene des Kreises steht Der Fixationspunkt liegt im Kreisumfange, wenn die Augen keine Drehung erlitten haben. 426 PhysiologiBche Optik. und er Uegt in der geraden Linie, wenn sie symmetrisch ge- stellt sind; er Uegt im Schnittpunkte des Heises und der ge- raden Linie, wenn sie gleichzeitig symmetrisch gestellt und nicht gedreht sind. Sind sie aber assymmetrisch gestellt und gleichzeitig ge- dreht, so ist die Form des Totalhoropters nicht so einÜEU^h. Die Curve besteht dann aus zwei Zweigen, die in der Nähe des Fixationpunktes sich einander nähern, wie die beiden Zweige einer Hyperbel in der Nähe ihres Scheitels. Zusatz (1882). Zur Zeit der Abfassung dieses Auf- satzes war noch nicht bekannt, dass die verticalen Meridiane der beiden Netzhäute nicht identisch sind. Dieser Umstand ist erst in dem folgenden Aufsatze berücksichtigt. LXVIL Ueber den Horopter. Aufl Gräfe's Archiv für Ophthalmologie. Bd. X. Abth. 1. S. 1—60. — 1864. 1. Die Vertheilung der correspondirenden Punkte in beiden Sehfeldern. Die Form des Horopters ist bisher immer bestimmt worden unter einer Voraussetzung, welche allerdings natürlich genug schien, dass nämlich je zwei Punkte beider Netzhäute identisch seien, auf denen bei der Fixation eines unendlich entfernten Objectes derselbe Objectpunkt sich abbildete. Denn darauf kommt die gewöhnliche Bestimmung heraus, dass iden- tische Punkte um gleiche Winkel vom Centrum der Netzhaut- gmbe entfernt seien, und dass die Schenkel dieser Winkel ausserdem bei parallelen Gesichtslinien parallel liegen sollten. Diese Annahme über die Lage der identischen Punkte hat sich nun aber als £alsch erwiesen, und es besteht in Bezug auf die Anordnung derselben eine eigenthümliche Assymmetrie der Netzhäute, wie neuere Beobachtungen gezeigt haben. Zunächst nämlich bemerkte Becklinghausen^), dass ein Kreuz, aus zwei sich senkrecht schneidenden Linien bestehend, von denen die eine horizontal, die andere yertical ist, und welches mit einem Auge so betrachtet wird, dass die Gesichtslinie durch den Mittelpunkt des Kreuzes geht und senkrecht ist zur Ebene der Zeichnung, nicht rechtwinkelig erscheint. Und zwar er- scheinen dem rechten Auge der nach oben und rechts ge- 1) Archiv für Ophthahnologie Bd. V. Abth. 2. S. 128. 428 PhjBiologbche Optik. kehrte Winkel und sein nach unten links gekehrter Scheitel- winkel als stampfe Winkel; die beiden anderen erscheinen als spitze. Umgekehrt erscheinen dem linken Auge die erst^ren Winkel spitz, die letzteren stumpf. Dem rechten Auge er- scheint also eine senkrechte Linie von oben links nach unten rechts zu laufen, dem linken Auge von oben rechts nach unten links. Ich selbst habe darauf in meinem Aufsatze über die Augenbewegungen ^) hervorgehoben, dass auch im gemeinsamen Gesichtsfelde beider Augen die beiden Bilder einer unendlich entfernten Linie, die zur Yisirebene senkrecht ist, nicht zu- sammenfallen, sondern dass eine solche in divergenten Doppel- bildern erscheint, wenn man die Convergenz der Augen ein wenig verändert. Seitdem hat auch Volkmann *), ohne meine Beobachtung zu kennen, dieselbe wiederholt und genauere Messungen über den Grad der Divergenz verschieden geneigter Linien gemacht. Er giebt an, dass der Kreuzungswinkel im senkrechten Meridiane 2^ 15^ betrage, von hier aus 30^ seitlich, gleichviel ob nach rechts oder nach links gerechnet, 1^ 74'; um 60^ seitlich P2^, und wenn die fixirten Linien horizontal 9 sind 0^ 43^ Diese Divergenz horizontaler Linien sehe ich auch, aber nur, wenn ich unmittelbar vorher längere Zeit eine nach unten convergirende Stellung der Augen eingehalten habe. Ich sehe dagegen horizontale Linien beider Gesichtsfelder sich voll- ständig deckend, wenn ich vorher längere Zeit in die Feme gesehen habe, oder wenn ich die Versuche selbst, bei denen die Gesichtslinien einander parallel erhalten werden, längere Zeit fortsetze. Für mein eigenes Auge ist also der Zustand, bei welchem horizontale Linien beider Gesichtsfelder sich kreuzen, einer jener Fälle von Ermüdung der Augenmuskeln, die ich schon in dem Aufsatze über die Augenbewegnngen er- wähnt habe, wodurch die Raddrehung der Augen verändert wird. Bei der Convergenz nach innen und unten erleidet das äussere Ende des horizontalen Meridians beider Augen eine 1) Archiv ftlr Ophthalmologie. Bd. IX. Abth. 2. S. 188. Die That- sache ist auch in den Verhandlungen des Heidelberger medic-naturhistor. Vereins vom 8. Mai 1863 erwähnt. Bd. III. S. 66 (oben S. 357 n. 390). 2) Sitzungsbericht der Berliner Akademie 13. August 1863. Fonn des Horopten. 428 Drebnag nadi unten gegen die Virsirebeae. In Folge der Br- müdoDg scheint mm bei der Bttckflibning in die Frin^Lrlage eine entgegengesetzte Drehung des Angee einzutreten, wodurch das äussere Ende jedes horizontalen Meridians gehoben wird. Dadurch wird die scheinbare Divergenz verticaler Linien ver- grÖBsert und horizontale erscheinen so, dasB in jedem Auge das ftoBsere Ende derselben höher erscheint als das innere. Fig. 45. Die Versuche Über die Incongmenz verdcaler Linien in beiden Sehfeldern kann man zunächst so anstellen, wieMeissner es gethan hat bei seinen Untersuchungen Über die Augen- Stellungen, indem man von weit entfernten senkrechten oder geneigten Linien Doppelbilder von geringem Abstände erzeugt and deren Ne^ung mit einander vergleicht Für die Messung der Winkel ist es noch vortheilhafter, wenn man in der Distanz der Augen von einander parallele oder schwach convergente Linien auf Papier zeichnet, und diese im doppeläugigen Sehen einander bis nahehin zur Vereinigung nähert. Am allerzweck- i massigsten indessen habe ich es schliesslich ge&nden, durch doppeäugiges Sehen zwei Zeichnungen zu vereinigen, von denen die eine mit schwarzen Linien auf weissem Qrunde, die andere mit weissen Linien auf schwarzem Qrunde aufgeführt ist, wie die obenstehende Figur 45. Bei der stereoskopischen Vereinigung solcher Linien von verschiedener Farbe oder Be- 430 PhysiologiBche Optik. leuchtuBg bleiben nämlich trotz der stereoskopischen Deckung beide Linien sichtbar, und man kann, wie schon Dove f&r diese Art Zeichnungen bemerkt hat, leicht erkennen, ob die weisse oder schwarze Linie rechts oder links, oben oder unten neben der anderen liegt Die beiden Liniensysteme der Fig. 45 bestehen aus horizontalen und nahehin verticalen Linien. Die horizontalen Linien beider Hälften liegen genau in ihrer gegen- seitigen Verlängerung; die verticalen der rechten schwarzen Hälfte sind mit ihrem oberen Ende um P 13' nach rechts, die der linken um ebenso viel nach links gewendet. Die Abstände der verticalen Linien unter einander und der horizontalen unter einander sind voUkonmien gleich gemacht Der horizon- s tale Abstand entsprechender Punkte beider Zeichnungen ist gleich 64 mm, was im Mittel dem Abstände der Drehungs- punkte erwachsener menschlicher Augen zu entsprechen scheint Bei mir selbst ist dieser Abstand 68 mm. Man betrachte die Fig. 45, so, dass man mit parallelen 6e- sichtslmien senkrecht auf sie hinsieht, und dass das rechte Auge den Mittelpunkt des rechten Gitters auf schwarzem Grande, das linke den Mittelpunkt des linken Gitters auf weissem Grunde fixirt Dadurch kommen die beiden Liniensysteme zur zweiäugigen Deckung, und man wird leicht erkennen, dass wenn die Mittelpunkte sich decken, auch die entsprechenden Linien beider Zeichnungen sich vollständig decken. Verändert man die Oonvergenz etwas, sodass die Linien nicht vollkommen auf einander fallen, so erscheinen sie in parallelen Doppel- bildern. Um die horizontalen Linien in Doppelbildern zu sehen, braucht man die Zeichnung nur so zu drehen, dass ihre Horizontallinien ein wenig geneigt sind gegen die ab horizontal angenommene Visirebene. Betrachtet man das rechte Gitter auf schwarzem Grunde mit dem rechten Auge, so erscheint es rechtwinkelig, dagegen dem linken Auge erscheint es schiefwinkeliger als es wirklich ist Das Unke Gritter auf weissem Grunde dagegen erscheint dem linken Auge rechtwinkelig, dem rechten schiefwinkelig. Daraus folgt, dass nicht diejenigen Lioien in beiden Sehfeldern mit einander correspondiren, welche wirklich vertikal sind, Bondem diejenigen, welche vertical erscheinen. Elleine Diffe- Form des Horopters. 431 renzen in der Grösse des Winkels, um den die scheinbar yerti- calen Linien von den ivirklich yerticalen abweichen, mögen bei verschiedenen Individuen vorkommen, doch ist die Messung und Beurtheilung dieses Winkels bei der beschriebenen Beob- achtnngsweise nicht mit solcher Genauigkeit auszuführen (wenn man nicht etwa, wie Volkmann, Mittelzahlen vieler Beob- « achtungen dazu anwendet), dass solche Unterschiede bei den Personen, denen ich die Versuche bisher gezeigt habe, merk- lich geworden wären. Worauf die Wahl des in der Figur an- gewendeten Winkels zwischen etwas grösseren und etwas kleineren, die der erreichbaren Genauigkeit dieser Beobach- tungen auch wohl genügen würden, beruht, wird unten er- hellen. Sollten einzelnen Beobachtern die horizontalen Linien sich kreuzen, so müssen sie zunächst längere Zeit in die Ferne sehen, bis die horizontalen Linien parallel geworden sind. Wenn man die Figuren umkehrt, oben zu unten macht, und sie dann stereoskopisch vereinigt, so erscheinen die senk- rechten Linien in übertriebener Divergenz. Zeichnet man ähnliche Figuren mit genau rechtwinkeligen Gittern, so scheinen die verticalen Linien eben&Us sich zu kreuzen. Ich will hier nicht weiter eingehen auf die Frage nach dem muthmaasslichen Grunde der Identität je zweier Netzhaut- stellen, auch nicht auf die nach dem Grunde der beschriebenen Assynmietrie des Auges. Es ist das für die uns vorliegende Aufgabe nicht nöthig, wir können uns einfach an die That- sachen halten. Damit ich aber nicht nöthig habe die That- sachen mit mehr oder weniger unsicheren Vorstellungen über die Gestalt der Netzhäute und die Lage der Bildpunkte auf ihnen zu vermischen], sei es mir erlaubt folgende Begriffe in die Darstellung einzuführen. Unter Gesichtsfeld verstehe ich das gemeinsame Feld, was beide Augen übersehen können, sei es mit oder ohne Be- wegung. Da Gesicht den Sinn des Sehens in seiner Vollstän- digkeit bezeichnet, so scheint mir diese Anwendung des Wortes die passendste, und sie entspricht auch am besten dem bis- herigen Gtebrauche. Unter Sehfeld verstehe ich eine um den £[reuzimgspunkt 7 432 Physiologische Optik. der yisirlinien ^) eines Auges als Mittelpunkt geschlagene Kugel- ää^he, und ich denke mir die Fläche des Sehfeldes, welches also nur die Ton einem Auge gesehenen Bilder enthält, als fest in Beziehung zum Auge selbst, und mit diesem sich be- wegend. Der Ort eines Objectpunktes A im Sehfelde wird bestimmt durch die Visirlinie, die durch A und den Ereuzungs- punkt der Yisirlinien gezogen ist; wo diese die Fläche des Sehfeldes schneidet, liegt der Punkt, auf welchem das Object A im Sehfelde projicirt erscheint Diesen Punkt will idi den geometrischen Ort Ton A im Sehfelde nennen, im Ge- gensatz gegen den nach dem Augenmaasse bestimmten schein- baren Ort. Die Visirlinie, als Strahl betrachtet, wird ge- brochen und trifft die Netzhaut; so wird für jeden Punkt des Sehfeldes ein bestimmter Punkt der Netzhaut zu finden sein, der ihm unabänderlich entspricht. Denjenigen Punkt des Seh- feldes, welcher dem Centrum der Netzhautgrube entspricht, nennen wir den Blickpunkt. Die entsprechende Visirlinie können wir als mit der Qesichtslinie (das heisst der Ver- bindungslinie des fixirten Punktes mit dem ersten Knoten- punkte) identisch betrachten. Ein bestimmter Meridian des Sehfeldes kann dadurch festgestellt werden, dass man die G-e- Sichtslinien beider Augen einander und der Mittelebene des Kopfes parallel auf ein unendlich entferntes Object richtet und durch die beiden Gesichtslinien eine Ebene (Visirebene) legt; dadurch dass diese die Sehfelder schneidet, ist in jedem Sehfeld ein horizontaler Meridian bestimmt, den ich früher B auch als Netzhauthorizont bezeichnet habe. Von diesem festen Meridian und von dem in ihm liegenden Blickpunkte aus sind alle anderen Abmessimgen des Sehfeldes zu machen. Die vorher beschriebenen Versuche zeigen nun, dass der wirklich verticale Meridian des Sehfeldes uns nicht vertical erscheint, sondern so, ab wäre seine obere Hälfte nach der Nasenseite geneigt. Als vertical erscheint uns vielmehr ein Meridian, der in Wirklichkeit mit seiner oberen Hälfte nach 1) Das ist der Ort, wo der Mittelpunkt der Pupille, durch die Horn- haut gesehen, zu liegen scheint. Siehe mein Handbuch der Physiolog. Optik. S. 98. und 99. Form des Horopters. 433 aussen geneigt ist. Wir müssen danach abo unterscheiden den wirklich und den scheinbar verticalen Meridian des Sehfeldes, wie wir überhaupt f&r jeden Objectpunkt auch unterscheiden müssen seinen geometrischen und seinen scheinbaren Ort im Sehfelde. Der erste wird gefunden, wenn man die Visirlinien zieht in der vorher beschriebenen Weise, der zweite ist nach dem Urtheil unseres Augenmaasses zu be- stimmen. Ausser dieser Abweichung zwischen dem geometrisch verti- calen und dem scheinbar verticalen Meridian des Sehfeldes be- stehen noch manche andere Abweichungen zwischen den geo- metrischen und den scheinbaren Oertem. Ich will hier nur er- wähnen, dass nach der, soviel ich weiss, zuerst von A. Fick gemachten Beobachtung ein Quadrat mit gleichen horizontalen und verticalen Seiten wie ein Rechteck mit längerer Vertical- seite aussieht, das heisst, dass verticale Bögen , verglichen mit horizontalen, zu gross erscheinen; femer dass Bögen der Meri- diane, welche weithin gegen die Peripherie liegen, zu klein er- scheinen. Auch finde ich, wie Recklinghausen, dass grösste Kreise des Sehfeldes, welche entfernt vom Blickpunkte nahe den Grenzen des Feldes verlaufen, gegen den Blickpunkt hin concav erscheinen. Alle diese anderen Abweichungen inter- essiren uns fbr den vorliegenden Zweck weniger, weil sie beide Sehfelder in gleichem Sinne betreffen. Nur die Abweichung der verticalen Meridiane ist für die Yertheilung der correspon- 9 direnden Punkte wichtig, weil sie in beiden Gesichtsfeldern nach entgegengesetzter Richtung statt hat. Ich ziehe es vor, die Darstellung dieser örtlichen Ver- hältnisse an die Sehfelder zu knüpfen als, wie es gewöhnlich geschehen ist und geschieht, an die Fläche der Netzhaut, auf der die Bilder der Gegenstände entworfen sind, weil wir von den Verzerrungen der Bilder auf der Netzhaut, die gewiss nicht fehlen, so gut wie nichts wissen. In den theoretischen Betrachtungen über Brechung des Lichtes im Auge erscheint die Netzhaut als ein ebener zur optischen Axe des cen- trirten Auges senkrechter Schirm. Aber weder ist das Auge genau centrirt, noch entspricht die G^sichtslinie der optischen Axe, noch wissen wir, ob das Centrum der Netzhaut senk- Halmholti, wIimdmIl AbhAndlnngen. II. 28 434 Physiologische Optik. recht zu der einen oder anderen dieser Linien ist; auch ist die Netzhaut keine Ebene. Endlich gelten alle unsere Theo- rien für die optischen Bilder des Auges nur für ein unendlich kleines Stück der Netzhaut in unmittelbarer Nachbarschaft der optischen Axe. Wir wissen also auch nicht, ob, wenn wir durch die Gbsichtslinie ebene Meridianschnitte legen, die Schnittlinien auf der Netzhaut den Bildern gerader Linien der Aussenwelt oder den Meridianen des Sehfeldes entsprechen. Wenn wir also unsere physiologisch optischen Constructionen auf Abmessungen der Netzhaut gründen, so sind wir in Ge- fahr arg irre zu gehen, oder wenigstens können diese Con- structionen zunächst nur für eine Art idealer Netzhaut gelten, die wir uns concentrisch zum Knotenpunkte des Auges denken mögen, und die jedenfalls erheblich von der wirklichen Netz- haut abweicht. Dieser Gefahr entgehen wir, wenn wir unsere Construc- tionen im Sehfelde ausführen, in Bezug dessen wir keiner solchen Unsicherheit ausgesetzt sind. Ausserdem entspricht 10 das auch mehr dem natürlichen Verfahren unseres Bewusst- seins. Denn local begrenzte Empfindungen sind für unser ur- sprüngliches Bewusstsein durchaus nicht localisirt als Erregun- gen besonderer Theile der Netzhaut, sondern als zugehörig be« stimmten Stellen des Sehfeldes. Die ursprüngliche Er&hrong des Menschen weiss nichts von Netzhaut und Netzhautbildem. Dasjenige Moment in unseren Gesichtsempfindungen, wodurch die Empfindung des Roth in der einen Sehnervenfaser unter- schieden ist Yon derselben Empfindung des Roth in einer anderen Faser — wir wollen es mit Lotze das Localzeichen der Empfindung nennen — können wir gar niemals beziehen lernen auf bestimmte Netzhautstellen. Unsere Erfialirung lehrt es uns von An£a.ng an immer nur yerbinden mit einer be- stimmten Stelle des Sehfeldes, die wir durch eine so und so beschaffene Bewegung des Armes erreichen oder verdecken können. Wir können also die Eigenthümlichkeit eines solchen Localzeichens weder für unser G^dächtniss, noch in der Mit- theilung für andere, anders begrifflich bezeichnen und fest- halten, als indem wir sie charakterisiren durch Bezeichnung der Stelle des Sehfeldes, zu der sie gehört. Wenn wir also Form des Horopters. 435 später auch wissen, dass eine bestimmte G^aichtsempfindong durch Dmck auf das Auge hervorgebracht sei, so können wir ihre locale Begrenzung doch für unsere eigene Vorstellung nicht anders aufiEB^sen, als dass es diejenige Empfindung ist, die zu der gegenüber liegenden Stelle des Sehfeldes gehört. Eben deshalb kann auch durch die wissenschaftliche Einsicht in das Wesen der Erscheinung deren Beziehung auf eine be- stimmte Stelle des Sehfeldes, welche wir als Sinnestäuschung bezeichnen müssen, nicht aufgehoben werden. Aus demselben Grunde glaube ich nun auch, dass es ziemlich gleichgültig f&r die Gesichtswahmehmungen ist, welche Verzerrungen die Bilder auf der Netzhaut erleiden, wenn diese u Yerzerrungen nur das ganze Leben hindurch constant dieselben bleiben. Ans allen diesen Gründen scheint es mir zweckmässiger, das Sehfeld als Constructionsfläche einzuführen, statt der Netz- haut. "Wer die ältere Darstellungsweise vOTzieht, mag sich eine dem Sehfelde concentrische ideale Netzhaut denken und auf dieser die Lagebestimmungen machen. Wenn wir nun mit beiden Augen zugleich sehen, und beide Sehfelder mit Objecten ausgefüllt sind, die wir hier als ganz yerschieden voraussetzen wollen, so decken sich beide Seh- felder scheinbar und fallen in das gemeinsame Gesichtsfeld zusammen. Dabei decken sich namentlich für normale, nicht schielende Augen immer die beiden Blickpunkte, welche beim normalen Sehen ja auch immer mit dem einen fixirten Punkte des Gesichtsfeldes zusammenfallen, und es decken sich femer alle diejenigen Punkte beider Sehfelder, welche gleiche schein- bare Lage in Bezug auf den Blickpunkt und den durch ihn gehenden horizontalen Meridian haben. Wenn wir unähnliche Bilder in beiden Sehfeldern haben, so tritt keine Verschmel- zung je zweier Bildpunkte in stereoskopische Raumvorstellungen ein, jedes Bild bleibt in seiner Flächenausdehnung ungestört durch das andere, wenn auch hier und da zeitweilig das eine durch das andere ausgelöscht werden sollte; wir haben in einem solchen Falle das reine Phänomen der Deckung zweier flächen- hafter Bilder. Correspondirende (oder identische) Punkte beide:* 28* 436 Physiologische Optik. Sehfelder sind also solche, welche scheinbar gleiche Lage in beiden haben. Die oben durch die Beobachtung von Fig. 45 ausgeführten Versuche zeigen, dass wenn die Mittelpunkte beider Gitter gleichzeitig fixirt werden und sich decken, auch bei normalen IS Augenstellungen die mittleren Horizontallinien sich decken, die den Netzhauthorizonten des Sehfeldes entsprechen. Femer decken sich die mittleren Yerticallinien, die den scheinbar vertica- len Meridianen des Sehfeldes entsprechen. Ausserdem zeigt die gleichzeitige Deckung der übrigen horizontalen undverticalen Linien, dass auch alle solche Punkte beider Sehfelder corre- spondiren, welche gleich weit und nach denselben Seiten hin abstehen von dem horizontalen und von dem scheinbar verti- calen Meridiane. Um nun die Lage der seitlich gelegenen Punkte durch be- stimmte geometrische Abmessungen festzustellen, denke man sich durch den Exeuzungspunkt der Visirlinien jedes Auges eine Aequatorialebene gelegt, deren Pol der Blickpunkt ist Diese Aequatorialebene wird geschnitten durch den scheinbar horizontalen und scheinbar yerticalen Meridian. Die Schnitt- linien nenne ich die Aequatorialaxen dieser Meridiane. Soll die scheinbare Lage eines Punktes im Sehfelde ge- geben werden, so lege man durch denselben und durch die Aequatorialaxe des horizontalen Meridians eine Ebene, welche mit dem horizontalen Meridian einen Winkel einschliesst, den ich den Höhenwinkel nennen will. Er sei positiv für Punkte, die oberhalb des horizontalen Meridians liegen. Durch ihn wird der senkrechte Abstand der Punkte ün Sehfelde vom horizontalen Meridian bestinmit. Li Fig. 45 ist jede der oberen und unteren horizontalen Linien die Schnittlinie einer solchen Ebene, die einen Höhenwinkel begrenzt, mit der Ebene der Zeichnung, und die Punkte der Zeichnung, welche derselben Horizontallinie angehören, haben also gleichen Höhenwinkel im Sehfelde. Femer lege man eine zweite Ebene durch den Punkt, dessen Lage bestimmt werden soll, und durch die Aequatorial- axe des scheinbar yerticalen Meridians. Diese Ebene schliesst 13 mit dem letzteren Meridian einen Flächenwinkel ein, den ich Form des Horopters. 437 den Breitenwinkel nenneti* will. Er sei in beiden Augen nach rechts hin positiv gerechnet^ nach links hin negativ. Die Ebene, welche den Breitenwinkel begrenzt, schneidet die zur Gresichtsaxe senkrechte Ebene der Zeichnung Fig. 45 in einer geraden Linie, die der Schnittlinie des scheinbar verticalen Meridians parallel ist Die rechts und links gelegenen verti- calen Linien der Fig. 45 sind solche Schnittlinien. Der Breiten- winkel bestimmt also die Abstände des betreffenden Punktes vom scheinbar verticalen Meridian nach rechts und nach links. Nach Festsetzung dieser Abmessungen können wir cor- respondirende Pimkte beider Sehfelder definiren wie folgt: Correspondirende Punkte beider Sehfelder sind solche, welche gleiche Höhenwinkel und gleiche Breitenwinkel haben. Diese Definition ist direct hergeleitet aus den an Fig. 45 angestellten Beobachtungen, welche erwiesen, dass alle ent- sprechenden Linien beider Theile der Figur sich decken^ wenn die Mittelpunkte sich decken. Nun stehen aber sowohl die horizontalen Linien beider Figuren gleich weit von der mitt- leren horizontalen Linie ab, als auch die seitlichen verticalen beider Gitter von der mittleren verticalen. Zu den oberen, beziehlich unteren, horizontalen Linien gehören also gleiche Höhenwinkel in beiden Augen, und für die rechten, beziehlich linken, verticalen Linien beider Gitter gleiche BreitenwinkeL Die Schnittpunkte entsprechender horizontaler und verticaler Linien haben also jeder für das entsprechende Auge gleiche Höhenwinkel und Breitenwinkel und erweisen sich bei der Be- obachtung als correspondirende Punkte. Diese aus der Beobachtung hergeleitete Definition gilt natürlich mit voller Sicherheit nur so weit, als die Beobach- tung reicht, nämlich für die mittlere Gegend des Gesichts- u feldes, soweit man eben die Lage der Linien im indirecten Sehen scharf vergleichen kann. Wo aber eine genaue Ver- gleichung nicht mehr möglich ist, da hört eben auch die ge- naue Bestimmung correspondirender Stellen auf. 438 Physiologische Optik. 2. Form des Horopters. Nachdem wir in dieser Weise die Definition der corre- spondirenden Stellen der Sehfelder den oben beschriebenen Be- obachtungen über die Abweichungen der geometrischen und scheinbaren Oerter angepasst haben, können wir zur Bestim- mung der Form des Horopters tibergehen. Unter Horopter verstehen wir den Inbegriff aller derjenigen Punkte des Baumes, welche in correspon- dirende Stellen beider Sehfelder projicirt werden. Die Lage solcher Punkte ist also durch zwei Bedingun- gen bestimmt: 1) Die Punkte des Horopters müssen in beiden Augen unter gleichem Höhenwinkel erscheinen; 2) sie müssen in beiden Augen auch unter gleichem Breiten- winkel erscheinen. Wir können uns die Untersuchimg erleichtem, indem wir zunächst jede dieser Bedingungen einzeln zu erfüllen suchen. Wir suchen also zimächst alle Punkte auf, welche in beiden Augen unter gleichem Höhenwinkel erscheinen. Der Inbegriff dieser Punkte, welche also durch eine analytisch auszu- sprechende Bedingung, das heisst durch eine Gleichung, be- stimmt sind, ist im allgemeinen eine Fläche, da über- haupt durch eine Gleichung die Punkte einer Fläche im Baume gegeben werden. 16 Da die Punkte, die demselben Höhenwinkel entsprechen, auf eine zur Gesichtslinie senkrechte Ebene als Sehfeld projicirt, wie in Fig. 45, in einer horizontalen geraden Linie neben einander liegen, so nennen wir die erwähnte Fläche den Horizontal- horopter. In dieser Horopterfläche lassen sich nämlich gerade Linien ziehen, die als correspondirende horizontale Linien in beide Sehfelder projicirt werden, und die also als Linien ein- fach erscheinen^ obgleich ihre einzelnen Punkte im allgemeinen nicht in correspondirenden Orten abgebildet werden und da- her in Doppelbildern erscheinen. So lange aber das Doppel- büd jedes Punktes einer Linie mit einem andei'en Punkte der- selben Linie sich deckt, erscheint die Linie selbst einfacL Form des Horopters. 439 Zweitens suchen wir den Inbegriff aller derjenigen Punkte, welche beiden Augen unter gleichen Breitenwinkeln erscheinen. Diese Punkte bilden ebenfalls eine Fläche, welche wir den Verticalhoropter nennen wollen, weil in ihm sich gerade Linien ziehen lassen, welche in beiden Sehfeldern als corre- spondirende yerticale Linien projicirt und einfach gesehen werden, obgleich im allgemeinen jeder einzelne Punkt derselben in zwei vertical unter einander stehenden Doppelbildern er- scheint. Der Horopter im engeren Sinne (Punkthoropter), welcher nur die Punkte umfia.sst, welche gleichzeitig unter gleichem Höhenwinkel und gleichem Breitenwinkel erscheinen, muss beiden Flächen angehören, und ist also die Schnitt- linie des Horizontalhoropters und des Vertical- horopters. Um die Darstellung der Besultate für solche Leser nicht zu unterbrechen, welche die mathematische Analyse der vor- liegenden Aufgabe nicht selbst durchmachen wollen, lasse ich die Bechnungen am Ende dieses Aufsatzes nachfolgen und wende mich hier gleich zur Beschreibung der Formen der ver- le schiedenen Arten des Horopters für verschiedene Stellungen der Augen. Ich bemerke noch, dass ich unter Yisirebene hier wieder die Ebene verstehe, welche durch die beiden Visirlinien gelegt ist, die nach dem Blickpimkte laufen (Gesichtslinien), und Pri- märlage der Visirebene diejenige nenne, in der sie sich befindet, wenn die Augen ihre Primärstellung einnehmen, wie sie in meinem Aufsatze über die Augenbewegungen de- finirt ist Im allgemeinen ist die Form des Horizontalhoropters und die des Verticalhoropters eine Fläche zweiten Grades, und zwar ein Hyperboloid mit einer Mantelfläche. Man kann die Gestalt einer solchen Fläche beschreiben als bestehend aus zwei trichterförmigen Abtheilungen, die mit ihren Spitzen gegen einander gekehrt sind und hier durch einen engeren Canal in Verbindung stehen, der nach beiden Seiten hin in allmäliger Erweiterung in die beiden Trichter übergeht. 440 Physiologische Optik. Bei gewissen Lagen des Fixationspunktes jedoch geht ein solches Hyperboloid über in einen Kegel oder in zwei sich schneidende Ebenen^ welche Fälle wir besonders aufzählen wollen. Der Punkthoropter ist also im allgemeinen die Schnitt- linie zweier Hyperboloide, also eine Curve doppelter Krümmung. In den erwähnten Ausnahmsfallen aber kann er auf gerade Linien oder auf ebene Curven zweiten G-rades, das heisst Kegelschnitte und Kreise, zurückgeführt werden. A. Der Fixationspunkt liegt in endlicher Ent- fernung in der Medianebene des Kopfes. Bei dieser Lage des Fixationspunktes stehen die Augen symmetrisch gegen die Medianebene. Die Medianebene wird in einem Punkte von den beiden Aequatorialaxen der hori- zontalen Meridiane des Sehfeldes geschnitten; wir wollen die- 17 sen Punkt im Folgenden als den Schnittpunkt der Hori- zontal axen bezeichnen. Da die Augen convergiren, so liegt dieser Punkt etwas weiter zurück als die gerade Verbindungs- linie ihrer beiden Drehpimkte, und nach dem Listin gesehen Gresetze der Augenbewegungen liegen die Aequatorialaxen und ihr Schnittpunkt nur dann in der Visirebene, wenn diese so liegt, dass sie durch die Primärstellungen der G-esichtslinien geht. Ist die Visirebene gesenkt, so liegt jener Schnittpunkt der Horizontalaxen unterhalb derselben; ist sie gehoben, so liegt er höher als die Visirebene. Ein anderer Punkt der Medianebene wird gleichzeitig von den beiden Aequatorialaxen der scheinbar verticalen Meridiane geschnitten; wir nennen ihn den Schnittpunkt der Verti- calaxen. Bei mittlerer horizontaler Richtung der Visirebene liegt er etwa 5 Fuss unter der Visirebene; wenn die Visirebene gehoben wird, nähert er sich derselben, wenn sie gesenkt wird, entfernt er sich von ihr. Ja, bei starken Graden nach unten gerichteter Convergenz kann er in unendliche Entfernung hin- ausrücken und endlich oberhalb der Visirebene wieder er- scheinen, was also geschieht, wenn die scheinbar verticalen Meridiane durch Baddrehungen des Auges nach oben conver- gent werden. Die beiden genannten Schnittpunkte, da sie Linien an- Form des Horopters. 441 gehören, welche in den Aequatorialebenen beider Sehfelder liegen, liegen eben deshalb auch immer in der gemeinsamen Schnittlinie der Aequatorialebenen und der Medianebene des Kopfes. Diese Schnittlinie ist senkrecht zur Yisirebene, und läuft desto weiter hinter der Verbindungslinie der Drehpunkte hindurch, je stärker die Augen convergiren. Nachdem man die Lage der genannten beiden Schnitt- punkte bestimmt hat, ist die Form der Horopter leicht zu findeil wie folgt: Der Horizontalhoropter besteht in diesem Falle aus le zwei sich schneidenden Ebenen, deren eine die Medianebene ist, während die zweite durch den Schnittpunkt der Horizon- talaxen und die Centra der Visirlinien zu legen ist. Wenn das Gesetz von Listing für die Augenbewegungen des be- treffenden Individuum gültig ist, sO kann man die Lage dieser Ebene finden, wenn man die Winkel, welche jede Gesichts- linie mit ihrer Primärlage macht, halbirt und durch die beiden Halbirungslinien eine Ebene legt. Diese ist die Ebene des Horizontalhoropters. Sie verläuft also bei gehobenem Blicke unter, bei gesenktem Blicke über dem Fixationspunkte , und halbirt bei nicht zu starken Convergenzen auch nahehin den Winkel zwischen der Visirebene und ihrer Primärlage. Einfach gesehen werden alle geraden Linien, welche in der letztgenannten Horopterebene liegen, und alle, welche in der Medianebene durch den Schnittpunkt der Horizontalaxen gezogen* sind. Der Verticalhoropter ist bei der genannten Stellung der Augen eine Kegelfläche, deren Spitze der Schnittpunkt der Verticalaxen ist, und welche durch den sogenannten Müll er 'sehen Horopterkreis geht, das heisst durch einen Kreis, der durch den Fixationspunkt und durch die beiden Centra der Visirlinien gelegt ist. Doch ist von dieser Kegel- fläche dasjenige Stück auszuschliessen , welches nach innen zwischen denjenigen beiden geraden Linien liegt, die von der Spitze des Kegels durch die beiden Centra der Visirpunkte gezogen sind. Die Punkte dieses Stückes, welche zum Theil zwischen beiden Augen Hegen, würden sich nämlich in beiden Sehfeldern zwar in gleichen Abständen von den scheinbar 442 Physiologische Optik. yerticaleii Meridianen, aber nicht auf correspondirenden Seiten derselben abbilden. 19 Einfach erscheinen alle geraden Linien, die durch die Spitze des Kegels in der Kegeloberfläche gezogen werden können. Der Punkthoropter besteht aus einer geraden Linie, die durch den Fixationspunkt und durch den Schnittpunkt der Yerticalaxen gezogen ist Es ist dies die SchnittUnie des Kegels mit der Medianebene. Zweitens gehört zum Punkt- horopter ein ebener Kegelschnitt, entstanden dadurch, dass die zweite Ebene des Horizontalhoropters den Kegel des Vertical- horopters schneidet Dieser Kegelschnitt geht stets durch die Centra der Visirlinien beider Augen. Er ist ein Kreis, J. Mtiller's Horopterkreis, wenn die Visirebene sich in ihrer Primärlage befindet; dann geht derselbe auch durch den Fixa- tionspuukt. Der Kegelschnitt ist eine Ellipse, deren mediane Axe kleiner ist als die quere Axe, wenn der Blick nach oben gewendet ist; er schneidet dann die gerade Horopterlinie unterhalb des Fisationspunktes. Der Kegelschnitt ist gewöhn- Uch eine Ellipse mit längerer medianer Axe, wenn der Blick massig nach unten convergirt. Diese Ellipse schneidet die gerade Horopterlinie .oberhalb des Fixationspunktes. Der Schnittpunkt beider Linien kann aber auch bei gewissen tiefen Lagen des Fixationspunktes hinausrücken in das unendliche oder hinter den Bücken des Beobachters fallen; dann wird die Ellipse beziehUch eine Parabel oder eine Hyperbel, deren sichtbarer Zweig die gerade Horopterlinie gar nicht schneidet. Damit das geschehe, muss der Fixationspunkt mehr als doppelt so tief unter der Primärlage der Visirebene hegen wie der Schnittpunkt der Yerticalaxen in der Primärstellung der Augen, also bei Erwachsenen mehr als zehn Fuss. Für Augen, welche keine Abweichung zwischen dem geo- metrischen und scheinbar verticalen Meridian des Sehfeldes zeigten, würde der Kegelschnitt immer ein Kreis sein, dessen ao Ebene senkrecht zur geraden Horopterlinie wäre , wie dies schon früher von Pr6vost gefunden ist. B. Der Fixationspunkt liegt in der Median- ebene unendlich entfernt Form des Horopters. 448 Wenn der Fixationspunkt in der Medianebene bleibt^ aber in nnendliche Entfernung hinaasrflckt, sodass die Gesichtslinien einander parallel werden, so fallen die horizontalen Meridiane des Sehfeldes mit der Yisirebene zusammen und ihre Aequa- torialaxen mit der Verbindungslinie der Centra der Visirlinien, Dann liegen auch diese beiden Centra mit dem Schnittpunkte der Aequatorialazen in einer geraden Linie , und können die Lage einer Ebene nicht mehr bestimmen; vielmehr gehört dann jede durch die Centra der Yisirlinien getigte Ebene, folglich auch der ganze unendliche Raum, dem Horizontal- horopter an. Es ist leicht einzusehen, dass bei dieser Stel- lung der Augen, wo die Aequatorialaxen der horizontalen Meridiane in eine gerade Linie zusammenfallen, auch die durch sie gelegten Ebenen, welche die Höhenwinkel bestim- men, f&r jeden Punkt des Eaumes zusammenfallen, und also jeder Punkt des Eaumes beiden Augen unter gleichen Höhen- winkeln erscheint Der Kegel des Verticalhoropters reducirt sich in diesem Falle, da Müller's Horopterkreis, der einen Querschnitt des Kegels bildet, unendlich gross wird, auf zwei sich schneidende Ebenen, von denen die eine senkrecht zur Visirebene durch die beiden Centra der Yisirlinien zu legen ist uud weiter keine Bedeutung för das Sehen hat, da ihre Punkte nicht beiden Augen gleichzeitig sichtbar sein können. Die zweite Ebene geht der Visirebene parallel durch den Schnittpunkt der Ver- ticalaxen. Da nun bei horizontaler Visirebene der genannte Schnittpunkt etwa in der Gegend der Füsse des Beobachters liegt, so folgt daraus die wichtige und interessante Thatsache, dass die horizontale Bodenfläche, auf der der Be- si obachter steht, Horopterfläche ist, wenn dieser in horizontaler Richtung und parallel mit der Median- ebene seines Kopfes in unendliche Ferne hinaus- schaut. Und zwar ist in diesem Falle die Bodenüäche nicht nur Verticalhoropter, sondern auch Punkthoropter, weil in diesem Falle jeder Punkt des Baumes dem Horizontalhoropter an- gehckt. Früher galt für das Sehen in imendlicbe Feme eine 444 Phj'BiolDgiflche Op^. nneadlich entfernte Fläche als Horopter. In dieser Beziehung hringt also die kleine Abweichung der scheinbar und wirklich verticalen Meridiane des Gesichtefeldea eine wichtige und be- deutende ÄeaderuDg hervor, deren praktische Bedeutung vir weiter outen hervorheben werden. Wenn die Yisirebene nicht horizontal ist, der SSxatJous- punkt aber unendlich entfernt in der Medianebeoe liegt, so liegt die Horopterebene doch immer in derselben Entfernung unter ihr uif^ ihr parallel, wie in dem zuerst betrachtetem Falle. Fig. 46. Um die geometrischen VerhlUtniese des Horopters an- schaulicher zu machen , lasse ich hier Fig. 46 folgen, welche zeigt, wie man die Lage der Horopterlinien bei Yoraussetznng des Listing'schen Gresetzes fbr die Angenbewegungen und bei medianer Lage des Fixationspunktes durch Constmction finden kann. Die Zeichnung stelle vor die Medianebene des Kopfes des stehenden Beobachters; und die Haltung des Kopfes sei so, dass die Frimärlage der Glesichtslinie horizontal und pa- rallel ^0 in die Feme gerichtet sei. Der Punkt o sei der zwischen den Mittelpunkten der Visirlinien beider Augen mitten inne gelegene Punkt Man errichte in o das Loth oa auf der Linie o^ und mache es so lang, dass sich in seinem tiefsten Punkt a die scheinbar verticalen Aequatonalaxen der Augen, Form des Horopters. 445 wie sie in der Frimärlage der Gf^sichtslinie gestellt sind, schneiden. Eine horizontal durch a gelegte Ebene, deren 21 Schnittlinie mit der Medianebene DE ist, bildet dann den Horopter ffir die Sehrichtung Ao, Nun wollen wir B als Fizationspunkt annehmen; ^o ist also die Schnittlinie der Yisirebene mit der Medianebene. Denken wir in der Yisirebene den Müller'schen Kreis con- stmirt, der durch B und die Centra beider Augen geht, und dessen medianer Durchmesser Bp sein mag, so errichte man auf Bp in p das Loth pb, m dessen Verlängerung die Spitze des Horopterkegels liegen muss. Zur Vollendung der Oonstruction nehmen wir noch einen dritten Fixationspunkt C zu Hülfe , der so gewäMt ist , dass, wenn wir unter O das Oentrum der Visirlinien eines Auges verstehen, welcher Punkt also etwas vor oder hinter der Ebene der Zeichnung in einem in 0 errichteten Lothe liegen müsste, dann die Linie CO den Winkel AOB halbirt Unter A ist hierbei der unendKch entfernte Fixationspunkt verstanden. Die Visirebene für den Fixationspunkt C ist dann die Ebene des HorizontaUioropters für den Fixationspunkt J?, in sa welcher der kegelschnittförmige Punkthoropter Uegt. Con- struirt man für C den Müller' sehen Horopterkreis , dessen Durchmesser Cq sein möge, und errichtet in 9 ein Loth auf Cq, welches die Fussbodenlinie DE m c schneidet, so ist die gerade Linie ^c die gerade Horopterlinie , und der Punkt/, in welchem sie die Linie pb schneidet, ist die Spitze des Kegels, der durch den Kreis vom Durchmesser Bp geht und Verticalhoropter ist Die Schnittlinie dieses Kegels mit der Ebene Cq und die unendliche gerade Linie Bc bilden den Punkthoropter. Der Schnitt Bp des Kegels ist kreisförmig und steht recht- winkelig auf der E^ante pf des Kegels; ein zweiter Kreisschnitt wird deshalb erhalten, wenn man durch o eine Ebene senkrecht zur Linie Bf legt, deren Durchschnittslinie mit der Median- ebene Go sein mag. Die durch 0 gelegten Schnitte des Kegels, welche zwischen Bo und Go hineinfallen, sind Ellipsen mit längerer Querasce, 446 PhjBiologiBche Optik. die ausserhalb des Winkels GoB üedlenden sind Ellipsen mit längerer medianer Axe, oder Parabeln , wenn sie parallel der Kante Bf des Kegels gelegt sind, oder Hyperbeln, wenn sie Bf erst jenseits / schneiden. Je nachdem also die Linie Co die eine oder andere dieser Lagen hat, bestimmt sich die Form des Kegelschnittes. 0. Der Fixationspunkt liegt in der Primärlage der Visirebene, aber ausserhalb der Medianebene. In diesem Falle liegen die horizontalen Meridiane der Sehfelder in der Visirebene, und ihre Aequatorialaxen schnei- den sich in einem Punkte, welcher auf derjenigen Seite der Medianebene liegt, von der der Blick abgewendet ist Der Horizontalhoropter besteht in diesem Falle aus 28 zwei sich schneidenden Ebenen, nämlich aus der Visirebene und einer zweiten Ebene, die senkrecht zur Visirebene durch den Schnittpunkt der Aequatorialaxen so gelegt ist, dass sie der Linie, die den Winkel der Gesichtslinie halbirt, pa- rallel läuft. Einfach gesehen werden alle geraden Linien, die in der letztgenannten Ebene durch den Schnittpunkt der Aequatorial- axen gezogen sind, und alle Linien in der Visirebene. Der Verticalhoropter ist in diesem Falle ein Hyperboloid, dessen der Visirebene parallele Schnitte kreis- förmig sind. Der Punkthoropter besteht in diesem Falle aus dem Horopterkreis von J. Müller und einer geraden Linie. Es seien a und b in Fig. 47 die Oentra der Visirlioien für beide Augen, c der fixirte Punkt, der durch abc gelegte Kreis der Müller' sehe Horopterkreis, und fg der Durchschnitt der Medianebene mit der Visirebene, so schneidet die gerade Horopterlinie den Kxeis im Punkte /, also seitlich vom Fixationspunkte. Man ziehe den Durchmesser cd und die 34 Linie fd^ errichte in dieser eine Ebene, senkrecht zur Visir- ebene oder Fläche der Zeichnung, so liegt die gerade Ho- ropterlinie ganz in dieser Ebene. Ihr Schnittpunkt mit der Fussbodenfläche wird gefunden, wenn man auf /r/ die Länge fh =^fa abträgt, und in h ein Loth zur Visirebene errichtet. Form des HoroptexB. 447 Dieses schneidet die Fussbodenfläclie in demselben Punkte wie die Horopterlinie. Dadurch ist die Lage der letzteren Yollständig gegeben. Onter Fussbodenfläche ist hier genauer gesprochen die unendliche Horopterebene bei horizontalen, der Medianeböne parallelen Gresichtslinien zu ver- stehen, indem immer eine gerade, aufrechte Haltung des Kopfes des stehenden Beobachters mit horizon- taler Primärlage der Vi- sirebene vorausgesetzt ist. Den Punkt rf, wel- chen man bei dieser Con- struction braucht , kann man auch dadurch be- stimmen, dass ad normal zu ac, und db normal zu bc ist; es sind ad und db die Schnittlinien der Aequatorialebenen bei der betreffenden Stellung des Auges mit der Yisirebene. Wenn die Differenz der scheinbar verticalen Meridiane von den geometrisch verticalen gleich Null wäre, so würde die gerade Horopterlinie senkrecht zum Kreise sein. Sobald jene Abweichung existirt, ist dies nicht der FalL XKesen Theoremen über die mathematische Form des Horopters will ich nur noch hinzufiigen, dass die Wahl eines Horizontal- und VerticaJhoropters, die wir bei der Ableitung der vorstehenden Sätze zu Grunde gelegt haben, von uns will- kürlich und nur deshalb so getroffen ist, um uns der oben ge- gebenen Definition der correspondirenden Punkte anzuschliessen. Wenn wir uns nicht beschränken wollen auf Linien, die im Sehfeld horizontal oder vertical erscheinen, sondern Linien jeder Sichtung nehmen, so lässt sich zeigen, dass bei jeder Stellung der Augen durch jeden Punkt des 448 Physiologische Optik. Baumes sich mindestens eine unendliche gerade Linie legen lässt, welche in beiden Sehfeldern in correspondirenden Linienbildern erscheint. Wenn der Baumpunkt A gegeben ist, so bestimme man seine Projectionen a^ im rechten, a^ im linken Sehfelde. Dann bestimme man im rechten Sehfelde den Punkt c^, welcher dem Punkte a^ correspondirt, und im linken Sehfelde den ent- sprechenden Punkt e^0. Man lege durch a^^ a^ und das Centrum des rechten Sehfeldes eine Ebene, ebenso durch a^, Uq und das Centrum des linken Sehfeldes. Wo beide Ebenen sich schneiden, ist die gesuchte, einfach gesehene Linie, welche durch A geht. Bei dieser Construction kann es vorkommen, dass die Punkte a^ und a^ selbst schon correspondirende sind, woraus folgt, dass A dem Punkthoropter angehört Dann wird jede gerade Linie, welche durch A und einen zweiten Punkt des Punkthoropters geht, einfach gesehen. Ein solches Linien- system bildet dann im allgemeinen einen Kegel, dessen Spitze in A liegt Wenn der Fixationspunkt in der Medianebene oder in der Primärlage der Yisirebene liegt, sind diese Kegel Kegel zweiter Ordnung oder zwei unendliche sich schneidende Ebenen. Jeder Punkt des Punkthoropters kann die Spitze eines solchen Kegels einfach gesehener Linien werden; wenn wir nach einander für jeden Punkt des Punkthoropters die betreffende Kegelfläche construiren, so erhalten wir ein System von Kegel- flächen, die den ganzen Baum ausfüllen und wiederum alle die geraden einlach gesehenen Linien darstellen. Die besprochenen geraden Linien zeigen auch immer die Bichtung an, in der die Doppelbilder eines in ihnen gelegenen Punktes scheinbar auseinander weichen. 27 3. Bedeutung des Horopters beim Sehen. Die erste Bedeutung, in der der Begriff des Horopters von Aguilonius aufgestellt wurde, ist der, dass die Gesichts- bilder namentlich die binocularen Doppelbilder, auf ihm ent> woi*fen erscheinen sollten. Damit hing zusammen, dass der Form des Horopters. 449 Horopter durch die einfach gesehenen Punkte gehen musste, denn diese konnten eine einfache Projection im Horopter nur haben, wenn sie in seiner Fläche selbst liegen. Andererseits konnten alle doppelt erscheinenden Baumpunkte nicht im Horopter liegen. Diese Bedeutung des Horopters scheitert nun schon daran, dass, wie die neueren sorgfältigeren Unter- suchungen ergeben haben, der Horopter als Inbegriff der ein- üch gesehenen Baumpunkte im allgemeinen gar keine Eläche, sondern nur eine Linie ist, auf die keine Bilder projicirt werden können. Andererseits beruht auch die ältere Erklärung der Doppel- bilder, wonach sie dadurch zu Stande kommen sollen, dass jedes Auge seine Gesichtsbilder auf irgend eine durch den Fixationspunkt laufende Fläche projicirt, auf einer ungenauen Beobachtung der Thatsachen. Denn es ist gar nicht wahr, dass wir Gegenstände, welche in deutlich getrennten Doppel- bildern erscheinen, in der Entfernung des Fixationspunktes zu sehen glauben. Wir haben vielmehr eine ziemlich richtige Vorstellung von ihrer wirklichen Lage, die nur in dem Maasse ungenauer wird, als die Doppelbilder weiter auseinander rücken. Man kann dies durch leicht auszufahrende Versuche erweisen. Man fixire fest und ohne die Augen zu verwenden einen Punkt der Wand in der Entfernung von einigen Füssen, und halte dabei ein Blatt steifen Papiers so vor den unteren Theil des Gesichts, dass sein oberer Band einige Zoll vor den 28 Augen und ungefähr in derselben Höhe liegt Der Papier- schirm verdeckt in dieser Stellung alle Gegenstände, die vor dem Beobachter unterhalb seiner Visirebene liegen. Nun lasse man von einem seitlich stehenden Gehilfen einen geraden Draht, etwa eine Stricknadel, von unten her in einer beliebig gewähl- ten Entfernung so in die Höhe schieben, dass er dem Beob- achter anfängt sichtbar zu werden, und zwar unter diesen Um- ständen nur in Doppelbildern sichtbar. Sogleich wird der Be^ obachter eine Vorstellung von der Entfernung des Drahtes er- halten, auch wenn er nicht ein einziges Mal seinen Fixations- punkt verlassen und den Draht einfach gesehen hat Zur Probe versuche er nach dem verdeckten Theile des Drahtes zu greifen, sodass er seine Hand bei dieser Bewegung nicht Helmholti, winenscb. Abhandlnngen. II. 29 450 Physiologische Optik. zu sehen bekommt. Er wird den Draht sogleich beim ersten Versuche treffen, oder wenigstens ganz dicht in seine Nähe gelangen. Damit [sich der Beobachter hierbei kein Urtheil über die Entfernung aus der scheinbaren Dicke des Drahtes bilde, lasse man diesen von dem Gehilfen aus einer grösseren Anzahl verschieden dicker ähnlicher Drähte beliebig wählen. Diese Versuche zeigen, dass wir auch bei deutlich erkenn- baren Doppelbildern doch noch im Stande sind, die stereo- skopische Baumanschauung zu bilden, wenn dieselbe auch desto ungenauer ausfällt, je weiter die Doppelbilder von einander stehen. Aus dem letzteren Grunde ist nun die Beurtheilung der Entfernung und wirklichen Grösse weit entfernter Gegenstände, welche jenseits des Fixationspunktes liegen und in Doppelbildern erscheinen, in der That sehr unvollkommen, imd solche zeigen deshalb auch scheinbare Grössenveränderungen, wenn man den Fixationspunkt ferner oder näher legt. Diese Grössenverände- rungen sind angeführt worden als Beweise dafOr, dass in der 29 That eine Verlegung der Doppelbilder in dieselbe Entfemimg wie die des Fixationspunktes stattfinde. Ich bemerke aber, wie gesagt, diese Grössenveränderungen nur, wenn die Doppel- bilder so weit auseinander rücken, dass sie sich nicht mehr unmittelbar dem Urtheil als zwei Bilder desselben Gegenstandes aufdrängen. Dann erscheint jedes derselben in derselben Grösse, als wenn man das andere mit der Hand vollständig abgeblendet hätte. Es hört dann die stereoskopische Combi- nation ganz auf; man kann die wahre Entfernung des ferneren Gegenstandes gar nicht mehr erkennen und daher nur seine scheinbare Grösse mit der scheinbaren des fixirten Gegen- standes vergleichen, und als Maasstab für beide die durch zweiäugiges Sehen bestimmte wahre Grösse des letzteren be- nutzen, wobei dann natürlich die damit verglichene Grösse des entfernten viel zu klein ausfallen muss. Es genügt hier hervorgehoben zu haben, dass es Fälle giebt, wo deutlich getrennte Doppelbilder gesehen werden und doch aus der Distanz derselben ein richtiges Urtheil über die Grösse und Entfernung des Gegenstandes gebildet wird. Es zeigt diese Thatsache, dass die Wahrnehmung der Doppelbilder Form des Horopters. 451 dnrchaos nicht auf dem Umstände beruht, dass man sie in eine falsche Entfernung projicirt, wenn auch allerdings ihre wirk- liche Entfernung desto mangelhafter beurtheilt wird, je weiter sie auseinander treten. Wer übrigens die Eindrücke beim stereoskopischen Sehen aufmerksam verfolgt hat, wird die beschriebene Erscheinung kennen. Es handelte sich hier nur darum dem Versuche eine solche Form zu geben, dass keine yorausgängige Kenntniss der wahren Entfernung des Objectes durch Einfachsehen ge- wonnen werden konnte. Die Deutung des Horopters als einer Fläche, auf welche ao sich die Doppelbilder projiciren, müssen wir also ganz ab- weisen. Wenn wir nun den Horopter andererseits auflassen als das Aggregat der einfach gesehenen Baumpunkte, so tritt die Schwierigkeit ein, dass wir reelle Objecte auch einfach sehen, wenn sie ziemlich weit vom Horopter abliegen, weil die ein- fache Baumvorstellung, zu der die nahehin gleichen Netzhaut- bilder Veranlassung geben, uns unfähig macht, unsere Auf- merksamkeit den kleinen Differenzen der beiden Netzhaut- bilder zuzuwenden. Es ist deshalb auch unmöglich, die wirk- liche Form des Horopters durch Versuche mit reeUen Objecten, die man im Gesichtsfelde hin- und herschiebt, anders als in ganz grober Annäherung zu ermitteln. Die Abweichungen, welche die Angaben unserer besten Beobachter, die solche Versuche angestellt haben, zeigen, lassen darüber wohl keinen Zweifel Ich selbst habe mich überzeugt, dass wenn ich einen scharf gezeichneten Punkt mit beiden Augen zu fixiren glaubte, ich bald vor, bald hinter demselben convergirte und ihn doch immer vollkommen einfach sah. Man erkennt das leicht an stereoskopischen Zeichnungen, in denen die zu fixirenden Punkte oder Linien schwarz auf weiss, daneben aber andere sich stereoskopisch entsprechende Linien einerseits schwarz auf weiss, andererseits weiss auf schwarz dargestellt sind. Die letzteren lassen dann die Schwankimgen der Fixation erkennen, indem bald die weisse, bald die schwarze Linie rechts liegt. Im Allgemeinen finde ich, dass wenn man von einem ent- femteren zu einem näheren Fixationspunkte übergeht, man 29* 452 PhysiologiBche Optik. leicht auf einem etwas zu entfernten Fixationsponkte stehen bleibt; umgekehrt, wenn man den Blick aus der Nähe in die Feme wandern l&sst, bleibt man leicht auf einem zu nahen Fixationspunkte stehen. Solche unbewusste Aenderungen in der Convergenz der Augenaxen müssen nun auch von grossem 81 Einfluss sein auf die Lage seitlich liegender einfach gesehener Punkte und mögen zum Theil die DüQferenzen der Beobachter veranlasst haben. Ich habe es deshalb vorgezogen, bei den oben gemachten Bestimmungen der correspondirenden Stellen Zeichnungen zu benutzen, deren Linien zu unähnlich waren, um verschmolzen zu werden. Wenn nun alle Aufmerksamkeit der Beobachtung nicht ausreicht, um die kleinen Differenzen zweier zu einer stereo- skopischen Baumanschauung verschmolzenen Q^sichtsbilder zu erkennen und Objecte doppelt zu sehen, die ziemlich merklich von dem mathematischen Horopter entfernt sind, so kann all^- dings die Frage entstehen, ob es nicht eine theoretische Spielerei sei, nach der genauen Form des Horopters zu suchen, wie dies auch Becklinghausen^) ausgesprochen hat Ich muss gestehen, dass ich lange Zeit derselben Meinung gewesen bin. Neuerdings habe ich mich aber überzeugt, dass doch die Gesichtswahmehmungen deijenigen Objectpunkte , die im Ho- ropter liegen, gewisse Yortheile haben, die der Lage des Horopters eine praktische Bedeutung geben. Ich finde nämlich, dass die Baumanschauung durch das binoculare Sehen ihre grösste Genauigkeit erreicht für diejenigen Objecte, die im Horopter liegen^ und desto unge- nauer wird, je weiter sich die Objecte vom Horopter entfernen. Man nehme eine dünne gerade Stricknadel und biege sie in der Mitte ein wenig, sodass ihre beiden Hälften etwa einen Winkel von 175^ mit einander machen; man halte sie dann vor sich in die Medianebene des Kopfes, sodass beide Schenkel des Winkels in dieser Ebene liegen und der Scheitel des Winkels dem Beobachter gerade zugekehrt oder abgekehrt ist. Der Beobachter wird die Biegung der Nadel dann beim Sehen 1) Archiv für Ophthalmologie. Bd. V. Th. IL S. 146. Form des Horopters. 453 mit jedem einzelnen Auge nicht erkennen können, wohl aber sa mit beiden, wenn die Richtung der Nadel im Ganzen der geraden fioropterlinie entspricht Dass sie diese Richtung hat, er- kennt man am leichtesten, wenn man einen etwas jenseits oder diesseits der Nadel gelegenen Punkt -fixirt, sodass die Nadel in wenig von einander abstehenden Doppelbildern erscheint. Wenn sie die Richtung der geraden Horopterlinie hat, sind ihre Doppelbilder einander parallel. Wenn man der Nadel dagegen eine andere Richtung in der Medianebene giebt, sodass sie einen grösseren Winkel mit der Richtung des Horopters bildet, so erscheint sie gerade, imd man kann ihre Biegung nicht mehr erkennen. Man stecke nebeneinander drei gleiche feine Nadeln in ein Holz fest, sodass sie alle senkrecht und einander parallel stehen, aber nicht ganz genau in einer Ebene, vielmehr in einer ganz schwach gekrümmten üylinderfläche, und man be- trachte sie aus einiger Entfernung, sodass die mittelste Nadel sich in der Medianebene befindet Man wird leicht erkennen, ob die Reihe der Nadeln dem Beobachter ihre concave oder conyexe Seite zuwendet, wenn die Reihe der Nadeln senkrecht zur Medianebene gestellt ist, und also der Richtung des Ho- ropterkreises an dieser Stelle folgt. ELält man das Hölzchen mit den Nadeln dagegen weit seitwärts, so erkennt man die Wölbung ihres Bogens am besten, wenn man sie in der Weise schräg gegen die Richtung der Qesichtslinien hält, dass sie wiederum der Richtung des Horopterkreises folgen. Es ist bei diesen Versuchen rathsam, die äusseren Nadeln nicht zu weit '.von der mittleren zu entfernen, sonst tritt eine eigenthümliche Gesichtstäuschung, ein, welche zu Irrthümem verleiten kann; man hält nämlich dann einen Bogen, dessen 83 Krümmung etwa der des Horopterkreises entspricht, f&r eine gerade Linie; eine gerade Linie dagegen für convex gegen den Beobachter, einen objectiv convexen Bogen für convexer als er ist. Doch wird durch diese Gesichtstäuschung die Unterscheid- barkeit der concaven und convexen Seite des Bogens der drei Nadeln, worauf es in dem beschriebenen Versuche ankommt, nicht beeinträchtigt. / 454 Physiologische Optik. Diesen Erfahrungen gegenüber scheint es mir von be« sonderer Wichtigkeit zu sein^ dass für das horizontal in die Feme sehende Auge die Fussbodenfläche Horopterfläche ist Ich will dabei noch bemerken, dass auch, wenn wir einen ge- rade vor uns liegenden , nicht unendlich entfernten Punkt der Fussbodenfläche fiziren, zwar nicht die ganze Fläche Horopter ist, aber doch wenigstens die gerade mediane Horopterlinie immer noch ganz in der Bodenfläche liegt. Nach den voraus beschriebenen Versuchen müssen wir schliessen, dass wir das Etelief der Bodenfläche und die Abstände ihrer einzelnen Theile von einander yerhältnissmässig besser werden unterscheiden können als entsprechende Unterschiede anderer gleichweit ent- fernter Objecto. Das einfachste Mittel, sich von der Richtig- keit dieses Schlusses zu überzeugen, ist, dass man im Freien, wo man entfernte Theile einer ziemlich ebenen Bodenfläche überblicken kann, die Bodenfläche bei solcher Haltung des Kopfes betrachtet, wo sie nicht mehr im Horopter liegt, so also, dass man bei seitwärts geneigtem Kopfe unter dem Arme, oder mit abwärts gekehrtem Kopfe zwischen den Beinen durch- sieht. Im letzteren Falle muss man aber durch Wahl eines etwas erhöhten Standortes die Senkung corrigiren, welche der Kopf in der genannten Stellung erleidet Wenn man die scheinbaren Tiefendimensionen femer Theile des Bodens mit einander vergleicht, wird man leicht erkennen, wie viel ausge- 84 dehnter und weiter hingestreckt die Bodenfläche bei aufrechter Haltung des Kopfes erscheint als bei seitlicher oder verkehrter Haltung. Ich habe manche solche Beobachtungen auf der von Heidelberg nach Mannheim flihrenden Strasse angestellt Vor mir lag hinter einer Reihe von Feldern der Neckar, der einen Einschnitt in das ebene Terrain machte, jenseits wieder ebenes Land, welches sich etwa eine Meile weit bis an den Oelberg bei Schriesheim ausdehnte. Bei aufrechter Haltung des Kopfes erkannte ich vollkommen gut die weitgedehnte Ebene jenseits des Flusses; bei schräger oder verkehrter Haltung schien das Terrain vom Flusse aus unmittelbar zu dem fernen Oelberge in die Höhe zu steigen. Eine Hecke, die durch ein Stück Feld von einem dahinter liegenden Hause getrennt war, was ebenfalls bei aufrechtem Kopfe deutlich zu sehen war, schien Form dea Boropters. 455 bei schlier Haltnng g&nz* nahe top dem Hanse zu liegen, and so fort Auch die kleinen Unebenheiten der Strasse vor mir waren in der natürlichen Haltung des Kopfes Tiel pla- stischer.^ Alle diese Grscbeinnngen treten eben so ein, wenn man, statt den Kopf unzudrehon, das Bild umdreht. Am vortheil- haitosten sind dazu rechtwinkelige Prismen zu gebrauchen. Ich habe zwei derselben mit ihrer HTpotenusenääche, wie £^g. 48 u zeigt, auf eine ebene HolzSäche gekittet, in solcher Entfernung von einander, dass ich mit jedem Auge durch eines hindurch- sehen konnte. Man sieht in solchen Prismen, wenn man parallel der horizontal gerichteten Hypotennseofläche hindnrchblickt Fig. 48. bekanntlich die initichtnng der Gesichtslinien liegenden Objecto durch die innere Spiegelung an der genannten Flache des Prisma auf den Kopf gestellt, das Obere nach nnten gekehrt Wenn man durch solche Prismen nach der Landschaft blickt, tritt dieselbe UnToUkommeuheit in der Wahrnehmung der Form der Bodeufiäche und der Entfernungen ihrer einzelnen Punkte vom Auge und yon einander ein, aJs wenn man mit umge- kehrtem Kopfe hinsieht. Andererseits habe ich zuweilen, durch die Prismen blickend, an der unteren Fläche niedriger und scharf gezeichneter Wolkenschichten deutlicher die Formen erkannt, als wenn ich sie im gewöhnlichen au&echten Bilde betrachtete. Dies erklärt sich dadurch, daes in dem umge- kehrten Bilde die Wolken an Stelle des Fussbodene zu liegen 456 PhysiologiBche Optik. kommen 9 wemi auch Tiel tiefer als dieser. Wemi der Beob- achter einen Theil des Wolkenhimmels fizirt, so liegt ihre Fläche dann dem Horopter näher, als dies sonst der Fall ist Endlich kann man auch beide Arten der Umkehrong com- biniren, das heisst mit dem Kopf zwischen den Beinen durch und gleichzeitig durch die Prismen sehen, sodass Kopf und Bild zusammen umgekehrt werden. Dann kommt die Boden- fläche der Landschaft wieder in die Horopterfläche, und man erhält wieder die genaue Anschauung ihrer Gestalt Es geht aus diesem letzten Versuche hervor, dass weder die ungewöhn- liche Stellung des Kopfes, noch die ungewohnte Stellung des Bildes Schuld sind an der mangelhaften Genauigkeit des 99 körperlichen Bildes, sondern nur die relative Lage des Bildes der Fussbodenfläche zum Auge. Es ist diese eigenthümliche Lage der Horopterfläche offenbar von grosser Bedeutung für den Gebrauch unserer Augen beim Gehen. Wenn wir uns im Freien bewegen, blicken wir meist nach etwas entfernteren Gegenständen in nahehin horizontaler Richtung. Der Fussboden ist dann unsere Horopterfläche; wir erkennen seine Gestalt verhältnissmässig genau auch im indirecten Sehen, und wissen unsere Schritte danach einzurichten. Es ist dies offenbar eine wesentliche Bedin- gung, wenn wir beim Gehen unsere Augen frei gebrauchen sollen. Nur bei ganz unregelmässigem, z. B. aus grobem Steingeröll bestehendem Boden sind wir gezwungen, den Boden bei jedenoi Schritte zu betrachten. Femer ist die Bodenfläche auch ge- wöhnlich die einzige Fläche, welche in weite Entfernungen hinausläuft und an der wir diese Entfernungen abmessen können. Bei den vorher beschriebenen Versuchen überzeugt mau sich, wie ich schon erwähnt habe, leicht, dass man die Entfernungen von entfernten Objecten viel besser erkennt^ wenn die Fussbodenfläche im Horopter liegt, als sonst Es hängt also die Ausmessung der Landschaft, so weit dies durch das stereoskopische Sehen geschehen kann, wesentlich da« von ab. Hiermit scheint mir nun auch das veränderte Aussehen Form des Horopters. 457 der Landschaft erklärt za werden, welches eintritt, wenn man unter dem Arm oder zwischen den Beinen durchsieht. Be- kanntlich treten dabei die Farben der Feme so sehr viel lebendiger hervor, und die ganze Landschaft sieht mehr einem Gemälde gleich; dieser letztere Umstand lässt schon erkennen, dass wir ihre Tiefendimensionen schlechter als beim gewöhn- lichen Sehen erkennen. Die Farben, welche die Luftperspec- tiye fernen G^enständen giebt, sind für unser durch die täg- liche Erfalirung geübtes Auge einmal Zubehör der Feme und fallen uns deshalb an Gegenständen, die wir als fem erkennen, nicht als Körperfarben auf Wenn wir aber durch ümkehrung s7 des Bildes oder des Kopfes die fernen Gegenstände scheinbar näher rücken, so sind die Farben uns ungewöhnlich, und fallen als solche auf. Es ist anfallend bei diesen Versuchen, wie weit der Be- reich der binocularen Baumprojection in die Ferne hinausrücki Denn bei richtiger Lage der Fussbodenebene im Horopter bemerkt man noch die räumliche Trennung von Baumgruppen, die tausend und mehr Schritt von uns entfernt sind, vom Horizonte dadurch, dass ein hinter ihnen sich ausbreitendes Feld noch eben hingestreckt erscheint. Bei der Umkehr des Bildes tritt auch in solchen Fällen ein deutlicher Unterschied ein, indem dann die genannten Baumgmppen und das dahinter liegende Feld mit den Objecten des Horizonts in ein ebenes, scheinbar senkrechtes Bild verschmelzen. Dove hat schon eine Reihe interessanter Beweise für die erstaunliche Genauigkeit des stereoskopischen Sehens gegeben. Ich erinnere an die Yer- gleichung von echten und unechten Geldpapieren, an die Unter- scheidimg von Abdrücken desselben Buchstabensatzes von denen einer zweiten Auflage, an die stereoskopische Combination von Medaillen, die aus verschiedenen Metallen mit demselben Stempel geprägt sind u. s. w., in welchen Fällen man stereo- skopische Beliefbilder statt ebener Bilder erhält, weil es un- möglich ist mit der menschlichen Hand die Gopien absolut gleich in der Grösse und den Abständen der einzelnen Theile mit den Originalen zu machen, und weil selbst so minutiöse Unterschiede der Grösse, wie sie zwei Medaillen aus ver- schiedenem Metall und von ungleicher Elasticität unter dem 458 PhydologiBche Optik. Drucke des Stempels annehinen, hinreichen, bei der binocularen Vergleichung der Bilder bemerkt zu werden. Es ist schwer, theoretisch zu bestimmen, welches die Grenze für die stereoskopische Trennung femer Gegenstände 88 von ihrem unendlich entfernten Hintergrunde ist. Darauf muss nämlich die Art der Beleuchtung und Zeichnung dieses Hinter- grundes einen hervorragenden Einfluss haben. Denken wir einen feststehenden Fixstern, z. B. den Polarstem hinter dem Rande eines festen Objectes, einer Bergspitze zum Beispiel, be- findlich, so wird ein solches Object so weit entfernt sein können, als irdische Verhältnisse es nur immer zulassen, und doch wird der Beobachter eine Stellung einnehmen können, dass er mit dem einen Auge den Stern sieht, mit dem anderen nicht, wobei also ein solcher Unterschied der beiden Bilder vorhanden wäre, wie er zur stereoskopischen Projection gehört Volkmann und AppeP) haben Versuche gemacht mit drei feinen Mikrometerfäden, von denen der eine verstellbar war und vom Beobachter nach dem Augenmaass so gestellt wurde, dass der mittlere gleich weit von den beiden seitlichen abstand. Der mittlere Fehler der Einstellung betrag bei Ver- suchen, wo die seitlichen Fäden vom mittleren 0,2 mm ent- fernt waren, nur 0,012 nun bei einer Sehweite von 300 nmi. Diese Grösse des mittleren Fehlers entspricht einem Gesichts- winkel von 8V4 Secunde. Wenn ein Baumstamm in der Ent- fernung von einer Viertelmeile steht, und hinter ihm in grosser Entfernung zwei andere in dem scheinbaren Abstände von zwei Winkelminuten jederseits, so würde ein ähnliches Bild vor- handen sein, wie die drei Mikrometerfäden darboten, und die Grösse des Unterschiedes in der Stellung des mittleren Baumes würde für die beiden Netzhautbilder so viel betragen, als der mittlere Fehler in den Versuchen von Appel bei der Ver- gleichung der beiden Distanzen betrug. Unter diesen Um- ständen würde also ein stereoskopischer Effect noch möglich sein; es würde noch erkannt werden können, dass jener mittlere 88 sich vor der Ebene der beiden anderen Bäume befindet Ueber- haupt wird ein fein vertical gestreifter Hintergrund, wie ihn 1) Fechner'B Psychophysik. Bd. 1. S. 222. Form des Horopters. 459 der Wuchs der meisten Pflanzen gewährt, im allgemeinen am vor- theilhafbesten für die Wahrnehmung der Tiefendimensionen sein. Auch für nähere Theile der Bodenfläche ist eine punkt- förmige Zeichnung oder eine solche mit Linien, die vom Beobachter aas in die Feme laufen, nothwendig, wenn die Feme durch das binoculare Sehen sicher wahrgenommen werden solL Horizontale Linien, die quer vor dem Beobachter von rechts nach links laufen, können nichts helfen, denn die Bodenfläche ist Punkthoropter oder Yerticalhoropter, aber nicht Horizontalhoropter. Man erkennt dies deutUch an Treppenstufen. Wenn sie blos dem Bande der Stufe parallel gestreift oder beschattet sind, so fühlt man sich unsicher, wenn man bei schwacher Beleuchtung hinabsteigt, wo man die kleinen Fleckchen und Ungleichheiten des Materials nicht erkennen kann. Wenn aber ein Teppich mit Längs- streifen die Treppe hinabgelegt ist, oder dunkle Streifen ge- malt sind, parallel der Länge der Treppe, dann hat derjenige, der hinabsteigt, eine deutliche stereoskopische Wahrnehmung der Stufen,' und tritt sicher. Bei veränderter Bichtung der Visirebene können nun auch Flächen von nicht horizontaler Bichtung in den Horopter kommen und so deutlich modellirt erscheinen, wie es im Horopter geschieht Wenn ich an den Bergabhängen hier bei Heidelberg, die nach der Bheinebene abfallen, eine Stelle suche, welche in ziemlich gleich bleibender Neigung sich gegen die Ebene senkt, und aus einer Höhe von 200 bis 800 Fuss längs des Abhanges herabsehe, so erscheint der Bergabhang deutlich und bestimmt modellirt, so weit er der Visirebene parallel läuft; der AnfftTig der Ebene unten aber, den die Gesichtslinien unter einem Winkel von 30 — 40 Grad treflfen, sieht ziemlich wie ein ebenes Bild aus. Andererseits wenn ich den Blick nach den «o entfernteren Theilen der Ebene richte, welche dann zwar nicht ganz im Horopter liegen, aber doch den Horopter unter einem sehr kleinen Winkel schneiden, so erscheinen diese wieder deutlicher in ihrer wahren Form. Die Ebene, so gesehen, macht ungefähr den Eindmck, als wenn sie vom Fuss des Berges aus eine Strecke lang anstiege, um sich dann weiter gegen den Horizont zu in horizontaler Bichtung fortzusetzen. Es entsteht dadurch scheinbar eine Art flachen Thaies längs 460 Physiologische Optik. des Fusses der Berge, und die entfernteren ebenen Strecken scheinen höher zu liegen als der Fuss der Berge. Wegen dieser Verhältnisse habe ich in der Zeichnung Fig. 45 für den Winkel zwischen dem scheinbar und wirklich yerticalen Meridian den Werth von 1^ 13' genommen, dessen Tangente gleich der halben Entfernung meiaer Augen von einander (34 Millimeter), dividirt durch die Höhe meiner Augen über dem Boden (1660 Millimeter) ist Yolkmann hat für die Divergenz der scheinbar verticalen Meridiane beider Augen angegeben 2^ 15', dessen Hälfte P 4' 3" jenem Winkel nahe genug entsprechen würde. Kleine individuelle Verschieden- heiten werden hierbei natürlich vorkommen. Bei meinen Kindern von 13 und 11 Jahren sind die Augendistanzen nahezu in demselben Verhältnisse kleiner als die Höhe der Augen über dem Boden, sodass der fragliche Winkel der- selbe bleibt und sie die verticalen Linien der Fig. 45 ebenfalls zusammenfallen sehen. Dadurch, dass ich den aus der Theorie folgenden Winkel ftir die Fig. 45 gewählt habe, konnte ich die Theorie an dieser Figur prüfen, während sonst nur schwer eine feste Bestimmung des Winkels sich hätte erlangen lassen« ^ 4. Mathematische Berechnung der Form des Horopters. Um die Gleichungen für den Horopter zu bilden, benutze ich folgende Sätze aus der analytischen Geometrie: 1) Wenn aa! + bi/ +CZ +d ==0\ .^ die Gleichungen zweier Ebenen in der Normalform sind, das heisst, wenn zwischen den Coefficienten derselben folgende Be- ziehungen bestehen: a^2 + J^2 + ci« = 1 ( ^^^ 80 sind a, b, c und a^, ä^, Cj die Cosinus derjenigen Winkel, welche die positiven Normalen der Ebenen mit den positiven rechtwinkeligen Coordinataxen der x, y und z bilden. Pur diejenigen Punkte des Baumes, welche auf Seite der positiv Form des Horopters. 461 gerechneten Normalen liegen, sind die in den Gleichungen (A) gleich Null gesetzten Ausdrücke positiv. Die Entfernungen der beiden Ebenen vom Mittelpunkte der Coordioaten sind d und d^. 2) Es bezeichnet lemer der Ausdruck: den Cosinus des Winkels, den die beiden Ebenen oder ihre positiven Normalen mit einander machen. Sind die beiden Ebenen rechtwinkelig zu einander, so ist: aoj + Ä Jj + cCy^ =s 0. 8) Die Gleichung: l{ax + by + cz + d) + pL {a^x + b^y + CjZ + dj) = 0 ] (C) worin X und ^u zwei beliebig gewählte Constanten sind, ist die Gleichung eiaer Ebene, welche durch die Schnittlinie der bei- 42 den durch die Gleichungen (A) gegebenen Ebenen geht Denn diejenigen Werthe von Xj y, z^ welche die beiden Gleichungen (A) erfüllen, erfüllen nothwendig auch die Gleichung (C). Sie entsprechen also Punkten, die allen drei Ebenen gemeinsam sind. Nun müssen aber sBmmtliche Funkte der Schnittlinie der Ebene A beiden Ebenen angehören, folglich den beiden Gleichungen (A) genügen. Alle Punkte der Schnittlinie liegen also auch in der Ebene C. 4) Wenn die Coefficienten X und /i so gewählt sind, dass die Gleichung (C) die Gleichung einer Ebene in der Normal- form ist, das heisst, wenn: A* + 2i/i(aai+JJi+cCi) + ]U«=l ] (D) ist, so sind die Cosinus der Winkel, welche die positive Nor- male der Ebene C mit der positiven Normale der ersten und zweiten Ebene der Gleichungen (A) macht, beziehlich: pL + X[aa^ + Äij -|- cc^ wie man leicht nach der unter 2) angegebenen Begel findet. Wenn also die Ebenen A rechtwinkelig auf einander stehen, und deshalb: 462 Physiologische Optik. 80 sind X und fi die Cosinus der Winkel^ welche die Ebene C mit ihnen macht. Die Gleichung (D) reducirt sich in diesem Falle auf: ^ + jUj = 1, welche erfüllt wird^ wenn man setzt: A = cos d- u = sin tV*. Dann ist & der Winkel, den die Ebene 0 mit der Ebene: ax + bt/ + cz + d = 0 macht. 48 Nach diesen Vorbemerkungen wenden wir uns zur Be- stimmung des Horopters. Wir nehmen die Visirebene an als die Ebene der xy, den Fixationspunkt als Anfangspunkt der Coordinaten, die Halbi- rungslinie des Convergenzwinkels der Gesichtslinien ab Axe der X, sodass die eine Gesichtslinie mit der Axe der x den Winkel + y, die andere den Winkel — y bildet. Die Glei- chungen der ersten Gesichtslinie sind alsdann: X sin/ — y cos/ = 0 = 0 (1) Diese beiden Gleichungen sind als die Gleichungen zweier Ebenen in der Normalform zu betrachten, welche auf einander rechtwinkelig sind. Die positive Normale der ersten fällt nach der Seite des zweiten Auges hin, die der zweiten in Richtung der positiven z, welches die Richtung nach oben sein mag. Durch die Gesichtslinie als Schnittlinie beider Ebenen legen wir die Ebene eines beliebigen Meridians des betreffen- den Auges, welche mit der Visirebene den Winkel & bilden möge. Ihre Gleichung ergiebt sich, wie oben unter (C): (o? sin / — y cos /) sin i9- + « cos i9- = 0} (2) Bei positiven Werthen von * zwischen 0 und n, neigt sich die positive Normale dieses Meridians nach innen gegen das andere Auge hin. Form des Horopters. 4g3 Die Aeqoatorialaxe der betre£fenden Meridianebene be- stimmen wir, indem wir durch den Mittelpunkt der Visirlinie eine zur Gesichtslinie senkrechte Ebene (Aequatorialebene) legen, deren Gleichung in der Normalform ist: — ar cos ^^ — y sin ^^ + a = 0} (3) wenn a die Entfernung des Centrums der Visirlinien vom Eixationspunkte bedeutet Diese Gleichung ergiebt sich leicht aus der Bedingung, dass sie mit den beiden Gleichungen (1) rechte Winkel zu bilden hat und um a vom Mittelpunkte der m Coordinaten abstehen soll. Ihre positive Normale sieht nach der Seite des Fixationspunktes. Durch die Gleichungen (2) und (3) ist also die Aequa- torialaxe der betre£fenden Meridianebene gegeben. Die beiden Gleichungen bezeichnen zwei sich rechtwinkelig schneidende Ebenen. Die Lage der Punkte im Sehfelde ist zu bestimmen durch eine Ebene, die durch die Aequatorialaxe der Meridianebene gelegt ist und mit dieser selbst den Winkel 9; bildet. Die Gleichung einer solchen Ebene ist wiederum gebildet, wie oben unter (C): [(arsiny — ycofl7')süii9- + ^cosi9-] cos 17 —1 [a? cos ;' + ysin;'— a]sini;=0 j ^ ^ Für das andere Auge ersetzen wir die Grössen y & 1] a beziehlich durch: was uns entsprechend der Gleichung (4) die Gleichung giebt: [— a?8in/8ini9*i— ycos^'sintS'i + ^cosiJ-Jcosi^j — 1 .. . [a? cos ^^ — y sin ^^ — Aj] sin i^j = 0 j ^ ' FOr correspondirende Punkte beider Sehfelder müssen die Winkel & und d-^ so gewählt werden, dass sie correspondiren- den Meridianen entsprechen^ und femer muss sein: V = Vv Unter diesen Bedingungen geben die beiden Gleichungen (4) and (4 a) diejenigen Punkte des Baumes, welche in beiden Seh- feldern unter dem gleichen Distanzwinkel 7/ von dem betreffen- 464 PhyBiologiBche Optik. den Meridian entfernt erscheinen. Die Gleichungen (4) und (4 a) sind aber Gleichungen einer unendlichen geraden Linie. Wenn wir in (4 a) t]^ durch t] ersetzen und dann i? aus (4) und (4a) eliminiren, erhalten wir folgende Gleichung: 0 = {x^+y^miy cos;'(sini9-i + sini?) — ry (sin* — sin^j) — a?zcos/(cosi9'^ — cos^)— yzsin;'(co8i>j+co8ö') . — i? sin ^'(a sin i9'i+öi sind-)— y cos y(a sin i?"i— absind') ' ^ * + z{a cosi?*! — Oj cosi9') M Diese Gleichung umfasst alle diejenigen Punkte des fiau- mes, welche in beiden Augen unter gleichen Distanzwinkeln von den betre£fenden Meridianen erscheinen. Sie ist eine Fläche des zweiten Grades, und da f&r jeden einzelnen Werth des Distanzwinkels 17 die betre£fenden Punkte eine unendliche gerade Linie bilden, die ganz in der Fläche 5 liegen muss, so kann die Fläche der Gleichung (5) nur ein Hyperboloid mit einer Mantelfläche sein, weil dies die einzigen Flächen zweiten Grades sind, in denen unendliche gerade Linien gezogen werden können. Als specielle Formen eines solchen Hyper- boloids können auch auftreten hyperbolische Paraboloide^ Ebenenpaare, Kegel und Cylinder. Wir haben nun in der obigen Darstellung zweierlei be- stimmte Meridianebenen fOr die Abmessungen des Sehfeldes gewählt, nämlich die horizontale und scheinbar verticale. Aas der Gleichung (5) lassen sich also je zwei neue Gleichungen bilden, indem man den Winkeln i9* und &^ erstens diejenigen Werthe giebt, welche den horizontalen Meridianebenen zu- kommen, und zweitens diejenigen, die den scheinbar verticalen Meridianen zukommen. Das erstere giebt die Gleichung des Horizontalhoropters, das letztere die Gleichung des Ver- ticalhoropters. Der Punkthoropter ist die Schnittlinie beider, welche im allgemeinen eine Curye doppelter Ejümmung sein wird, wie sie durch die Durchschneidung zweier Hyperbo- loide entsteht. Ich wende mich nun zu den einzelnen Fällen, in denen die Horopterlinie eine einfachere Form annimmt. A. Der Fixationspunkt liegt in der Medianlinie in endlicher Entfernung. Form des Horopters. 465 a) Horizontalhoropter. Die Augen liegen in diesem Falle gleich weit entfernt vom Fixationsponkte; es ist also: Die horizontalen Meridiane bilden Winkel von gleicher 4« Grosse, aber entgegengesetzter Richtung mit der Visirebene; es ist also: Dadurch verwandelt sich Gleichung (5) in: 0 = 2xy wi& + 2yz%myco^& — 2ya cos y sin ^} (6) welche Gleichung in zwei Factoren zerfällt, sodass sein muss entweder: y = 0 I oder \ (6 a) Ä! sin y = (a cos / — x) tang d- J Die erstere Gleichung ist die der Medianebene des Kör- pers, die zweite die Gleichung einer Ebene, in der die Mittel- punkte der beiden Augen liegen, deren Coordinaten sind : z = ö X = a cos Y und in der ausserdem auch der Funkt liegt, in welchem sich die beiden Aequatorialaxen der horizontalen Netzhautmeridiane schneiden. Diese Aequatorialaxen sind nämlich f&r das eine Auge durch die obigen Gleichungen (2) und (3) gegeben. :rsiny8ini9' — y cosysini?- + zco^d- = 0 — X cos y —ymiy + a^O, Eliminiren wir y, so erhalten wir: XWI& + zwiy cos d- — a cos/ sin & ^Q für das eine Auge, und fOr das andere, wo sin & und sin y negativ zu nehmen sind, dieselbe Gleichung. Beide stimmen aber mit der zweiten der Gleichungen (6 a) überein. Also liegen beide genannte Horizontalaxen des Auges in der zweiten Horopterebene. Halmholts, wliMnieh. Abhandhuicren. II. 30 466 Physiologische Optik. Wenn wir flir die Bewegungen des Auges das Gesetz von Listing zu Grunde legen, wonach^): ° COS r + coß 47 worin unter ß der Winkel verstanden ist, um den die Visir- ebene unter ihre Primärlage gesenkt ist, so lässt sich die Lage der genannten Horopterlinie noch anders bestimmen. Die Gleichungen flir die Primärrichtung der Gesichtslinien sind unter diesen Umständen: y = asmy und ^ = (acos;' — ar)tang/9 }, (6b) und die Gleichung einer zu ihnen senkrechten Ebene, welche durch die Centra der Augen geht, findet sich leicht nach der oben unter 2) gemachten Bemerkung: X cos ß — zsmß = a cos y cos ß }. (6c) Die Gesichtslinien sind gegeben durch die Gleichungen: ^ =r 0 y = 4? tang y], (6d) Die zu ihnen normal gerichtete Aequatorialebene des ersten Auges hat die Gleichung wie oben: X cos ^^ + y sin ;' = a]. (6e) Durch die Primärrichtung der einen Gesichtslinie und ihre gegenwärtige Lage denke man sich eine Ebene gelegt, deren Gleichung ist: ar tang /9 tang ^^ — y tang /9 + ztangy =0j. (6f) Man verificirt diese Gleichung leicht dadurch, dass man den Werth von y aus je einer der Gleichungen der Linien (6 b) oder (6d) hineinsetzt, dann folgt aus (6f) die entsprechende zweiten Gleichung der betre£fenden Linie. Folglich liegen die beiden Linien ganz in der Ebene 6 f. Die Gleichung (6f), verbunden mit der Gleichung der zweiten Horopterebene 6a, welche nach Substitution des obigen Werthes flir tangi9- wird: z{cosy + C08/9) = {acosy — x)wiß}, (6g) 1) Siehe meine Abhandlung über Augenbewegungen im Archiv flir Ophthahnologie. Bd. IX. Abth. IL S. 210 Gleichung (k) (oben S. 416). Form des Horopters. 467 giebt die Lage der Schnittlinien beider Ebenen. Suchen wir die Gleichung derjenigen Ebene, welche senkrecht zu dieser Schnittlinie ist und durch das Centrum des betreffenden Auges geht, so ist diese: x(cosy +C08/?) +ysin;' — z8in/9 = a(l + cosycos/?)]. (6h) Wenn man nun nach der oben unter 2) gegebenen Vor- 48 Schrift die Cosinus der Winkel bestimmt, welche die letzte Ebene 6h mit den Ebenen 6 c und 6e bildet, so findet man sie gleich gross, nämlich gleich: 1/ 1 + cos y cos ^ 2 Daraus folgt, dass auch die Normalen der drei Ebenen, nämlich die Primärlage der Gesichtslinie und die zeitweilige Lage der Gesichtslinie, mit der durch die Gleichungen (6f) und (6 g) in der Horopterebene gegebenen Linien gleiche Winkel bilden. Da letztere nun überdies mit den beiden erstgenannten Linien in derselben Ebene liegt, laut (6f), so halbirt sie den Winkel zwischen der Gesichtslinie und ihrer Primärlage. Daraus ergiebt sich die Richtigkeit der oben in Fig. 2 vorgeschriebenen Construction für die Horopterebene. b. Verticalhoropter. Die scheinbar verticalen Meridiane bilden zwei Winkel mit der Visirebene, welche einander zu zwei Rechten ergänzen. Nennen wir e den Winkel, um den die scheinbar verticalen Meridiane von den wirklich verticalen abweichen, und wie bis- her & den Winkel, um den die horizontalen Meridiane von der Visirebene abweichen, so ist in der Gleichung (5) zu setzen statt a^ & &j^ überall a(-^ -b+ &] (-^+b-& Dadurch erhalten wir: o == 2(ar* + y^ sin y cos ;' cos (i?* — a) — \ 2ar2f cos;'sin(i9' — 6)— 2ax8iny cos(i9'— a) l (7) -|-2azsin(i9'— €)J Wir können diese Gleichung umschreiben in folgende Form: 30* 4d 468 PhjBiolo^he Optik. [j. 1/ j. tapg(^~c) 1, _a_]- ' ^ I '2 Siny '* COBy J Dies ist für constante Werthe von z die Gleichung eines Kreises, dessen Badius gleich Null wird, wenn: " + s^^! ("•) Da die durch Gleichung (7) gegebene Fläche einem Hyper- boloide mit einer Mantelfläche entsprechen muss, und ein solches unendlich kleine kreisförmige Querschnitte nur be- kommen kann, wenn es in einen Kegel übergeht, so ist die durch Gleichung 7 gegebene Fläche ein Kegel zweiten Grades, dessen Spitze um die in Gleichung (7 b) gegebene Entfernung z von der Visirebene entfernt liegt, und zwar über ihr, wenn &> e, und unter ihr, wenn & < e. Letzteres ist jedesmal der Fall, wenn der Blick gehoben ist, weil dann & negativ wird. Grösser als b kann & nur bei stärkeren Graden der Convergenz nach unten werden. Der Kegel ist symmetrisch gegen die Medianebene, da die Werthe von x und z für +y und — y dieselben bleiben. Wenn man y = 0 setzt, findet man die beiden Linien, in denen er die Medianebene schneidet, gegeben durch die Glei- chungen: y = 0 und '^r y = 0 a "" COßy In der zweiten dieser Linien hat x einen constanten Werth. Es ist das die Schnittlinie, in der sich die beiden Aequatorial- ebenen der beiden Augen schneiden, deren Gleichung nach (3) flir das erste Auge ist: 60 — X cos /— ysin/ + a = 0 und für das zweite — a: cos ^^ + y sin ;' + ö = 0. (7 c) Form des Horopters. 469 Daxaas folgen für ihre gemeinsame Schnittlinie die zweiten der Gleichungen (7 c). Diese Schnittlinie steht senkrecht zur Yisirebene; in ihr liegt also die Spitze des Kegels, Die Spitze des Kegels selbst ist der Punkt, in dem sich die scheinbar verticalen Aequatorialaxen schneiden, was mit- tels einer ähnlichen Anwendung der Gleichung (2) und (8), wie vorher ftlr die Horizontalaxen, zu erweisen ist Die zweite Schnittlinie des Kegels mit der Medianebene, gegeben in dem ersten Paar von Gleichungen unter (7 c), geht dxach den Eizationspunkt, da ftlr z = 0 auch x^O wird; da sie ausserdem auch durch die Spitze des Kegels geht, ist sie vollständig bestimmt In der Ebene z = 0 wird die Schnittlinie des Kegels: H ä^r + 3.* = [a^-^D (^^) Es ist dies die Gleichung des sogenannten MüUer'schen Horopterkreises, der aber nur in der Primärlage der Yisirebene wirklich dem Horopter angehört Denn es ist die Gleichung eines Kreises, welcher geht 1) durch den Fixationspunkt, da die Gleichung (7d) erfüllt wird, durch die Werthe von dessen Coordinaten: ar = 0 und y = 0. 2) und 3) durch die Mittelpunkte beider Augen, deren Coordinaten beziehlich sind: X = a cos ;' y =s a sin ^^ und X = a cos y y = — asiny. Dadurch ist die Lage und Form des Kegels vollständig bestimmt Der Kegel ist ein schiefer Kegel; da das eine System seiner Kreisschnitte senkrecht steht auf der zweiten durch die si Gleichungen (7 c) gegebenen medianen Schnittlinie, so muss das andere System seiner Kreisschnitte senkrecht stehen auf der ersten der Linien (7 c). 470 Physiologische Optik. c. Punkthoropter. Die eine Ebene des Horizontalhoropters, nämlich die Median- ebene, schneidet den Kegel in den beiden durch die Gleichungen (7 c) gegebenen Linien. Diese sind also Horopterlinien. Von ihnen liegt aber nur die durch den Fixationspunkt gehende vor den Augen im Gesichtsfelde. Die zweite Ebene des Horizontalhoropters, welche durch die Mittelpunkte der Augen und durch den Schnittpunkt der Horizontalaxen geht, gegeben durch die Gleichung: zsiay = {acosy — x) tang &] (6a) schneidet den Kegel in einem Kegelschnitt, der entweder eine Ellipse (beziehlich Kreis), eine Parabel oder Hyperbel sein muss, je nachdem die Ebene 6 a die beiden Kanten des Kegels, die durch die Gleichungen (7c) bestimmt sind, auf derselben Seite der Spitze schneidet, oder einer parallel ist, oder sie auf verschiedenen Seiten der Spitze schneidet* Um die Form der Schnitte zu erhalten, muss man die Gleichung des Kegels (7) auf andere rechtwinkelige Coordinaten bringen, w, v, y, deren vy Ebene parallel der Ebene des Horizontalhoropters (6 a) ist. Ich bezeichne den in (7 b) ge- gebenen Werth von z für die Spitze des Kegels mit z^ und setze dann: a: = M cos ^ — ü sin i; + cos^ z = w sin f + ü cos i; + Zq so erhält man die Gleichung des Kegels in folgender Form:^ 52 u^{Zq cosy — a tangi^ — uv [2zQCosy tangf — a (1 — tang'f)] + y^ co^"/ + ^^ (^ocosy tang2£ + atangS) = 0. Nennen wir die den u parallele Axe des Kegelschnittes A die den y parallele dagegen B, so folgt hieraus, dass: A* gq cos y J5« "" COS* t («0 cos y — a tangC) _ Zq cos y (sin y' + tang' &) sin y (zq cos y sin y + a tang &) ' Form des Horopters. 471 Wenn dies Verhältniss negativ ist, so ist der Schnitt eine Hyperbel; wenn es unendlich ist, eine Paxabel, wenn positiv, eine Ellipse. Ist der Blick gehoben, so ist tang & und Zq negativ; dann ist das Axenverhältniss stets positiv, also der Schnitt eine Ellipse: und zwar ist B in diesem Falle stets die grössere Axe, wie man sieht, wenn man für Zq seinen Werth aus (7 b) setzt. A^ __ sin' y + tang' & 5« "" ßin'y 4-tang^ tang(^-«)"* Wenn dagegen & positiv ist, wie es bei gesenktem Blicke der Fall ist, und & > e, so ist das Verhältniss nothwendig positiv und A> B, die Ellipse also in Richtung der Gesichts- linien verlängert. Dagegen kann bei sehr kleinen Werthen von y der Nenner auch Null oder negativ werden. Die Bedingung für die Form einer Parabel ist, dass der Nenner gleich Null werde. 0 = sin2y(l + tang i?- tang fi) + tang* 19- — tang i?- tang «. Da sin/ jedenfalls sehr klein ist, können wir setzen, wie oben schon bemerkt ist: tangi?* = sin/ . sin {^/zß)} wodurch sich für sin/ die annähernd richtige Gleichung ergiebt: 6s Wenn / noch kleiner ist, als durch diese Gleichung ge- fordert wird, so ist die Curve eine Hyperbel Die Punkte, welche eine parabolische Horopterlinie geben, wenn sie fixirt werden, liegen, wenn sie sehr fem sind, doppelt so tief unter der Primärstellung der Visirebene als der Schnitt- punkt der scheinbaren Verticalaxen des Auges beim Sehen in die Feme. Wenn sie dem Beobachter näher sind, liegen sie noch tiefer als die weit entfernten. Man erkennt dies, wenn man die letzte Gleichung um- schreibt: 472 PhTBiologische Optik. ^ tange ' * coBy cos (/?/,) (l+ßm»(|9/,)' worin Zq den Werth dieser Grösse für den Blick in weit« Feme bezeichnet; die Entfernung des Fixationspunktes von der Primärlage der Visirebene ist acos;' sin/9; der Brach, mit dem es multiplicirt ist, ist kleiner als Eins; in grosser Entfernung aber gleich Eins. Die Fixationspunkte für den hyperbolischen Horopter liegen in der Medianebene unterhalb derjenigen, welche parabolischen Horopter geben. B. Der Fixationspunkt in der Medianebene in un- endlicher Entfernung. In diesem Falle werden die Ghrössen a und x unendlich, ;/ = 1^ = 0 aber x — acosy, welches wir mit g bezeichnen wollen^ ist endlich, und ebenso a sin /* = ef , die halbe Distanz der beiden Augen, unter diesen Umständen wird die Gleichung (6) für jeden beliebigen Werth von |, y und z, also für den ganzen Baum, erfüllt und die Gleichung des Yerticalhoropters reducirt sich auf: 64 0 ~ |tfcos6 + l^sin«, welche in zwei Factoren zerfällt, entweder: oder d tange Die erstere ist die Gleichung einer Ebene, welche durch die Mittelpunkte beider Augen senkrecht zur Visirebene geht; die zweite bezeichnet eine Ebene, welche durch den Schnitt- punkt der scheinbaren Yerticalaxen parallel zur Visirebene ge- legt ist Nur die letztere erscheint im Gesichtsfelde und hat Bedeutung als Horopter. Sie ist nicht blos Verticalhoropter, sondern auch Punkthoropter. Bei horizontaler Richtung der Visirebene ist es die horizontale Bodenfläche. Für die Gonstruction dieser Linien und Ebenen, welche in Fig. 46 S. 444 ausgeführt ist, ist zu bemerken, dass die Lage der horizontalen Horopterfläche, welche zur horizontalen Primär- lage der Gesichtslinien gehört, in den von uns gebrauchten Ponn des Horopters. 473 Coordinaten, deren ary Ebene die unter dem Winkel ß gegen ihre Primärlage geneigte Visirebene ist, durch folgende Gleichung gegeben ist: (^- acos;') sin/S + ^cos/9=-^ } (7e) Man kann sich nun überzeugen, dass erstens diese Ebene, zweitens und drittens die beiden Ebenen, deren Schnittlinie die gerade HoropterHnie ist, nämlich: und l (7f) irsiny — 2:tang(i9' — «) == oj endlich die Ebene, welche normal zu der bei der Construction benutzten HiUfsIinie ist: ^(cosy+ cos/9) + ysin;' — 2:sin/9 = a(l + co8y cos/9f (6 h) dass diese vier Ebenen (7e), (7f) und (6h) sich alle in einem ss Punkte schneiden, wenn für & nach dem Gesetze von Listing gesetzt wird: i, a. sin y sin/? tangd-rs 2_ — ti^, ® cos 1* + cos |7 Wenn man nämlich die Werthe von ar, y, z aus den drei ersten Gleichungen in die vierte setzt, wird diese erflilli Daraus folgt, dass wenn man die Schnittlinien der Ebenen (7e) und (6 h) mit der Medianebene construirt, wie in Fig. 46 geschehen ist, dann deren Schnittpunkt auch der HoropterHnie (7 c) angehört 0. Der Fixationspunkt in der Primärlage, der Visirebene seitlich. In diesem Falle ist in der Gleichung (5) a und a^ ver- schieden. Für den horizontalen Meridian des Sehfeldes ist: d- = i?«! = 0 ftr den scheinbar verticalen: * = f-« '^i = y + *- Daraus ergiebt sich folgende Gleichung f&r den Horizontal- horopter: 0= — 2yzsiny + z(a— a^} (8) 474 Physiologische Optik. und folgende für den Verticalhoropter: 0 = 2 {:r^ + y*) sin y cos y cos € + 2xz cos y sin « — | ^ a + flj) sin;' cos 6 +y (oi — a) cos€ cos;' — z (a + öj) sin«) x(y Die Gleichung (8) zerfällt in zwei Pactoren: ^ = 0 }, welches die Gleichung der Visirebene ist, und: (8a) ^ 2 sin y j (8b) 66 welches die Gleichung einer zur Visirebene senkrechten und der orAxe, das heisst der Halbirungslinie des Convergenzwinkels parallelen Ebene ist. Die Gleichungen der Aequatorialebenen beider Augen sind: (8 c) — X cos y — ysiny+a=01 — X cos /+ysin;' + «i==0 j was nach Elimination von x giebt: 2y sin ;' = a — Oj, identisch mit der Gleichung (8 b). Die Horopterebene (8 b) lässt sich also dadurch bestimmen, dass sie durch die Schnitt- linien der Aequatorialebenen geht und parallel zur Halbirungs- linie des Convergenzwinkels ist. Die Gleichung (9) ist die eines Hyperboloids. Schreiben wir sie um in folgende Form: 2 r a — < '^ siny 4cosy y - f^*"!' '% tang fl g + Ot 2 siny 4c08y 8 + a — a, 4 sin rj 8 (9 a) so ergiebt sich, dass die Schnittlinie desselben mit allen der Visirebene parallelen Ebenen, für welche z constant ist, ein Kreis ist, dessen Radius am kleinsten ist, wenn: oder 2 8inr 4co8y ^ __ o + er, tangy "" 2 tang B (9b) Form des Horopters. 475 Es ist dies unterhalb der Visirebene, in solcher Entfernung, wo bei symmetrischer Augenstellung und gleichen Convergenz- winkeln die Spitze des Kegels liegt, der den Verticalhoropter 57 büdet, wie man bei Vergleichung von (9 b) mit (7 b) sieht. Der Punkthoropter findet sich, wenn man die Glei- chungen (8 a) imd (8 b) mit (9) oder (9 a) combinirt. Setzt man (8 b) in (9 a), so reducirt sich diese Gleichimg auf: x+^l tange a + a, 2 sm^ Also entweder: 4 COS' = ± z tang 8 , a + cL 2 sin 4 COS rj oder Bin^ 2 COS}' (9c) welche beiden Gleichungen in Verbindung mit der Glei- chung (8 b): — ^-"^ 1 ^ "" 2 siny / (8 b) die Gleichung zweier gerader Horopterlinien sind. Die Gleichungen (8 b) und die zweite der Gleichungen (9 c) zusammengenommen, repräsentiren die Schnittlinie der Aequa- torialebenen des Auges, wie man aus ihrer Vergleichung mit den Gleichungen dieser Ebene in (8 c) erkennt Die betreffende Horopterünie fällt aber in Wirklichkeit nicht in das gemein- schaftliche Gesichtsfeld beider Augen. Vergleicht man mit den Gleichungen der anderen Horopter- linie [die erstere der Gleichungen (9 c) und (8 b) ] die Gleichung der Schnittlinie der beiden scheinbar verticalen Meridianebenen, deren Gleichungen nach 2) sind (o: sin ;^ — y cos y) cos « + z sin € = 0, (— a? sin / — y cos y) cos e — j? sin c = 0, ans denen folgt: a: sin / 4- ^ tang « = 0, so ergiebt sich, dass die zweite Horopterlinie der Schnittlinie 68 476 Physiologische Optik. der scheinbar verticalen Meridianebenen parallel ist, aber seit- lich davon liegt in der Entfernung (a — ai)/(2sin/). Wenn man durch die Schnittlinie der beiden scheinbar verticalen Meridianebenen eine Ebene senkrecht zur Yisirebene legt, so halbirt deren Schnittlinie mit der Yisirebene den Convergenzwinkel der Gesichtslinien und bildet in unserem Coordinatensystem die :cz Ebene. Nun lege man senkrecht zu dieser dTz Ebene eine Ebene durch die Schnittlinie der schein- bar verticalen Meridiane, und parallel zur xz Ebene eine Ebene durch die Schnittlinie der Aequatorialebenen beider Augen; wo die beiden zuletzt construirten Ebenen sich schneiden, liegt die gerade Horopterlinie. Die Gleichung (8 a) verbunden mit (9 a) giebt die zweite Linie des Punkthoropters. Diese ist: z = 0, die Gleichung eines Kreises, welcher mit dem Müller* sehen Horopterkreise zusammenfällt. Denn die Gleichung (10) wird erfttllt: 1) Für den Fixationspunkt, dessen Coordinaten sind: x = 0, y = 0. 2) Für den Mittelpunkt des ersten Auges: X = a cos ;', y = a sin y. 3) Für den Mittelpunkt des zweiten Auges: 0? = flj cos y , y = — flTj sin y. s9 Ausserdem liegen in diesem Kreise auch natürlich die beiden Punkte, wo die beiden geraden Horopterlinien die Yisirebene schneiden, nämlich: 4) Für den der sichtbaren Horopterlinie: — n — * — ^^ "" ' ^ "" 2 siny ' 5) Für die nicht sichtbare Horopterlinie: a-¥a, a^cL X =s , V = -^ • 2 cosy ' ^ 2 siny Form des Horopters. 477 6) Endlich noch der Punkt, wo die Halbinmgslinie des ConTergenzwinkels den Kreis schneidet: __ g + gi _ Q Man erkennt leicht, dass der Punkt 4 gleichweit von 2 nnd 8 absteht, ebenso der Punkt 6. Beide liegen also in der Medianebene des Kopfes. Die Yerbindungslinie der Punkte 4 und 6 (die Linie fg der Fig. 47) muss also senkrecht stehen auf der von 2 und Z [ab Fig. 47) und letztere halbiren, ausser- dem durch den Mittelpunkt des Kreises gehen. Nennen wir d die halbe Distanz der Augen und e die Linie, welche die Funkte 2 und 4 verbindet, so ist d« = (?=4)%08V+(^)*8inV, e^ =z a'cos*y + (flsiny — ^ .^) oder nach einigen leichten Beductionen: also 9 " [ 2 ) sm^r'^y 2 ) ' d SOLf Macht man also in der ersten Gleichung (9 c) fUr die gerade HoropterHnie: d z = tange' das heisst gleich dem Abstände der Bodenfläche, so wird: d X == -; — = €. worauf die in Fig. 47 angegebene Construction beruht LXVITL Bemerkungen über die Form des Horopters. Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie. Bd. 123. S. 158—161. J68 In einer Anmerkung zu Band CXXTT, Seite 477 dieser Annalen ergreift Hr. E. Hering die Gelegenheit eine von ihm im vierten Hefte seiner Beiträge zur Physiologie aufge- stellte Behauptung zu wiederholen, dass ich nämlich irrthüm- licher Weise der allgemeinen Horoptercurve zwei Zweige zu- geschrieben hätte, während sie nur einen habe. Der Sachverhalt ist, wie ich hiergegen bemerken muss, folgender: Die Horopterlinie wird im [allgemeinen gebildet durch gewisse Theile einer Schnittlinie gewisser Flächen zweiten Grades. Ich selbst habe sie als die Schnittlinie zweier Hyper- boloide von einer Mantelfläche dargestellt.^) Ausser dieser Darstellung hat Hr. Hering auch noch die durch einen Kegel gegeben, der einen Oylinder schneidet, in dessen Oberfläche seine Spitze liegt» Man kann bekanntlich eine solche Schnitt- linie zweier Flächen zweiten Grades sehr mannigfaltig dar- stellen, da sich unendlich viele Flächen zweiten Grades durch dieselbe Schnittlinie legen lassen. Die genannte Schnittlinie besteht nun in diesem Falle aus zwei getrennten Theilen, nämlich 1) einer geraden Linie, 169 2] einer zusammenhängenden Curve doppelter Krümmung. Die gerade Linie ist bei der von mir an der genannten Stelle ein- geschlagenen Behandlung des Problems die Schnittlinie der beiden Ebenen, welche in den Knotenpunkten beider Augen senkrecht zu den Gesichtslinien errichtet sind. Hr. Hering l) Archiv für Ophthalmologie. Bd. X. Abth. I. (Vorige Au&atz). Form des Horopters. 479 hat nun bemerkt, dass diese gerade Linie^) nicht Horopter ist, obgleich sie bei der analytischen Behandlung des Problems den gefundenen Gleichungen der Horopterlinie genügt, aber er hat nicht bemerkt, dass auch ein Theil der Curve nicht Horopter ist. Diese Ourve geht nämhch durch die Knotenpunkte beider Augen und läuft mit ihren beiden Enden nach entgegengesetzten Richtungen in das Unendliche aus. Diejenigen Stücke der Curve nun, welche zwischen UnendHch und je einem Knoten- punkte hegen, bilden den Horopter; das zwischen den Knoten- punkten hegende Stück der Ourve ist aber nicht Horopter. Wenn also auch die krumme Schnittlinie der Hyperboloide eine Curve von einem Zweige ist, so hat doch die Horopter- linie zwei vollständig von einander getrennte Zweige. Wenn der Pixationspunkt in der Primärlage der Visir- ebene oder in der Medianebene des Kopfes hegt, stossen die beiden Zweige der Horopterlinie in einem Punkte zusammen und verwandeln sich in zwei sich schneidende ebene Ourven, nämhch in eine gerade Linie und einen ebenen Kegelschnitt, der in dem ersten der eben genannten Fälle ein Kreis, der von J. Müller schon gefundene Horopterkreis ist, dieser Kreis geht bekannthch durch den Fixationspunkt und die Bjiotenpunkte beider Augen. Es ist aber evident, dass von diesem Müller' sehen Ho- ropterkreise derjenige Bogen, welcher zwischen den Knoten- punkten beider Augen Hegt und nicht durch den Fixations- punkt geht, ebenfalls nicht Horopter ist. Denn abgesehen davon, dass bei der gewöhnlichen Gesichtsbildung gar kein Theil dieses Bogens, der durch die Nasenwurzel hindurchgeht, von beiden Augen gleichzeitig gesehen werden kann, würden auch selbst bei so platter Nase imd so hervorragenden Augen, welche dies mögUch machten, die Punkte dieses Bogens sich i65 auf den beiden äusseren, also nicht identischen Seiten beider Netzhäute abbilden. Und auch bei gewöhnUcher Gesichtsbildung erkennt man ja leicht, dass Objecto, die diesem Bogen nahe liegen, wie zum Beispiel unser Nasenrücken selbst, beiden 1) In den ausfiihrlicher besprochenen Fällen ist sie übrigens von mir gar nicht mit aufgeführt worden. S. auch S. 422 Z. 12 v. u. 480 Physiologische Optik. Augen an gerade entgegengesetzten Seiten des Gesichtsfeldes erscheinen. Was nun in dem speciellen Falle Ton dem genannten Bogen d6s Müller 'sehen Kreises gilt, gilt in dem allge- meineren Falle, wie leicht ersichtlich, gerade ebenso von demjenigen Stücke der Curye, welches zwischen den beiden Knotenpunkten liegt. In diesem Stücke der Cunre schneiden sich zwar auch identische Bichtungslinien, aber es ist das nach hinten über die [Netzhaut hinaus verlängerte Stück der einen, welches das vordere Stück der entsprechenden Bichtungslinie im anderen Auge schneidet, während ein reelles Object, das einfach gesehen werden soll, im Schnittpunkte der vor dem Auge gelegenen Theile identischer Bichtungslinien sich be- finden muss. Ich will nun deshalb, weil Hr. Hering diesen Punkt über- sehen hat, ihm nicht nachsagen, wie er es mir im entsprechenden Falle gethan hat, dass das Allgemeinergebniss seiner Bech- nung über den Horopter unrichtig seL Im G^gentheile kann ich seine Behandlung des Problems meinen Lesern nur als sehr elegant, übersichtlich und vollständig anempfehlen; freilich ist die Assymmetrie der beiden Netzhäute, welche einen sehr wichtigen Einfiuss auf die Gestaltung des Horopters hat, nur sehr nebenbei berücksichtigt worden. Auch muss ich einräumen, dass in der ersten vorläufigen Notiz, die ich in den Verhandlungen des hiesigen naturwissen- schaftlichen Vereins^) über meine Untersuchungen, den Ho- ropter betreffend, gegeben habe, derselbe gegeben ist durch eine Gleichung vierten und eine zweiten Grades. Ich hatte damals noch nicht bemerkt, dass zwei Gleichungen nur zweiten Grades 161 genügend seien. In der schliesslichen ausführlichen Bedaction meiner Untersuchungen habe ich diese vereinfachte Darstellung noch vor Hm. Hering's entsprechenden Untersuchungen ge- geben und veröffentlicht. Was die vielen anderen Ausstellungen betrifft, die Hr. Hering an meinen Arbeiten über Augenbewegungen und Ho- 1) Sitzung vom 24. Octoher 1862 , abgedruckt in den Heidelberger Jahrbüchern. Form des Horopters. 481 Topter zu machen findeti so behalte ich mir vor, diejenigen, wo sachliche Erläutenmgen oder die Beseitigung Ton Missyer- Ständnissen nöthig erscheinen, in meinem nun bald vollendeten Handbuch der Optik zu berücksichtigen. Nur einen Punkt noch muss ich gleich erörtern« Ich habe in meinem Aufsatze über die Augenbewegungen ^) gesagt, Hr. Hering habe „die richtige Behauptung angestellt, dass der Horopter immer linienf5rmig sei^. In diesen Worten findet Hr. Hering die Insinuation, er habe es zwar behauptet, aber nicht erwiesen, und yertheidigt sich dagegen« Ich bedaure sehr, dass meine in ganz unverfänglicher und wohlmeinender Absicht geschriebenen Worte eine solche Deutung erleiden konnten, und erkläre daher hier ausdrücklich, dass auch meiner Meinung nach Hr. Hering im dritten Hefte seiner Beiträge einen vollkommen genügenden Beweis f&r diesen von ihm selbstständig und unabhängig von meiner gleichzeitigen Arbeit gefundenen Satz gegeben habe. Zusatz (1882). Wenn durch einen Baumpunkt zwei verschieden gerichtete einfach gesehene Linien gehen, so ge- hört er nothwendig dem Punkthoropter an (S. 448). Wenn aber die verschiedenen Werthen von & und &>^ [Gleichung (4) und (4 a)] entsprechenden Schnittlinien alle zusammenfallen, ist dies nicht mehr nothwendig. Dies geschieht aber für den Werth ^ = 17^ = 0. Die entsprechende Schnittlinie ist die der beiden Aequatorialebenen, und diese ist also nicht Horopter, selbst abgesehen von den physiologischen Gründen, die eine Bestimmung über Identität der Net^autpunkte für die Aequa- torialebenen des Auges unmöglich machen. 1) Archiv fOr Ophthalmologie. Bd. IX. 2. S. 159. H«lmholti, wiiNDicfa. Abhandluigen. IL 81 LXIX. üeber den EinflusB der Baddrehnng der Angen auf die Projeetion der Betinalbilder nach Aussen. Aus den Verhandlungen des natorhiBtorisch-medicinischen Vereins zu Heidelberg. Bd. in. S. 170—171. Vom 25. November 1864. (Das Manuscript wurde am 10. März 1865 eingereicht 170 Die Begel, dass die gesehenen Objecto in Bichtung der Yisirlinien des Auges nach Aussen projicirt werden, erleidet gewisse Ausnahmen. Wenn man bei parallel gestellten 6e- sichtslinien ein nicht unendlich weit entferntes Object betrachtet, so sieht man dieses in Doppelbildern, und doch, wie nament- lich Hr. E. Hering neuerlich mit Recht hervorgehoben hat, in natürlicher Grösse und Entfernung vom Auge, woraus noth- wendig folgt, dass diese Doppelbilder in falscher Bichtung pro- jicirt werden. Wenn man ein entferntes Object mit einem Auge fizirt, während das andere geschlossen ist, und man dann ohne die Fixationsrichtung des o£fenen Auges zu ver- ändern, die Convergenz beider Augen vermehrt, so tritt eine Scheinbewegung der fixirten Objecto nach der Seite des oflfe- nen Auges hin ein. Hr. E. Hering hat den hierher ge- hörigen Erscheinungen den empirischen Ausdruck gegeben, dass wir die Objecto so projiciren, als wenn die Netzhaut- bilder sich in einem in der Mitte zwischen beiden wirklichen Augen gelegenen ideellen Auge befänden, dessen G^sichtslinie nach dem Convergenzpunkte der beiden wirklichen G-esichts- linien gerichtet wäre. Der Vortragende glaubt, dass diese Erscheinimgen zu er- klären sind daraus, dass wir beim gewöhnlichen Sehen keine bewusste Trennung der Eindrücke beider Augen volbdehen und die Bichtung der Gegenstände daher auch nicht auf je ein oder das andere Auge, sondern auf den Kopf und dessen Mittel- ebene beziehen lernen. Projection des gedrehten Auges. 453 In Beziehung dagegen auf die Raddrehungen der Augen geht Hr. E. Hering von der Annahme aus, dass die Pro- jection der Objecte immer so vollführt wird, als ob gar keine BÄddrehung da wäre. In dieser Beziehung verhält es sich in- dessen ganz ähnlich wie bei den Seitenbewegungen der Augen. Der Vortragende hat gefunden, dass wenn er mit parallelen Gesichtslinien durch schwarze Röhren sieht und einen be- zeichneten Durchmesser derselben vertical zu stellen sucht, er ihn auch bei secundären und tertiären Stellungen der Ge- sichtslinien so stellt, dass er einen verticalön Faden deckt; nicht aber, wenn er dasselbe mit convergenten Gesichtslinien thut. Auch hier tritt eine auffallende scheinbare Lagen- änderung eines solchen Durchmessers ein, wenn man mit einem Auge durch die Röhre bei parallelen Gtesichtslinien blickt imd den Durchmesser horizontal oder vertical stellt, dann die Augen bei ungeänderter Richtung des fixirenden Auges zur Oonvergenz bringt. Es lassen sich auch hier die 171 Erscheinungen im Ganzen so beschreiben, dass man die Ob- jecte so sieht, wie das Hering' sehe ideelle Cyklopenauge sie sehen würde, wenn es die normalen Drehungen eines Auges mitmachte, welches auf den Convergenzpunkt der beiden Ge- sichtslinien gerichtet ist, und dessen Drehung also inuner nahe- hin dem Mittel aus den Raddrehungen beider Augen zusammen genommen entsprechen würde. Der Vortragende hatte früher diesen Einfluss der Oon- vergenz nicht bemerkt. Der Versuch über die scheinbare Oon- cavität von geraden Linien, die mit stark seitUch gewendetem oder stark gehobenem oder gesenktem Blicke durchlaufen wer- den, gelingt desto besser, je näher sie dem Beobachter sind, je grössere Oonvergenz sie also fordern, während bei sehr weit entfernten geraden Linien die Täuschung schwindet. Der Inhalt der vorstehenden Aufsätze LXIV. bis LXIX. ist in der vom Verfasser am 14. April 1864 vor der Royal Society zu London gehaltenen Oroonian Lecture zusammen- gefasst; diese hier in Uebersetzung wiederzugeben erschien des- halb unnöthig. Eine weitere Ausarbeitung derselben Gegen- stände giebt sein „Handbuch der Physiologischen Optik'^ 31 • LXX, Das Telestereoskop. Aus Poggendorf's Annalen der Physik und Chemie. Bd. 102. S. 167-175. — 1857.») 168 Das Netzhautbild jedes einzelnen menschlichen Auges stellt eine perspectivische Projection der im Gesichtsfelde be- findlichen G^egenstfiiide dar. Da der Standpunkt, von welchem diese Projection aufgenommen ist, f&r beide Augen desselben Individuum etwas verschieden ist, sind auch die beiden per- spectivischen Bilder selbst nicht ganz identisch, und ihre Ver- schiedenheiten benutzen wir, wie die stereoskopischen Versuche lehren, um uns daraus ein IJrtheil über die verschiedene Ent- fernung der dargestellten Objecte vom Auge zu bilden. Nim sind die Abbildungen desselben Gegenstandes auf beiden Netz- häuten desto mehr von einander verschieden, je näher der Gegenstand den Augen steht Bei sehr entfernten Gegen- ständen, gegen deren Entfernung die Distanz der Augen ver- las schwindend klein ist, verschwindet auch der unterschied der Bilder, und für solche geht uns also dieses Hülfsmittel, die Entfernungen der Gegenstände zu schätzen und ihre körper- liche Gestalt zu erkennen, verloren. Man kann sich davon namentlich an fernen Gegenständen von unregelmässiger Form, z. B. den die Aussicht begrenzen- den Bergzügen, überzeugen. Die letzteren erscheinen stets wie eine ims kreisförmig umgebende, am Horizont gerade auf- steigende Wand; wir erkennen nichts von den Wölbungen, 1) Eine vorläufige Notiz gab schon Pogg. Ann. Bd. 101. 8. 494. Telestereoskop. 485 ^Einschnitten; verschiedenen hinter einander liegenden Ketten der Berge, wenn uns nicht Schlagschatten, Luftperspective oder eine genaue schon früher erworbene Kenntniss ihrer Porm zu Hülfe kommen. Bei Gegenständen von regel- mässiger Form^ Gebäuden u. s. w. genügt dem Yorstellungs- yermögen schon eher eine einzige perspectivische Ansicht, um sich die nach der Tiefe des Bildes gerichteten Dimensionen ziemlich gut zu ergänzen. Bei den stereoskopischen Landschaftsbildem, welche jetzt Tiel durch Photographie erzeugt werden, ist nun diesem Mangel dadurch abgeholfen dass der Photograph f&r die zweifache Aufiiahme der Landschaft, sich zwei beliebig weit von ein- ander entfernte Standorte wählen, und daher jedenfalls zwei hinreichend von einander verschiedene perspectivische Pro- jectionen der Gegend verschaffen kann. Der Beschauer glaubt dann im Stereoskope ein verkleinertes Modell der Landschaft 2u sehen, dessen Dimensionen sich zu denen der Landschaft verhalten, wie die Augendistanz des Beobachters zur Distanz der beiden Standorte der photographirenden Camera obscura. Daher erklärt sich, dass diese stereoskopischen Bilder eine viel deutlichere Vorstellung von der Form der Landschaft geben, Als die Betrachtung der wirklichen Landschaft wenigstens einem durchreisenden Fremden gewährt, der die einzelnen Objecte der Landschaft nicht schon so genau kennt wie die Einwohner. Städte, welche von einem hohen Punkte aus dem Beschauer als ein wüster Haufen von Dächern erscheinen, lösen sich im Btereoskopischen Bilde auf in die einzelnen, durch die Strassen lo» abgetrennten Vierecke; man erkennt die relative Höhe der Häuser, die Breite der Strassen u. s. w. Dem entsprechend finde ich, dass man von den riesigen Dimensionen der Hoch- alpen im Stereoskop oft einen besseren Begriff bekommt als auf einer Alpenreise, weil derjenige, welcher solcher Berg- reisen und Bergansichten ungewohnt ist, die Berge sich meist 2u nahe und demgemäss zu klein vorstellt, theils wegen des Mangels der Luftperspective, theils weil er so grosse Dimen- sionen zu beurtheilen nicht geübt ist Nur indem er die Müh- seligkeit des Steigens durchmacht und nacheinander dieselben Herge von verschiedenen Standpunkten aus sieht, bildet er 486 Physiologische Optik. sich eine Art von imvollkommeuem Urtheil über ihre Grösse. Noch sind oflfenbar die Vortheile, welche das Stereoskop in dieser Beziehung gewähren kann, wenig ausgebeutet , weil die Photographen im Ganzen eine grössere Distanz der Aufnahme- punkte mit Unrecht zu scheuen scheinen. Es lässt sich ein- sehen, dass man z. B. genaue körperliche Bilder der unnah- barsten Theile der Hochalpen wird erhalten können, wenn man sich für die photographische Au&ahme passende Stand- punkte sucht, welche einige tausend Euss aus einander liegen. Bei der Betrachtung guter Modelle dieser Berge habe ich immer gefunden, dass ich mir durch die landschaftlichen An- sichten auf B.eisen sehr ungenügende Vorstellungen von den Berggruppen gemacht hatte. Ich hatte sie mir im Allgemeinen zu nah aneinander gedrängt und ihre Grundflächen zu schmal vorgestellt. Darin hegt auch wohl der Grund, warum uns Bergmodelle mit übertriebeneu Höhen meist besser gefallen als solche mit richtigem Höhenverhältnisse. Erstere sind der falschen Vorstellung, die wir uns bei flüchtigen Beisen durch die Gebirge zu bilden pflegen, mehr entsprechend als letztere. Einen Theil der Vortheile, welche die stereoskopische^ Photographien gewähren, kann man sich auch bei der directen Beschauung einer Landschaft verschaffen, mittels eines ein- 170 fachen Instrumentes, welches ich Telestereoskop genannt habe. Der Zweck desselben ist, dem Beschauer zwei Bilder der Landschaft stereoskopisch vereinigt zu zeigen, welche zwei Standpunkten entsprechen, deren Distanz die der menschlichen Augen beträchthch übertrifft Die beistehende Figur 49 zeigt Telestereoflkop. 487 einen mitÜer^i horizontalen Durchschnitt des Instrumentes in ^/^^ seiner natürlichen Grösse. Die wesentlichen Theile davon sind yier Spiegel b^ b und Cj Cy welche senkrecht in einem gemeinsamen hölzernen Kasten und unter 45^ gegen die längsten Kanten desselben geneigt befestigt sind. Die äusseren Spiegel b müssen gross, die inneren c kömien klein sein, alle müssen von den best ge- schliffenen dicken Platten genommen sein, die man unter den käuflichen Spiegeln findet, damit sie nicht yerzerrte Bilder geben. Das von dem fernen Objecte kommende Licht wird auf den Wegen ab cd zwei Mal unter rechten Winkeln reflec- tirt, und fallt bei dd in die beiden Augen des Beobachters. Bei/f sind Diaphragmen angebracht, um zu verhindern, dass anderes Licht in die Augen des Beobachters gelange, als was zweimal reflectirt ist Li den Oeffnungen des Kastens, durch welche der Beobachter hineinblickt, ist es zweckmässig zwei ganz schwache Concavgläser von 30 — 40 Zoll Brennweite ein- zusetzen, weil die meisten Augen sehr entfernte Gegenstände nicht ganz deutlich sehen, worauf es hier gerade ankommt. So schwache Gläser hindern auch normalsichtige Augen nicht, deutlich zu sehen. Für Laien ist es wohl rathsamer die Spiegel festzustellen, wie es in der Zeichnung angenommen ist; für gewisse physi- i7i kaiische Versuche, namentlich um nahe Gegenstände beobach- ten zu können, ist es nützlich, die vier Spiegel um senkrechte Axen drehbar zu machen. Jedes Auge des Beobachters sieht in dem kleinen Spiegel seiner Seite den grossen, und in dem grossen die Landschaft gespiegelt; letztere aber erblickt er in einer solchen perspec- tivischen Projection, wie sie von den beiden grossen Spiegeln bb aus erscheint, wodurch natürlich viel grössere Verschieden- heiten der beiden perspectivischen Ansichten hervorgebracht werden, als die beiden Augen des Beobachters bei unmittel- barer Betrachtung der Landschaft gewähren. Um den Stand- punkt genau zu bestimmen, von dem die Landschaft hierbei betrachtet wird, muss man sich die von den zwei Spiegelpaaren entworfenen Bilder der Augen des Beobachters suchen, welche in der Figur in der Verlängerung der Linien ab liegen wür- 488 PhyBiologische Optik. den, über b hinaos, und zwar yon b um bc + cd entfernt Durch das Instrument wird also die Augendistanz des Be- obachters bis zur Gfrösse bb künstlich vergrössert. Dem Beobachter erscheint die Landschaft durch das Telestereoskop wie ein verkleinertes Modell. Es ist dabei einerlei, ob in dem Instrumente Concaygläser angebracht sind oder nicht. Alle nicht zu entfernten Theile der Landschaft bekommen dasselbe körperliche Ansehen wie im Stereoskop, und behalten dabei den ganzen Beichthum ihrer natürlichen Farben, sodass Bilder von überraschender Zierlichkeit und Eleganz entstehen. Fernere Gegenstände erscheinen allerdings platt, lösen sich aber doch noch yon ihrem Hintergrunde ab, so z. B. Berge, die eine halbe Meile entfernt sind, yom Himmel. Wie auf den stereoskopischen Photographien, ist auch im Telestereoskop der Anblick von Baumgruppen sehr überraschend, weil sich die einzelnen Wipfel und in jedem Wipfel die einzelnen Zweige yoUstandig yon einander lösen. Auch niedrig ziehende Wolken scheinen in dem Instrumente häufig yiel körperlicher und mehr yon einander getrennt als dem freien Auge. 173 Je grösser der Abstand der beiden grösseren Spiegel ist, desto weiter hinaus in die Feme zeigt das Instrument die körperlichen Formen der Objecte. Grössere Spiegel geben ein grösseres Gesichtsfeld. Will man daher auf irgend einem Aussichtspunkte das Instrument feststehend anbringen, um die Aussicht dadurch betrachten zu lassen, so wird es yor- theilhaft sein, die Dimensionen der Spiegel und ihren Abstand möglichst zu yergrössem und das Ganze auf einen drehbaren Tisch zu stellen. Für gewöhnlich ist es bequem die grösste Länge des Instrumentes nicht grösser als die Breite eines Fensters zu machen, damit man es yom Zimmer aus gebrauchen könne. Uebrigens erhält man einen grossen Theil der Effecte auch mit kleineren Instrumenten, in denen der gegenseitige Abstand der Spiegel yiel geringer ist Physiker, welche in Anstellung optischer Versuche geübt sind, können sich übrigens eine telestereoskopische Ansicht der Landschaft yerschaffen, ohne eines weiteren Apparates zu bedürfen als eines grossen und eines kleinen Spiegels. Den Telestereoskop. 489 grossen Spiegel hängt man so auf, dass man unter 45^ in ihn liineinblickend die Landschaft sehen kann, stellt sich in der genannten Bichtung einige Fass von ihm entfernt auf und hält den kleinen Spiegel dem grossen parallel , yor dasjenige Auge, welches der Ebene des grossen Spiegels am nächsten ist Wenn also z. B. die rechte Seite des Beschauers dem grossen Spiegel näher ist, betrachte er mit dem rechten Auge die Landschaft im kleinen Spiegel, mit dem linken im grossen, bringe beide Bilder der Landschaft zum Decken, und er wird denselben optischen Effect haben wie im Telestereoskope. Man kann hierbei aber nur schwer yerschiedene Stellen der Aussicht nach einander zur Beobachtung bringen, und nähere Gegenstände 'erscheinen dem linken Auge in geringerer scheinbarer Grösse als dem rechten. Um nahe G^enstände im Telestereoskop betrachten zu kömien, muss man die Spiegel um ihre senkrechten Axen drehen können, sodass die Winkel zwischen ihrer Fläche und 173 der Längskante des Kastens etwas grösser als 46^ werden. Die Objecto erscheinen dann stark verkleinert, ebenfalls mit sehr auffallend hervortretendem Belief. Wenn man blos die grossen Spiegel dreht, die kleinen aber unter dem Winkel von 45^ stehen lässt, erhält man sogar übertriebenes Belief. Sollen die Dimensionen in Bichtung der Tiefe des Gesichtsfeldes zu denen in der Fläche des Gesichtsfeldes das richtige Verhält- niss behalten, so muss man die kleinen Spiegel den grossen stets parallel stellen. Auch der Anblick naher Gegenstönde, namentlich menschlicher Figuren, im Telestereoskope ist sehr überraschend und zierUch. Der Eindruck unterscheidet sich von der Verkleinerung durch Concavgläser wesentlich dadurch, dass man nicht nur verkleinerte Bilder, sondern wirklich ver- kleinerte Körper vor sich zu sehen glaubt Vergrösserungen lassen sich mit dem Telestereoskop leicht verbinden, der Beobachter braucht nur unmittelbar zwischen seine Augen und die kleinen Spiegel eiQ doppeltes Opernglas zu bringen; noch vortheilhafter für das Gesichtsfeld ist es die Oculare und Objective des Opernglases herauszunehmen und im Telestereoskop so zu befestigen, dass das Licht auf jeder Seite erst den grossen Spiegel, dann das Objectiv, dann den 490 Physiologische Optik. kleinen Spiegel, endlich das Ocular trifft , sodass dabei die optische Axe des Fernrohrs selbst unter einem rechten Winkel gebrochen wird. Je stärker die Yergrdsserong ist, desto grössere Anforderungen muss man natürlich an die Genauig- keit der Planspiegel machen, aber man braucht sie dann auch nicht grösser als die Objectiygläser der Fernröhre zu wählen. Dergleichen zugleich teleskopische und stereoskopische Bilder übertreffen wiederum die gewöhnhchen Bilder eines einzehien Teleskops ausserordentlich an Lebendigkeit. Bei den einfachen teleskopischen Bildern schwindet die Anschauung yerschiedener Entfernung ganz und gar, die Gegenstände sehen vollständig so aus, als wären sie auf eine ebene Tafel gemalt Durch die bei dem GaUlei'schen Femrohre jetzt sehr gebräuch- 174 liehe Verbindung von zwei Femröhren erhält man allerdings für die näheren Gegenstände eine gewisse Anschauung des Reliefs, weshalb die doppelten Operngläser schon einen viel lebendigeren Eindruck geben als ein einzehies. Aber bei der gebräuchlichen Construction dieser Instrumente ist das Belief falsch, die Gegenstände erscheinen nach der Tiefendimension des Gesichtsfeldes zu kurz, als wären sie plattgedrückt Bei menschlichen Gesichtern, zu deren Betrachtung die doppelten Operngläser doch hauptsächlich bestimmt sind, ist dies sehr auffallend. Wenn man sie von vorn betrachtet,. sehen sie viel platter aus, als sie sind, und wenn man sie im Profil erblickt, sehen sie zu schmal und spitz aus. In beiden Fällen wird der Ausdruck des Gesichts wesentlich verändert ^enn man ein doppeltes Opernglas umdreht und durch die Objectivgläser hineinsieht, erscheinen dagegen die Tiefen- dimensionen der Gegenstände unverhältnissmässig vergrössert. Während also durch ein einfaches Femrohr alle Gegenstände wie Gemälde erscheinen, sieht man durch ein doppeltes Opern- glas volle Gegenstände wie Basreliefs, und durch dasselbe Opernglas in umgekehrter Haltung wirkliche Basrelief wie Hautreliefs. Auch theoretisch findet man leicht aus den bekannten Gesetzen der Femröhre und des stereoskopischen Sehens, da&s ein Doppelfemrohr, dessen optische Axen parallel und genau um den Abstand der beiden Augen des Beobachters von ein- Telestereoskop. 491 ander entfernt sind, welches nMal yergrössert, die Gegenständ» so erscheinen lässt, als wären alle senkrecht zur Axe des Femrohrs gerichteten Dimensionen unverändert geblieben,, die Entfernungen der Gegenstände vom Beobachter, parallel der optischen Axe, dagegen auf 1/n reducirt, so dass der Be- obachter die Gegenstände in natürlicher Grösse, aber genähert, und nach der Tiefendimension des Gesichtsfeldes comprimirt zu sehen glaubt. Während jedes einzelne Femrohr dem Beobachter den Gegenstand so zeigt, wie er in 1/n der Entfernung erscheint, sind doch die Verschiedenheiten der perspectivischen Ansicht i7s beider Augen nicht so gross, wie sie sein würden, wenn der Beobachter sich dem Gegenstande wirklich bis auf 1/n der Entfernung genähert hätte. Durch Verbindung eines Doppel- femrohrs mit einem Telestereoskop von parallelen Spiegel- paaren wird dieser Fehler nicht beseitigt; es tritt nur eine gleichmässige weitere Reduction aller scheinbaren linearen Dimensionen, wie sie das Doppelfemrohr zeigt, ein. Wohl abe